Frankfurts Gelson Fernandes freut sich auf eine Saison mit großen Emotionen und Erfolgen. (Foto: imago/Sven Simon)

Nach dem Abgang von Kevin-Prince Boateng war vor allem er in der Sommerpause gefordert. Sprachtalent und Mittelfeldmann Gelson Fernandes bringt die Erfahrung von über 500 Pflichtspielen als Fußballprofi mit und gehört mit seinen 32 Jahren in Frankfurt auf und neben dem Platz zu den Führungsspielern. Der ehemalige schweizer Nationalspieler, der seine Karriere in der „Nati“ nach der WM dieses Jahr beendet hat, stand im exklusiven Interview mit SGE4EVER.de Rede und Antwort und sprach unter anderem über die aktuelle Entwicklung samt Stotterstart, den besonderen Teamgeist bei der Eintracht, Frankfurts Ex-Coach Niko Kovac und die Ziele in dieser Saison. Außerdem erklärte er, dass im Team nun einige zu Männern geworden sind und dass sich sein Traumberuf Fußballprofi und das Geschäft in all den Jahren doch ganz schön verändert hat.

SGE4EVER.de: Länderspielpause und du bist in Frankfurt. Ein komisches Gefühl nach elf Jahren „Nati“, oder? Was machst du mit der vielen Freizeit?

Gelson Fernandes: „Ich erhole mich. Das tut gut. Ich kann meine Familie sehen. Gerade bei unserem Programm mit den vielen Spielen plus Nationalmannschaft. Das wäre vielleicht zu viel gewesen. Laufen, Training, Spiel. Ich vermisse die Nationalmannschaft nicht viel, aber die Kollegen, die Atmosphäre, den Teamgeist. Sonst ist es okay so. Ich bin zufrieden, hier mit den Jungs zu arbeiten und die freien Tage zu nutzen.“

Mit dem Sieg in Hoffenheim habt ihr eine perfekte Woche gekrönt. Drei Spiele, drei Siege. Die Entwicklung stimmt, oder?

„Ja, auf jeden Fall. Man hat in ein paar Spielen gesehen, wie gegen Werder oder Leipzig, dass wir vielleicht mehr verdient gehabt hätten. Aber man darf auch nicht vergessen gegen welche Gegner wir gespielt haben. Die sind fast alle oben. Plus Hoffenheim, die eine Champions League-Mannschaft ist. Unser Kalender war nicht leicht, auch mit der Europa League, Marseille und Lazio. Wir haben das geschafft. Aber ich weiß nicht, ob es leichter war, so in die Pause zu gehen oder ob wir nicht lieber weiter gemacht hätten. Die Erholung jetzt ist wichtig. Aber diese Woche müssen wir mit der richtigen Einstellung und Mentalität starten, um alles zu geben, damit wir das Spiel gegen Fortuna Düsseldorf gewinnen.“

Was hat am Anfang noch gefehlt? War die Packung im Supercup und das frühe Pokal-Aus vielleicht sogar ein Vorteil?

„Die Supercup-Pleite kann passieren, auch wenn sie nicht geplant war. Das Pokal-Aus hat uns viel Unsicherheit gebracht. Sie haben wirklich gut gespielt, aber wir haben den Niveauunterschied nicht auf den Platz gebracht. Das war der Tiefpunkt des Beginns.“

War die Erwartungshaltung nach dem Pokalsieg vielleicht eine Bürde?

„Nein. Wenn du einen neuen Trainer, neue Spieler hast, dann ist dieser Pokalsieg Vergangenheit. Es passiert jedes Jahr in der Bundesliga, dass Vereine in der ersten Runde ausscheiden. Das ist einfach so.“

Mit Adi Hütter kam ein neuer Trainer mit einer neuen Philosophie. Was macht ihn aus?

„Neue Trainingsmethoden beispielsweise. Das ist auch gut, da mal zu wechseln. Es gibt auch neue Chancen für ein paar Spieler. Der neue Trainer brauchte aber auch Zeit. Die positiven Ergebnisse haben der Mannschaft Selbstvertrauen gebracht. Er hat es geschafft und ich bin glücklich, dass wir das alle zusammen geschafft haben. Alles dauert. Man muss die nötige Zeit geben.“

Wo sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu bzw. mit eurem Ex-Trainer Niko Kovac?

„Sie wollen beide gewinnen und tun alles für die Mannschaft. Zwei moderne Trainer mit verschiedenen Philosophien und verschiedenen Trainingsplänen. Das ist auch gut so.“

Makoto Hasebe hat gesagt, dass Adi Hütter mehr kommuniziert, dafür das Training etwas lockerer ist. Gehst du damit konform?

„Er redet viel mit uns. Aber das Training ist nicht immer lockerer. Wir trainieren weniger, weil wir die vielen Spiele haben. Der Trainer hat verstanden, dass er auch mal ein ruhigeres Training machen muss, damit die Köpfe sich auch erholen. Zwischen den Wettbewerben ist das nicht einfach.“

Mit dem neuen Trainer fand auch ein Umbruch im Team statt. Leistungsträger wie Kevin-Prince Boateng oder Lukas Hradecky haben den Verein verlassen. Hast du das Gefühl, dass die Mannschaft die Lücke, die in der Hierarchie entstanden ist, schließen konnte?

„Sie waren alle wichtig für uns. Wolfi (Anm. d. Red.: Marius Wolf) hat auch eine unglaublich gute Saison gespielt. Omar Mascarell war wichtig für uns. Lukas war auch von der Persönlichkeit her wichtig, genauso wie Prince. Wir haben vier, fünf Spieler verloren. Nicht nur einen. Aber ich mag das Wort „Hierarchie“ nicht. Wir müssen viele Führungsspieler haben, die Verantwortung übernehmen. Es gibt natürlich Spieler, die viel reden wie Makoto (Red.: Hasebe), David (Red.: Abraham) oder ich. Aber es gibt auch Spieler wie Haller oder Rebic. Sie haben auch Verantwortung übernommen. Man sieht, dass sie viel präsenter sind, auch von der Körpersprache her ist es nicht das gleiche wie letzte Saison. Sie sind Männer geworden. Luka Jovic auch. Das ist nicht mehr der gleiche wie letztes Jahr. Er war da auch schon gut, hat seine Zeit gebraucht in einem neuen Land. Aber er ist auch gewachsen. Und das ist wichtig.“

Ist es denn vielleicht sogar ein Vorteil, wenn ein Spieler wie Prince geht, der viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, hinter dem Spieler sich auch verstecken konnten, damit nun andere gefordert sind?

„Ja, das müssen sie. Auch Mijat (Red.: Gacinovic) zum Beispiel. Es gibt Zeiten in einer Karriere, wo du den nächsten Schritt gehst. Und wir Spieler mit Erfahrung müssen den jungen Spielern dabei helfen und ihnen vertrauen. Sie werden die nächsten Führungsspieler. Wenn sie hierbleiben, ist das top für den Verein. Mit der Erfahrung, die sie hier sammeln, können sie erfolgreich sein für den Verein.“

Du hast ihn eben schon genannt: Wie wichtig war der Verbleib von Ante?

„Für ihn ist es vor allem wichtig, dass er zufrieden ist. Wenn er weggegangen wäre, hätten die Verantwortlichen jemand neues gekauft. Aber er hat das für uns getan und uns gezeigt, wie sehr er Frankfurt liebt und ist geblieben. Das ist überragend. Man muss der Führung gratulieren dafür. Sie haben das geschafft. Wir sind alle zufrieden, dass er hier ist.“

Mit Ante, Luka Jovic und Sebastién Haller habt ihr vorne eine brutale Qualität. Wem von den dreien traust du die große Karriere zu?

„Potenzial haben alle drei. Wieviel sie investieren wollen, um richtige Topspieler zu werden, weiß ich nicht. Das ist in ihnen drin. Wie sie mit schwierigen Phasen umgehen, wird man in Zukunft sehen. Aber alle drei sind noch jung. Alle drei können eine große Karriere machen. Das ist sicher. Luka ist der jüngste, vielleicht hat er noch mehr Luft, zumindest noch mehr Jahre vor sich.“

Du bist in deiner Karriere schon viel rumgekommen, hast einige Teams erlebt – was macht diese Mannschaft und auch diesen Verein aus? Woher kommt dieser ganz spezielle Teamgeist?

„Den hatten wir schon vergangene Saison. Und in der Saison davor auch. Die Mannschaft hat immer super zusammengelebt. Jetzt auch. Ich habe jeden morgen Spaß daran, hierher zu kommen. Wir sind echt eine gute Truppe. Wir haben viel Spaß zusammen zu arbeiten. Natürlich brauchst du auch Erfolg. Wenn du immer unten spielst, ist es nicht einfacher. Wir hatten letztes Jahr eine Supersaison. Dieses Jahr war es am Anfang etwas schwieriger. Aber auch wenn wir verloren haben, war die Stimmung nie schlecht. Das ist Wahnsinn.“

Aber woran liegt das?

„Ich weiß nicht, wie der Verein das geschafft hat. (lacht) Vielleicht ist das auch Glück. Bei den Charakteren ist das Glück. Wenn du einen Spieler triffst, dann weißt du vielleicht, ob er in das System passt, aber der Rest? Hier hat wirklich alles geklappt. Die Verantwortlichen haben wirklich gut gearbeitet.“

Lest auf der zweiten Seite, was Fernandes über den Traum von der Champions League, einem möglichen Abgang im vergangenen Sommer, der Bayern-Krise und Niko Kovac sowie seinem Traumjob Fußballprofi zu sagen hat.

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11 Kommentare

  1. Wie viele ihn hier vom Hof jagen wollten… Ich selbst habe stark an seiner Bundesligatauglichkeit gezweifelt und er ist auch technisch eher limitiert und der klassische Knochenbrecher-Spieler. Dennoch ist er ein so vernünftiger Mensch, der vor allem auch so einen Einfluss neben dem Platz zu haben scheint… letzte Saison wurde durch KPB alles überstrahlt und er ging unter, jetzt hört man mehr und mehr, wie wichtig er eigentlich ist. Super!

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  2. Ganz starkes Interview. So ein bodenständiger Typ tut uns allen, vorallem aber der Mannschaft gut.
    Wer noch nicht wusste, wie wichtig er für uns ist, der hat vielleicht nun noch einmal die Chance, darüber nachzudenken.

    Klasse Typ!

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  3. Hätte ich etwas zu sagen, ich würde ihn baldigst fest an die Eintracht binden – bevor ihn andere verpflichten. Als Persönlichkeit und Charakter bringt er so gut wie alles mit, um ein überragender Coach zu werden. Und seine Sprachkompetenz ist ohnehin quasi unbezahlbar. Ich würde ihn nach seiner Spielerkarriere als Teambuilding- und Mentalcoach in den Trainerstab aufnehmen und ihm raten, gleichzeitig eine offizielle Trainerausbildung zu machen. Einer wie Gelson in verantwortlicher Position z.B. für unserer Nachwuchsausbildung, wäre großartig.

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  4. Das sind wirklich sehr schöne Worte von Gelson. Das Video-Interview zusammen mit Evan sprach hier auch Bände. Ich vermute stark, dass die schnelle Teamintegration von Evan zum einem beträchtlichen Teil auf Gelsons Konto geht. Er ist ein väterlicher Typ. Insofern sehe ich das genau wie Zizou. Der Gedanke ging mir auch schon durch den Kopf.

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  5. @3. zizou und als Stupser für die Redaktion: Nachwuchsausbildung, Nachwuchsausbildung? Ich weiß nicht so recht was da läuft bei uns. Will aber was wissen und hier davon lesen :-).

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  6. @redaktion
    Ich schließe mich @rob+willi an und frage zugleich mal nach:
    Warum macht Ihr eigentlich nicht viel öfter solche sorgfältig-ausführlichen, persönlichen Interviews mit Spielern – aber auch mit Eintracht-Verantwortlichen. Von Pezzaiuoli z.B. war m.W. überhaupt noch nichts zu hören und der ist jetzt schon über ein Jahr hier. (Was macht der eigentlich genau?) Auch den Trainer- und Betreuerstab kennt man allenfalls namentlich. Die Spieler in der zweiten u. dritten Reihe: Kabuya, Cetin, Nelson, Häuser, aber auch Knothe, Beyreuther und die Goalies Rönnow, Wiedwald u. Stirl sind doch allesamt Kadermitglieder. Haben die nichts zu sagen oder dürfen die nicht, sind die zu schüchtern oder schlicht zu uninteressant? Gab es von Allan schon einmal O-Töne jenseits der 0815-Standards oder von Geraldes? Und da er schon erwähnt ist – wie geht es bei ihm und den anderen Rekonvaleszenten voran: bei Chandler, Paciencia u. Salcedo?
    Ich jedenfalls finde ein einlässliches Interview mit einem Adler zig-x interessanter bzw. relevanter als von anderen Medien übernommene Meldungen.

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  7. @Zizou, empfehle Eintracht TV, da haste alles aus direkter Quelle, Interviews mit jedem Spieler mal, auch mit den Jungen und auch jede Pressekonferenz, die dann über die Woche von den Medien in Unterschiedliche Themen zerpflückt wird^^

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  8. @zizou
    Eine sehr gute Frage, die ich dir sehr gerne versuche zu beantworten. Persönliche Interviews gehören natürlich auch zu den Dingen, die man als Journalist am liebsten macht. Könnte ich, könnten wir das jede Woche tun, würden wir das definitiv. Allerdings stehen wir auf der Liste für Interview-Anfragen nicht an oberster Stelle und das Procedere ist darüber hinaus durchaus anspruchsvoll. Die Eintracht muss dafür einen Mitarbeiter abstellen, eine Loge mieten usw. Da steckt hinter den Kulissen mehr dahinter als man auf den ersten Blick vermutet. Und der Aufwand ist für jeden Spieler gleich. Bei Allan käme dazu dann noch der Dolmetscher. Und ja, die jungen Spieler werden meist medienfern gehalten. Wir gehen auch immer den offiziellen Weg, andere Medien handhaben das zum Teil anders. Darüber hinaus verwerten wir durchaus auch einiges an Material aus „erster Hand“ (Pressekonferenzen, Presserunden, Interviews nach den Spielen) und nicht nur aus zweiter Hand. Allerdings haben wir – wie man bei den persönlichen Interviews sieht – eine gewisse Grenze. Ob die gerecht gesetzt ist oder nicht, kann jeder subjektiv bewerten, aber wir respektieren sie. Dennoch sind wir bemüht, auch immer wieder exklusiven Inhalt zur Verfügung zu stellen. Euren Wunsch nach einem Update aus dem NLZ haben wir im übrigen registriert und Redakteure drangesetzt. Da wird es zeitnah etwas zu geben. Grüße aus der Redaktion

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  9. @Benny
    Danke Dir für die umfängliche Info. In etwa so habe ich es schon geahnt oder mir vorgestellt.
    Ich habe das aber schon als Anregung gemeint, in die Richtung nämlich, dass man sich mit guten, einlässlichen Interviews auch ggü. anderen Medien absetzen und profilieren kann.
    Kann man denn solche Interviews zur Nachverwertung auch noch weitergeben? Da werden wohl kaum Einnahmen drin sein, nehme ich an – da den meisten als Übernahme Zitieren und Quellenangabe ausreicht, oder?

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