Fredi Bobic hat sich ein erstes Bild von den Rahmenbedingungen in Frankfurt verschaffen können
Fredi Bobic hat sich ein erstes Bild von den Rahmenbedingungen in Frankfurt verschaffen können

Bekommt Fredi Bobic die 100 Tage Schonfrist, die einem neuen Sportvorstand eingeräumt werden sollten? Während der frühere Stuttgarter mit einer beachtlichen Energie die personellen Strukturen innerhalb der SGE aufzubrechen beginnt, bringen sich die Kritiker in Stellung und wähnen ihre Eintracht wieder einmal auf dem Weg in Richtung Abgrund. Dabei versuchen Bobic und Axel Hellmann nur, diverse Versäumnisse der Bruchhagen-Ära zu beseitigen und sehen sich dabei einigen bekannten und manch neuen Sachzwängen rund um den Stadtwald ausgesetzt.

Sachzwang 1: Das liebe Geld
Fredi Bobic war sicherlich über die finanzielle Situation von Eintracht Frankfurt informiert, als er seinen Arbeitsvertrag unterschrieb, doch ob ihm wirklich klar war, welch geringer Spielraum ihm bei dem Aufbau einer neuen Mannschaft zur Verfügung stehen würde, mag bezweifelt werden. Angesichts der im Winter als Vorgriff auf die neue Saison getätigten Transfers, die die SGE nur bedingt vorangebracht haben, müssen nun erst einmal Transferüberschüsse getätigt werden, bevor an weitere kostenintensive Neuverpflichtungen gedacht werden soll. Man kann jetzt darüber diskutieren, in welcher Höhe der Überschuss ausfallen wird, unklar ist, wer für die wenigen Spieler auf Frankfurter Seite mit einem ansehlichen Marktwert tief in die Tasche greifen soll. Der im Falle der Veräußerung von Haris Seferovic erhoffte zweistellige Millionenbetrag ist genauso illusorisch wie nennenswerte Einnahmen durch den Verkauf von Bankdrücker Luc Castaignos. Statt Transfererlösen kann Finanzvorstand Frankenbach derzeit vor allem mit Personalkosteneinsparungen durch die langfristigen Verletzungen von Marc Stendera, Marco Russ, Bamba Anderson & Co., sowie das Karriereende von Stefan Reinartz rechnen. Alle Hoffnungen, durch die Wahl von Wolfgang Steubing als neuem Aufsichtsratsvorsitzender frisches Geld in Form von Genussscheinen oder anderen Finanzierungsmodellen zu generieren, haben sich bislang als Luftblase erwiesen.

Sachzwang 2: Pacta sunt servanda
Nach Heribert Bruchhagen und Bruno Hübner darf sich nun auch Fredi Bobic mit den vertraglichen Eigentümlichkeiten des Kontraktes von Carlos Zambrano auseinandersetzen. Im Zuge der Verkündung der Vertragsverlängerung im Rahmen der letztjährigen Saisoneröffnung bis zum Jahre 2020 (angeblich ohne Ausstiegsklausel) schien sich die Eintracht entweder einen überdurchschnittlichen Abwehrchef oder ein Faustpfand für einen lukrativen Transfer in der Zukunft gesichert zu haben. Nun ist es – wie so oft – ganz anders gekommen: Der Peruaner soll für eine festgeschriebene Ablösesumme, die offenbar für nicht wenige Vereine aufzubringen in der Lage sein sollen, gehen können. Von den kolportierten 3 Millionen Euro würde allerdings nicht nur die SGE, sondern auch das berüchtigte Schweizer Konsortium und offenbar der frühere Arbeitgeber Zambranos, der FC St. Pauli, partizipieren. Der Einnahmeeffekt kann somit weitgehend vernachlässigt werden, zumal es kaum möglich sein wird, einen adäquaten Nachfolger für billiges Geld zu finden.

Sachzwang 3: Hoffnungsvolle Talente und Nachwuchsarbeit
Der Anhang der Eintracht und vieler anderer Vereine träumt in schöner Regelmäßigkeit von einer Mannschaft, die sich zu großen Teilen aus Spielern zusammensetzt, die aus der Region stammen oder – noch besser – im eigenen Nachwuchszentrum ausgebildet wurden. Der Haken an dieser Wunschvorstellung ist allerdings, dass wir nicht mehr in den 1950er-Jahren leben und der zur Verfügung stehende Nachwuchs derzeit einfach zu schlecht ist. In den letzten Jahren haben nur ganz wenige Spieler den Sprung aus der Jugendmannschaft in den Profibereich geschafft. Die beiden einzigen überdurchschnittlich Begabten, Sonny Kittel und Marc Stendera, wurden in ihrer Entwicklung immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen, andere wie Joel Gerezgiher, Luca Waldschmidt, Enis Bunjaki, David Kinsombi, Marc-Oliver Kempf stagnieren, haben ihre Bundesligatauglichkeit nicht nachgewiesen oder den Verein bereits wieder verlassen. Die U19 des Leistungszentrums befindet sich in den letzten beiden Jahren ständig im Abstiegskampf und wird auch in diesem Jahr keinen einzigen Feldspieler hervorbringen, der Anlass zu Hoffnungen gibt. Selbst Nico Rinderknecht, der als das Aushängeschild der letztjährigen Mannschaft galt und am 16. Spieltag sein Profidebüt gegen Dortmund feierte, bekam keinen neuen Vertrag und versucht sich nun in Ingolstadt zu beweisen.

Fredi Bobic hat bei seinem Amtsantritt pflichtgemäß gesagt, er wolle künftig auf die Jugend setzen und habe keine Scheu davor, die Eintracht auch als Ausbildungsverein zu bezeichnen. Im ersten Augenblick schien diese Aussage einzuleuchten; bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch die Frage, wie eine Nachwuchsarbeit ohne Auszubildende erfolgreich sein kann. Immerhin – mit dem langjährigen Reha-Trainer Michael Fabacher sollen die Weichen für die Zukunft gestellt und die Talente schon im Bereich der U16 physisch näher an den Profikader herangebracht werden. Schnelle Erfolge sind bei diesem langfristig angedachten Konzept jedoch nicht zu erwarten.

Sachzwang 4: Die „Mannschaft hinter der Mannschaft“
Richtig aufgeräumt hat der neue Vorstand hinter den Kulissen des Waldstadions. Für den bisherigen Fitness-Trainer Christian Kolodziej wurde ein neuer „Athletik-Coach“ in Person von Klaus Luisser verpflichtet, der viel gescholtene Medien-Direktor Markus Jestaedt musste ebenso gehen wie der bisherige Chef-Scout Bernd Legien, der durch Ben Manga ersetzt wird. Diese Entscheidungen sind sicherlich nachvollziehbar – die Öffentlichkeitsarbeit gehört ebenso wie das Scouting zu den defizitären Bereichen bei Eintracht Frankfurt –, doch ist diese Personalrochade nicht ohne Risiko. Abgesehen von den finanziellen Konsequenzen, die durch Vertragsauflösungen und Abfindungen entstehen, wird das neue Team hinter dem Team sehr stark mit der Person Fredi Bobic identifiziert. Gelingt es der neuen Führungsspitze, einen erfolgreichen Neuaufbau in die Wege zu leiten, haben Hellmann und Bobic alles richtig gemacht, wenn nicht, meldet sich das berühmte Frankfurter Umfeld zu Wort und wird Konsequenzen fordern.

Sachzwang 5: Ein neues Team ohne Risiken bilden
Bisher kann Eintracht Frankfurt neben zahleichen Abgängen nur vier Neuverpflichtungen vermelden: Leon Bätke, der als dritter Torwart in der kommenden Saison nur eine Nebenrolle spielen wird, Branimir Hrgota, Danny Blum und wohl auch Ante Rebic. Die drei letzteren verfügen zweifelsohne über Talent, haben aber dauerhaft noch nicht unter Beweis stellen können, dass sie einer Bundesligamannschaft entscheidend weiterhelfen können. Angesichts der begrenzten Finanzmittel werden wir uns darauf einstellen müssen, dass noch die eine oder andere Wundertüte den Weg in unseren Kader finden wird. Außerdem deutet die Verpflichtung dieser drei Stürmer darauf hin, dass man ernsthaft einen Verkauf von Seferovic und/oder Castaignos in Erwägung zieht. Ob die Qualität im Kader ausreicht, die Sturmprobleme der vergangenen Saison vergessen zu machen, muss nach dem aktuellen Stand der Dinge bezweifelt werden, zumal bei den weiteren Transfers die Schwachstellen im defensiven Mittelfeld, auf den defensiven und offensiven Außenbahnen und in der Innenverteidigung geschlossen werden müssen.

Fazit
Dieser Beitrag soll keine Schwarzmalerei betreiben und nicht die drohende Zweitklassigkeit an die Wand malen. Die Transferperiode dauert noch sehr lange an und es ist viel zu früh, eine erste Bilanz der Tätigkeit von Fredi Bobic zu ziehen. Allerdings sind die Hemmnisse und Probleme beim Aufbau einer neuen Mannschaft in den letzten Wochen sehr deutlich geworden. Umso mehr sind jetzt Kreativität, Phantasie und kluge Netzwerkarbeit notwendig, um einen Kader zu erstellen, der nächste Saison tatsächlich mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben wird. Bislang konzentrieren sich die Verantwortlichen auf ablösefreie Spieler, die das knappe Budget nicht über Gebühr belasten. Um eine wettbewerbsfähige Mannschaft ab Ende August ins Rennen schicken zu können, sind aber Investitionen notwendig, die kostenneutral nicht zu realisieren sind. Mit einer Verpflichtung solcher „Hochkaräter“ ist aber nicht zu rechnen, bevor nicht durch den Verkauf einiger Spieler frisches Geld in die Kasse gespült wurde.

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55 Kommentare

  1. @Christopher: Das mit den 9,5 Mio wurde aber bisher vone niemandem dementiert. Keine Zeitung hat recherchiert und gesagt, das es weniger ist. Daher glaube ich die Summe, solange mir keiner Beweise für das Gegenteil geben kann.

    Übrigens, Sirgu wechselte als Torhüter der zum Kader der italienischen Nationalmannschaft gehlrt für 3,9 Mio zu Paris. Karius gerade für 6,2 Mio nach Liverpool. So schlecht finde ich die Summe bei Trapp also nicht. Torhüter erziehlen immer weniger als Feldspieler.

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  2. @Joe: Vielleicht wird ja Herr Hübner jetzt mal etwas kritischer hinterfragt, nachdem ja scheinbar – glaubt man zumindest Fredi Bobic – eine Lüge bei der Vertragsverlängerung von Carlos Zambrano verbreitet wurde. Es hieß ganz offiziell, man habe mit bis 2020 ohne Ausstiegsklausel verlängert.

    Ich möchte mich zu der Personalie Hübner hier jetzt nicht weiter äußern – zu der Summe: Sie wurde aber auch von niemandem bestätigt. Stillschweigen pur – warum eigentlich, wenn es so ein toller Deal war? Da kann man doch durchaus mal sagen – ja es stimmt, wir bekommen bei Trapp bis zu 11 Mio € mit Nachzahlung?

    Ich lasse mich da nicht mehr von irgendwelchen genannten Summen in der Zeitung blenden. Aber ich hoffe weiterhin darauf, dass BH wirklich auf Bewährung arbeitet. Da sind einige Dinge, die einfach mal sehr kritisch und klar und deutlich hinterfragt gehören. Daher meine Frage – warum sollte ich das mit den 9,5 Mio für Kevin Trapp glauben? 😉

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  3. Musst Du nicht. Aber es gibt keine gegenteiligen Erklärungen, daher glaube ich sie. Und es gibt jede Menge Transfers, bei denen keine Summen bestätigt werden, das ist für mich kein Argument.Und Trapp wurde schon mal gefragt ob die 9,5 Mio für ihn eine belastung wären . Da hat er die Summe nicht korrigiert. Spricht also für mich dafür , dass sie stimmt. Wenn Dein Gefühl dir sagt das man Bruno nicht trauen darf und deshalb die Summe nicht stimmt, kann und will ich dir das aber nicht nehmen.

    Das mit der Klausel bei Carlos wundert mich allerdings auch. Ich bin davon ausgegangen, dass sie weg ist. Ob da jetzt gelogen wurde , kann ich nicht beurteilen. Wenn die damalige Klausel von 1,5 Mio durch eine von X Mio ersetzt wurde, kann man natürlich sagen , das diese Klausel weg ist. Ich weiß nicht ob gesagt wurde, es gibt keine Klausel mehr, oder diese Klausel sei raus ( das habe ich bsiher nur gefunden ) . Fakt ist, das mich das nicht wirklich glücklich macht. Da aber Carlos die alte Klausel nicht gezogen hat und hier glücklich ist, gehe ich immer noch von einem Verbleib aus.

    Hübner wird wie viele andere kritisch gesehen und ist sicher auch auf Bewährung. Allerdings machen die Jungs in dieser Transferperiode bisher einen scheinbar guten Job.

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