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Marco Fabian im Duell mit Dominique Heintz.

Der Stempel des Trainers und die Willensstärke der Mannschaft

Fußball ist manchmal ein seltsames Spiel. Angesichts der Überlegenheit der Kölner in der zweiten Halbzeit, der leichtfertig vergebenen Konterchancen und des wahrnehmbaren Kräfteeinbruchs der Frankfurter Spieler in der zweiten Halbzeit musste man schon fast mit dem Ausgleichstreffer rechnen. Doch das, was in der vergangenen Saison mit einiger Wahrscheinlichkeit bestraft worden wäre, geht in dieser Spielzeit gut. Die Mannschaft belohnt sich für den Aufwand und eine überzeugende Abwehrarbeit, hat in den entscheidenden Situationen aber auch das nötige Glück. In unserer Spieltagsanalyse gehen wir der Frage nach, was letztendlich den Ausschlag zugunsten der Mannschaft von Niko Kovac gegeben hat.

1. Taktik ja, aber von Taktieren keine Spur
Vor dem Anpfiff waren die Erwartungen auf ein überdurchschnittliches Spiel eher zurückhaltend gewesen. Zu ähnlich schienen sich die beiden Teams zu sein, zu sehr beeindruckten die Mannschaften sowohl Kovac als auch von Stöger bislang durch Disziplin, Ordnung und taktische Feinheiten, die es dem Gegner schwer machen, sein Spiel aufzuziehen. Wer ein behutsames Abtasten, ein gegenseitiges Neutralisieren und eine Abnutzungsschlacht im Mittelfeld erwartet hatte, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Die SGE stand sehr hoch, attackierte früh und ließ den sichtlich überraschten Rheinländern kaum eine Gelegenheit zum Spielaufbau. So dauerte es gerade fünf Minuten, bis dem agilen Mijat Gacinovic nach schöner Vorabeit von Timothy Chandler die Führung gelang. Dabei hatte Kovac eine Taktik gewählt, die für sein Gegenüber keine unerwartete Finte bereit hielt. Mit einer Dreierkette, die bei Bedarf zu einer Fünferkette variiert werden konnte, und zwei hoch stehenden Spielern auf den Außen sollte die Kölner Offensive – vor allem Modeste und Osako – aus dem Spiel genommen werden. Chandler und Bastian Oczipka machten ihrerseits viel Druck über den Flügel und wurden von Marco Fabián, Szabolcs Huszti und Gacinovic immer wieder gut in Szene gesetzt. Die Hessen investierten viel im ersten Durchgang und zeigten dabei spielerische Elemente, die die Zuschauer in dieser Form schon lange nicht mehr erleben durften.

2. Spielerische und kämpferische Klasse
Die spielerische Überlegenheit der SGE in den ersten 45 Minuten war erdrückend. Neben dem Torschützen zeigten vor allem Fabián und Huszti, dass die Eintracht heute mit dem einfallslosen Ballgeschiebe der jüngeren Vergangenheit nichts mehr zu tun hat. Es ist aber nicht nur die Ballsicherheit und Passgenauigkeit, sondern vor allem auch das Antizipieren von Spielsituationen, was nicht zuletzt Gacinovic bei seinem Führungstreffer unter Beweis stellte. Da Chandler und Oczipka im Laufe dieser Saison eine unerwartete Wandlung durchlaufen haben, durchtrainiert und wach wirken, verfügt Kovac über die für sein System dringend notwendigen Spieler, die die Flügel besetzen können. Die spielerischen Fähigkeiten würden aber ohne die von Kovac propagierten kämpferischen Tugenen ins Leere laufen. Wer filigrane Techniker wie Gacinovic und Fabián dabei beobacht, wie sie um jeden Ball fighten, bekommt eine Ahnung von dem Erfolgsgeheimnis des Teams.

War an der Einleitung seines eigenen Tores maßgeblich beteiligt: Mijat Gacinovic
War an der Einleitung seines eigenen Tores maßgeblich beteiligt: Mijat Gacinovic

3. Die Abwehr entwickelt sich zum Prunkstück
Kovac hat aus der früheren Schießbude der Liga eine Defensivformation entwickelt, die allen Sturmreihen Schwierigkeiten bereiten kann. An die starken Leistungen von David Abraham und Jesus Vallejo haben wir uns mittlerweile ja bereits gewöhnt. Die eigentliche Überraschung ist seit dem Gladbach-Spiel die Variante mit Makoto Hasebe als „Libero“ innerhalb der Dreierkette, der dem Spiel der Eintracht zusätzliche Stabilität verleiht. Von dem nach hinten verschobenen Japaner profitiert nicht nur der Spielaufbau, auch die zwei etatmäßigen Innenverteidiger Abraham und Vallejo haben nicht mehr die ganze Breite des Spielfelds vor Augen, wenn es um die ideale Positionierung geht. Auch wenn sich Köln in den letzten 20 Minuten vor allem durch Kopfbälle einige gute Gelegenheiten erarbeiten konnte, war die Frankfurer Abwehr aus dem Spiel heraus kaum einmal in Verlegenheit zu bringen.

4. Fehlende Durchschlagskraft im Angriff
Die vielen gelungenen Angriffssituationen – auch noch in der zweiten Halbzeit – stehen in einem auffälligen Missverhältnis zu den herausgespielten Torchancen. Entweder kam der entscheidende Pass zu ungenau oder Eins-zu-Eins-Situationen wurden leichtfertig vergeben oder der eigene Mann stand im Weg – in der Offensive ließen die SGE-Spieler die Konsequenz  vermissen, die sie in der Defensive auszeichnete. Es fällt naturgemäß leicht, die fehlende Durchschlagskraft an der Person von Alex Meier festzumachen, der wenig überzeugende Szene hatte, aber bis zu seiner Auswechselung immer zwei, zum Teil drei Abwehrspieler band und so erst Räume für sein Mitspieler kreierte. Ärgerlich sind vielmehr die einfallslos ausgeführten Eckbälle und Freistöße, die von den Kölner Abwehrspielern ohne große Mühe entschärft werden konnten.

Kollektive Freude nach dem Sieg gegen Köln.
Kollektive Freude nach dem Sieg gegen Köln.

5. Der Stempel des Trainers
Es verwundert nicht, dass die Eintracht im zweiten Durchgang nicht zusetzen konnte und dem intensiven Spiel vor der Pause Tribut zollen musste. Sicherlich hätte es sich die Mannschaft leichter machen können, wenn sie eine ihrer Konterchancen konsequent zu Ende gespielt hätte. Auf der anderen Seite verlor sie nur in wenigen Situationen ihre Ordnung und ließ gegen stärker werdende Kölner kaum etwas zu. Die Willensstärke, auch bei nachlassenden Kräften das Letzte aus sich herauszuholen, gehört ohne Zweifel zu den Erfolgsfaktoren des gegenwärtigen Teams. Je weiter die Spielzeit voranschreitet, umso stärker ist der Einfluss, die Handschrift des Trainers zu erkennen. Die Mannschaft weiß, wie sie zu spielen hat, jeder Einzelne weiß, was seine Aufgabe ist, und gemeinsam bilden sie eine Geschlossen- und Kompaktheit, die ein weiteres Erfolgsrezept darstellen.

6. Was sieht der weitere Weg dieser Mannschaft aus?
In einer früheren Analyse haben wir darauf hingewiesen, dass das Team nur dann Erfolg haben wird, wenn sie in jedem Spiel an ihre Leistungsgrenze geht. Die Mannschaft hat in den vergangenen Spielen – mit Ausnahme der Begegnung in Freiburg – unter Beweis gestellt, dass sie dazu bereit ist, zumindest kämpferisch alles zu geben. Mit dem Erfolg und dem Anwachsen des Punktekontos hat das Team an Sicherheit und Selbstbewusstsein gewonnen – einem weiteren Grund für den Aufwärtstrend. Die Entwicklung der Mannschaft wird sicherlich nicht linear fortschreiten – Rückschläge und Niederlage werden kommen, und bislang kriselnde, höher eingeschätzte Teams wie Wolfsburg, Schalke und Leverkusen machen sich auf, den Rückstand aufzuholen. Gleichwohl wirken Mannschaft und Trainerteam von Eintracht Frankfurt so gefestigt, dass mit einem Abrutschen in gefährliche Zonen nicht gerechnet werden muss. Ob es zu mehr als einem sicheren Mittelfeldplatz reicht, kann erst nach der Hinrunde gesagt werden. Alle Fans der SGE sind aufgerufen, den Augenblick zu genießen – und Träume kann man weder verhindern noch verbieten.

Bitte denkt daran, dass Ihr auch an diesem Spieltag wieder die Leistung der Spieler bewerten könnt. Hier habt Ihr Gelegenheit dazu.

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8 Kommentare

Fallback Avatar 1. Thomas66 06. November 16, 10:10 Uhr

Was soll man den Ausführungen hier noch zufügen??? Prima Analyse von Ralf und ich muss einfach sagen, dass ich vom bisherigen Saisonverlauf mehr als beeindruckt bin. Aber auch eine andere Sache beeindruckt extrem. Ich glaube, dass inzwischen fast alle Spieler eingesetzt wurden und keiner das Gefühl hat ein fünftes Rad am Wagen zu sein. Jeder erhält die Möglichkeit seinen Teil zum Erfolg beizutragen und genau dieser Punkt ist in meinen Augen auch einer der Schlüssel, warum jeder für jeden kämpft, Rotation und Erfolg sei Dank. Die Zeiten, wo über Wochen immer die gleiche Mannschaft aufläuft, sind Vergangenheit und darüber bin ich echt froh. Auch das Bashen gegen einzelne Person hat komplett aufgehört. Fehler sind halt eben menschlich und hier haben wir eine vorbildliche Mannschaft mit dem gesamten Team, inklusive Trainerstab und Vorstand. Auch hier im Forum spürt man förmlich, ;-) , wie man darauf wartet, dass eine magische Punktezahl erreicht ist, damit man wieder von mehr träumen darf. Ist nur so ein Gefühl, aber ich denke, das ist auch gut so. Die halbe Miete haben wir ja schon und es sind grade mal 10 von 34 gespielt. Warten wir mal ab, was die nächsten Wochen noch so bringen und vielleicht erleben wir ja noch eine faustdicke Überraschung.

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Wieder eine sehr gute Analyse Ralf!

Das Spiel gestern erinnerte stark an das Spiel gegen Schalke am 1. Spieltag. Absolutes anrennen von Beginn an, spielerisch starke Aktionen (Fabian zum Zunge schnalzen), frühes Tor, leider das zweite verpasst und das entsprechende nötige Spielglück auf unserer Seite. Durch den leidenschaftlichen Kampf ein verdienter Sieg. Überrascht war ich nur das sich der "effzeh" überraschen lies, aufgrund unsere bisherigen Heimspiele in dieser Saison.

Danke Niko Kovac, Danke an die Mannschaft für diesen tollen Fußballabend :-)

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Fallback Avatar Der User hat SGE4EVER.de mit mind. 25 € finanziell unterstützt, als es um den großen Relaunch 2024 ging. 3. SGECharly 06. November 16, 12:31 Uhr

Treffende Analyse!
Macht wirklich Spaß unsere SGE. Warten wir 3 Heim und Auswärtsspiele nach der Winterpause ab, erst dann wissen wir ob wir uns da oben in der Liga festsetzen. Schalke, Wolfsburg und Leverkusen sind jetzt wohl auch aufgewacht und werden da noch ein Wörtchen um die EL-Plätze mitreden.

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Fallback Avatar 4. EintrachtKafka 06. November 16, 13:56 Uhr

Ingesamt ein verdienter wenn auch teils glücklicher Sieg. Aber das Glück ist mit den Tüchtigen.
Vom hässlichen Entlein zum weißen Schwan.
Kaum wieder zu erkennen im Vergleich zur letzten Saison.
Denke aber auch, dass die Mannschaft letzte Saison unter ihren Möglichkeiten gespielt und ihr Potential jetzt zur Geltung kommt.
Das haben wir "King Kovac" zu verdanken. So wurde er im Spieltag bei Sport1 genannt.
Bisschen übertrieben aber okay;D
Um ein wenig Wind aus dem Segel zu nehmen.
Saison 12/13 lagen wir mit Veh auf Platz 3. 20P und 21 zu 14 geschossenen Toren;)
Allez allez jade ohhh!!

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Fallback Avatar 5. pitbull99 06. November 16, 16:20 Uhr

Was soll man da noch sagen ? Passt wie die Faust auf´s Auge. Mittlerweile freut man sich wieder jede Woche unsere SGE zu sehen, was noch in der Rückrunde der letzten Saison ganz anders war weil man wieder mit einer derben Klatsche rechnen musste. Man kann hier nur Kovac und seinem Trainerstab, Bobic und Hübner Respekt zollen was sie aus dem Trümmerhaufen der letzten Saison gemacht haben !!! Das gestern war ein Spiel was wir früher klassisch versemmelt hätten weil es uns die Chance gab uns oben fest zu setzen. Da ging dem Team der Arsch auf Grundeis. Aber dank Kovac weiß das Team genau was zu tun ist und was sie können, und so gewinnen wir eben auch solche "Richtungsweisende" Spiele. Genießen wir den Moment und schauen wir mal wo wir am Ende stehn. Vielleicht heißt es ja nächste Saison wieder "Eintracht Frankfurt international" ;)

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Fallback Avatar 6. Hammermann 06. November 16, 17:57 Uhr

Es fällt mittlerweile echt schwer nicht zu träumen anzufangen. Muss mich echt kneifen. Klasse was unsere Eintracht so auf den Platz bringt zur Zeit. Das ganze Team wirkt so stabil und geschlossen das man sich einen Einbruch der gezeigten Leistungen bisher nicht vorstellen kann. Ich genieße es in vollen Zügen. Forza SGE

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Avatar 7. Hooliganverachter 07. November 16, 11:33 Uhr

Ich folge Ralf´s Aufruf und genieße den Augenblick. Ich mag mir nicht vorstellen, dass ich mich an kommende Niederlagen gewöhnen soll. Mir scheint, man hat die richtigen Spieler aussortiert. So, jetzt gugge mer mal, ob die FR ihre Plauderei schon ins Netz gestellt hat. :-)

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Fallback Avatar 8. zizou 07. November 16, 11:58 Uhr

Man muss schon einige Jahrzehnte zurückgehen, um sich an eine ähnlich sichere Eintracht-Defensive zu erinnern.
Wenn sich NK und seine Truppe noch effektiver auf rasantes Kontern verlegen würden, bräuchten wir uns nicht mit Träumen aufhalten.
Warum eigentlich nicht im Winter noch einen richtig schnellen, möglichst torgefährlichen Mann dazu holen?
Zudem sollte Tawatha intensiv aufgebaut werden, der ist nämlich richtig schnell und flanken kann er ohnehin.

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