Der Anhang der Eintracht sorgte für eine einmalige Atmosphäre in Berlin.
Der Anhang der Eintracht sorgte für eine einmalige Atmosphäre in Berlin.

Berliner Olympiastadion, Samstag, 29. April 2006, kurz vor halb acht abends: Die Bayernkurve füllte sich gemächlich, während die Eintrachtfans bereits die Pokalparty eröffneten. Auf der Tartanbahn vor dem Marathontor schmetterte Gerre mit seiner Thrash-Metal-Band „Tankard“ die inzwischen legendäre Hymne „Schwarz-Weiß wie Schnee“ und tausende hessische Kehlen gröhlten lautstark mit. Die Vorfreude auf das 63. Finale des DFB-Pokals stieg in diesen Minuten ins Unermessliche. Das anstehende Endspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern München war für eine ganze Generation – für die bis dato Auf- und Nichtabstiege die größten Erfolge waren – das Highlight in ihrer noch jungen Fanhistorie.

Nadine's Pokalfinalgeschichte

teamday_nadineBeim Pokalfinale 2006 war ich 15 Jahre alt. Ich bin bis hierhin mit einer Eintracht aufgewachsen, die nicht sonderlich von Erfolg verwöhnt war. Schon das Halbfinalspiel gegen Armina Bielefeld war für mich ein absolutes Highlight. Ich war natürlich – trotz wichtiger Matheklausur am nächsten Morgen – im Stadion. Da es für mich aber so etwas Besonderes war, dass ein Spiel „meiner“ Eintracht damals live im ZDF übertragen wurde, habe ich es aufgenommen. Die VHS davon steht noch heute bei mir im Schrank. Aber zurück nach Berlin. Erst zwei Tage vor dem großen Spiel habe ich über meinen Onkel – Fan des 1. FC Kaiserslautern – auf Umwegen zwei Karten für das Spiel ergattern können. Meinen Papa musste ich nicht zweimal fragen, ob er spontan mit mir in die Hauptsadt fahren wolle. Ich organisierte die Tickets, er kümmerte sich um Anfahrt und Hotel. Wir starteten unseren Trip am frühen Samstagmorgen – zum Glück fuhren wir rechtzeitig los. Denn auf der A4 bei Jena gerieten wir in ein regelrechtes Schneechaos – Ende April und ohne Winterreifen. Wir kamen dennoch pünktlich an und ich saugte jede Minute dieses besonderen Spiels auf. Umso größer war danach die Enttäuschung über die Niederlage. Mein Papa nahm es nicht ganz so schwer und lud mich kurzerhand noch auf eine Portion Pommes in unsere Lieblingskneipe in Berlin ein – und ich konnte mich inzwischen doch an dem einmaligen Erlebnis erfreuen und es ab dann kaum abwarten, bis die für mich erste Europapokal-Saison startete.

Vor diesem Gänsehautmoment hatten die Hessen einen schwierigen Weg zu gehen. Als Aufsteiger in die Bundesliga musste sich das Team von Friedhelm Funkel in den ersten Wochen der neuen Saison zusammenfinden. Es fand ein Umbruch in der Mannschaft statt und neue Spieler, wie das Schweizer Duo Benjamin Huggel und Christoph Spycher oder der neue Kapitän Jermaine Jones, rückten in die erste Reihe. Alexander Schur laborierte noch an den Folgen eines Kreuzbandrisses und Arie van Lent, angekommen im Spätherbst seiner Karriere, konnte das hohe Tempo nicht mehr mitgehen und wechselte im Winter zu Rot Weiß Essen.

„Das Gesicht der Mannschaft hat sich damals zum Positiven entwickelt“, sagte Christoph Preuß bei der Veranstaltung „Tradition zum Anfassen“ anlässlich des 10-Jährigen Jubiläums zum Pokalfinale im Eintracht-Museum: „Das war das A und O. Man konnte sich auf den anderen verlassen – die, die nachgerückt sind, haben ihren Mann gestanden.“ Der inzwischen 34-Jährige Teammanager kam im Sommer 2005 vom VfL Bochum zurück an den Main. Ein weiterer Rückkehrer seinerzeit war Ioannis Amanatidis. Der Grieche galt als wichtiger Baustein jenes Umbruchs und erzielte entscheidende Treffer auf dem Weg zum Pokalfinale.

Die Erinnerungen an das Pokalfinale 2006 kann man im Eintracht Museum auffrischen.
Die Erinnerungen an das Pokalfinale 2006 können im Eintracht Museum aufgefrischt werden.

Beim sensationellen 6:0 Sieg in der 2. Pokalrunde gegen den FC Schalke 04 trat er allerdings „nur“ als Vorlagengeber in Erscheinung. Dieser 25. Oktober 2005 war so einer dieser Tage, den die Fans und die damals beteiligten Spieler so schnell nicht vergessen werden. „Es gibt so Tage, an denen gelingt alles. Das war Fußball vom anderen Stern. An dem Abend hat einfach alles funktioniert“, erinnert sich Amanatidis mit einem Lächeln zurück. In der Bundesliga konnte sich die Eintracht in dieser Phase stabilisieren und sich somit kurz vor Weihnachten mit dem Einzug in das Viertelfinale selbst beschenken. In einem Pokalkrimi siegten die Adler letztendlich ohne Fehlschuss im Elfmeterschießen mit 5:2. Preuß war einer der Schützen: „Mein Elfmeter war mit Selbstvertrauen geschossen. Ich bin da hin, habe mich für eine Ecke entschieden und gesagt: ‚Da geht er rein!‘ Und dann war er auch drin.“

Das neue Jahr begann, wie das alte endete – mit einer weiteren Pokalpartie. An einem bitterkalten Wintertag erledigten die Frankfurter ihre Pflichtaufgabe beim Zweitligisten 1860 München unaufgeregt und drehten den frühen 0:1 Rückstand zu einem 3:1-Sieg. Die Begegnungen in der Bundesliga traten bei den Anhängern zu diesem Zeitpunkt scheinbar etwas in den Hintergrund. Alle fieberten schon dem Halbfinalspiel entgegen – und auch diesmal hatte die Eintracht Losglück. Am 11. April ging es erneut – drei der fünf bisherigen Pokalspiele fanden im Waldstadion statt – vor heimischer Kulisse gegen Arminia Bielefeld.

Die beeindruckend Choreographie der Eintrachtfans zum Halbfinale.
Die beeindruckend Choreographie der Eintrachtfans zum Halbfinale gegen Bielefeld.


„Bielefeld war in dieser Saison eine richtig gute Mannschaft, die waren nicht ohne. Nach meinem frühen Führungstreffer wurde es ein schwieriges Spiel. Bielefeld hat Druck gemacht und wir haben uns ein wenig zurückgelehnt. Aber zum Glück ging es ja gut für uns aus“
, fasste Amanatidis den 1:0-Erfolg vor ausverkauftem Haus unter Flutlicht zusammen. Der nächste Jubel erfolgte 24 Stunden später, als die Bayern mit 3:0 beim FC St. Pauli ebenfalls ins Finale einzogen – selten zuvor drückten so viele Eintrachtfans dem deutschen Rekordmeister die Daumen. Jetzt war klar: Nächstes Jahr spielen die Frankfurter im UEFA-Cup. Damals galt nämlich noch die Regel: Wenn sich der Pokalsieger bereits für den Europapokal qualifizierte, rückte der unterlegene Finalist ins internationale Geschäft nach.

Christopher's Pokalfinalgeschichte

teamday_christopherIn meiner Abiturphase stand also das Pokalfinale gegen die Bayern auf dem Programm. Trotzdem zögerte ich nicht, als mein Stiefvater 24 Stunden vor Anpfiff der Partie anrief und mich fragte, ob ich nicht Lust auf eine Reise nach Berlin hätte. Im Wohnwagen nahmen wir die beschwerliche Fahrt auf uns – Schneefälle und Stau haben einige Nerven gekostet, das eigentlich geplante Lernen für die mündlichen Prüfungen fiel freilich aus, der Blick ging unentwegt Richtung Uhr. Um ca. 19.30 Uhr kamen wir dann endlich am Stadion an – und durften, Wohnmobil sei Dank, bei den Bussen parken.

Der Stress hatte sich gelohnt. Auch wenn die Bayern gewannen und unsere Eintracht den Weg nach Hause ohne Pokal antreten musste, war mir bereits in diesem Moment bewusst, dass ich Historisches erlebt habe. Die Aufstiegsfeiern auf dem Römer waren schöner – dieses Erlebnis aber noch einmal eine andere Dimension. Danke an die Spieler, die uns Fans diesen tollen Moment in Berlin geschenkt haben!

Und dann war es am 29. April vor genau zehn Jahren so weit: Mitten im Abstiegskampf stieg das Pokalfinale in der Hauptstadt. Rund 25.000 Frankfurtfans sorgten für eine einzigartige Stimmung im weiten Rund. Die Eintracht lieferte einen großen Kampf ab und brachte die Topstars Oliver Kahn, Lucio, Michael Ballack, Roy Makaay und Co. mehrfach in die Bredouille. Doch am Ende reichte es leider nicht – aus drei Gründen. 1.) Claudio Pizarro ließ Oka Nikolov in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit mit einem Kopfball keine Chance. 2.) Schiedsrichter Herbert Fandel ließ die Pfeife stecken, als Benjamin Köhler auf dem Weg Richtung Tor von Willy Sagnol regelwidrig zu Fall gebracht wurde. Statt roter Karte und Freistoß aus aussichtsreicher Position, gab es keinen Pfiff. 3.) Der Schuss von Amanatidis fünf Minuten vor Spielende. Der inzwischen 34-Jährige hat diese Szene heute noch vor Augen: „Kahn sieht den Ball nicht und hat ihn dann blind mit einem Reflex gehalten. Er war damals nicht umsonst Welttorhüter.“

Während die Fans den Abend noch lange, beispielsweise in der Bembelbar in Kreuzberg, ausklingen ließen, musste sich die Mannschaft direkt auf das schwierige Kellerduell in der Bundesliga gegen den 1. FC Kaiserslautern konzentrieren. Dieses fand nur vier Tage später statt und endete 2:2. So dauerte es noch drei weitere Tage, bis sich das Team mit einem 1:1 in Dortmund mit dem Klassenerhalt belohnte und man nur eine Woche nach dem verlorenen Pokalfinale endlich feiern konnte.

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4 Kommentare

  1. Scheiße war das eine geile Pokalrunde.
    Was in dem Bericht fehlt, nur vier Tage vor dem Halbfinale gegen Bielefeld, hatten wir in der Liga das Auswärtsspiel in Bielefeld verloren….
    Wir haben gefeiert als gäbe es keinen Morgen mehr…..
    Scheiße bin ich alt geworden, 10 Jahre ist das schon her.
    Ich erinnere mich an die Stimmung und das Spiel in Berlin als sei es gestern gewesen.
    Immer noch Gänsehaut.
    EINTRACHT FRANKFURT, auf ewig Dir ergeben. Egal welche Liga. AUF JETZT

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  2. Ich war auch dabei damals. Bin ohne Karte nach Berlin und habe auf dem Weg ins Stadion in der S-Bahn von einer SGE-Truppe eine freie Karte bekommen, für den Einkaufspreis (!!) (“ wir Frankfurter müssen im Ausland zusammenhalten“ hat mir der Kollege gesagt. Auch einer dieser unvergessenen Momente. Die Karte war frei geworden nachdem sein Kumpel das Spiel wegen einer Mandel-OP absagen musste).
    Stimmung war, wie bereits beschrieben, legendär und ich male mir immer noch aus, was im Stadion passiert wäre, hätte der Schuss des Capitanos in der 85. Minute seinen Weg vorbei an Kahn ins Tor gefunden…
    Geile Saison war das. Ich erinnere mich noch daran, dass wir direkt nach dem sagenumwobenem Schalke-Spiel dann auch noch die Kölner zuhause mit 6:3 abfidelten. Und das mit Funkel als Coach :-))
    SGE – der geilste Club der Welt halt!

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  3. Ja, das war Saustark damals das Endspiel. War eins der besten Spiele die ich je Live gesehen habe. Zu diesem Zeitpunkt war mein Arbeitgeber noch Haupt- und Trikotsponsor der Eintracht. Unser Vorstand hatte einen Bus und die Eintrittskarten spendiert. Mann mußte sich nur orginell um eine der Karten bewerben. Haben wohl einige meiner Kolleginnen und Kollegen auch getan. Die Anzahl der Bewerber war so hoch das die Karten ausgelost werden mußten 🙂 :-).

    Zum Glück war ich dabei. Schon auf der Fahrt hatten wir eine Riesenstimmung im Bus, die sich im Stadium noch mal gesteigert hat. Obwohl wir bekanntlich knapp verloren haben war die Stimmung auf der Rückfahrt genauso gut wie im Stadion und auf der Hinfahrt nach Berlin. Unsere Mannschaft hatte ganz ganz stark gekämpft und so haben wir die Niederlage wie einen Sieg gefeiert.

    Und nun gewinnen wir am WE in Darmstadt und am letzten Spieltag in Bremen und bleiben erstklassig. Gegen den BVB werden wir wohl nicht „reißen“ können, ein Unentschieden wäre da schon ein kleiner Sieg. Aber DA und HB hauen wir weg.

    Sforza SGE

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