Timothy Chandler reckt 2018 den DFB-Pokal in den Berliner Nachthimmel. Geht es nach den Eintracht-Fans, dürfte sich dieses Bild am Samstag wiederholen. (IMAGO / Jan Huebner)

Timothy Chandler bezeichnet sich selbst und absolut zurecht als „Frankfurter Bub“, denn im März 1990 kam er in der Mainmetropole zur Welt und verbrachte bislang, mit der Ausnahme von vier Jahren beim 1. FC Nürnberg, seine komplette Profi-Laufbahn bei der Eintracht. Aber ans Aufhören denkt der 32-Jährige, dessen aktuelles Arbeitspapier noch bis Sommer 2025 Gültigkeit besitzt, lange nicht. Im exklusiven Interview sprach der Rechtsverteidiger mit den SGE4EVER.de-Redakteuren André Eichhorn und Marcel Storch über die Vergangenheit, seine bisherigen Finalerlebnisse und vor allen Dingen das bevorstehende Saisonfinale im DFB-Pokal am kommenden Samstag.

Timothy, 2006 stand die SGE im Endspiel, du als 16-Jähriger hast schon in der Eintracht-Jugend gespielt. Wie hast du das Finale damals verfolgt?
„Ich habe das Spiel damals zuhause mit Freunden geschaut. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht so viel unterwegs. Meine Mutter war alleinerziehend, da konnte ich nicht überall hinfahren.“

War das damals schon in deinem Kopf, dort selbst auch mal aufzulaufen?
„Natürlich hatten wir als Kind den Wunsch, irgendwann einmal im Waldstadion zu spielen. Als Kind träumt man auch mal davon, einen Pokal hochzuhalten, diese Emotionen zu erleben, was das in dir weckt, wenn sich die Leute und die Mannschaft freuen. Aber es war nicht so, dass ich rumgelaufen bin und gesagt habe: Ein DFB-Pokalfinale möchte ich auch mal erleben.“

2017 war es dann soweit, du warst dabei auf dem Rasen. Wie hast du das als Spieler erlebt?
„Bei mir zuhause war ein Run auf die Karten. Wir sind damals schon am Donnerstag hingefahren, haben alles aufgesaugt. Gesehen, wie alles aufgebaut wurde, dann dort trainiert. Das war unglaublich, ich hatte drei Tage Gänsehaut, das war pure Freude.“

Was macht die Atmosphäre in Berlin aus?
„Es ist erstmal wichtig, dass unsere Fans die richtige Kurve haben. Die brauchen ihren Platz, um lauthals Stimmung zu machen. Das haben sie. Ich weiß, dass unsere Fans wieder etwas Riesiges auf die Beine stellen und 90 Minuten das Stadion einnehmen werden. Das euphorisiert, wenn du auf den Platz kommst. Ich werde den Jungs sagen, freut euch drauf, haut alles raus. Egal, was passiert, euch wird niemand böse sein.“

2018 hast du verletzungsbedingt im Finale gefehlt. Wie hast du den Pokalsieg erlebt?
„Zweimal hintereinander mit Eintracht Frankfurt im Finale, das ist etwas Unglaubliches. Damals habe ich gesagt, diesmal können wir nicht verlieren, weil so oft wird das nicht wieder passieren. Das habe ich damals gedacht. (lacht) Ich war das ganze Spiel super nervös, habe an meinen Fingernägeln gekaut. Ich wusste, dass die Jungs vorne um Ante Rebic, der Bulle, nicht zu stoppen sein werden. Es war für jeden Fan wie das erste Mal, das beste und unglaublichste Gefühl.“

Wie ist das als Spieler, der verletzt in einem solchen Finale fehlt. Fühlt man sich trotzdem als Teil des Teams oder hadert, weil man eigentlich nicht viel zum Erfolg beitragen konnte?
„Wenn ich das ganze Jahr verletzt gewesen wäre, wäre das vielleicht noch mal was anderes. Aber ich habe am Anfang viele Spiele im Pokal gemacht, hab auch ein, zwei Tore gemacht. Eintracht Frankfurt ist mein Zuhause. Ihr kennt mich, auch wenn ich nicht spiele, fühle ich mich immer zugehörig zum Team. Für mich ist wichtig, dass die Jungs mich akzeptieren, egal ob ich spiele oder nicht. Ich versuche mich immer mit der Situation abzufinden, zu tun, was das Beste für Mannschaft und Verein ist. Von daher habe ich mich komplett integriert gefühlt, mitgefiebert und gefreut.“

War die Anspannung 2018 anders als 2017? Gerade da ihr ja bereits Erfahrung aus dem Vorjahr gesammelt hattet.
„Die Nervosität bei mir war ein bisschen anders, weil ich nicht auf dem Platz stand. Aber ich wollte unbedingt gewinnen, vor allem gegen Bayern München. Die haben sich wahrscheinlich gedacht, da laufen wir kurz drüber und dann ist Feierabend. Aber als ich gesehen habe, was die Fans dort aufgebaut haben und was sie abgeliefert haben, wusste ich: Das wird heute was. Ich wusste, dieses Spiel müssen wir gewinnen: Für die Fans, den Verein, die Stadt – sie hatten sich das verdient gehabt.“

Aber der DFB-Pokal durfte damals noch nicht mit in dein Bett, oder?
„Nein, der durfte damals nicht mit. Das Foto fehlt noch.“ (lacht)

Das könnte sich am 3. Juni ändern. Worauf wird es im Endspiel gegen Leipzig ankommen?
„Es wird auf jeden Fall ein sehr intensives Spiel, weil beide Mannschaften intensives Anlaufen und Pressing betreiben. Und auch viele schnelle Spieler auf dem Feld stehen werden. Wenn wir unsere Frankfurter Prinzipien mit ins Spiel bringen, dagegenhalten, intensiv unsere Zweikämpfe führen, dann wird es eklig und schwer für Leipzig.“

Deine Bilanz im DFB-Pokal gegen RB Leipzig liegt bei 100 Prozent. Eigentlich müsste Coach Oliver Glasner dich aufstellen.
„Ja, gegen Leipzig habe ich tatsächlich immer gut ausgeschaut. In der Liga habe ich mal ein Tor gemacht und ein paar Tage später haben wir im Pokal gegen sie gewonnen. Ihr habt es gesagt: Der Trainer muss mich aufstellen oder mir fünf Minuten geben, dann holen wir das Ding.“ (lacht)

Gegen Augsburg und Mainz hast du deine ersten beiden Einsätze in diesem Jahr gehabt. Wie hat es sich angefühlt, wieder auf dem Platz zu stehen?
„Gerade gegen Augsburg war es ein tolles Gefühl hier zuhause reinzukommen, zu hören, wie die Fans deinen Namen rufen und sich auch für dich freuen. Das war ein tolles Gefühl. Jede Minute, die ich für Eintracht Frankfurt auf dem Feld stehe, versuche ich alles auf dem Platz zu lassen. Ich bin glücklich, egal ob es 30 Sekunden, fünf Minuten oder 90 Minuten sind. Es ist immer wieder atemberaubend, mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen.“

Im Sommer kommt ein neuer Trainer. Für dich wird es der sechste Eintracht-Coach in deiner Profi-Zeit. Schöpfst du daraus neue Hoffnung auf mehr Einsatzzeit? Oder wie sind deine Gedankengänge?
„Das kann man immer einfach sagen. Jeder Trainer hat seine Gedankengänge, wie er spielen lassen möchte, wie er Spieler sieht. Auch der neue Trainer kann sagen, ich setze nicht auf Timmy. Aber es ist wieder eine neue Chance sich zu zeigen, sich zu beweisen. Ich bin topfit, habe jedes Training in diesem Jahr absolviert. Ich werde alles reinhauen, damit ich mit mir am Ende zufrieden bin. Am Ende entscheidet der Trainer dann.“

Wie geht ihr als Mannschaft mit der Trainersuche um. Ist das Thema in der Kabine?
„Wir sind ja sehr international. Ich glaube, vier oder fünf Spieler können vielleicht eure Seite lesen. (lacht) Mit Seppl oder Mario unterhalten wir uns natürlich. Am Ende trifft der Verein die Entscheidung und wir müssen nächste Saison das Beste daraus machen.“

Timothy Chandler im Gespräch mit den SGE4EVER.de-Redakteuren Marcel Storch und André Eichhorn.

Nach der Bekanntgabe, dass der Verein und Oliver Glasner im Sommer getrennte Wege gehen, lief es gegen Mainz direkt wieder. Hat diese Klarheit für Erleichterung in der Mannschaft gesorgt oder wie ist die Leistung gegen Mainz zu erklären gewesen?
„Gegen Mainz haben wir wieder unser Herz auf dem Platz gelassen. Vielleicht nicht das beste Fußballspiel gemacht, aber uns in die Zweikämpfe gehauen und die Bälle verteidigt. Vielleicht hat es uns gut getan, dass für die Zukunft Klarheit herrscht. Die Spieler wussten jetzt, was Sache ist im Sommer, können sich Gedanken machen, wie sie damit umgehen. Aber gefühlt ist da schon etwas freigeworden.“

Du bist bekannt als Spaßvogel im Team, als einer, der immer gut drauf ist. Gab es trotzdem mal Momente, wo Verantwortliche oder Trainer zu dir kamen und dir gesagt haben: Timmy, bleib mal Ernst jetzt.
„Nein, auch wenn ich immer gute Laune habe, kann ich ganz gut unterscheiden, wann ich einen Spaß machen kann und wann nicht. So bin ich als Mensch. Ich bin jetzt 33, viele denken immer noch, dass ich ein Teenager bin. Für mich ist wichtig, dass die Jungs an dem Job, für Eintracht Frankfurt zu spielen, Spaß haben. Das sollte man haben, wenn man hier spielt.“

Du hast bis 2025 Vertrag, mit einem Anschlussvertrag. Ist danach sicher Schluss, oder welche Gedankengänge gibt es?
„So wie ich mich jetzt fühle, ist auf keinen Fall Schluss. Ich bin topfit, fühle mich gut und will noch weiter Fußball spielen. Am liebsten für Eintracht Frankfurt. Wenn mein Vertrag ausläuft, entscheidet Eintracht Frankfurt, ob sie nochmal mit mir als Spieler verlängern wollen oder in einer anderen Funktion. Ich würde am liebsten noch weiter Fußball spielen, wenn ich mich so fühle wie jetzt. Aber ich schaue von Jahr zu Jahr, wie ich mich fühle. Der erste Ansprechpartner ist für mich immer Eintracht Frankfurt. Und in Deutschland gibt es für mich nichts anderes.“

Also du könntest dir vorstellen Makoto Hasebe Konkurrenz zu machen und auch mit 40 Jahren noch für die SGE zu spielen…
„Wenn die Verantwortlichen das erlauben und ich bis dahin noch laufen kann, dann mach ich das…“

Makoto Hasebe könnte am Samstag das dritte Finale mit der Eintracht gewinnen und dabei auf dem Platz stehen. Was zeichnet ihn aus?
„Ich kenne ihn schon aus meiner Zeit aus Nürnberg. Er ist ein ganz entspannter Kerl mit tollem Humor. Wenn er sich mit seinen 39 Jahren totlacht über die Witze von uns, dann ist er nicht zu bremsen und denkt sich, wo bin ich hier eigentlich, was mach ich hier. Er ist ein herzensguter Mensch. Es gibt niemanden, der sich nicht mit ihm verstehen würde.“

Wie entscheidend die Relegation 2016 für Chandler war, was seine Wünsche für die Zukunft sind und was die Eintracht von vielen anderen Teams unterscheidet, lest ihr auf Seite 2:

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9 Kommentare

  1. @Redaktion
    Wie schon mehrfach hier im Forum gewünscht, vermisse ich hier einen Bericht über die verschiedenen Fan-Aktivitäten am kommenden Wochenende in Berlin. Es werden zig Tausende zum Pokalfinale fahren – viele ohne Tickets für das Stadion. Da wäre es doch schön, wenn man als SGE-ler wüsste, wo was stattfindet und man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann.

    -Was passiert an Freitagabend? Gibt es da schon Fan-Treffen? Einer schrieb, dass man sich beim letzten Finale 2018 in Kreuzberg getroffen hatte.

    -Wie kann man den Pokal im alten Rathaus anschauen?
    Ich habe mal was gelesen, dass man den Pokal bis Samstagmittag im alten Rathaus anschauen kann.

    -Was passiert sonst noch auf dem Breitscheidplatz?
    https://profis.eintracht.de/news/adlerimanflug-eintracht-fantreff-in-berlin-60199

    Und das Wichtigste:
    -Wo kann man abends das Pokalspiel sehen? Gibt es Public-Viewing in Berlin? In welchen Kneipen werden die Eintracht-Fans anzutreffen sein?

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  2. @2
    Ich verstehe Dich absolut mit Deinen Fragen ! ABER muss das jetzt hier sein nach diesem tollen Interview mit Timmy ?
    Ein toller Frankfurter Bub , Eintrachtler und Aushängeschild.
    Prima Artikel , Danke

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  3. Guten Morgen,

    sobald wir Informationen über etwaige Aktionen in und um Berlin erfahren haben, haben wir Sie euch hier und das meistens in unseren täglichen SGE kompakts zusammengestellt.

    So z.B. hier (und das soll nur als Beispiel dienen) https://www.sge4ever.de/sge-kompakt-roemer-empfang-nur-bei-pokalgewinn/ Näheres zum Ablauf, wie im von dir von 2017 genannten Artikel, gibt es aber seitens des Vereins noch nicht. Aber: wir haben erst Mittwoch-Vormittag, du wirst bis Samstag sicherlich hierzu noch näher informiert werden.

    Es wird kein Public Viewing geben, dafür gibt es das im Deutsche Bank Park, darüber berichteten wir.
    Deine weiteren Fragen zum Thema: „Wo trifft man sich Freitagabend, wo Samstagabend?“ –> Das wird mit Sicherheit jeder ganz individuell für sich treffen, aber ein über alle Fangruppen hinweg organsiertes Treffen kann es doch aufgrund der Massen gar nicht geben. Die Fans werden Kneipen, kleinere Public Viewings, Biergärten und öffentliche Plätze fluten – wie immer, wenn die Eintracht mit großen Support auswärts unterwegs ist. Ehrlicherweise liegt darin doch auch ein wenig der Charme.

    Kurzum: Fahrt nach Berlin, lasst euch treiben und habt Spaß!

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  4. Bin am Samstag im Stadion, leider „nur“ Karten für den Bereich der Dosen bekommen (Gegengerade)

    Wer hat Erfahrung mit früheren Finals, wie streng wird das mit Heim- und Gästebereich, also Trennung der Fans gehandhabt und kann ich da trotzdem im Adler-Trikot aufschlagen???

    Forza SGE

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  5. @2
    Ich versteh dein Anliegen, bin 2017 selbst spontan ohne Karte allein nach Berlin gefahren. War am Alex und kann mich dann ehrlichgesagt gar nicht mehr dran erinnern, wo ich wie das Spiel sah.. wahrscheinlich in irgendner Sportsbar 😀 Definitiv nicht mit anderen Eintracht-Fans..wobei das der Plan war.
    Aber war schon okay, ich hatte ein schönes Wochenend.
    Ich würd an deiner Stelle nach dem Alex mal ‚Zur Glühlampe‘ tingeln. Da triffste auf jeden Fall SGE-Fans. Wie die Lage dann bei denen aussieht und ob du da nen Platz kriegst? Keine Ahnung.. aber zumindest findeste dort Fans, die im Notfall das gleiche Problem wie du haben 😉
    Es gibt auch noch das Veritas in Charlottenburg.
    Oder aber einfach eine der hier genannten (https://www.tip-berlin.de/essen-trinken/bars/fussballkneipen-in-berlin-vereine/) Kneipen aufsuchen. Da ist doch eh keiner für Leipzig. Denke, da kommt man schon auf seine Kosten. Kommt halt auch drauf an, was du willst: ab und zu mal ein Blick aufs Spiel werfen geht bei der Glühlampe ganz sicher und Eintracht-Stimmung haste garantiert.
    Gemütlich vor ner fetten Leinwand jedes Detail des Spiels mitkriegen und die Bierkarte durchsaufen funktioniert vielleicht im Hops & Barley besser. Und auch da musste halt erstmal abchecken, ob die überhaupt offen haben oder nicht vielleicht im Urlaub sind. Wichtig könnte es sein, flexibel zu bleiben 🙂
    Thema Fantreff Freitagabend: schau am besten im Eintracht-Forum bzw frag dort nach.
    Hoffe, ich konnte zumindest n bissi helfen..
    Viel Spaß in Berlin!
    Forza SGE

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  6. Oops, sorry.. statt Alex muss hier natürlich Breitscheidplatz stehen.. das hat sich ja geändert.

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  7. @3, 4, 7
    Vielen Dank für eure Antworten und Tips. Ich hoffe, Berlin ist fest in hessischer Hand. Dann werde ich schon den richtigen Platz finden.

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