Gelson Fernandes im Gespräch mit SGE4EVER.de-Redakteur Benjamin Heinrich.

Was ist mit dieser Mannschaft, mit diesem Teamgeist möglich?

„Die Saison ist lang. Möglich ist, dass wir jeden Tag alles geben, um weiterzukommen, besser zu spielen und unseren Fußball zu verbessern. Das können wir machen und dann sehen wir weiter. Eine Saison ist ein Marathon und wir sind noch am Anfang. Wir müssen ruhig bleiben und weiter hart arbeiten.“

Du hast weit über 500 Spiele als Profi gemacht, aber ein Wettbewerb fehlt noch. Wirst du die Champions League-Hymne noch erleben?

„Ich habe nicht mehr viel Zeit, um das zu erleben (lacht). Das ist aber nicht mein Ziel. Mein Ziel ist, dass wir eine gute Saison spielen. Die jungen Spieler aufbauen und uns in der Liga stabilisieren, wo die Eintracht hingehört mit solch einer Tradition. Ich wünsche mir, dass wir stabil werden und wenn ich dann mal weg bin, will ich auf die Eintracht schauen und sagen, das ist ein geiler Verein. Ziel ist nicht einmal oben zu sein, Pokalsieger, und dann ganz unten. Das ist nicht das, was wir im Kopf haben. Wir wollen den Leuten Spaß geben, die ins Stadion kommen. Mit ihnen wollen wir eine tolle Saison mit Emotionen und Siegen erleben.“

Große Emotionen gab es auch im Mai mit dem Pokalsieg. Dein zweiter Titel überhaupt, auf den du zwölf Jahre gewartet hast. Gab es bei dir auch den Gedanken, nach diesem Höhepunkt im Sommer Schluss zu machen in Frankfurt?

„Ich hatte ein paar Angebote. Aber ich habe zu Fredi und Bruno gesagt, auch zum Trainer, wenn sie mich brauchen, bin ich gerne hier, um den Jungs zu helfen. Ich bin zufrieden hier, aber ich will nie ein Ballast sein für den Verein. Ich bin nicht der jüngste.“

 Aber du hattest keine Probleme dich nach dem Pokalsieg nochmal zu motivieren?

„Nein, nein. Meine Motivation war, Europapokal mit der Eintracht zu spielen. Das ist auch schön. Das hat man gesehen.“

Deine Geschichte bei diesem Pokalsieg ist ja auch eine ganz besondere. 33 Sekunden, rote Karte, im Finale gesperrt. Wie sehr trauerst du dem noch nach?

„Es war gut so. Mir ist es lieber, wenn die Mannschaft im Pokalfinale ist und ich nicht als anders. Natürlich hatte ich diese 18 Minuten. Das waren die längsten in meinem Leben. Ich hätte alles kaputt machen können. (wird nachdenklich). Das war wirklich so.“

Mit diesem Pokalhalbfinale verbindet man aber auch die rassistischen Beleidigungen im Anschluss auf deinem Instagram-Account aufgrund deines Fouls am Schalker Leon Goretzka. Mit etwas Abstand: Wie bewertest du das Ganze und was kann man als Fußballer gegen so etwas tun?

„Vorbild sein. Das muss man auch. Aber man kann die Bildung der Menschen nicht verändern. Auch nicht den Respekt gegenüber anderen Menschen. Das können wir leider nicht. Man muss damit umgehen, kann es aufzeigen und darüber reden. Ich finde es schade. Ich würde gerne mit diesen Personen einen Kaffee trinken gehen, um sie zu verstehen, zu verstehen, was sie im Kopf haben und woher das kommt. Das wäre interessant.

Großen Anteil an diesem Pokalsieg hatte euer Ex-Trainer Niko Kovac. Wie sehr schaut man auf seine Entwicklung und leidet man da auch mit?

„Wenn du ein Jahr lang mit der Person gearbeitet, ihn jeden Tag gesehen hast, dann hast du eine Bindung. Das bleibt ein ganzes Leben. Er hat mich mit der Führung hierhergeholt. Auch wegen ihm bin ich gekommen. Das darf man nicht vergessen. Aber er schafft das dort. Das ist für mich ganz klar.“

Du bist jetzt 32, seit 15 Jahren Profifußballer. Was hat sich in all den Jahren verändert? Welche Entwicklungen gefallen dir, wem oder was trauerst du nach?

„Geld. Da ist viel gewechselt. Aber auch die sozialen Medien. Früher musstest du nicht auf alles aufpassen. Mit Snapchat, Twitter und Co werden Informationen viel schneller verbreitet. Jetzt ist es schwerer Fußballprofi zu sein als vor 20, 30 Jahren. Das ist klar. Früher war alles einfacher. Jetzt denken die Spieler nach ein paar Spielen kommt ein Sponsor, der Vertrag, die Follower. Du kannst schnell den Kopf verlieren.“

Du selbst kommst aus einfachen Verhältnissen. Wie sehr hat dich deine Kindheit geprägt? Und in welchem Verhältnis steht sie auch zu deinem Kampfgeist auf dem Platz?

„Die Erziehung meiner Mutter hat mir viel geholfen. Sie hat dafür gesorgt, dass ich mit den Füßen auf dem Boden bleibe. Ich wusste, dass wir nicht viel hatten, aber wir haben nie etwas vermisst. Danach hatte ich Glück einen solchen Beruf ausüben zu können, um meinen Leuten helfen zu können.“

Ist Demut da ein wichtiger Faktor?

„Man muss schätzen, was man hat. Okay, wir haben nicht die Ferien wie andere, wir haben nicht die Wochenenden frei. Aber es gibt viele Sachen, die wir haben. Die Emotionen und vieles mehr, das müssen wir schätzen. Das ist für mich der beste Job der Welt.“

Du bist eine absolute Frohnatur. Welche Einstellung, welche Werte stecken dahinter?

„Von meinem Leben, meiner Familie. Man muss Spaß haben, bei dem, was man tut. Wenn du das tust, was du am meisten liebst, als Beruf. Dann kann ich nicht hierherkommen und weinen.“

Ist das auch etwas, das du den jungen Spielern mitgibst?

„Na, klar! Wenn ich sehe, dass sie die Köpfe unten haben, die Atmosphäre nicht spüren oder das Selbstvertrauen verloren haben oder Enttäuschung herrscht, dann pushe ich sie. Ich gebe ihnen die Kraft, wenn sie die brauchen und höre ihnen zu.“

Du kommst aus einer fußballbegeisterten Familie. Fünf deiner Cousins sind ebenfalls Fußballer. Das klingt rekordverdächtig. Bleibst du dem Fußball auch nach der Karriere erhalten?

„Das ist echt brutal. (lacht) Ein Leben ohne Fußball kann ich mir nicht vorstellen. Es ist ganz klar, dass ich im Fußball bleibe. Ich weiß noch nicht, wo genau, aber ich bleibe. Ich habe Spaß daran.

Aber noch kannst du ein paar Jahre spielen. Dein Vertrag in Frankfurt läuft noch bis 2019. Wie geht es danach weiter?

Ich möchte nächstes Jahr auf jeden Fall noch weiterspielen. Mein Vertrag geht noch bis zum Ende der Saison. Wir, meine Familie und ich, sind hier sehr zufrieden in Frankfurt. Nach der Saison sehen wir weiter. Aber wie eben gesagt. Ich bin nicht mehr der Jüngste und will für einen Verein keine Belastung sein.“

Wenn du nach der Saison eine Schlagzeile über dich und/oder die Eintracht lesen könntest. Welche wäre das?

„Eintracht Frankfurt hat wieder eine erfolgreiche Saison gespielt.“

Was wäre das für dich?
„Eine stabile Saison. Viele Siege und Emotionen in diesem Stadion hier. Und darüber hinaus einen guten Weg in Europa hinzulegen.“

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11 Kommentare

  1. Wie viele ihn hier vom Hof jagen wollten… Ich selbst habe stark an seiner Bundesligatauglichkeit gezweifelt und er ist auch technisch eher limitiert und der klassische Knochenbrecher-Spieler. Dennoch ist er ein so vernünftiger Mensch, der vor allem auch so einen Einfluss neben dem Platz zu haben scheint… letzte Saison wurde durch KPB alles überstrahlt und er ging unter, jetzt hört man mehr und mehr, wie wichtig er eigentlich ist. Super!

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  2. Ganz starkes Interview. So ein bodenständiger Typ tut uns allen, vorallem aber der Mannschaft gut.
    Wer noch nicht wusste, wie wichtig er für uns ist, der hat vielleicht nun noch einmal die Chance, darüber nachzudenken.

    Klasse Typ!

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  3. Hätte ich etwas zu sagen, ich würde ihn baldigst fest an die Eintracht binden – bevor ihn andere verpflichten. Als Persönlichkeit und Charakter bringt er so gut wie alles mit, um ein überragender Coach zu werden. Und seine Sprachkompetenz ist ohnehin quasi unbezahlbar. Ich würde ihn nach seiner Spielerkarriere als Teambuilding- und Mentalcoach in den Trainerstab aufnehmen und ihm raten, gleichzeitig eine offizielle Trainerausbildung zu machen. Einer wie Gelson in verantwortlicher Position z.B. für unserer Nachwuchsausbildung, wäre großartig.

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  4. Das sind wirklich sehr schöne Worte von Gelson. Das Video-Interview zusammen mit Evan sprach hier auch Bände. Ich vermute stark, dass die schnelle Teamintegration von Evan zum einem beträchtlichen Teil auf Gelsons Konto geht. Er ist ein väterlicher Typ. Insofern sehe ich das genau wie Zizou. Der Gedanke ging mir auch schon durch den Kopf.

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  5. @3. zizou und als Stupser für die Redaktion: Nachwuchsausbildung, Nachwuchsausbildung? Ich weiß nicht so recht was da läuft bei uns. Will aber was wissen und hier davon lesen :-).

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  6. @redaktion
    Ich schließe mich @rob+willi an und frage zugleich mal nach:
    Warum macht Ihr eigentlich nicht viel öfter solche sorgfältig-ausführlichen, persönlichen Interviews mit Spielern – aber auch mit Eintracht-Verantwortlichen. Von Pezzaiuoli z.B. war m.W. überhaupt noch nichts zu hören und der ist jetzt schon über ein Jahr hier. (Was macht der eigentlich genau?) Auch den Trainer- und Betreuerstab kennt man allenfalls namentlich. Die Spieler in der zweiten u. dritten Reihe: Kabuya, Cetin, Nelson, Häuser, aber auch Knothe, Beyreuther und die Goalies Rönnow, Wiedwald u. Stirl sind doch allesamt Kadermitglieder. Haben die nichts zu sagen oder dürfen die nicht, sind die zu schüchtern oder schlicht zu uninteressant? Gab es von Allan schon einmal O-Töne jenseits der 0815-Standards oder von Geraldes? Und da er schon erwähnt ist – wie geht es bei ihm und den anderen Rekonvaleszenten voran: bei Chandler, Paciencia u. Salcedo?
    Ich jedenfalls finde ein einlässliches Interview mit einem Adler zig-x interessanter bzw. relevanter als von anderen Medien übernommene Meldungen.

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  7. @Zizou, empfehle Eintracht TV, da haste alles aus direkter Quelle, Interviews mit jedem Spieler mal, auch mit den Jungen und auch jede Pressekonferenz, die dann über die Woche von den Medien in Unterschiedliche Themen zerpflückt wird^^

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  8. @zizou
    Eine sehr gute Frage, die ich dir sehr gerne versuche zu beantworten. Persönliche Interviews gehören natürlich auch zu den Dingen, die man als Journalist am liebsten macht. Könnte ich, könnten wir das jede Woche tun, würden wir das definitiv. Allerdings stehen wir auf der Liste für Interview-Anfragen nicht an oberster Stelle und das Procedere ist darüber hinaus durchaus anspruchsvoll. Die Eintracht muss dafür einen Mitarbeiter abstellen, eine Loge mieten usw. Da steckt hinter den Kulissen mehr dahinter als man auf den ersten Blick vermutet. Und der Aufwand ist für jeden Spieler gleich. Bei Allan käme dazu dann noch der Dolmetscher. Und ja, die jungen Spieler werden meist medienfern gehalten. Wir gehen auch immer den offiziellen Weg, andere Medien handhaben das zum Teil anders. Darüber hinaus verwerten wir durchaus auch einiges an Material aus „erster Hand“ (Pressekonferenzen, Presserunden, Interviews nach den Spielen) und nicht nur aus zweiter Hand. Allerdings haben wir – wie man bei den persönlichen Interviews sieht – eine gewisse Grenze. Ob die gerecht gesetzt ist oder nicht, kann jeder subjektiv bewerten, aber wir respektieren sie. Dennoch sind wir bemüht, auch immer wieder exklusiven Inhalt zur Verfügung zu stellen. Euren Wunsch nach einem Update aus dem NLZ haben wir im übrigen registriert und Redakteure drangesetzt. Da wird es zeitnah etwas zu geben. Grüße aus der Redaktion

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  9. @Benny
    Danke Dir für die umfängliche Info. In etwa so habe ich es schon geahnt oder mir vorgestellt.
    Ich habe das aber schon als Anregung gemeint, in die Richtung nämlich, dass man sich mit guten, einlässlichen Interviews auch ggü. anderen Medien absetzen und profilieren kann.
    Kann man denn solche Interviews zur Nachverwertung auch noch weitergeben? Da werden wohl kaum Einnahmen drin sein, nehme ich an – da den meisten als Übernahme Zitieren und Quellenangabe ausreicht, oder?

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