Stéphane Gödde übersetzt für Evan N’Dicka. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)

Stéphane Gödde war sechs Jahre lang eine der Stimmen der Frankfurter Eintracht. Als Dolmetscher übersetzte er jahrelang für die Spieler der SGE, die kein Deutsch sprachen, in ihre Landessprachen, lernte gemeinsam mit ihnen Deutsch und war außerdem als eine Art Betreuer für Sie aktiv.

Im Gespräch mit SGE4EVER.de-Chefredakteur Florian Bauer sprach der 43-Jährige jetzt über seine Zeit beim hessischen Spitzenklub, dessen Aufstieg und die Gründe für eine ganz besondere Protestaktion, die er nach dem Trainingslager der Hessen in Dubai startete.

Stéphane, du bist nicht mehr bei der SGE als Übersetzer aktiv. Was machst du derzeit und wie kam es zu deinem Abgang von der SGE? 

Stéphane Gödde: „Ich bin mittlerweile Lehrer an der Martin-Niemöller-Schule in Riedstadt und habe mich wieder als Dolmetscher und Übersetzer selbstständig gemacht. Meine Zeit bei der Eintracht endete am 30.06.2022. Damals hatte ich dem Verein mitgeteilt, dass ich nicht länger zur Verfügung stehe. Das hatte familiäre Gründe. Die sechs Jahre bei der Eintracht waren wunderschön, sie waren sehr erfolgreich, aber einige Dinge sind dann doch etwas zu kurz gekommen. Meine Kinder sind jetzt 10 und 6 Jahre und durch sie ist mir noch einmal klar geworden, dass ich nicht nur ein guter Dolmetscher für die Eintracht, sondern auch ein guter Vater sein wollte.“

Beides gleichzeitig war also nicht möglich? 

„Ich war nur ein kleines Rädchen bei der Eintracht, aber trotzdem habe ich immer alles gegeben und war rund um die Uhr verfügbar, wenn ich gebraucht wurde. Ich habe meine Arbeit sehr ernst genommen und täglich sehr pflichtbewusst agiert. Dadurch habe ich aber im heimischen Familienleben oft gefehlt. Bevor ich das dann im späteren Leben bereut hätte, wollte ich einen Schlussstrich ziehen. Ich kann zwar sagen, dass ich für jedes Kind einen Pokal mit nach Hause gebracht habe, aber am Ende fehlt die Zeit, die man gemeinsam verbringt. Mein Sohn spielt jetzt auch Fußball und ich bin sehr froh, dass ich ihn hier beispielsweise trainieren kann. Ich habe außerdem mehr Zeit für das Ehrenamt, das ist mir sehr wichtig. Ich genieße, dass ich jetzt sehr viel Zeit für andere Dinge habe und die Eintracht als Fan verfolgen kann. Ich bin einem Fanclub in unserer Region beigetreten. Ich habe einfach gemerkt, dass ich eine Entschleunigung nach zuvor sechs Jahren Vollgas brauchte.“

Wie bist du 2016 zur SGE gekommen?

„Als ich 2016 kam, ist der Klub gerade nicht abgestiegen, das war der Erfolg damals. Viele haben mich dann gefragt, ob ich mir sicher bin, dass ich mir das antun möchte (lacht). Ich hatte vorher freiberuflich viel in der Champions und Europa League gedolmetscht, auch für die SGE, zum Beispiel beim 3:0 gegen Bordeaux. Durch die Arbeit habe ich dann auch Fredi Bobic, der damals noch beim VfB Stuttgart war, kennengelernt. Und so kam dann auch der Kontakt später zustande. Als die Eintracht 2016 dann viele ausländische Spieler verpflichtet hatte, hat man sich überlegt, wie man das auch medial und in der Kommunikation lösen will. So kam es dann zu dieser Stelle, da musste ich überhaupt nicht überlegen.“

Deine Zeit von 2016 – 2022 war eine der erfolgreichsten Zeiten der Eintracht-Geschichte. Wie hast du die Zeit erlebt? Hättest du damit gerechnet, als du 2016 bei der SGE angefangen hast?

„Zuerst denke ich, dass diese Zeit der Grundstein für noch mehr Erfolge sein wird. Ich bin mir sicher, dass das nicht das Ende der Fahnenstange für die SGE war. Beide große Titel waren auf ihre Art und Weise besonders. Der Sieg im DFB-Pokal als erster Titel nach 30 Jahren war absoluter Wahnsinn. Und der Triumph im Europapokal als erster deutscher Titel in diesem Wettbewerb seit 25 Jahren. Das wussten wir bei Eintracht Frankfurt absolut zu schätzen, das ist alles andere als alltäglich. Die Champions League in dieser Saison hätte ich natürlich auch gerne mitgenommen, aber das mache ich jetzt aus der Fanperspektive. Ich traue der SGE auch in dieser Saison im Pokal und der Bundesliga noch einiges zu.“

Viele kennen die Videos, wo du mit Eintracht-Spielern mithilfe von Fangesängen Deutsch gelernt hast. Das wird ja nicht die alltägliche Arbeit gewesen sein. Kannst du uns kurz erklären, wie dein Alltag bei der Eintracht aussah? Du warst ja oft nicht nur Dolmetscher, sondern auch eine Art Spielerbetreuer, oder?

„Genau, das lag aber auch daran, dass es ganz schwer war, eine Grenze zu ziehen – von meiner Seite, aber auch vonseiten der Spieler. Das ist oft alles miteinander verflossen. Die neuen Spieler waren oft begeistert von allem, was die Eintracht zu bieten hatte. Aber sie waren oft auch erschlagen von der ganzen Bürokratie in Deutschland. Da waren sie einfach um jede helfende Hand froh. Das habe ich natürlich nicht alleine machen müssen, da gab es viel Hilfe. Das ging vom Checken des Mietvertrags bis hin zu Fragen zu einer Kita für das Kind des Spielers. Ich war oft das Bindeglied zwischen den Spielern und der alltäglichen Welt. Da war es natürlich für mich auch schwer zu sagen, dass ich jetzt einmal Feierabend habe. Deswegen gab es auch in der Familie durchaus die ein oder andere Diskussion (lacht).“

Kannst du dich an besondere Herausforderungen erinnern?

„Vor dem West Ham-Spiel im letzten Jahr gab es dann noch ein paar Probleme. Wir mussten kurz vor knapp nach Düsseldorf, um dort ein Visum für Filip Kostic und Rafael Borré besorgen. Dabei hatte man eigentlich kaum Zeit dafür, weil wir kurz zuvor erst Barcelona aus dem Weg räumen mussten. Da hatte man dann schon auch mal gedacht, dass Olympique Lyon (Gegner von West Ham United im Europa League-Viertelfinale, Anm. d. Red.) weiterkommt, auch wenn England das Mutterland des Fußballs ist. Das hat natürlich bürokratische Probleme mit sich gezogen.“

Und eine lustige Geschichte? 

„Die gab es sehr oft (lacht). Ich erinnere mich oft daran, dass ich in einer Halbzeit zwischen Carlos Salcedo und Simon Falette saß und die Anweisungen des Trainers simultan übersetzen sollte. Da habe ich in Richtung Falette alles auf Spanisch und in Richtung Salcedo alles auf Französisch übersetzt. Ich hatte mich schon gewundert, warum sie die ganze Zeit gekichert haben wie in der Schule. Dann hat Simon Falette mich gefragt, ob er jetzt auch noch Spanisch lernen muss. Das war echt lustig, wir haben sehr gelacht.“

Ein ernstes Thema war dagegen das Trainingslager in Dubai und das dortige Testspiel gegen RB Leipzig. Du hast dich auf Twitter hier sehr konkret dazu geäußert und die SGE kritisiert. Mit etwas Abstand, wie stehst du zu der Sache? 

„Ich muss zugeben, dass ich das nach wie vor sehr schwer verdaulich finde – auch mit der Verbindung des Tests gegen Leipzig. Ich war 2016 mit in Abu Dhabi. Damals war ich jünger und sicher auch nicht so gut über die Menschenrechts-Situation in der Golfregion informiert. Ich hatte damals schon nicht das beste Gefühl. Mir wurde aber erklärt, dass es das letzte Mal gewesen sei, dass das Trainingslager in der Golfregion stattfindet. Wir waren dann – auch in Verbindung mit Indeed als Hauptsponsor – oft in den USA, wo wir tolle Bedingungen vorfanden. Es kam mir jetzt so vor, als ob man gesagt hätte: „Jetzt ist der Goedde nicht mehr da, jetzt können wir wieder andere Destinationen anfliegen“. Das war sicherlich nicht der Grund, aber mir kam es so vor. Ich hatte im Herbst ja auch noch übersetzt, unter anderem beim Spiel gegen Olympique Marseille. Da habe ich auch noch die Information bekommen, dass es in die USA geht.“

Was sagst du zu den Testspielen? 

„Ich habe gesehen, dass der FC Bayern München aufgrund seines Sponsorings in Katar ist und Leipzig in Abu Dhabi. Da war mir fast klar, dass es aufgrund der örtlichen Nähe Testspiele gibt. Ich glaube auch, dass es ein Testspiel gegen die Bayern gegeben hätte, hätte man nicht so früh in der Liga gegen sie gespielt. Ich fand das alles nicht gut. Ich habe sechs Jahre lang voller Stolz die Werte von Eintracht Frankfurt weitergegeben – das hat nicht mehr zu diesen Werten gepasst. Auch bei Neuzugängen habe ich immer voller Inbrunst gesagt, dass Eintracht Frankfurt anders ist und dass es hier besondere Werte gibt. Daher war es für mich eine bittere Pille mit dem Trainingslager in Dubai.“

Du hast auch Konsequenzen daraus gezogen.

„Genau, ich habe entschieden, dass ich erst einmal nicht ins Stadion gegangen bin und dass ich auch sprachlich erst einmal nicht zur Verfügung stehe. Damit habe ich mir sicher auch ins eigene Fleisch geschnitten und es ist mir durchaus schwergefallen, aber das war es mir wert. Mit dem 124. Geburtstag der SGE am 8. März 2023 habe ich diesen „Boykott“ dann auch wieder beendet und stehe der Eintracht sprachlich und stimmlich in der gewohnten Qualität wieder zur Verfügung.“

Zurück zum Sportlichen: Du sagtest, dass du der SGE vieles zutraust. 

„Ja, und dabei bleibe ich. Ich hatte schon oft gesagt, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. Auch in dieser Saison hat man schon gesehen, was möglich ist und sein wird. Ich finde die derzeitige Entwicklung in der Liga auch sehr gut. Ich bin lieber Sechster mit Tuchfühlung nach oben als Zweiter mit einem riesigen Abstand. Ich denke, dass es für die Zukunft der SGE sehr gut aussieht. Aber die Konkurrenz schläft auch nicht. Ich persönlich würde aber auch das Erreichen der Europa League als Erfolg ansehen, zumal ich diesen Wettbewerb aufgrund seiner Unvorhersehbarkeit fast besser finde als die Champions League. Daher finde ich immer, dass man die Europa League niemals schlecht machen sollte.“

Dein Tipp für die restliche Saison der SGE? 

„Ich glaube, es wird auf jeden Fall für den internationalen Wettbewerb reichen. Die SGE hat im Winter mit Philipp Max noch einmal gut nachgelegt. Und nach oben kann man den Abstand immer aufholen – aber das wollen natürlich viele Vereine, die Konkurrenz ist groß. Aber die Eintracht mischt hier wunderbar mit und muss sich vor niemandem fürchten!“

Lieber Stéphane, wir bedanken uns herzlich bei dir, dass du dir die Zeit für uns genommen hast. Alles, alles Gute für die Zukunft und wir freuen uns, wenn wir dich ab und an für die Eintracht übersetzen sehen und hören! 

„Danke auch und viele Grüße an alle Leser von SGE4EVER.de!“

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2 Kommentare

  1. sehr gutes, höchst informatives Interview.
    Danke liebes sge4ever-team hierfür.
    Ruhig mehr davon … von Eintrachtler, die nicht immer nur im Rampenlicht stehen oder standen.
    😉

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  2. Gude Stephane,
    als ich OGs stupides Pro-Dubai-Motto: „Wenn Millionen Touristen dahin reisen, können wir dort auch trainieren.“ gelesen habe, ist mir vermutlich genauso übel geworden wie dir. Ich habe dir sofort vollumfänglich beigepflichtet als ich von deinem Protest gelesen habe – als absolut Einziger hier wohlgemerkt. Antirassismus, striktes Engagement gg.Judenhass und für Menschenrecht u. -würde wird bei Eintracht Frankfurt absolut zurecht hochgehalten und gelebt. Aber eben – wie fast überall anderswo auch – nur selektiv, also dort, wo es gewisse Eigeninteressen nicht tangiert. Warst eigentlich auch du in deinem Anhängerumfeld so gut wie der Einzige, der diese Form der Hofierung rigider Autokraten ablehnt und kritisiert. Unter Veh und Kovac, als wir in Abu Dhabi jahrelang Stammgäste waren und Hellmann öffentlich von sowas wie „Zweiter Heimat“ schwadronierte, gab es aus der gleichen Abt. ja hie und da noch Argumente a la „Wandel durch Annäherung bzw Handel.“ Wer auch im Rahmen der WM 22 diesbzgl.noch nicht den letzten Glaubensrest verloren hat, kann sich die wenig beachteten, daher äußerst spärlichen Artikel zur dortigen Post-WM-Realität zu Gemüte führen. Alle anderen mögen weiterhin Respekt und Bewunderung hegen für die dynastische Integrität dieses intrafamiliären Herrschersystems.

    Gugstu:

    Maktum bin Buti (1833–1852)
    Said bin Buti (1852–1859)
    Hascher bin Maktum (1859–1886)
    Raschid bin Maktum (1886–1894)
    Maktum bin Hascher (1894–1906)
    Buti bin Suhail (1906–1912)
    Said bin Maktum (1912–1958)
    Raschid bin Said (1958–1990)
    Maktum bin Raschid (1990–2006),
    Muhammad bin Raschid (2006-2024)
    Maktum bin Muhammad (2024-2051)
    Buti bin Maktum (2051-2067)
    Suhail bin Buti (2067-2070)
    Said bin Suhail (2071-2097)
    Buti bin Said (2097-2131))
    Buti bin Buti (2132-2147)
    Muhammad bin Buti (2147-2178)
    Maktum bin Said (2178-2179)
    Muhammad bin Maktum (2179-2191)
    Hascher bin Muhammad (2191-2198)
    Raschid bin Hascher (2198-2219)
    Suhail bin Raschid (2219-2242)
    Hascher bin Raschid (2242-2247)
    Suhail bin Hascher (2247-2249)
    Maktum bin Suhail (2249-2269)
    Suhail bin Maktum (2269-2274)
    Suhail bin Suhail (2274-2295)
    Hascher bin Suhail (2296-2311)
    Muhammad bin Hascher (2311-2334)
    Buti bin Muhammad (2334-2338)
    Hascher bin Buti (2338-2345)
    Hascher bin Hascher (2345-2376)
    Buti bin Hascher (2376-2389)
    Raschid bin Buti (2389-2402)
    Said bin Raschid (2402-2431)
    Suhail bin Said (2431-2450)
    Muhammad bin Suhail (2450-2475)

    t.b.c.

    16
    22

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