Charly Körbel sorgt sich um die Zukunft des Fußballs. (Foto: IMAGO / Revierfoto)

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass Eintracht-Legende Karl-Heinz „Charly“ Körbel mit dem Walther-Bensemann-Preis ausgezeichnet wird. Dieser „steht für das Anliegen der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur, den Fußball über das Spiel hinaus als kulturelles, historisches, soziales und politisches Phänomen zu begreifen“, wird er auf der Homepage des Preises definiert. Damit steht der Bundesliga-Rekordspieler Körbel ab jetzt in einer Reihe mit Legenden wie Bobby Charlton, Bert Trautmann, Alfredo di Stefano, Günter Netzer und Franz Beckenbauer, die den Preis ebenfalls erhalten hatten.

Eintracht-Legende Körbel bleibt bescheiden

„Als ich das gelesen habe, bin ich ein bisschen erschrocken: Wieso ich? Ich hätte nie daran gedacht, einmal diesen Preis zu bekommen. Ich bin kein Europameister, kein Weltmeister, kein Deutscher Meister. Ich habe zwar viermal den DFB-Pokal und einmal den UEFA-Cup gewonnen, aber normalerweise werden Leute ausgezeichnet, die größere Titel geholt haben. Ich gehöre auch nicht zu den Lautsprechern“, erklärte Körbel im Interview mit dem „kicker“ und betonte, dass er trotzdem sehr stolz sei: „Deshalb war ich schon erst mal überrascht. Aber ich bin auch stolz, weil ich weiß: Dieser Preis ist einer der ehrlichsten.“ Besonders angetan habe ihm, dass es eben nicht auf die Titel ankomme, sondern auf andere Werte wie Bodenständigkeit und Vereinstreue: „Diese Werte haben mir Spieler wie Uwe Seeler, Fritz Walter oder auch Gerd Müller in ganz jungen Jahren in persönlichen Gesprächen vermittelt. Das hat mich mein ganzes Leben lang beeinflusst.“

Der Preis geht auf Walther Bensemann zurück, der als einer der wichtigsten Pioniere des Fußballs in Deutschland gilt. Er war ab 1889 Mitbegründer von mehreren Fußballvereinen, organisierte im Dezember 1898 die sogenannten „Ur-Länderspiele“, also die ersten Spiele deutscher Auswahl-Mannschaften und war im Jahr 1900 als Vertreter mehrerer Klubs an der Gründung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) beteiligt. Außerdem gründete er 1920 den „kicker“. Er war immer überzeugt, dass Fußball viel zur Völkerverständigung beitragen könne. Körbel sieht dies genauso an, wie er an einem Beispiel aus seinem Heimatort Dossenheim erklärte, wo ein italienischer Spieler im Verein mitspielte: „Die Italiener waren damals Außenseiter im Ort, aber wir haben ihn gut aufgenommen. Er war ein super Mittelfeldspieler, ich habe ihn „Mazzola“ getauft in Anlehnung an Sandro Mazzola von Inter Mailand. So hat der Fußball enorm bei der Integration geholfen. Bei uns spielten auch viele Studenten aus ganz Deutschland, die in Heidelberg studierten und etwas Taschengeld verdienen wollten. Die Uni war unser Scoutingsystem für die erste Mannschaft. (lacht) Integration durch Fußball war in jeder Hinsicht etwas Selbstverständliches.“

Und auch im Laufe seiner Karriere sei dieser Gedanke immer wieder aufgekommen, so zum Beispiel im UEFA-Cup 1980 in Donezk: „Mein Schwiegervater wollte mit seiner Frau unbedingt mitkommen, um noch einmal den Ort zu sehen, wo im Krieg seine Kameraden und Freunde umgekommen waren. Er überlebte als Einziger, weil er nach einem Kopfschuss heimgeflogen wurde. Der Fußball verbindet solche Geschichten.“

Kritik an der Politik

Sein Grundgedanke lasse sich auch auf die heutige Zeit vermitteln, wie er erklärte: „Gerade in der heutigen Zeit, wenn ich etwa an die AfD denke, müssen wir in der Öffentlichkeit viel mehr sagen. Mein Schwiegervater und mein Opa haben mir vermittelt, dass wir aufpassen müssen, dass so etwas wie damals nie wieder passiert. Da erwarte ich von uns mehr, aber auch von der Politik.“ Das „Vertrauen in die Politik und in die handelnden Personen“ sei weniger geworden, was sich wieder ändern müsse: „Man sollte sich verlassen können, auch auf das, was gesagt wird. Da geht es viel um Glaubwürdigkeit. Und wir selbst müssen wieder mutiger werden und für unsere Werte einstehen. Und den jungen Menschen diese auch vermitteln.“

Blick auf die Jugend

Dies beginne schon in der Jugend, so Körbel, der die Eintracht-Fußballschule leitet und so viele Einblicke in die heutigen Jugend bekommt. Er betonte, dass er nicht pauschal sagen würde, dass der Jugend die Begeisterung und der Biss fehle, jedoch müssten sich die Profis von heute im Klaren sein, dass sie Vorbilder sind. „So wie bei Randal Kolo Muani. Die Kinder kamen mit ihren Kolo-Trikots in die Fußballschule und fragten uns: Warum geht der weg? Nur wegen des Geldes? Die Kinder sind sehr enttäuscht, dass ihr Idol plötzlich nicht mehr da ist. Daran erkenne ich, wie wichtig unsere Vorbilder sind“, erklärte er und führte weiter aus: „Man unterschätzt das leicht, aber Kinder gucken genau hin, was du machst. Und obwohl sie mich nie spielen sahen, wissen sie durch ihre Eltern viel über meine Karriere. Teilweise habe ich in der Fußballschule Dinge über mich erfahren, die ich selbst nicht wusste. Zum Beispiel, wie viele meiner 602 Bundesligaspiele ich von Anfang an gemacht habe.“ Dabei betonte er auch, dass es streikende Profis wie heute in diesem Maße nicht gegeben habe. Eine Anekdote gab er dann aber doch preis: „Ich habe selbst mal per Anwalt schriftlich bei der Eintracht gekündigt, als Bruno Pezzey 1983 nach Bremen ging und auch Bum-Kun Cha und Bernd Nickel die Eintracht verließen.“ Am Ende blieb er aber, auch aufgrund seines Ehrgefühls: „Unser Trainer Branko Zebec rief mich an, packte mich bei der Ehre und ernannte mich zum neuen Kapitän. Er wollte um mich herum eine Mannschaft bauen. Da dachte ich: Du kannst nicht weggehen.“

Wenige Vorbilder

Körbel sieht in Sebastian Rode ein Vorbild für die Jugend. (Bild: Frederic Schneider/SGE4EVER.de)

In der heutigen Zeit, in der Bundesliga gebe es immer weniger Vorbilder, betonte Körbel, der trotzdem zwei positive Beispiele hervorhob. „Bei uns ist das einer wie Sebastian Rode, der auch bei den großen Vereinen Bayern München und Borussia Dortmund gespielt hat. Nach Verletzungen ist er immer wieder aufgestanden. Seppl verkörpert die menschlichen Werte, die auch mir wichtig sind. Als Vorbild betrachte ich aber ebenso einen Trainer wie Christian Streich“, so Körbel, der auch eine Geschichte zu Streich erzählte.

Er habe ihm ein Trikot von sich geschenkt, nachdem Streich das Trikot von Jamal Musiala nach dem DFB-Pokal-Halbfinale im letzten Jahr nicht bekommen hatte. „Er hat gestaunt und sagte: Wenn ich das meinem Vater erzähle, dass ich vom Bundesliga-Rekordspieler das Trikot bekomme … Das empfand ich als unheimlich respektvoll. Dann erzählte er mir, dass er als Spieler beim FC Homburg gegen Uwe Bein und mich gespielt hat. (Saison 1989/90, Anm. der Red.). Das wusste ich gar nicht mehr, wir haben viel gelacht.“ Im Allgemeinen sei Streich ein Mensch, der seine Werte verteidige und sich nicht verbiegen lasse. „Der ganze SC Freiburg ist ein vorbildlicher Verein. Diese Begegnung hat mir wieder mal gezeigt, dass es im harten Bundesligageschäft doch noch eine gewisse Menschlichkeit gibt“, zeigte sich Körbel begeistert.

Lest auf Seite zwei, wie Charly Körbel über die neue Fußball-Welt denkt und für welches Herzensprojekt er leidenschaftlich brennt.

1
2
- Werbung -

4 Kommentare

  1. Der treue Charly, danke für über 50 Jahre Treue zu unserer SGE, das mit Katar fand ich ein ganz starkes Statement, es erinnert mich an Bisserl an die Suppenkasper Affäre. Nur über den FC Bauern Hühnchen müssen wir nochmal reden Charly, erst Katar Airways und jetzt haben sich die Spitzen dieses Vereines ob des Überfalles auf friedliebende Christen in Israel aus der Welt der Vereine die sich für Vielfalt und für das Existenzrecht von friedlichen und friedliebenden Menschen leider verabschiedet !!!

    #FürFriedenundEintrachtalleSGEben

    24
    4
  2. Alles top, wie immer. Von mir aus auch die (man muss es leider sagen, auch wenn ich mir nachher den Mund mit Seife waschen muss) Wertschätzung für den FCB und was Rummenigge und Höneß die letzten Jahrzehnte aufgebaut haben. Nur die starke Betonung der Religion stößt mir auf. Ok, er glaubt halt dran. Aber die Werte, die wir (dehnbarer Begriff; also sagen wir mal ich) hier (dehnbarer Begriff; also sagen wir mal in Europa) heute leben, stammen zwar aus einer christlichen Tradition, wurden aber erst mit der Aufklärung transparent und universal. Ohne Aufklärung war auch das verlogener Dreck. Sorry. Und Aufklärung bedeutete eben auch die neutrale Analyse und Auseinandersetzung mit Religion und in vielen Bereichen das Loslösen davon. Bitte den Glauben nicht so in den Vordergrund stellen.

    5
    5
  3. Ich zieh den Hut vor unserem Charly.

    Ich hatte teilweise Gänsehaut beim Lesen. Bis zu dem Absatz zum FCB. 😉 Nein, Scherz beiseite. Charly Körbel war und ist ein toller Mensch und Fußballer. Ein Vorbild durch und durch.

    Leider wird es solch einen Spieler wohl nicht mehr geben.

    8
    0
  4. Ach Charly, sowas wie damals passiert gerade die letzten zwei Wochen jeden Tag! Und NEIN, die AFD hat damit, egal wie man zu ihr steht, überhaupt nix damit zu tun! Diesen Hass hat man sich importiert!
    Davor kann man nach wie vor die Augen verschließen, aber dann braucht man sich nicht zu wundern! Und schon gar nicht diejenigen in Misskredit zu bringen, die eben genau davor gewarnt haben!
    Und jetzt allesamt auf den Daumen runter! Bedenke, Schwarz und Weiss sind die einzig wahren Farben. aber Schwarz und Weiss Denke ist einfach daneben!

    2
    1

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -