24.10.2015, Fussball, 1. BL, Hannover 96 - Eintracht FrankfurtDer Auftritt von Eintracht Frankfurt bei Hannover 96 war ein Paradebeispiel für Sportpsychologen. Zwei verunsicherte Mannschaften schoben sich 50 Minuten lang den Ball im Mittelfeld hin und her, vermieden jedes Risiko und spielten sich folgerichtig auch keine Torgelegenheiten heraus. Das Elend wäre wahrscheinlich bis zum quälenden torlosen Ende so weitergegangen, hätte nicht eine Kombination aus Unfähigkeit (in Person von Stefan Reinartz) und Zufall den Führungstreffer der Niedersachsen ermöglicht. Was danach folgte, lässt sich schwer erklären. Armin Veh reagierte umgehend, nahm Reinartz, den schwächsten unter vielen schwachen Spielern, vom Platz und brachte das vermeintliche Auslaufmodell Slobodan Medojevic. Mit dem Rücken zur Wand nahm die Mannschaft das Herz in die Wand und schaffte – angeführt von ihrem Jüngsten – die Wende. Nachdem die SGE zwischenzeitlich in der Tabelle auf einen Relegationsplatz gefallen war, hat sie nun wieder etwas Luft zu den Abstiegsplätzen geschaffen.

Aber der Reihe nach. Die Aufstellung der SGE bot nach den Verlautbarungen unter der Woche keine Überraschung. Makoto Hasebe ersetzte den gesperrten Aleksandar Ignjovski, Carlos Zambrano, Constant Djakpa und Stefan Aigner kamen für Luc Castaignos, David Abraham und Johannes Flum in die Mannschaft. Wie erwartet wurde auch das Spielsystem angepasst: Die Raute musste dem altvertrauten 4-3-2-1 weichen; Stendera und Reinartz bildeten die Doppelsechs und Oczipka bemühte sich auf der offensiven linken Außenbahn. Ungewohnt waren einzig die kanariengelben Jerseys, dei bei älteren Eintracht-Fans Erinnerungen an die Tetra Pak-Ära in den neunziger Jahren aufkommen ließen.

Der Hannoveraner Felix Klaus im Zweikampf mit Makoto Hasebe
Der Hannoveraner Felix Klaus im Zweikampf mit Makoto Hasebe

Das Ziel der Hessen war von Anfang an zu erkennen: stabil und kompakt stehen, Räume dicht machen, den Spielfluss der Niedersachesen bereits im Ansatz unterbinden. Da auch Aigner und Oczipka viel nach hinten arbeiteten, bildeten sich zuweilen zwei Viererketten, sodass die spielerisch ohnehin nicht mit Esprit gesegneten Hausherren keinen Weg in Richtung Tor von Lukas Hradecky fanden. Defensiv ging die neue Spielidee somit auf; was die Jungs von Trainer Veh allerdings in der Offensive boten, war an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Von den Flügeln kam kaum eine brauchbare Flanke, Stefan Aigner verlor nahezu alle seine Zweikämpfe und Haris Seferovic spielte den wenig durchsetzungsfähigen Alleinunterhalter im Sturm. Einzig Alex Meier war um Struktur bemüht, aber außer ein paar gelungenen Seitenwechseln war auch von ihm nicht viel zu sehen.

Hannover bot an diesem Nachmittag einen Auftritt von erschreckender Harmlosigkeit. Gegen offenkundig verunsicherte Frankfurter wusste einzig Kiyotake hin und wieder Spielkultur unter Beweis zu stellen. Ansonsten kamen die Niedersachsen mit der Systemumstellung der Hessen überhaupt nicht klar. Wahrscheinlich hätten die Jungs von Trainer Michael Frontzeck noch stundenlang weiter üben können, ohne erfolgreich zu sein, wenn ihnen Stefan Reinartz nicht durch eine dreifache Unzulänglichkeit dabei geholfen hätte: Zunächst verlor der frühere Leverkusener ohne Not schlafmützig und antriebsarm den Ball in der Hälfte der Niedersachsen, dann trabte er im Altherrenmodus nach hinten, um beim Pass von Kiyotake auch noch den falschen Schritt nach vorne zu machen und Klaus somit erst die Einschussmöglichkeit zu ermöglichen. Veh war von seinem Quarterback bedient und brachte nicht – wie von manchem erwartet – Johannes Flum, sondern Medojevic, der Dynamik, Handlungsschnelligkeit und Zweikampfstärke in das Spiel der SGE bringen sollte.

Stätte des ersten Erfolges der SGE in Hannover nach 28 Jahren: die HDI Arena, Hannover
Stätte des ersten Erfolges der SGE in Hannover nach 28 Jahren: die HDI Arena, Hannover

Armin Veh, der in der Vergangenheit mitunter gescholten wurde für seine Auswechselungen, gelang es mit der Hereinnahme von Medojevic, an der richtigen Stellschraube zu drehen. Während Reinartz sich stets im Trab fortbewegte, nur Sicherheitspässe spielte und gerade einmal 25 % seiner Zweikämpfe gewann, schmiss sich der Serbe in jedes Duell, war präsent und handlungsschnell. Plötzlich ging ein Ruck durch die Mannschaft. Während Veh zu Beginn der Woche noch das Bild vom gezogenen Stecker bemüht hatte, schien nun jemand den Schalter umgelegt zu haben. Plötzlich war Zug nach vorne zu erkennen, die Spieler bewegten sich auf einmal und sogar manche Ballstafette konnte bewundert werden. Es war allerdings bezeichnend, dass die SGE nicht mit spielerischen Mitteln zum Erfolg kam. Es waren zwei lange Bälle – einmal von Oczipka, einmal von Djakpa – und zwei gekonnte Kopfballvorlagen – von Meier und Aigner -, die Marc Stendera, dem technisch besten Mann auf dem Platz Gelegenheit boten, seine  spielerische Klasse zu zeigen. Und hätten Seferovic und Oczipka eine großartige Konterchance und das herausragende Zuspiel von Meier nicht inkonsequent (Haris) bzw. schlafmützig (Oczipka) vergeben, hätten die Fans der Eintracht nicht bis zum Ende der Nachspielzeit warten müssen, um den zweiten Auswärtssieg in dieser Saison und den ersten Erfolg in Hannover seit ewigen Zeiten zu bejubeln.

Stimmen zum Spiel folgen noch. Die Leistung der Spieler könnt Ihr wie immer hier bewerten.

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1 Kommentar

  1. Ich hatte es grade schon geschrieben: Es sprach vor dem Spiel fast alles gegen uns und für Hannover…. und am Ende haben wir verdientermaßen das Spiel gewonnen.

    Daher bin ich alles andere als nun gewillt das Spiel sozusagen zu sezieren und wieder alles zu kritisieren was sicherlich heute verbesserungswürdig war – es war einfach mal wieder an der Zeit, ein Spiel genau so zu gewinnen (eigentlich eher so unverdient wie es zuletzt Hannover in Köln schaffte; nur bitte ohne solch ein irreguläres Tor; ich meinte das vom Spielverlauf her) um den Schalter wieder umzulegen.

    Solche Spiele entscheiden am Ende des Tages darüber ob man sich einigermaßen entspannt in einer Saison bewegen kann oder ob man sich nach ganz unten orientieren muss.

    Wir werden wahrscheinlich sogar gegen Bayern eine bessere Mannschaftsleistung von uns erleben als wir heute gesehen haben – aber das ist gegen Bayern bei fast allen Mannschaften zu Hause so.

    Wir sind nun erstmal relativ weit weg von den beiden direkten Abstiegsplätzen (ich gehe mal von aus dass der BVB gegen Augsburg klar gewinnen wird morgen) – das beruhigt erstmal wieder enorm.

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