Marco Gebhardt (110 Spiele für die Eintracht, 10 Tore) ist aktuell Trainer beim Oberligisten Blau-Weiß Berlin. (Foto: Tobias Haack)

Bei der Frankfurter Eintracht hat sich Filip Kostic in dieser Saison zur vielleicht positivsten Überraschung gemausert. Einer seiner beliebtesten Vorgänger auf der linken Außenbahn war Marco Gebhardt. Der heute 46-Jährige beackerte den Flügel der SGE von 1997 bis 2002 und hat am Main zahlreiche Höhen und Tiefen mitgemacht. Welchen Rat er der aktuellen Mannschaft für ihren Höhenflug gibt und warum sich Jan-Aage Fjörtoft im Training mal fast die Beine gebrochen hat, verrät der gebürtige Quedlinburger in einem exklusiven Interview mit SGE4EVER.de.

Marco Gebhardt, wenn man über Eintracht Frankfurt spricht, kommt man nicht drum herum, über diesen super Lauf zu reden. Wie empfindest Du die Eintracht in diesem Jahr?
Es macht absolut Spaß, dieser Truppe zuzuschauen. Es sind auch so Dinge, wie die Dokumentation bei Nitro, die vor den Europacup-Spielen läuft. Dass der Verein solchen Sachen zustimmt und so offen ist, das macht einfach Spaß. Und sportlich läuft es natürlich fantastisch. Man kann allen Beteiligten nur ein großes Kompliment machen. Auch wie sie nach dem Pokalspiel in Ulm die Ruhe behalten haben. Das geht ja sonst auch mal ganz schnell anders in Frankfurt. Ich verfolge auch, was Fredi Bobic macht und was er für Interviews gibt. Man kann der Eintracht da nur gratulieren!“

Du hast die Unruhe in Frankfurt angesprochen. Nach dem Abschied von Niko Kovac, den Abgängen im Sommer und dem Fehlstart in Supercup und DFB-Pokal haben sich viele Anhänger Sorgen um ihre Eintracht gemacht. Wie war es bei Dir?
„Was heißt schon Sorgen machen? Es ist ja leider in unserer Gesellschaft, und vor allem im Profisport, alles sehr ergebnisorientiert. Entscheidend für Frankfurt war, dass man trotzdem die Ruhe bewahrt hat. Der Verein hat sehr großes Vertrauen in seinen Trainer gesetzt und das zahlt sich jetzt aus.“

Wie intensiv verfolgst Du überhaupt noch, was in Frankfurt vor sich geht?
Ich freue mich auf das Spiel bei Hertha BSC, da werde ich dabei sein und die Daumen drücken. Ich war auch beim Pokalfinale und verfolge das alles noch regelmäßig.“

Jetzt hatte die Mannschaft gerade einen rekordverdächtigen Lauf mit elf Spielen ohne Niederlage. Zu Deiner Zeit bei der Eintracht hattet ihr auch zwei sehr gute Serien. Einmal der legendäre Saisonendspurt 1999 und dann die Rückrunde im Jahr 2000 unter Felix Magath. Aus Deiner Erfahrung: Wie kommt so ein Flow zustande und wie hält man ihn am laufen?
Das geht nur, indem man diszipliniert bleibt und weiter hart arbeitet. Das ist die Maxime und dann geht es über Erfolgserlebnisse. Das kann ein gewonnener Zweikampf im Training sein, ein angebrachter Einwurf. All diese Sachen. Den Gegner bringst du immer nur durch eigene Fehler ins Spiel. Man braucht eine hohe Konzentration und das fängt im Training an. Viele haben damals über Felix Magath geschimpft, aber er hat uns zur drittbesten Rückrunden-Mannschaft gemacht. Und sein weiterer Weg spricht ja auch für sich. Der Profifußball ist eine Ellenbogengesellschaft. Da musst du dich halt durchsetzen. Das geht nur über harte Arbeit.“

War Felix Magath der Trainer, der Dich für deine Trainerlaufbahn am meisten geprägt hat?
Ja, aber ich habe eigentlich von jedem Trainer etwas mitgenommen. Jörg Berger, Ede Geyer, in Frankfurt hatte ich auch viele Trainer. Da nimmt man von jedem was positives und was negatives mit. Das muss man dann halt für sich bündeln.“

Wie bewertest Du den Typ Adi Hütter? Er ist ja bemerkenswert unaufgeregt.
Ich weiß nicht, ob das der österreichische Schmäh ist, aber er hat auf jeden Fall die gewisse Ruhe. Man hat ja ab und zu auch ein bisschen von seiner Ansprache gesehen. Die finde ich super. Er geht gut mit den Jungs um. Das ist ja heutzutage nicht so einfach. Die Gesellschaft hat sich geändert, die Jungs haben sich geändert. Ich bin natürlich viel zu weit weg, um das richtig zu beurteilen. Aber das, was man hört, klingt nach einer guten Basis mit den Spielern.“

Die Eintracht war Deine längste Station im Profifußball. War es rückblickend auch die schönste?
Ja, es war schon schön. Wir waren ja auch erfolgreich. Aber auch meine anderen Stationen waren okay. Egal ob Stendal, Verl, München, Cottbus, Union Berlin. Man nimmt von allen was mit. Bei Union ging es ja zum Beispiel auch nur bergauf. Es hat eigentlich überall Spaß gemacht.“

Du warst von 1997 bis 2002 in Frankfurt. Eine Zeit, in der es im Verein sehr chaotisch zuging. Was waren die schönsten Anekdoten für Dich und was waren die Tiefpunkte?
„Einen Aufstieg nimmt man natürlich immer gerne mit. Mit unserer No-Name-Truppe war das damals richtig toll. Die Nichtabstiegsfeier nach dem Spiel gegen Kaiserslautern 1999 war super. Da haben wir richtig die Sau rausgelassen. Es waren schon tolle Sachen dabei. Ein bitterer Moment für mich war die Trainerentlassung von Horst Ehrmantraut. Er hat mich damals geholt und an uns geglaubt. Ihn hat man dann zu einem unmöglichen Zeitpunkt entlassen, was natürlich auch völlig daneben ging.“

Wie kam Dein Wechsel zur Eintracht damals eigentlich zustande? Einen Regionalliga-Spieler aus Verl hatten ja sicherlich nicht viele auf dem Zettel.
Das ging über Horst Ehrmantraut und seinen Co-Trainer Bernhard Lippert. Die haben mich beobachtet und zum Probetraining eingeladen. Nach dem Probetraining haben wir das dann auch gleich fix gemacht. Das war vom Alter her damals ein ungewöhnlicher Zeitpunkt (Anm. d. Red.: Gebhardt war 24), aber es war sowieso alles anders als heute. Es war ein riesiger Sprung für mich und ich habe mich natürlich gefreut.“

Du hast dann gleich Deine Einsatzzeiten bekommen und auch mit der Mannschaft ging es nach oben. Was hat dieses Aufstiegs-Team damals ausgezeichnet?
Ich habe zwar meine Spiele gemacht, aber ich musste mich schon erstmal rein kämpfen. Das war für mich Neuland. Das Waldstadion und auch der Druck. Von Vereinsseite hatten wir ihn nicht, aber man hat ihn gemerkt, je mehr positive Ergebnisse wir hatten. Dann hat auch der Kopf eine Rolle gespielt. Wir haben uns gefragt, ob wir das wirklich packen können. Am Ende haben wir es dann geschafft. Es war schon eine tolle Mannschaft. Wir hatten richtig gute Charaktere in der Truppe.“

Gibt es noch Kontakt zu dem einen oder anderen Spieler von damals? Nächstes Jahr jährt sich das Wunder von 1999 zum 20. Mal. Ist vielleicht sogar eine Art Klassentreffen geplant?
„Stimmt, das werden ja wirklich schon 20 Jahre. Ich weiß gar nicht, ob der Verein da was plant. Kontakt habe ich noch zum Zeugwart Franco Lionti. Ich war auch mal in Frankfurt und habe Alex Schur und Armin Kraaz im NLZ besucht. Wenn ich mal mehr Zeit habe, will ich unbedingt mal ins Museum und mir das angucken. Vielleicht klappt es ja diese Saison nochmal.“

Wenn man auf das Saisonfinale von 1999 schaut, läuft in allen Rückblicken das Übersteiger-Tor von Jan-Aage Fjörtoft. Dabei fand ich persönlich Dein Tor zum 3:1 viel schöner. Ärgert Dich das insgeheim ein bisschen?
Das sagen viele (lacht). Diesen Übersteiger hat er ja x-Mal im Training versucht und ist dann immer über seine Beinchen gestolpert. Vor allem war das ja auch physikalisch unerklärbar. Dass er auf diese Seite geht und Reinke ihm die Sache so anbietet. Aber es hat zu diesem Spiel gepasst. Diese fünf Tore waren ja alle fantastisch. Egal, ob klasse gespielt, oder klasse erzielt. Und wenn wir noch eins gebraucht hätten, hätten wir auch noch eins gemacht. Das war schon Wahnsinn. Und Fjörte, das war einfach ein cooler und lustiger Typ.“

Zwei Fragen zum Abschluss: Wo steht die Eintracht am Saisonende und wann sieht man Marco Gebhardt im Profifußball wieder?
Fußball kann man natürlich nie planen. Ich bin jetzt im vierten Jahr bei Blau-Weiß Berlin. Wir sind zweimal aufgestiegen. Man weiß es nicht. Wo die Eintracht am Ende landet, wird man sehen. Ich drücke ihr auf jeden Fall die Daumen, dass sie die Luft haben. Sie haben sicherlich die Doppelbelastung, aber das machen sie momentan richtig gut. Wenn man die Bundesliga als solches betrachtet, ist dieses Jahr für einige Mannschaften was drin.“

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8 Kommentare

  1. Es war tatsächlich so, dass 4 der 5 Tore besonders schön erzielt oder herausgespielt wurden. Und Gebhardts Tor war beides. Mit der Hacke im 1:1 gg. den Gegenspieler gehoben und mit dem Aussenrist unter das Tordach genagelt… für mich als Gesamtkunstwerk eines der schönsten Tore überhaupt. Und dann noch in so einem existentiellen Match. Gegen einen Championsleague-Aspiranten.
    Ich habe diesen Tag so drin, im Gedächtnis, im Herzen. Damals mit meinem bestem Eintrachtkumpel und 3 Gladbachern auf Premiere in einer WG 300 Km entfernt vom Waldstadion… bei Abpfiff gab es erst eine halbstündige Knutsch-, Kreisch- und Umarmorgie ( mein Kumpel behauptet bis heute, dass wir beide auch sehr feuchte Augen gehabt hätten), danach gab es von der frankfurter Fraktion Pizza und Bier für alle und später eine unvergessene Nacht in einem Technoclub bis morgens um 7.
    Eintracht ist einfach mehr. Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Viele prägende Erinnerungen mit Freunden, die ich alle noch habe (Treue ist SGE‘ lern wohl einfach gegeben), sind durch, mit und wegen dieses geilsten Vereins der Welt geboren. Auf ewig.

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  2. @ sge1899

    Du sprichst mir aus der Seele. Eintrachtfan zu sein bedeutet Leidensfähigkeit, Treue und Loyalität. Das überträgt sich auf das alltägliche Leben. Schöner Text !

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  3. OT: Interview Fredi Bobic
    Habe durch Zufall ein sehr interessantes Interview mit Fredi Bobic gefunden und gehört.
    Zu hören bei Fussballpodcast „Phrasenmäher“.
    Ich hoffe, @die Redaktion von sge4ever hat nichts dagegen, dass ich hier die Soundcloudseite für alle Eintrachtler, die es interessiert, hier verlinke. Aber es ist ein sehr gutes Interview über die Person Fredi Bobic und zur aktuellen Situation der Eintracht.
    https://soundcloud.com/phrasenmaeher

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  4. @Nicknackman
    Ab und zu zumindest 😉 Und wenn nicht, haben wir meist unsere aufmerksamen User, die uns unterstützen. Danke dafür!

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  5. @Benny:
    Ich finde es manchmal etwas schade, dass Quellen nicht verlinkt werden. Ich fand es zumindest sehr interessant mir das auch ein Mal selber anzuhören 🙂

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  6. @7
    Das ist bei uns tatsächlich nicht üblich. Das handhabt jedes Medium anders. Aber ich gebe den Wunsch in jedem Fall mal in die Redaktion.

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