Nach dem Spiel gegen den VfB Stuttgart blickte man erneut in enttäuschte Frankfurter Gesichter. Die Mannschaft findet weiterhin nicht zurück zu alter Stärke. (Bild: Heiko Rhode)

Nach dem 2:2 in Wolfsburg wollte die Eintracht im heimischen Stadion gegen den VfB Stuttgart endlich wieder einen Sieg einfahren. Gegen abstiegsbedrohte Stuttgarter wollten sich die Hessen das nötige Selbstvertrauen zurückholen, um in der Champions-League gegen Neapel das große Wunder doch noch zu schaffen. Am Ende stand jedoch erneut nur ein 1:1 und viel schlimmer: Die SGE ist weiterhin weit entfernt von ihrer Form aus dem Jahr 2022. Es fehlt an Leichtigkeit, Kreativität, Selbstverständnis und vielem mehr. SGE4EVER.de hat das Spiel wie immer noch einmal analysiert:

Eine Halbzeit zum Abgewöhnen

Die erste Halbzeit gegen den VfB Stuttgart ist im Grunde schnell zusammengefasst. Keine echten Torchancen auf beiden Seiten, viele Fehlpässe, keine Struktur im Spiel und viel Stückwerk. Es wirkte ein bisschen wie ein Abnutzungskampf zweier Abstiegskandidaten. Das Problem an der Sache: Die Hessen haben eigentlich andere Ambitionen und sind als Tabellensechster und Achtelfinalist der Champions-League eben schon lange kein Abstiegskandidat mehr. Es ist durchaus zu erkennen, dass die Mannschaft gewillt ist, jedoch ist genauso offensichtlich, dass überhaupt nichts mehr zu funktionieren scheint. Viele Spieler laufen ihrer Form aus der Hinrunde hinterher und sind weit weg von ihrem bereits erreichten Level. Mit Beginn der zweiten Halbzeit wurden die Adlerträger entschlossener in ihrer Spielweise und bauten zeitweise so etwas wie offensiven Druck auf. Das Tor von Sebastian Rode, welches durchaus glücklich fiel und alles andere als ein gut herausgespieltes Tor war, sollte der Mannschaft eigentlich Selbstvertrauen geben. Die Mannschaft drängte für einen Moment auf das zweite Tor und belohnte sich nicht für den betriebenen Aufwand. Als die Stuttgarter drei Mal wechselten und viel Geschwindigkeit in die Partie brachten, konnte man bereits erahnen, was passieren könnte, denn die SGE bekommt in den letzten Wochen die meisten Gegentore nach ein und demselben Muster. Umschaltbewegungen des Gegners werden zuletzt immer sofort gefährlich für das Team von Oliver Glasner. Die Mannschaft rückt weit raus, verliert den Ball, schafft es dann nicht schnell genug eine Verteidigungslinie aufzubauen und ein Verteidiger nach dem anderen rückt verfrüht raus und lässt sich überspielen, sodass dann in der letzten Linie eine Überzahlsituation für den Gegner entsteht. Die Abstimmung stimmt in diesen Situationen überhaupt nicht mehr und auch der Routinier Makoto Hasebe bekommt die Abwehr in diesen Momenten aktuell nicht organisiert. Nach dem Gegentor waren es die Stuttgarter, die auf den Sieg drängten, sodass die Eintracht mit dem Remis am Ende noch zufrieden sein muss. Eine bittere Enttäuschung.

Mannschaftstaktische Defizite?

Woran liegt es, dass die SGE aktuell überhaupt nicht mehr in ihren alten Flow kommt? Wenn man einige Spiele der Hinrunde betrachtet, als die Frankfurter mit ihrem hohen Attackieren fast jeden Gegner vor große Probleme stellten, kommt die Frage auf, was geschehen ist, dass davon überhaupt nichts mehr zu sehen ist. Im Grunde fängt es genau bei diesem frühen Attackieren an. Die Gegner haben sich zunehmend auf die Spielweise der Hessen eingestellt und ihren Spielstil entsprechend angepasst. Der Spielaufbau wird möglichst breit gemacht, sodass die Laufwege im Pressing deutlich länger werden. Die erste Pressinglinie ist so schnell überspielt und als Reaktion darauf hat sich die Eintracht in den letzten Spielen immer weiter zurückgezogen und längst nicht mehr so früh und hoch attackiert. Das dann eher „halbherzige“ Pressing in der Nähe der Mittellinie ist dann für den Gegner relativ leicht zu überspielen und die eigentliche Wirkung des Pressings verpufft. Es wirkt zum Teil auch so, als ob der ein oder andere gerne früher und höher attackieren würde und es in diesen Momenten an Unterstützung fehlt. Die Körpersprache von Mario Götze, Raffael Borré und Randal Kolo Muani spricht in diesen Momenten Bände. Die Frustration ist deutlich sichtbar. Es gelingt der Mannschaft aktuell einfach nicht mehr, konsequent und gemeinsam zu pressen. Die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen werden dadurch enorm groß und die Frankfurter haben dadurch seit einigen Spielen (unabhängig vom Personal) überhaupt keinen Zugriff mehr im Mittelfeld. Dieser fehlende Zugriff im Mittelfeld ist ein echtes Problem, da immer dann wenn das Mittelfeld überspielt ist, einer der drei Verteidiger rausrücken muss und dann immer wieder die oben beschriebenen Unterzahlsituationen entstehen, wenn der rausrückende Verteidiger den Ball nicht gewinnen kann. Es ist die große Frage, was die taktische Anweisung des Trainers ist. Soll die Mannschaft sich weiter zurückziehen, weil man eingesehen hat, dass durch die größer werdenden Abstände im gegnerischen Spielaufbau das Pressing kaum noch Sinn ergibt oder fehlt innerhalb der Mannschaft aktuell die Überzeugung, der Mut und die Bereitschaft, um diese Laufarbeit zu leisten? Denn natürlich könnte man trotz der Breite im gegnerischen Spielaufbau weiterhin hoch attackieren, jedoch müssten dafür die Außenverteidiger und Mittelfeldspieler konsequent und mit voller Überzeugung mit aufrücken. Es scheint jedoch so, als ob diese Überzeugung aktuell fehlen würde. Zudem tun in diesem Kontext natürlich die Ausfälle von Jesper Lindström und Junior Dina Ebimbe besonders weh, da beide mit ihrer Geschwindigkeit besonderen Anteil am erfolgreichen Pressingspiel hatten.

Glasner und seine Bank

So vorhersehbar das Frankfurter Offensivspiel aktuell ist, so vorhersehbar sind auch die potentiellen Wechsel im Spiel der Hessen. Im Grunde wusste man beim Blick auf die Aufstellung und Bank schon vor Anpfiff und völlig losgelöst vom Spielverlauf, welche Wechsel wann ungefähr stattfinden werden. Daichi Kamada, dem Glasner eine Pause gab, würde vermutlich ab der 70. Spielminute für Raffael Borré in die Partie kommen und Kristijan Jakic würde Rode ersetzen, dem noch immer die Fitness für 90 Minuten fehlen. Ein weiterer Wechsel würde zudem sicher wieder Christopher Lenz sein, der regelmäßig für Philipp Max eingewechselt wird. Und genau so kam es am Ende auch. Einzig die zusätzliche Einwechslung von Lucas Alario war jetzt vielleicht nicht ganz so leicht vorherzusehen, wobei auch er regelmäßig für wenige Minuten ins Spiel kommt. Diese Wechsel haben aber insbesondere deshalb, weil sie bereits vorher so vorhersehbar und planbar waren, überhaupt nichts mit dem Spielverlauf zu tun. Und genau deshalb haben diese Wechsel vermutlich auch so wenig Einfluss auf das Spiel. Während Bruno Labbadia mit dem Stuttgarter Dreifachwechsel ein echtes Zeichen setzte und den Startschuss für eine offensivere Spielweise gab, hatten die Wechsel der Adlerträger im Grunde keinen Effekt. Glasner ist ein wirklich intelligenter und starker Trainer, aber bei diesem Thema muss er sich genau wie seine Vorgänger in jedem Fall kritisieren lassen. Schon unter Niko Kovac und Adi Hütter war das Thema Wechsel ein leidiges. Wieso reagieren die Eintracht-Trainer standardmäßig nicht wirklich auf das, was auf dem Spielfeld passiert? Wieso vertrauen sie im Grunde nur 13-14 Spielern und lassen alle anderen weitestgehend außen vor? Kapitän Rode kritisierte nach dem Spiel die Bank der Frankfurter, die im Vergleich zur Stuttgarter Bank überhaupt keinen Einfluss auf das Spiel nehmen konnte, aber sind es wirklich die Spieler auf der Bank, die die Schuld tragen? Natürlich ist niemand so nah am Team wie Glasner und niemand sieht die Spieler im Trainingsalltag, aber wäre es nicht wichtig auch gegenüber den formschwachen Stammspielern Zeichen zu setzen und sie konsequent auszuwechseln, wenn ihre Leistung nicht stimmt? Ist es nicht genau das, was einen gesunden Konkurrenzkampf innerhalb eines Teams fördert und dafür sorgt, dass die Spieler, die aktuell nicht performen, dafür kämpfen müssen, ihre Form wieder zu finden? Zudem stellt sich die Frage, ob einer Mannschaft, der aktuell die Leichtigkeit fehlt, nicht die Leichtigkeit und vielleicht sogar der „jugendliche Leichtsinn“ von Spielern wie Paxten Aaronson oder Faride Alidou sogar gut tun würde? Auch in der Defensive sollte Glasner Hrvoje Smolcic endlich das Vertrauen schenken, denn im Spiel gegen Stuttgart hat man mit Konstantinos Mavropanos deutlich gesehen, welchen Effekt eine echte Abwehrkante auf die Defensive haben kann. Nach einer ersten schwachen Halbzeit darf man zudem auch gerne bereits zur Halbzeit wechseln und muss nicht standardmäßig auf eine bestimmte Spielminute warten, um zu reagieren. Das ist im Grunde das Einzige, was man Glasner in der aktuellen Situation vorwerfen kann. Er reagiert gar nicht oder deutlich zu spät. Er nimmt während des Spiels zu wenig Einfluss.

Ist die Chancenlosigkeit in Neapel am Ende die große Chance?

Und ausgerechnet in dieser schwierigen Phase steht nun das Rückspiel gegen Neapel an. Mit der Hypothek der 0:2-Niederlage im Hinspiel reisen die Frankfurter nun ohne jegliches Selbstvertrauen nach Italien. Die Ausfälle von Lindström und Ebimbe wiegen schwer und die Sperre von Kolo Muani lässt das Unterfangen in Neapel fast schon aussichtslos wirken. Auch wenn dem Franzosen gegen Stuttgart nicht allzu viel gelang, war er einer der wenigen Spieler, der überhaupt einmal gefährliche Momente kreieren konnte. Wer soll gegen diese starke Italiener für Torgefahr sorgen? Es wird spannend, ob Glasner nun die Breite seines Kaders nutzt und eine offensive Lösung findet oder ob er sich eher auf die Defensive und einzelne Umschaltmomente konzentrieren wird. Wie gefährlich es allerdings ist, wenn man Neapel nicht beschäftigt und ihnen den Ball überlasst, hat man bereits im Hinspiel eindrucksvoll sehen können. Die Hessen werden also auch selbst am Spiel teilnehmenn, offensive Akzente setzen und etwas riskieren müssen, wenn man wirklich noch eine Chance auf das Weiterkommen haben will. Das Seltsame: Gerade die aussichtslosen und negativen Vorzeichen geben einem bei der Diva vom Main dann doch wieder ein gutes Gefühl. Gerade dann, wenn es aussichtslos schien, war die Diva schon oft für ein Wunder bereit. Die Mannschaft hat in jedem Fall nichts zu verlieren, denn jeder rechnet mit ihrem Ausscheiden. Schlussendlich könnte das Team frei aufspielen und den Champions-League-Abend noch einmal in vollen Zügen genießen und genau daraus die zuletzt fehlende Leichtigkeit ziehen, denn wirklich niemand rechnet mehr mit dem Weiterkommen. Nun muss Glasner genau daraus die nötige Motivation seiner Mannschaft herauskitzeln, dass man bereit ist, noch einmal alles für das Wunder zu investieren. Nur mit dem nötigen Mut kann der ganz große Coup noch gelingen.

 

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6 Kommentare

  1. Es gibt aktuell keine sicheren Punktelieferanten in der Bundesliga, selbst die Mannschaften am Tabellenende spielen stark. Von daher bin ich auch nicht von einem Sieg gegen den VFB ausgegangen. Bochum gewinnt in Köln und Schalke ringt dem BVB einen Punkt ab. Mich ärgert nur der fortlaufende Dusel von Union und Freiburg, vor allen Dingen was die andauernd an Punkte bringenden Elfmetern etc. bekommen. Leverkusen und Wolfsburg drücken von unten, das wird noch eine ganz enge Kiste um die internationalen Plätze. Ich glaube aber irgendwie an einen erneuten Pokalsieg.

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  2. @—) Laura…. Mal wieder gut beschrieben. Auch gefällt mir, dass du dieses Mal einzelne ausnimmst und für mich es so beschreibst wie es ist. Eine gewisse Lähmung in allen mannschaftsteilen… außer bei Trapp, den nehm ich mal raus. Hatten wir vor Wochen noch gedacht, gerade unsere Bank ist stark wenn wir Borre, Allario Buta usw nachlegen können. Das war ja auch so, aber nun ist es seit der WM verhext. Alle sind lethargisch. Dazu kommt dann keine spritzigkeit und vor allem kein unbedingter Wille. Die Trainer Aussage bei dir ist richtig. Es fehlt der Biss von hinten. Ein Bank Spieler, der weiß dass er eh erst ab der 70. reinkommt beißt sich nicht durchs Training. Formschwache Spieler die wissen dass sie eh spielen beißen sich auch nicht durch… und die, die eh nicht reinkommen, da die Wechsel Karten schon vor dem Spiel geschrieben werden, beißen auch nicht, da sie eh keine Chance bekommen. Also zusammengefasst: wir sind zahnlose Tiger… nicht mehr, nicht weniger… ok. Kolo hat noch zwei drei Zähne… aber die reichen halt nicht immer… du sprichst die beiden 3-0 Siege an… die sehen auch nur im Endergebnis sicher aus… bei beiden Siegen war mehr Glück als Verstand bei…man hat das damals begründet, dass wir ja nun ne spitzenmannschaft sind, die auch mal mit nichtleistung Siege einfährt… eine falsche Einschätzung wie man nun erkennen muss.

    Deine Hoffnung in Ehren, aber in Neapel können wir so demontiert werden, das das auch einen weiteren Knacks im System geben kann. Die Gefahr ist nämlich die, dass die die seit Wochen glauben sie seien zu höherem berufen, dann erst recht denken, etwas weit besseres zu sein als ihre Kollegen und nur Liverpool Manchesters und Madrid ihnen gerecht werden können… aber diese Traumschlösser der Spieler sind einfach ohne jegliches Fundament gebaut… reine Träumereien. Keinerlei selbstreflexion… also, ich hoffe auf keinen Knacks, weiß aber auch nicht wie man da aus der Spirale raus kommt… ob’s was bringt allen Träumern die Tribüne zu zeigen und den jungen Wilden den Platz zu geben ist eher nicht die Lösung…

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  3. Trifft sich in einigen Punkten genau mit meiner Einschätzung. Es kommt kein Input von der Bank, das Spiel ist unflexibel.
    Ein Trainer muss in der Lage sein, Stellschrauben anzugehen, um Dinge in die richtige Richtung zu lenken.
    Wenns läuft, wissen alle warum, wenn nicht, stellt sich der Trainer hin, und erzählt, dass er keine Ahnung hat, woran es liegt. Sorry Leute, das geht gar nicht.

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  4. @ 4

    Kann ich dir nur zustimmen. Ohne Not und in bester Ausgangslage so einzubrechen soll mir Glasner mal erklären.

    Der Trend spricht eine klare Sprache. Von den jüngsten sechs Pflichtspielen gewannen die Frankfurter nur eins, von sieben Rückrundenpartien in der Liga nur zwei. Die Leichtigkeit und das Selbstvertrauen aus der Hinrunde sind verflogen. Erklärungen hat Trainer Oliver Glasner keine parat. (Quelle Kicker).

    ????

    Echt schade.

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  5. Wir versuchen mit 13-14 Spielern 3 Wettbewerbe zu spielen. Das klappt nicht.

    Letztes Jahr sind wir dadurch EL-Sieger geworden, in der Bundesliga nicht 11. und im DFB-Pokal frühzeitig raus.

    Die Alternativen im Kader sind dieses Jahr vorhanden, da nehme ich MK aus der Kritik. Ich finde der Kader ist der Stärkste seit mindestens 10 Jahren!

    OG muss sich dieser berechtigten Kritik stellen, den Kader nicht komplett zu nutzen und Spieler die hinten dran sind ran zu führen. Das ist für mich der einzige Kritikpunkt.

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