Ball und Spieler sind häufig im hohen Tempo unterwegs - zu schnell für das menschliche Auge?
Ball und Spieler sind häufig im hohen Tempo unterwegs – zu schnell für das menschliche Auge?

Die Frage der Einführung des Videobeweises spaltet nicht nur die Fußballfans in zwei Lager, sondern auch die Redaktion von SGE4EVER.de. Wir haben unsere zwei Redakteure Christopher und Ralf gebeten, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die Position von Chris findet Ihr nachfolgend; der Beitrag von Ralf wird morgen zu lesen sein.


Es ist noch gar nicht so lange her, da brauchten die Spieler des FC Bayern München ca. 2,4 Sekunden um den Ball zu verarbeiten, sich umzuschauen und dann erst den Pass zu spielen. 2008 war dies noch, als der Akteur in der gegnerischen Hälfte gefühlt ganz viel Zeit hatte und das Spiel längst nicht so temporeich war, wie es aktuell der Fall ist. Daniel Memmert, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln und Leiter des Instituts für Kognitions- und Sportspielforschung, untersucht im Kicker die Annahme, dass das Spiel immer schneller werde. Die Ergebnisse bestätigten diese These: Die durchschnittliche Ballkontaktzeit ist demnach in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt von drei Sekunden auf unter eine Sekunde gefallen. Hat das Leder einmal die eigene Hälfte verlassen, muss es schnell und präzise weitergehen. Wie auch eine Untersuchung der Technischen Universität Kaiserslautern ergab, muss für einen erfolgreichen Torabschluss schnell und direkt gespielt werden.

Dabei sollte aber nicht nur der Ball, sondern auch der jeweilige Spieler schnell laufen. Die Zahl der Sprints in hoher Intensität hat, so Memmert, zwischen 2006 und 2013 im Schnitt um 30 Prozent zugenommen – basierend auf Forschungsergebnissen in der Premier League. So absolvierte beispielsweise Stefan Aigner am Samstag in der Partie gegen die TSG Hoffenheim (0:0) 66 intensive Läufe (80-90% der maximal möglichen Geschwindigkeit) und sprintete (90+X% der maximal möglichen Geschwindigkeit) ferner noch 22mal. Haris Seferovic sprintete gar 28mal und setzte 64 zu intensive Läufen an. Neben diesen Erkenntnissen fand Memmert auch noch heraus, dass die Passrate von 11 auf 15 Pässe pro Minute gestiegen ist und die Geschwindigkeit des Balles sich von 8,0 auf 9,2 Meter pro Sekunde erhöht hat.

Kann das menschliche Auge dem Spiel somit wirklich noch folgen? Haben die Schiedsrichter überhaupt die Möglichkeit, eine fehlerfreie Partie abzuliefern? Oder müssen sie sich bei knappen Entscheidungen zu oft auf den Faktor „Glück“ verlassen? Die Akteure sind athletischer geworden, Spiel- und Ballgeschwindigkeit haben „defintiv zugenommen„, wie Memmert bestätigt. Der Professor hat deshalb auch eine eindeutige Meinung zum Videobeweis: „Ich habe schon vor fünf Jahren gesagt, dass es ohne Videobeweis nicht mehr geht. Damals wurde ich belächelt bis verachtet. Mittlerweile hat sich das gedreht. Die Argumente aufseiten der Gegner schwinden.“

Man muss schon kritisch nachfragen – was spricht eigentlich noch gegen die Einführung des Videobeweises?

Will den Videobeweis einführen. Schiedsrichterboss Herbert Fandel.
Will den Videobeweis einführen. Schiedsrichterboss Herbert Fandel.

a) „Fehlentscheidungen gehören zum Fußball dazu …„: Häufig hat man in Debatten das Gefühl, dass dies der letzte Strohhalm ist, an den sich die Gegner klammern. Es gäbe ja dann keine Diskussionen mehr, wenn auf einmal nicht mehr über strittige Abseits- oder Elfmetersituationen diskutiert werden könne. Gegenfrage hierzu: Gibt es nicht genügend sportliche Sachen zu besprechen? Der Fußball ist so facettenreich und bietet so viele Möglichkeiten für heiße und spannende Debatten. Alleine das Beispiel Eintracht Frankfurt hat deutlich gemacht, dass wochenlang und hitzig gesprochen wurde – ohne das der Begriff Schiedsrichter überhaupt einmal gefallen ist. Nein – Fehlentscheidungen gehören nicht zum Fußball dazu! Sie müssen endgültig auf ein erträgliches Minimum reduziert werden.

b) „Im Laufe einer Saison gleicht sich alles aus …„: Nehmen wir hier einmal folgendes an: Der Eintracht wird gegen einen Gegner X in der 90. Minute ein Elfmeter verwehrt oder ein Treffer wegen vermeintlicher Abseitsposition weggepfiffen. Es wäre das 1:0 Siegtor gewesen – drei Zähler statt nur einem. Eine Woche später gibt es dann einen Strafstoß – beim Stand von 3:1 in der Nachspielzeit. Nach Ansicht der Zeitlupen stellt sich heraus, dass es eine Schwalbe war, dieser nicht gegeben hätte werden dürfen. Die Hessen gewinnen 4:1, hätten aber auch ohne diese Fehlentscheidung gewonnen. Ist das also ausgleichende Gerechtigkeit? Nein, auch dieses Argument kann nicht mehr herhalten in der Diskussion um die Einführung des Videobeweises.

c) „Die Menschlichkeit muss erhalten bleiben …„: Man darf gespannt sein, ob die Leute, die aufgrund eines Abstiegs ihres Vereins die Arbeitsplätze verloren haben, mit diesem Argument irgendwie konform gehen würden. Natürlich kann man das Argument anbringen, dass jeder Verein 34 Spieltage Zeit hat, um genügend Punkte zu sammeln. Aber dann gibt es eben die Clubs, die sich damit schwerer tun und nicht das Material haben, um in oberen Regionen mitspielen zu können. Hier kommt es auf jeden Punkt an – siehe der FC Augsburg, der am 3. Spieltag beim FC Bayern München einen falschen Elfmeterpfiff in der Schlusssekunde schlucken musste und dadurch 1:2 verlor. Die Fuggerstädter haben sich bis heute davon nicht mehr erholt und stehen ganz unten in der Tabelle. Oder was passiert, wenn man am letzten Spieltag knapp führt und der Unparteiische dann eine Fehlentscheidung trifft, die zum Gegentor und somit zum Abstieg führt? Ob da noch das Thema „Menschlichkeit“ eine Rolle in den Gedanken der Spieler und Verantwortlichen spielt? Auch hier sind Zweifel durchaus erlaubt.

Fazit: Der Videobeweis muss eingeführt werden – und es ist richtig, dass Schiedsrichterboss Herbert Fandel sich endlich für die technische Neuerung öffnet. Hierbei sollte es um die ganz engen Situationen im Strafraum und um das Thema Notbremse gehen. Es wird weiterhin schwierig bleiben, eine Abseitsposition, die 40 Meter vor dem gegnerischen Kasten angezeigt wurde, auszuspielen – sobald die Fahne hier hochgeht ist das Spiel eben unterbrochen, haben die Akteure bereits abgeschaltet, sodass eine seriöse Bewertung der Szene nicht mehr möglich ist. Allerdings gab es in den vergangenen Wochen genügend Beispiele, die mit einem kurzen Blick auf die Zeitlupen hätten richtig bewertet werden können: Handspiel des Hannoveraners Leon Andreasen gegen den 1. FC Köln; die eindeutige Abseitsposition von André Schürrle in der Partie VfL Wolfsburg gegen Bayer 04 Leverkusen oder das klare Foulspiel an Makoto Hasebe in der Partie gegen die Hoffenheimer. Auch der Strafstoß am 3. Spieltag, als Douglas Costa einfach auf Markus Feulner auflief, wäre wohl nie gegeben worden. „Ohne Videobeweis geht es nicht“ – man kann sich dem Wissenschaftler Memmert nur anschließen. Die Unparteiischen wären entlastet – und das minutenlange Diskutieren nach strittigen Entscheidungen würde so wohl – glücklicherweise – der Vergangenheit angehören.

Autor Christopher

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9 Kommentare

  1. Ist doch egal, wer überträgt. Kann mir nicht vorstellen, dass, blos weil Sky in Unterföhring sitzt, bei Szenen, die unberechtigterweise für die Bayern ausgelegt werden, nur Panoramaaufnahmen gezeigt werden.

    Wie schon mehrfach ausführlich dargelegt: Es geht um Millionen etc. pp.

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  2. Aber wehe es liegt dann erstmalig seltsamerweise angeblicherweise keine verwertbare Aufnahme vor, womöglich zum Vorteil von den Bayern, okay dann heißt es eben „Fußball Mafia Sky“! Und haben die Bayern nicht die bester Hacker, also H“Ä“cker-Abteilung der Welt? 😉

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  3. Ich bin für den Videobeweis! Gute Argumente im Artikel, besonders nervt mich das unsinnige „Im Laufe einer Saison gleicht sich alles wieder aus“. Schaut nur die letzten Relegationen an, danach konnte sich nichts mehr ausgleichen.

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  4. Ich kann mich hier nur wiederholen:
    Den „Videobeweis“ gibt es doch schon !
    Alle sky Zuschauer wissen unmittelbar nach der Szene, was sich wirklich ereignet hat.
    Bis auf ganz wenige Beispiele kann man alles klar erkennen, während auf dem Platz im Rudel
    diskutiert wird.
    Tausende im Stadion können die Info auf ihren Smartphones sofort abrufen. Damit sind
    auch die Trainerbänke informiert.
    Die einzigen „Ahnungslosen“ sind die vier armen Schweine auf dem Platz und an der Linie,
    die bei der Fehlentscheidung bleiben.
    Das Ganze ist fast schon pervers und hat mit alter Fußballromantik nichts mehr zu tun.

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  5. Völlig richtig Block 17. 50.000 Zuschauer im Stadion wissen es – Millionen Zuschauer vor dem TV wissen es – der Spieler selbst, der umgehauen wurde, weiß es – nur die vier Schiedsrichter konnten es mal wieder nicht sehen (weil sie schlecht gestanden oder die Situation einfach falsch bewertet haben). Es wird einfach Zeit für die Einführung….

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  6. Ich würde es begrüßen, gerade nach dem Hoffenheim-Spiel. Ich hab das Foul an Hasebe sofort gesehen und brauchte nicht mal die Wiederholung oder Zeitlupe. Die Linienrichter sind von der Schnelligkeit oft überfordert und der Schiedsrichter steht nicht immer optimal. Also her damit! Die wenigen Begünstigungen wiegen die Entscheidungen gegen uns lange nicht auf.

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  7. Denke zu dem Thema ist alles gesagt und genug geschrieben. Macht keinen Sinn hier täglich einen neuen Beitrag zu dem Thema zu erstellen in meinen Augen.

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  8. @7
    Also ich hab mal nen Bayern-Aufkleber in einer Kloschüssel angebracht, von daher weiß ich nicht genau, wie ich das Design deiner Retirade einschätzen soll…

    Trotzdem, sieht gut aus!

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