Laura Freigang ist Leistungsträgerin bei der SGE. (Foto: IMAGO / HMB-Media)

Wenn Eintracht-Offensivspielerin Laura Freigang Interviews gibt, kann man sicher sein, dass diese interessant werden und über „normale“ Interviews hinausgehen. So auch ein Gespräch von Freigang mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, in dem die 25-Jährige unter anderem das Jahr 2023 Revue passieren lässt, aber auch über Stress des Fußballerinnen-Lebens und den Aufschwung des Frauenfußballs im Allgemeinen spricht.

So betonte die gebürtige Kielerin, dass ihr von 2023 unter anderem für „die großen Turniere, diese besonderen Reisen mit dem Nationalteam“ in Erinnerung bleiben wird. Diese seien noch einmal etwas anders als die mit der SGE: „Bei der Nationalmannschaft fühlt sich das umfassender an, mit einem anderen Touch. Weil man für eine spezifische, zeitlich begrenzte Sache zusammenkommt und alle dasselbe Ziel haben. Das ist alles außerhalb der Normalität des Alltags, zumal wenn man wie für die Weltmeisterschaft in Down Under noch um die halbe Welt fliegt. Insgesamt Monate zusammen zu verbringen ist nicht normal. Jeden Tag an seine Grenzen zu gehen ist nicht normal. Das führt zu einer besonderen Atmosphäre“, erklärte die Angreiferin und betonte weiter: „Und das hat das frühe Ausscheiden noch mal frustrierender gemacht. Wir alle wissen, was diese Gruppe für ein Riesenpotential hat. Sportlich und menschlich. Das Gefühl, diese Chance mit dieser Mannschaft liegengelassen zu haben, war frustrierend.“

Glücksgefühle dank der Champions League

Anders als in der Nationalmannschaft, wo man bei der Weltmeisterschaft in Australien früh ausgeschieden war, ging es mit der SGE bergauf, zum ersten Mal in der zugegeben noch jungen Geschichte der Eintracht erreichten die Frauen die Champions League. Auch das sei ein absolutes Highlight und „großartig“ gewesen, erklärte sie. Auch die Umstände seien besondere gewesen: „Gerade vor dem Hintergrund, dass wir im Sommer 2022 beim Miniturnier noch knapp gescheitert sind. In diesem Jahr sind wir dann gegen Juventus im Elfmeterschießen glücklich weitergekommen – und das Glück ist plötzlich vervierfacht vor dem Hintergrund der noch frischen Erinnerung an das Vorjahr.“ In der „Königsklasse“ spielt die SGE nun unter anderem gegen den FC Barcelona – das Heimspiel vor 16.000 Zuschauen verloren die Frauen zwar, Freigang köpfte aber die Führung: „Das hat mir unglaublich viel bedeutet. Das ganze Spiel hat tatsächlich alle unsere bisherigen Spiele für die Eintracht getoppt. Und das, obwohl wir 1:3 verloren haben. Umso schöner, dass man dies dann trotzdem so genießen kann.“ 

Die Gruppenphase der Champions League hatte aber auch einige Dämpfer zu bieten, so verloren die Frauen von Cheftrainer Niko Arnautis in Lissabon mit 0:1, zuhause gab es „nur“ ein 1:1-Unentschieden gegen die großen Konkurrentinnen um Platz zwei der Gruppe. Besonders bitter: Die 25-Jährige verschoss einen Elfmeter kurz vor Schluss. Für Freigang selbst ein Rückschlag, der sie aber nicht aufhalten soll. Sie betonte, dass sie prinzipiell in ihrem Fußballerinnenleben bisher „Glück gehabt“ habe, aber auch die Rückschläge weiterhelfen können: „So war der verschossene Elfmeter gegen Lissabon nicht gut. Ich war überzeugt, dass ich ihn reinmache, das hat man in meinem Schuss aber nicht gesehen. Die vermeintlichen Negativerlebnisse sind immer aber auch eine Bereicherung. Und dann sind die positiven Erlebnisse umso schöner. Ein gutes Beispiel: Bei der Nationalmannschaft lief es für mich durchwachsen, und dann folgte im Verein mein Tor gegen Barcelona. Es ist immer alles relativ.“

„Ich fühle mich so wohl“

Freigang fühlt sich in Frankfurt wohl: Das sieht man nicht nur in ihren Social Media-Auftritten, sondern betont sie auch immer wieder. Die Liebe zu ihrer neuen Heimat ging sogar so weit, dass sie sich die 069, die Telefon-Vorwahl Frankfurts, hat tätowieren lassen. Dabei habe sie mit dieser „Sesshaftigkeit“ gar nicht gerechnet: „Ich dachte immer, dass ich jemand bin, der in seinem Leben viel rumreisen wird und erleben will. Ich bin ja auch nach Amerika gegangen, und das war nicht der klassische Karriere-Move einer Jugendnationalspielerin.“ Dann sei sie nach Frankfurt gekommen: „Ich fühle mich so wohl hier: Ich fühle mich wohl im Verein, in der Stadt, mit den Menschen.“ Auch der Verein habe es ihr angetan: „Ich profitiere von Eintracht Frankfurt und Eintracht Frankfurt profitiert von mir, hoffentlich (lacht). Wir nehmen beide eine gute Entwicklung. So ist es ein Verhältnis in Balance. Es macht Spaß, für die Eintracht zu spielen, der Klub ist extrem verbunden mit der Stadt und andersrum. Ich mag die Fankultur, ich mag die Trainingsbedingungen. Es gefällt mir eigentlich alles. Ich weiß, dass es eine Luxussituation ist, in der ich mich befinde, weil ich einen Ort gefunden habe, der so zu mir passt. Und ich halte daran so stark fest, weil ich es schön finde, dass man mit was zufrieden sein kann. Es ist cool, wenn man genau das machen kann, was man mag – und dann dabeibleibt.“

Trotz des frühen Ausscheidens der Frauen-Nationalmannschaft ist der Frauenfußball in Deutschland weiterhin auf dem Vormarsch und fesselt immer mehr Menschen. Diese Unabhängigkeit von den Erfolgen der Nationalmannschaft sei etwas Neues für Freigang: „Als dann in der Bundesliga weitere Zuschauerrekorde gebrochen wurden, war ich erleichtert. Weil ich das Gefühl hatte: Ja, es ist gut gewesen, was nach unserer erfolgreichen EM in England 2022 entstanden ist. Ja, es hat positive Veränderungen gegeben, die nachhaltig wirken. Ja, das Interesse der Leute ist echt.“ Sie betonte zwar, dass der Zeitraum die Entwicklung nachhaltig zu beurteilen noch zu kurz sei, die Fortschritte, die jetzt schon gegangen worden seien, aber „ein gutes Zeichen“ seien. „Zudem gibt es Frauenfußball zum Glück nicht nur hierzulande, sondern weltweit. Und vielerorts ist er offenkundig auf dem Vormarsch“, freute sich die gebürtige Kielerin. Trotzdem sei der Weg noch lange nicht abgeschlossen, über die Fortschritte freue sie sich aber immer mehr: „Vor wenigen Jahren war es noch so, dass es belächelt wurde, wenn ich erzählt habe, dass ich Fußball spiele. Das passiert mir gar nicht mehr. Und das ist für mich am allerschönsten: dass die Art, auf die wir uns in unseren Sport reinhängen, fruchtet. Wir haben auf unsere Art immer gekämpft um Anerkennung für das, was wir machen. Aber man will doch niemanden dazu zwingen, einen cool zu finden (lacht). Das macht man auch nicht im normalen Leben.“

Die Belastung für viele Profi-Spielerinnen ist auch ein Thema, das immer wieder durch die Medien geht. Viele Spielerinnen gaben bei der Suche nach den Ursachen für das frühe Scheitern bei der WM an, „überspielt“ zu sein. Nun gibt es mit dem Supercup aber ab der kommenden Saison noch einen Wettbewerb mehr. Freigang äußerte sich hier vorsichtig. Die EM 2022, wo die Mannschaft begeistert hatte und erst im Finale gegen England unterlegen war, habe eine Art Wendepunkt dargestellt: Mir war die Reizüberflutung anzumerken. Vor der EM haben manche Spielerinnen bei der Nationalmannschaft noch nebenbei studiert oder gearbeitet. Und auf einmal ist so viel passiert, dass sich unser Leben total verändert hat. Alles war anders. Und anders heißt neu, und neu bedeutet Stress. Wir haben super viel Input erhalten. Wir waren plötzlich Nationalspielerinnen, die alle kannten. Da ist schon viel von heute auf morgen auf einen eingeprasselt.“ Sie habe nun aber einen Weg gefunden, mit diesem Zustand umzugehen. „Es hat sich eingependelt. Ich komme gut damit klar.“ Aber: „Jetzt kommt der andere Teil: Man muss darauf achten, dass die Gesundheit der Sportlerinnen im Vordergrund steht. Mental und körperlich. Man sagt zum Beispiel über die Männer in der Premier League, dass die Belastung für sie manchmal über ihre Grenzen hinausgeht. Ich weiß gar nicht, ob wir es körperlich gestemmt bekommen würden, so viele Spiele zu absolvieren. Ich hoffe, dass von den Verantwortlichen auch diese Fragen anständig diskutiert werden. Es darf nicht darum gehen, das Maximale an Möglichem herauszuquetschen. Es muss organisch wachsen.“

Mental Coaching als wichtiger Baustein des Erfolgs

Sie persönlich greife auch auf externe Hilfe zu, um mit dem Stress umzugehen: „Mentales Coaching wird ein immer größeres Thema. Ich nutze es auch. Seit fünf Jahren auf eigene Faust, aber mittlerweile auch mit Unterstützung der Eintracht. Wir haben eine Sportpsychologin seit 2022 in der Teambetreuung dabei.“ Dies sei für sie sehr wichtig gewesen: „Wir sind dazu erzogen worden, dass wir dauernd darüber nachdenken, ob wir alles geleistet haben, was wir leisten können. Wer sich immer damit allein auseinandersetzen muss, spürt schnell eine Last. Mir tut es gut, dass ich mit anderen darüber in den Austausch gehen kann.“ Dies habe auch auf ihre Leistungen Einfluss. „Ich spiele den besten Fußball, wenn ich mit freiem Kopf aufs Feld gehe und Spaß haben kann. Und das ist nicht immer gegeben. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich jeden Morgen aufstehe und top gelaunt bin. Und so wie ich stetig daran arbeite, mich körperlich zu entwickeln, arbeite ich auch mental an mir. Es geht darum, für sich ein eigenes Feuer zu entzünden, das vernünftig brennen kann“, so Freigang.

Immer wieder und vor allem immer öfter werden die Spielerinnen auch abseits des Rasens beachtet, auch was die Politik und die Gesellschaft angeht. Die Adlerträgerin betonte, dass sie dies gut finde: „Das ist doch absolut okay, wenn man uns als Teil der Gesellschaft einbezieht und nicht sagt: Die bekommen Geld fürs Fußballspielen, die sollen mal schön nur dabei bleiben. Ich kann verstehen, dass man sich nicht immer mit allen Sachen außerhalb des Sports beschäftigen will und kann.“ Eine solche Situation, die weit über das Sportliche hinausging, war der Kuss-Skandal um den spanischen Verbandschef Luis Rubiales und Jennifer Hermoso nach dem gewonnen WM-Finale der Spanierinnen. Hier habe sie selbst eine ganz klare Meinung, betonte die 25-Jährige. Sie war direkt schockiert, als sie es gesehen habe und übte heftige Kritik an Rubiales, der mittlerweile suspendiert wurde: „Und als ich mitbekommen habe, dass es für sie keine schöne Situation war, war ich noch entsetzter. Vor allem, wie im Nachgang Rubiales damit umging, machte mich fassungslos, dass er sich nicht einsichtig gezeigt hat und für seinen Fehler um Entschuldigung gebeten hat. Zum Glück wurde es nicht toleriert, wie er sich verhielt. Man hatte ja gelesen und gehört, dass die Spanierinnen auch mit ihrem Trainerteam von Anfang an bei der WM nicht glücklich waren. Ich hätte mir für sie gewünscht, dass sie ein anderes WM-Ende bekommen hätten, denn so will man den Moment eines besonderen Titelgewinns auf gar keinen Fall erleben.“

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4 Kommentare

  1. Starke Spielerin und noch stärkere Persönlichkeit. Für mich einfach nur ein Glücksfall für uns ( und für sie). Das Frankfurt-Tattoo sagt alles

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  2. Das macht auf jeden Fall Lust auf mehr und ich hoffe sie wird noch viele Jahre ihr Niveau halten oder sogar steigern, bevor sie als Ikone des frühen SGE Frauenfußballs weitere Schritte tut, auf die wir auch stolz sein werden.

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