Nelson Mandela wurde mit der SGE zwar Pokalsieger – stand jedoch keine Minute auf dem Platz. (Bild: IMAGO / Jan Huebner)

Fußball-Profi zu sein, vor tausenden jubelnden Fans einzulaufen – es ist ein Traum vieler Kinder. Doch die Realität sieht oft anders aus: Nur ein Bruchteil der Talente schafft es wirklich, aus ihrem Hobby einen Beruf zu machen, von dem sie leben können. Eine aktuelle Dokumentation der ARD widmet sich dieser Frage und zeigt das Beispiel zweier Spieler, die einst in der Frankfurter Eintracht ihr Sprungbrett sahen – und bitter enttäuscht wurden.

FIFA-Regeln werden mit kreativen Wegen umgangen

Einer davon ist Nelson Mandela Mbouhom. Er kam als Kind ganz alleine aus seiner Heimat in Kamerun zum FC Barcelona. Ein Scout entdeckte Nelson Mandela in Afrika. Das Sorgerecht wurde von den Eltern an eine Stiftung des damaligen Barcelona-Stars Samuel Eto’o übertragen, damit der Transfer überhaupt möglich wurde. Denn die FIFA-Regeln untersagen eigentlich die Transferierung eines minderjährigen, nicht-europäischen Kindes. In Katalonien konnte er sich jedoch nicht durchsetzen, wurde nach zwei Jahren bereits wieder aussortiert. Über Umwege landete er in Hoffenheim. Gemeldet wurde er jedoch im ersten halben Jahr nicht bei der TSG Hoffenheim, sondern beim FC Zuzenhausen, direkt nebenan. Der damalige Nachwuchskoordinator Dirk Mack sagte der ARD: „Sein Berater hatte ihn hier vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir ihn nicht verpflichten bzw. gewinnen für den Verein. Das haben die FIFA-Richtlinien verboten. Der Berater wollte, dass der Junge trotzdem bestmöglich gefördert wird. Er hat ihn in Zuzenhausen angemeldet.

Inzwischen war es der Spielerberater, der das Sorgerecht innehatte. Für Nelson Mandela ging es nach nur einem Jahr weiter zur Eintracht. Dort wurde er heimisch, feierte im Nachwuchsbereich große Erfolge – unter anderem die süddeutsche Meisterschaft der U15. Armin Kraaz, der damalige Nachwuchskoordinator bei der Eintracht, erinnerte sich: „Jeder, der zugeschaut hat, konnte nur zu dem Schluss gelangen: Wow, wenn es der nicht schafft, wer denn eigentlich dann?

Ohne Einsatzminute als Profi

Im Juli 2017 erhielt Nelson Mandela seinen ersten Profi-Vertrag, zunächst befristet auf zwei Jahre. Der damalige Frankfurter Sportdirektor Bruno Hübner sagte: „Nelson ist ein super Junge, der uns in den Jugendmannschaften viel Freude bereitet hat. Wir freuen uns sehr, dass wir ihm den nächsten Schritt ermöglichen können – er verfügt über ein unglaubliches Potential.“ Doch das Potential konnte Mandela nie ausschöpfen. Erst fehlte das Glück – und dann kam auch noch Pech hinzu: Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Ohne auch nur eine Spielminute auf dem Platz gestanden zu haben, durfte Nelson Mandela zwar 2018 in Berlin den DFB-Pokal gen Himmel stemmen. Die Euphorie war jedoch schnell wieder verschwunden: Der neue Trainer Adi Hütter steckte Mandela in die berühmte Trainingsgruppe 2, zu den Aussortierten. Mit Vertragsende, ohne ein einziges Pflichtspiel in der Statistik, verließ Mandela die Hessen.

Es war für Mandela eine schwierige Zeit, wie er in der Dokumentation erzählte: „Wenn du nicht ganz kannst, wirst du erst einmal zur Seiten geschoben. Und ich habe das Gefühl, es war ein bisschen in meinem Fall so. Ich hätte zum Beispiel nach meinem letzten Jahr bei der Eintracht erwartet, dass sie sagen: Okay, noch einmal ein Jahr.“ Er konnte die Entscheidung nicht verstehen. „Du denkst: Okay? Das ist immer noch meine Eintracht, bei der ich sieben Jahre war. Wo ich das ganze Vertrauen gehabt habe.

Die Vereine schenken den Kindern keinen reinen Wein ein

Einen Plan B hatte er nicht. Nelson Mandela hat alles auf nur eine Karte gesetzt: Profi-Fußballer zu werden. Prof. Dr. Arne Güllich von der Technischen Universität Kaiserslautern kennt dieses Phänomen: „Das ganze Leben ist auf Fußball konzentriert. Und nur Fußballer zu sein, ist nicht unbedingt die beste Vorbereitung auf das echte Leben in der Erwachsenenwelt, wenn man kein erfolgreicher Profi wird. Was auf die meisten zutrifft.“ Das Problem: „Selten schenkt ein Verein den Kindern und den Eltern reinen Wein ein. Reinen Wein einzuschenken wäre zu sagen: Wenn du zu uns kommst – das Wahrscheinlichste, das passiert, ist, dass du in drei Jahren nicht mehr hier sein wirst. Die Chancen, dass du einmal Erstliga-Profi wirst, ist ungefähr eins zu tausend.“ Jedes Jahr kämen alleine 15.000 jugendliche Spieler aus Afrika nach Europa, die einen ähnlichen Traum leben wollen wie Nelson Mandela – bei den allermeisten zerplatzt er. Güllich sieht die Verantwortung auch bei den Nachwuchsleistungszentren, die die Spieler viel zu früh zu sich holen: „Je früher die Aufnahme in die Nachwuchsleistungszentren, desto geringer die langfristige Chance, ein erfolgreicher Profi zu werden. Sinnvoll wird es erst ab etwa 14, 16 Jahren.

Moderne Form des Menschenhandels

Für Armin Kraaz stellt sich vor allem eine moralische Verantwortung: „Ein neunjähriges Kind wird aus Afrika, aus Kamerun nach Barcelona verpflanzt. Ohne Verwandtschaft, ohne Familie dabei zu haben. Dann ist es grundlegend erst einmal falsch. Das muss man auch so bewerten. Dass er nach zwei Jahren von diesem Verein schon wieder weggeschickt wird, mit der Begründung, es wird wahrscheinlich nicht mehr langen mit Barcelona, das ist noch mehr zu verachten und zu verurteilen. Was man letzten Endes mit den Kindern gemacht hat, ist eine modernere Form des Menschenhandels. Soweit ich weiß, war das nicht der einzige Fall in Barcelona.“ Letztendlich hätte „diese Beraterschiene um die Spieler herum nur ein Ziel: Sie möchten mit dem Jungen, mit dem Spieler Geld verdienen. Das ist die Motivation – keine andere!

Bei Nelson Mandela ging es von Frankfurt weiter in die Regionalliga Südwest, wo er aber erneut kaum Spielzeit erhielt. Seit September 2022 will er es über den FC Mecklenburg Schwerin in der Oberliga ein letztes Mal versuchen, seinen Traum doch noch zu erfüllen. Eine Alternative: er hat sie nicht. Keine Vorstellung, welchen Beruf er sonst ergreifen könnte. Das einzige, was der inzwischen 23-Jährige will, ist Vertrauen: „Alles, was ich brauche, ist jemand, der mir wieder vertraut. Ohne diesen ganzen Druck, den man heute im Fußball verlangt. Ich möchte einfach, dass mir wieder jemand die Gelegenheit gibt, meinen Traum wieder zu leben.

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15 Kommentare

  1. Diese Machenschaften sind schon ungeheuerlich. Was alles hinter der schönen Fassade getrieben wird, lässt einen fassungslos werden und man beginnt, etwas zu verabscheuen, das einem eigentlich Freude bereiten soll.

    Sehr interessanter Bericht, vor allem im Bezug auf Nelson. Zeigt einmal mehr, dass sich eigentlich niemand von Schuld reinwaschen kann. Drücke ihm die Daumen, dass er seinen Traum noch ansatzweise erreicht.

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  2. Jetzt haben wir eine 2. Mannschaft. Warum gibt man Mandela dort keine 2. Chance? Die jungen Spieler, die wegen Fehlens einer 2. Mannschaft uns verlassen mussten sollten nochmal überprüft werden.Immer die SGE

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  3. Im Profisport wird knallhart aussortiert. Das ist eben das Wettbewerbsprinzip. Nicht jeder kann es an die Spitze schaffen. Das ist die harte Realität. Hätte Messi in Rosario bleiben sollen? Luis Diaz in der Kolumbianischen Wüste? Einige schaffen es, andere nicht. Die Kids werden im jungen Alter entwurzelt, aber soll man es ihnen stattdessen verbieten in den besten Fußball Akademien der Welt mitzutrainieren und perspektivlos zu bleiben? Natürlich nicht. Vielmehr muss man die Vereine in die Pflicht nehmen, den jungen Kickern die nötige Bildung direkt oder indirekt zu vermitteln, damit diese im Falle des sportlichen Scheiterns nicht völlig orientierungslos sind. Morgens pauken, Nachmittags trainieren. Ich bin kein großer USA Freund, aber die machen es deutlich besser was das „heranzüchten“ von Profisportlern betrifft. Hast du Talent, kriegst du ein Stipendium für‘s College und dort lernst du und trainierst du. In Europa und Südamerika haben wir die Vereine, die vom Bildungszweig völlig abgeschnitten sind. An dieser Schnittstelle muss man ansetzen.

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  4. Schweinerei vor allem das mit dem Wechsel des Sorgerechts. Das kann echt nicht wahr sein. Die Vereine müssten zusätzlich nachweisen können, dass bestimmte schulische Meilensteine erreicht werden. Dass, wenn es nicht klappt, der Schritt in ein normales Leben gelingen kann. Denn den Druck wegnehmen kannst du andererseits ja auch nicht. Es gibt halt nur eine begrenzte an Plätzen und das bleibt auch so.

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  5. @2
    Um anderen Spielern den Platz wegzunehmen, die es aufgrund ihrer Leistung und Einstellung mehr verdienen?
    Nelson hat seine Chancen leider nicht nutzen können…hätte es ihm gegönnt

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  6. Ich habe die komplette Dokumentation im TV gesehen und die beiden ehemaligen Eintracht Jugend Kicker waren sinnbildlich für unzählige andere.
    Mit Mandela war es in der Kindheit schlimm, schlimm aber vorallem von seinen Eltern und in erster Linie der Berater (mit 8 Jahren !).
    Dann gibt es in Deutschland diesen Vorzeigeverein für Jugendförderung von Hopps Gnaden, einfach nur beschämend.
    Barcelona und Hoffenheim sortieren Mandela aus , in jungen Jahren, bei Eintracht bekommt er eine neue Chance, sogar mit Profivertrag.
    Im TV sagen beide Burschen selbst , dass sie sich „nicht immer“ profigerecht verhalten und gelebt haben, soviel Selbstkritik war Wenigsten da. Beide sagten auch, dass für sie mit dem Profivertrag das „Ziel “ erreicht war und jetzt das Leben beginnt.
    Das „Leben“ als Fußballprofi stellt aber ganz andere Anforderungen und diese Herausforderungen haben die beiden Burschen nicht angenommen.
    Jetzt im Nachhinein zu fordern, man hätte ihnen mehr Zeit geben sollen ist verlogen. Sie haben mit 16, 17 und 18 Jahren unfassbar viel Geld bekommen und hatten genügend Chancen sich zu beweisen. Beide hatten Chancen, nach denen sich tausende junge Fußballer sehnen, sie haben den einfachen Weg vorgezogen und damit verloren.
    Vieles im Jugen-Profi-Bereich ist durchaus kritikwürdig. Trotzdem liegt auch sehr viel in der Selbstverantwortung der jungen Burschen, ihrer Eltern und Berater.

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  7. Habe mir die Doku angesehen, warum wird von Justin nichts zu seinem Bruder erwähnt???
    Finde das Fehlt in dem Beitrag komplett!

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  8. @6. dieter

    Ja komplett nüchtern betrachtet passt deine Betrachtung. Habe ich meinem eigenen Beitrag @4 in meinen letzten beiden Sätzen ja auch angedeutet. So ist die Realität. Aber hier geht es mir echt zu weit. Die beiden hatten überhaupt keine richtige Sozialisierung und auch mit 15, 16, 17 brauchst du doch noch ein Gerüst um dich, das dich zusätzlich auch auf die Möglichkeit vorbereitet, falls es – warum auch immer – nicht klappt. Und das müssen die Vereine lösen. Unbelehrbare gibt es dann immer noch, aber die Kids hier im Beispiel waren zu jung, als dass die als Unbelehrbare hingestellt werden sollten.

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  9. Wir hatten das Thema mit der Doku hier den Kommentaren ja schon einmal. Auch da habe ich geschrieben ich finde dass die Geschichte zwei Seiten hat. Kinder aus ihrem Land und Umfeld zu reißen fasst alles abartige des Profifußballs zusammen. Die andere Seite ist dass ich in der Doku einen absolut nicht austrainierten jungen Mann sehe. Ich hab damals schon das Beispiel Alex Meier gebracht, bei dem ich aus erster Hand weiss wie professionell der bereits als 15 jähriger am Ziel Fussballprofi gearbeitet hat. Ich selbst (und viele meiner Teamkollegen) hab, als junger Spieler, in der Oberliga gespielt und immer wieder Anfragen von Bundesligisten gehabt. Einige sind gegangen – geschafft hat es genau einer (2. Liga Türkei). Alle anderen sind mit großen Hoffnungen in 2. Mannschaften von Profiteams oder vorher in Jugendmannschaften der Profiteams (NLZ gab es damals in der Form nicht) gewechselt – geschafft hat es, wie gesagt, einer. Jeder wusste wie gering die Chance bzw wie groß das Risiko ist. Sogar als 15 jähriger. Geschafft haben es schon immer nur die Spieler mit viel viel Talent, Glück und vor allem die mit unendlich Ehrgeiz. Den Ehrgeiz seh ich bei den beiden einfach null.

    Kinder aus ihrem Umfeld zu reißen ist abartig, ohne Wenn und Aber. Hier hat es aber n Fussballer nicht geschafft weil die Einstellung fehlt – das ist offensichtlich – das wäre mit der Einstellung aber jedem so gegangen. Nichts desto Trotz kann man nur hoffen das sich unser geliebter Sport Fussball von solchen Machenschaften nicht kaputt machen lässt…

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  10. @9. Robson83

    Absolute Zustimmung, wie gesagt. Man hat es in der Hand und man muss es auch als Jugendlicher wissen, wie es läuft. Aber wenn ich höre, dass hier Kinder um die 10 Jahre verschifft werden, frage ich mich, wo denn ohne entsprechende Sozialisation und außerfußballerische Bildung diese Erkenntnis überhaupt her kommen soll. Einzelfälle sind die beiden aus der Doku scheinbar ja nicht.

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  11. @8
    „Die beiden hatten überhaupt keine richtige Sozialisierung…..“

    Mandela ja, das ist ein Beispiel, wie man mit Kindern nicht umgehen sollte.
    Aber Justin kommt aus Frankfurt, hat 10 Jahre mit seinem Zwillingsbruder bei der Eintracht gespielt…sein Papa war immer dabei…da fragt man sich schon, warum der Papa ihn nicht aufs Leben vorbereitet hat…kann doch nicht sein, dass ein Frankfurter Bub plötzlich mit 20 Jahren nix mit seinem Leben anzufangen weiß, weil er gedanklich aufjedenfall Profi geworden wäre…ich gebe in seinem Fall der Eintracht keine Schuld…es ist schön stolz auf seine Söhne zu sein…waren immer Topspieler im Jahrgang..DFB U-Teams…aber wenn du deine Jungs nicht aufs wahre Leben vorbereitst, hast du es selbst verkackt…hinter der Seitenlinie glänzen reicht nicht

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  12. nur einer von 1.000 kommt durch…

    Schade für jeden jungen Menschen bei dem der Traum platzt, daher sagen die Eltern immer: man muss auch einen Plan B. haben, wenn nicht „gehörst Du schnell der Katz“

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  13. Off Topic
    Hauge wird Gent verlassen. Gent will die Leihe abbrechen. Grund sind unter anderem seine schlechten Trainingsleistungen und seine Einstellung. Sehr schade, der frühe Wechsel zu Milan hat dem jungen Kerl scheinbar den Kopf verdreht. Können nur hoffen dass er sich nochmal besinnt und ein anderer leihclub gefunden wird wo er nochmal durchstartet. Ich drücke die Daumen – geht ja für die SGE auch um viel Geld…

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  14. @13
    Alles gut…aber schönes Beispiel die 2..einer komplett ohne Familie und Umfeld…der andere genau das Gegenteil…und beide mit gleichem Ausgang

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