Makoto Hasebe im Zweikampf mit Philipp Ochs
Makoto Hasebe im Zweikampf mit Philipp Ochs

Am Tag nach der deprimierenden Niederlage gegen Hoffenheim hängen die Köpfe rund um den Frankfurter Stadtwald naturgemäß tief. Die erhoffte und in Ansätzen durchaus wahrnehmbare Aufbruchstimmung durch den Trainerwechsel hat einen empfindlichen Dämpfer erfahren. Auch wenn sich neue Hoffnung und Zuversicht erst einmal wieder gegen Niedergeschlagenheit und Verzweiflung behaupten müssen, bleibt festzuhalten, dass noch fünf Spiele zu absolvieren sind, der Auftritt gestern phasenweise Mut gemacht hat und zumindest der Relegationsplatz noch aus eigener Kraft erreicht werden kann. Deshalb wollen wir die gestrige Partie noch einmal genauer unter die Lupe nehmen, Stärken und Schwächen der Mannschaft identifizieren und den Gründen für die Niederlage auf die Spur gehen.

1. Die Mannschaft hat den Abstiegskampf angenommen
Das Positive sollte ganz am Anfang stehen. Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, dass die Jungs von Trainer Niko Kovac vom Anpfiff an gewillt waren, den Gegner niederzukämpfen und mit Leidenschaft in jeden Zweikampf zu gehen. Dadurch konnte die Mannschaft sofort auf die Unterstützung der Fans zählen, die ihr Team frenetisch nach vorne peitschten. Es hat den Anschein, dass die Spieler die von Kovac vermittelten Werte und „Basics“ verinnerlichten haben. An der Einstellung der Mannschaft lässt sich die Niederlage jedenfalls nicht festmachen.

2. Kovac zeigt sich taktisch flexibel
Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Eintracht den Kraichgauern erst einmal den Spielaufbau überlassen werde, um sie zu Fehler zu zwingen. Statt dessen griffen die Offensivkräfte Kittel, Castaignos, Ben-Hatira und Aigner früh an und versuchten, das Aufbauspiel bereits im Keim zu ersticken. Wenn Hoffenheim die erste Hürde genommen hatte, formierte sich vor der Abwehr eine Viererkette, die die Räume dicht machte. Das gelang lange Zeit sehr gut. Einzig eine Unaufmerksamkeit von Chandler erlaubte dem Gegner durch Kramaric eine Doppelchance (34.), die von Hradecky glänzend pariert wurde. Es sollte lange Zeit die einzige Gelegenheit der Hopp-Elf bleiben.

David Abraham im Duell mit Kevin Volland.
David Abraham im Duell mit Kevin Volland.

3. Aufmerksam in der Defensive
Im Vorfeld der Begegnung wurde vor allem die Hoffenheimer Konterstärke durch die Offensivkräfte Kramaric und Volland als größte Gefahr für das eigene Gehäuse angesehen. Bis zum 0:1 hatten die beiden aufmerksamen Innenverteidiger Zambrano und Abraham sowie Chandler und Djakpa auf der Außenbahn die Kraichgauer Offensive zumeist gut im Griff. Da zudem Makoto Hasebe sein bestes Spiel seit langem machte und Stendera mit Kampfkraft und Einsatz wichtige Zweikämpfe für sich gewinnen konnte, war von der befürchteten Hoffenheimer Offensivpower lange nichts zu sehen.

4. Variabel in der Offensive
Niko Kovac hatte den zuletzt enttäuschenden Haris Seferovic auf die Bank gesetzt und mit Luc Castaignos und Sonny Kittel zwei langzeitverletzten Spielern das Vertrauen geschenkt. Ergänzt wurde dieses Pärchen durch Stefan Aigner und Änis Ben-Hatira. Alle vier Offensivkräfte wechselten ständig ihre Positionen, zeigten sich einsatz- und spielfreudig, laufstark – und gänzlich ungefährlich. Das ständige Rotieren führte dazu, dass in den entscheidenden Situationen nie jemand an der richtigen Stelle stand. Während Aigner unermüdlich bis zum Schluss kämpfte, glänzte der Stern von Kittel nur 45 Minuten. Danach schwanden ihm und Castaignos die Kräfte. Ihre Auswechselung kam im Grunde zu spät. Aber was war denn eigentlich gestern mit Ben-Hatira los? Die Statistik weist ihn mit 11,39 km als den laufstärksten Spieler aus – allerdings hatte er in 90 Minuten nur 27 Ballkontakte (zum Vergleich: Hradecky hatte 43). Noch weniger Bindung zum Spiel hatte nur noch Castaignos, der aber bereits nach 65 Minuten das Feld verlassen musste.

5. Die Offensive ist nur bedingt bundesligatauglich
Kann sich noch jemand daran erinnern, dass nicht wenige Beobachter zu Beginn der Saison in der Offensive ein Luxusproblem erkannt haben wollten? Mit Meier, Castaignos, Seferovic, Aigner, Kadlec und dem jungen Waldschmidt schien man im Angriff überdurchschnittlich gut besetzt zu sein. An diese Zeit und eigene Fehleinschätzungen will heute verständlicherweise kaum mehr jemand erinnert werden. Seit dem Ausfall von Meier findet die Frankfurter Offensive kaum mehr statt. Castaignos schleppt den Rückstand aufgrund der langen Verletzungspause mit sich herum und Seferovic hat nach seiner Auswechselung wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er allenfalls für eine rote Karte, aber kaum für einen Treffer gut ist. Kittel zeigt zwar gute Ansätze, aber auch ihm ist die fehlende Sicherheit aufgrund der langen Rekonvaleszenz anzumerken.

6. Von der Bank kommt keine neue Power
Es war sicherlich kein Zufall, dass das Spiel gestern durch zwei Auswechselungen kippte. Mit Zambrano musste der Frankfurter Abwehrchef verletzt den Platz verlassen und wurde durch Kaan Ayhan ersetzt, während Hoffenheim-Trainer Nagelsmann mit Amiri den Matchwinner einwechselte. Niko Kovac versuchte zwar, mit der Hereinnahme von Seferovic und Fabián die Niederlage abzuwenden, doch beide konnten keine Impulse setzen und fanden nicht mehr in die Begegnung. Man kann zwar darüber diskutieren, ob der Zeitpunkt für die Wechsel richtig gewählt war, aber letztlich ist die Frankfurter Bank im Augenblick zu dünn besetzt, um durch Wechsel viel bewirken zu können.

Durfte erstmals nach seiner langen Verletzungspause von Beginn an ran: Luc Castaignos
Durfte erstmals nach seiner langen Verletzungspause von Beginn an ran: Luc Castaignos

7. Wo sind die Führungsspieler?
Es war ein Bild des Jammers, das Marc Stendera nach dem Hoffenheimer Führungstor abgab. Jeder sah dem 20-Jährigen die Selbstkritik und -vorwürfe an, die ihn nach seinem Ballverlust zum 0:1 plagten. Dabei hätte der Schiedsrichter durchaus auf Foul entscheiden oder sein Mannschaftskamerad Ayhan durch bundesligaadäquates Abwehrverhalten den Antritt von Amiri unterbinden können. Nach 62 Minuten war das Spiel für Stendera aber beendet, obwohl er bis zum Schluss auf dem Platz stand. Sein Patzer hatte ihn so aus dem Tritt gebracht, dass ihm nichts mehr gelingen wollte und er praktisch nicht mehr an dem Spiel teilnahm. In dieser Situation hätte man sich gewünscht, dass einer der Führungsspieler den Youngster in den Arm genommen und aufgebaut hätte. Aber wo waren diese Führungsspieler gestern? Nun, ganz einfach: Es gab sie nicht. Nach Meier musste im Vorfeld mit Marco Russ ein oft zu Unrecht gescholtener Recke verletzt passen. Symptomatisch für das Fehlen von Persönlichkeiten war eine Szene nach der Auswechselung von Zambrano, als David Abraham die Spielführerbinde gegen seinen Willen und fast mit Gewalt angelegt werden musste.

8. Und immer wieder die gleichen ärgerlichen Dinge …
Einige Punkte sollen zum Schluss nicht unerwähnt bleiben, auch wenn – um wöchentliche Redundanzen zu vermeiden – nicht näher darauf eingegangen werden kann. Deshalb möchten wir nur ein paar Fragen in den Raum werfen:

a) Warum ist man nach guten Ansätzen im Aufbauspiel in der ersten Halbzeit später dazu übergegangen, das Mittelfeld nur noch mit hohen Bällen zu überbrücken?
b) Warum stehen Aigner, Seferovic und Co. bei jeder guten Konterchance im Abseits?
c) Warum stehen unsere Spieler sogar bei eigenen Freistößen im Abseits?
d) Warum verschenken wir regelmäßig unsere Standards durch hüfthohe Freistöße und Eckbälle?
e) Warum zeigen wir uns bei Standards so wenig variabel? Warum stehen wir immer mit vier, fünf Mann im gegnerischen Strafraum und warten auf den Ball, statt auch einmal von außen in den Strafraum hineinzulaufen?
f) Warum hat unmittelbar nach dem Hoffenheimer Führungstreffer wieder ein ständiges Lamentieren und Reklamieren Einzug gehalten, das nur dazu geführt hat, den eigenen Spielfluss zu stören und dem Gegner in die Karten zu spielen.

Der Berichterstatter bremst sich an dieser Stelle, da die Antworten ohnehin andere geben müssen, und beschließt diese Spielananalyse mit der Frage:

9. Wie geht es weiter?
Wir sollten angesichts der Enttäuschung die positiven Aspekte nicht unter den Teppich kehren. Die Mannschaft präsentiert sich kompakter und stabiler als zuletzt unter Armin Veh. In den kommenden fünf Spielen kann noch vieles passieren, deshalb gibt es noch keinen Grund für Weltuntergangsstimmung rund um das Waldstadion. Allerdings werden die Spiele weniger, die Gegner schwieriger und die Ängste größer. Realistisch ist nach derzeitigem Blick auf die Tabelle ein Zweikampf mit Werder Bremen um den Relegationsplatz. Hierfür muss die Eintracht jedoch alsbald beginnen, in der Ferne zu punkten. Am besten gleich am kommenden Wochenende in Leverkusen.

Bitte denkt daran, dass Ihr bis morgen die Leistung der Spieler hier bewerten könnt.

- Werbung -

52 Kommentare

  1. @47@all

    Super Beitrag und spricht mir voll aus dem Herzen.Das nächste große Problem ist das Steubing,Hellmann und der Fressgasspräsi den HB Nachfolger suchen und wahrscheinlich auch bestimmen.HHHIIILLLLFFFEEEE !!!!!!

    0
    0
  2. Hi Joe ,mich wurde interessieren was HB jedes Jahr gut gemacht hat und wie du darauf kommst?Natürlich respektiere ich deine Meinung.
    VG Paul

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -