Thomas Zampach ist weithin als Spaßvogel bekannt. So sagte schon Ansgar Brinkmann über seinen damaligen Kollegen: „Wenn es einen Typen gibt, der noch Verrückter war als ich, dann Zampe“. Im Interview mit dem 11-Freunde-Magazin zeigt er sich nun jedoch von seiner ernsteren Seite und spricht über die schweren Zeiten seines Lebens und wie er da wieder heraus kam.
Als junges Kind schon kickte er bei der SGE, seinem Traumverein. Im Alter von 10 Jahren spielte das Schicksal dem heute 45-jährigen jedoch einen bösen Streich, die Ärzte diagnostizierten bei ihm Lymphdrüsenkrebs. Die Fußballschuhe musste er daraufhin erstmal an den Nagel hängen. Auch ausgegrenzt habe er sich gefühlt, wenn er mit seinem von der Chemo ganz kahl gewordenen Kopf durch seine Wohngegend ging und die anderen die Straßenseite gewechselt haben. Der Krebs wurde zum Glück recht schnell besiegt und Zumach kehrte wieder mit voller Power auf den Fußballplatz zurück. „Ich begann, neben meinen eigentlichen Trainingseinheiten, eigene Übungen durchzuziehen. Als Teenager schaffte ich 120 Liegestütze und 350 Sit-ups. Ich kniete mich voll rein.”
Ein paar Jahre später kam der nächste Schicksalsschlag. Als Zampach 17 Jahre alt war, starb sein Vater an einem Herzinfarkt. „Jahrelang hatte er mich auf meinem Weg, Fußballprofi zu werden, begleitet und dabei unterstützt, jetzt war er auf einmal nicht mehr da. Das hat schon ziemlich reingehauen.”
Doch auch davon ließ sich der gelernte Mittelfeldspieler nicht unterkriegen und sein Ziel, irgendwann wieder bei der SGE spielen zu dürfen, blieb ungebrochen. Nach Stationen bei den Kickers Offenbach, beim SV Bad Vilbel, beim FSV Mainz und beim SV Wehen Wiesbaden war es 1997 schließlich so weit. Am 25. Juli im Spiel gegen Fortuna Düsseldorf gab der 1,75m große Frankfurter sein Debüt im Adlertrikot. Schnell wurde er zum absoluten Fanliebling. Über das Warum kann auch ein „Thomas Zampach – Fußballgott“ nur spekulieren. „Vermutlich war es die Mischung aus meiner Herkunft und meinem Spielstil, der den Fans gefallen hat: Ein Frankfurter Jung, der für seine Eintracht alles gibt und 90 Minuten marschiert – das kam gut an.”
Aus dieser Zeit stammt auch sein Ruf als Spaßvogel. Legendär sein Nackt-Lauf nach dem letzten Spiel der Saison 1997/1998. „Als das Spiel abgepfiffen wurde, brachen alle Dämme. Erst flog mein Trikot, dann meine Stutzen, schließlich meine Schienbeinschoner in die Menge. Die hätten an diesem Tag auch mein Kaugummi genommen. »Wollt ihr auch noch meine Hose?«, fragte ich die Fans. »Klar, her damit«, kam es als Antwort. Also verabschiedete ich mich auch von meiner Buchse. Da stand ich nun, wie Gott mich schuf“, erinnert sich der gebürtige Frankfurter. Ebenso an seine Diver-Erweiterung in Anlehnung an Jürgen Klinsmann denkt er gerne zurück. „Als Jürgen Klinsmann in England nach seinen Toren den »Diver« einführte, setzte ich noch einen drauf: Nach einem Sieg gegen die Stuttgarter Kickers zog ich mir Taucherbrille und Schnorchel über und setzte zum Diver vor der Kurve an.”
Ein Jahr später spielte die SGE um den Klassenerhalt. Erst im letzten Spiel konnte man damals die rettenden Punkte holen. Zampach wurde damals ausgewechselt und musste hilflos von der Bank aus zusehen. An einen Abstieg hatte er jedoch nie geglaubt, wie er heute versichert. Auch in der darauffolgenden Spielzeit musste er des Öfteren auf der Bank Platz nehmen, so dass er lediglich auf 11 Einsätze kam. Die Abwärtsspirale hatte wieder eingesetzt. „Alles änderte sich mit der Jahrtausendwende. Anfang 2000 kam mein Sohn zur Welt. Leider viel zu früh, das hat mich natürlich sehr belastet. Zeitgleich reihte sich eine Verletzung an die andere, mal war es der Daumen, mal die Bänder, mal der Knöchel – irgendwann erkrankte ich auch noch an Borreliose in Folge eines Zeckenbisses. Anfang Februar 2000 ersetzte Felix Magath Jörg Berger. Ich merkte schnell, dass der neue Trainer ein Problem mit mir hatte. Ich kann bis heute nicht genau sagen, was für Probleme das waren. Leider habe ich es versäumt, ihn darauf festzunageln.”
Magath war es auch, der ihn damals während der Saisonvorbereitung 2000/2001 in die Zweite Mannschaft zu den Reservisten steckte. „Ich trainierte und spielte bei den Amateuren – ein Bundesligaspiel habe ich nie wieder gemacht.” Der Verein bot ihm daraufhin eine andere Stelle an. Im Alter von 30 Jahren wurde der Fanliebling zum offiziellen Fanbetreuer. Was nicht immer eine leichte Aufgabe gewesen war. „Dass wir ausgerechnet in meiner ersten Saison als Fanbetreuer abstiegen, hat die Sache nicht gerade erleichtert. Gleich meine erste Auswärtsfahrt im Sonderzug endete damit, dass irgendeiner kurz vor München die Notbremse betätigte und wir schließlich von bewaffneten Polizisten mit Schäferhunden zum Stadion von 1860 begleitet wurden. Nach einer Niederlage wollten die Jungs sogar die Kabinen stürmen, gemeinsam mit den Ordnern versuchte ich, sie daran zu hindern. Was gerade so funktionierte. Sagen wir es so: Es war eine aufregende Zeit“, erinnert sich der 45-jährige heute, nicht ohne ein Lachen im Gesicht.
2004 war dann Schluss bei der SGE. Es folgten Trainerjobs beim SV Wehen Wiesbaden und beim SV Darmstadt 98. Sein Karriereende als Spieler konnte Zampach jedoch nicht wirklich verkraften. Als dann 2013 auch noch seine Mutter starb, fiel er in ein tiefes Loch. Er zog aus seinem geliebten Frankfurt weg und hörte sogar gänzlich mit dem Sport auf. Erst seine jetzige Freundin gab ihm so viel Kraft, dass er bereit war neu anzufangen. Letzten Sommer bestieg er die Zugspitze. „In Turnschuhen. In meinem Rucksack war eine Flasche Wasser, ein Energieregel und ein kleines Kruzifix. Mehr nicht. Normalerweise schafft man diesen Berg bei der Erstbesteigung in sechs Stunden. Mit richtiger Ausrüstung. Ich war in vier Stunden oben. Mit eingefrorenen Fingerkuppen. Als ich oben ankam, liefen mir 20 Minuten lang die Tränen über die Wange.” Als eine Art ganz persönliche chemische Reinigung sieht der Gipfelstürmer das heute an. Auch mit dem regelmäßigen Sport hat er wieder begonnen. Er erkannte, dass die Rolle des Spaßvogels manchmal auch dazu diente seine wahren Gefühle zu unterdrücken. Zwar sei er von Natur aus ein fröhlicher Mensch, und die Emotionen als Spieler seien stets echt gewesen, dennoch wolle er zukünftig mehr auf sich selbst und mehr in sich hinein hören.
Aktuell absolviert er nun eine Ausbildung zum Sportmentaltrainer, und hat dabei seinen Traumjob gefunden. Über die schweren Prüfungen ist er Gott heute dankbar, denn daraus konnte er gestärkt hervorgehen und vieles über sich selbst lernen. „Der Typ an der Front, der Cheftrainer, das bin ich nicht. Sondern der Teamplayer, der Zuarbeiter. Ich bezeichne mich selbst als Potentialentwickler. Für diesen Job bin ich geboren: Menschen auf ihrem Weg helfen, das Maximum aus sich herauszuholen. Grenzen zu überwinden, an sich selbst zu glauben, Dinge zu bewältigen, die man für unmöglich hielt. Mit Rückschlägen umzugehen, sogar noch stärker aus ihnen zurückzukommen. Meine eigene Geschichte ist sicherlich die beste Qualifikation für diesen Job.”
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