In der heutigen Ausgabe der FR äußerte sich Pirmin Schwegler zur aktuellen Situation, zu seinen Vertragsgesprächen und auch zu persönlichen Dingen. Der Kapitän unserer Eintracht wie immer mit klaren Worten.

Herr Schwegler, die Schweizer Nationalelf hat am Freitag gegen Holland gespielt, Sie saßen in Frankfurt auf der Couch. Sieht man so ein Spiel dann mit einem weinenden Auge?

Das ist übertrieben. Natürlich wäre ich gerne dabei gewesen. Aber mir war schon klar, dass ich in der Nationalmannschaft vielleicht ein Jahr pausieren muss, weil ich mich dazu entschieden habe, mit der Eintracht in die zweite Liga zu gehen.

Gab es mal ein Gespräch mit Ottmar Hitzfeld?

Nein.

Haben Sie sich das Schweizer Spiel angesehen?

Nein, ich bekomme den Sender hier nicht rein. Und wenn ich mir das dann noch ansehen würde, würde es noch mehr schmerzen. Ich habe das Spiel Türkei gegen Kroatien gesehen. Gordon Schildenfeld hat da ja mitgespielt, er hat übrigens ein richtig gutes Spiel gemacht.

Durch die zweite Liga haben Sie ihren Platz in der Nationalelf verloren, haben Sie es bereut, in Frankfurt geblieben zu sein?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich ja bewusst für die Eintracht entschieden, es war ja auch ein Zeichen von mir. Warum sollte ich es bereuen?

Wie ist die zweite Liga denn so?

In der Bundesliga ist mehr Betrieb, die Aufmerksamkeit ist höher, auch medial. Die Gegner sind ein anderes Kaliber. Alles ist eine Nummer größer. Auch die Stadien. Es ist ein Unterschied, ob du in Dortmund spielst oder bei uns zu Hause, wo richtig was abgeht – oder in Aue. Ist doch klar.

Muss man sich da zusätzlich motivieren?

Nein, das nicht. Es gibt immer Nebenschauplätze, es gibt immer Ausreden für alles. Aber man muss einfach die richtige Einstellung finden, und die haben wir gefunden. Um dich zu behaupten, musst du immer voll konzentriert sein. In der zweiten Liga wird dir auch alles abverlangt, da musst du immer an die Grenzen gehen. Das ist fast eine noch größere Herausforderung als in der ersten Liga. Es ist die beste zweite Liga der Welt.

Dafür läuft es erstaunlich gut.

Kann man so sagen. Ich habe mir vor der Saison nicht vorstellen können, dass es so gut laufen würde. Jetzt war ja sogar die Rede davon, dass wir eine Krise haben, weil wir mal nicht so hoch gewonnen haben. Wenn das unsere Krise ist, dann nehme ich sie gerne hin. Aber eines ist auch klar: Die letzten beiden Spiele dürfen wir nicht ausblenden, das war jetzt ein kleiner Warnschuss. Die Leistung war nicht so, wie sie vorher war. Wir brauchen jetzt gegen Aachen wieder eine Steigerung. Und doch muss man festhalten: Es ist November, wir sind ungeschlagen, es ist schon vieles richtig gut.

Oder hat die Mannschaft am Pokal-Aus gegen Kaiserslautern zu knabbern?

Nein, das Gefühl habe ich überhaupt nicht. Das hat uns keinen Knacks gegeben.

Was hat sich für Sie persönlich geändert?

Wenn wir mit der Raute spielen, bin ich natürlich mehr in der Defensive gebunden, dann ist mein Spiel nicht so spektakulär. Aber ich denke, ich kann meine Qualitäten ganz gut einbringen.

Aber Sie müssen sich schon ein bisschen zurücknehmen?

Klar, aber Fußball ist ein Mannschaftssport. Ich mache das, was für die Mannschaft am besten ist. Und ich denke, es klappt ganz gut.

Die statistischen Werte sprechen Bände, in allen wichtigen Erhebungen sind Sie der beste oder einer der besten Spieler.

Die Werte überraschen mich (lacht). Aber mal im Ernst: Ich bin zufrieden.

Sie haben mal gesagt, Sie haben aus dem Abstieg Lehren gezogen.

Absolut. Es war eine wichtige Erfahrung, auch wenn ich darauf gerne verzichtet hätte. Aber ich habe erkennen können, was innerhalb eines Teams für Prozesse in Gang kommen können. Es sind innerhalb der Mannschaft Sachen passiert, die nicht gehen, die man in dieser Phase aber nicht mehr beeinflussen kann.

Haben Sie irgendwann gespürt, dass Ihr absteigt?

Das nicht. Aber ich habe deutlich gespürt, dass wir auf dem falschen Weg sind. Man hat es schon gemerkt, wenn man auf den Platz gegangen ist. Und dann sind auch drum herum viele Dinge passiert, die nicht passieren dürfen. Aber es war ja nicht so, dass wir es haben laufen lassen. Wir haben die Dinge schon intern klar angesprochen, wir wollten Sachen ändern. Aber es hat nicht mehr gewirkt. Vielleicht war die negative Energie schon zu groß, vielleicht war schon zu viel zerbrochen.

Was denn genau?

Nur so viel: Wenn die Hierarchie nicht mehr stimmt, wenn der Weg nicht mehr klar vorgegeben wird, ist das nicht gut für eine Mannschaft. Es muss harmonieren, es muss passen. Bei uns hat es nicht mehr gepasst. Aber ich habe keine Lust mehr, darüber zu reden. Es ist vorbei. Sehen Sie: Es gibt zwei Wege, wie man mit so einem Schlag umgehen kann: Entweder man sucht Mitleid, und Mitleid bekommt man immer geschenkt. Oder man versucht dagegen anzukämpfen und diesen Niederschlag auszubügeln. Das machen wir gerade, und ich kann nur all denen ein Kompliment aussprechen, die hiergeblieben sind und die Kurve schnell wieder bekommen haben.

Sie sind jetzt Kapitän und noch mehr in die Verantwortung genommen, damit die Mannschaft wieder funktioniert.

Als Kapitän kann ich mehr einwirken als im letzten Jahr. Ich bin stolz darauf, Kapitän zu sein. Ich versuche, die Position mit Leben auszufüllen. Ich will vieles in richtige Bahnen lenken. Aber: Es reicht nicht, wenn nur der Kapitän vorneweg geht, es müssen viele vorneweg gehen, die Lasten müssen auf viele Schultern verteilt werden. Im Moment passt es gut, das Gefüge ist in Ordnung, der Mannschafts-Spirit ist da.

Sie haben Oka Nikolov noch ins Boot geholt, er ist wieder im Mannschaftsrat. Warum war Ihnen das so wichtig?

Oka hat sich in den letzten zwei Jahren ein wenig zurückgezogen. Ich finde: wenn einer was zu sagen hat, dann der Oka. Er steht noch einiges über mir. Oka verkörpert den Verein.

Mal in die Zukunft geblickt: Wie sieht es mit Ihrer persönlichen Zukunft bei der Eintracht aus?

Ich habe immer gesagt: Ein Spieler ist nie größer als der Klub. Erst steht der Aufstieg im Vordergrund. Ich sage auch bewusst: Wir haben noch nichts erreicht. Ich weiß ja, wie schnell man wieder eins auf den Kopf kriegt. Man darf sich nicht so schnell aus den Bahn werfen lassen.

Im letzten Winter hieß es zunächst, Sie verlängern Ihren Vertrag. Dann nahmen Sie davon Abstand. Was war da los?

Es ist immer interessant, dass viele Leute schon zu glauben wissen, was mit mir geschieht. Ich war seinerzeit tatsächlich schon so weit zu unterschreiben, dann sind ein paar Sachen passiert, durch die ich ins Nachdenken geraten bin. Jetzt herrscht aber eine andere Ausgangslage.

Es gibt ein Angebot der Eintracht für Sie im Fall des Aufstiegs?

Ja, das gibt es.

Das zeigt auch die Wertschätzung des Klubs.

Der bin ich mir auch bewusst. Ich bin ein Mensch, der sich wohlfühlen muss. Ich spüre hier Wertschätzung. Das ist ein Faktor, der für die Eintracht spricht. Wie meine Zukunft aussieht, weiß ich noch nicht. Ich bin nicht voreingenommen wegen dem aus dem letzten Jahr. Man darf es sich nur nicht zu gemütlich machen. Das ist oft der erste Fehler. Dass ich trotz des Abstiegs hiergeblieben bin, sagt doch alles. Ich will nicht viele Worte machen. Es gibt Spieler, die das Trikot küssen und im nächsten Monat woanders sind. Das ist mit Vorsicht zu genießen. Bei der Eintracht gab es auch Identifikationsfiguren, die nach dem Abstieg neue Wege gefunden haben. So ist die Zeit, klar, jeder hat seine persönlichen Ziele, aber deshalb spreche ich auch oft von Oka Nikolov, der etwas anders vorlebt.

 Sie engagieren sich in der „Berner Stiftung für krebskranke Kinder und Jugendliche“ (www.kinderkrebs-bern.ch). Was tun Sie da konkret?

Die Stiftung liegt mir natürlich besonders am Herzen, ich will aufmerksam machen auf das Thema. Wir investieren in Forschungsarbeit, kümmern uns um die Betreuung, gerade für die Familie ist das ja eine hohe Belastung. Noch immer stirbt heutzutage fast jedes fünfte Kind, das an Leukämie erkrankt.

Sie waren selbst betroffen.

Ja. Mit eineinhalb Jahren erkrankte ich an Leukämie, meine Überlebenschancen lagen bei unter 20 Prozent. Da bin ich durch die Hölle gegangen.

Das hat Sie sicherlich geprägt.

Ich habe Demut gelernt. Ich wundere mich oft, wie häufig Kleinigkeiten aufgebauscht werden. Natürlich hat man als Fußballprofi Druck, aber das nehme ich nicht mehr als so extrem wahr. Ich weiß, was wirklich wichtig ist. Fußball ist immer meine Leidenschaft, wird es immer bleiben, aber ich kann vieles in die richtige Schublade stecken.

Das Gespräch führten Ingo Durstewitz und Thomas Kilchenstein

- Werbung -

11 Kommentare

  1. gut so! immer schön ochs,chris und russ schön eins mitgegebbe ;-). WIR STEIGEN AUF UND IHR STEIGT AB !!!

    0
    0
  2. Das wäre der Hit schlecht hin, wenn die Radkappen absteigen und wir aufsteigen würden !

    Diesem Faulenzer Russ (ich brauch nicht mehr zu bringen, werde ja eh gestellt…!), dem Möchtegernmillionär Ochs (Kapitän…Tsssss) und dem „dankbaren“ Chris würde die zweite Liga sicher gut tun, nur nicht mehr bei uns…;-)) eildieweil wir ja AUFSTEIGEN !

    Rauf geht´s S…G…E

    0
    0
  3. Cleverer sehr sympatischer Typ nur man fragt sich danach echt was denn letztes Jahr alles innerhalb der Mannschaft vorgefallen ist… wenn er es schon so megadeutlich andeutet und sowas liest/hört man ja eher selten eigentlich.
    Und was man auch null raushören kann will er jetzt verlängern oder nicht?

    0
    0
  4. Gutes Interview. Fußballerisch halte ich schon seit er hier ist sehr viel von Schwegler. Von den Führungsqualitäten her hatte ich ihn allerdings bisher aus der Ferne eher als Mitläufer eingeschätzt.

    Daher bin ich positiv überrascht über die klaren, an den entscheidenden Stellen aber auch sehr überlegten Worte von Schwegler. Ich denke, wenn wir den Aufstieg schaffen und Schwegler verlängert, könnte er ein wichtiger Leader auf und außerhalb des Platzes für die nächsten Jahre sein. Top!

    0
    0
  5. Guter und Wichtiger Mann – mit Verstand und klaren Aussagen, der an Tradition festhält und scheinbar auch weiß, wo seine Grenzen sind!

    0
    0
  6. Schon ein eigenartiges Interview. Aus der Ferne schien es ja so als ob ihm einfach die Freigabe verweigert wurde und er keine Wahl hatte ob er nun wechselt oder bleibt.
    Und so schlimm so eine Krankheit auch ist: Ob er sich wirklich noch daran erinnert, wie er mit 1,5 Jahren „durch die Hölle gegangen“ ist?

    0
    0
  7. Es gefällt mir, wie er sich im Interview gibt. Und es wundert mich, dass nicht mehr darüber an die Öffentlichkeit gedrungen ist, was letztes Jahr innerhalb der Mannschaft passiert ist. Kann nicht mal einer der Spieler ein Buch schreiben?…. 😀 Ama vielleicht…. 😀

    0
    0
  8. Gutes Interview von Pirmin, mehr möchte ich ihn nicht loben, da er auch einer ist, der nächstes Jahr weg sein könnte, damit unser nächster Kapitän.

    0
    0
  9. Wenn hier immer einer über die Jungs die geblieben sind meckert, schaut mal den hier an 🙂 Er will ins Ausland Iran oder was ? Der Club der den einstellt, hat sie nicht alle.

    Bild Zeitung von heute:

    Im „F…-Dich-Prozess“ kam es vorm Arbeitsgericht Gelsenkirchen (Aktenzeichen 1Ca1507/11) heute zu einer außergerichtlichen Einigung. Der Vertrag mit dem gefeuerten Mittelfeldspieler wird zum Jahresende aufgelöst, er bekommt jetzt eine Abfindung von 865 000 Mio Euro.

    Rückblick: Streit (kam 2008 für 2,5 Mio Euro aus Frankfurt, machte nur 15 Spiele für Schalke) war damals wegen miserabler Leistungen von den Profis zu den Amateuren abgeschoben worden.

    Dort soll es beim Training zu einem Vorfall gekommen sein. Angeblich habe er Amateur-Coach Bernhard Trares heftig beleidigt. Streit soll gerufen haben: „Ich bin über 30 Jahre alt, ich trage keine Tore mehr weg. F… Dich!“ Streit wurde am 23. August gekündigt, daraufhin forderte er 1,5 Mio Euro Abfindung von den Schalkern.

    Streit-Anwalt Horst Kletke zu BILD.de: „Der Arbeitsvertrag wird zum 31.12. aufgelöst, wir haben uns auch wirtschaftlich geeinigt und sind sehr zufrieden.“

    Auch auf Schalker Seite ist man erleichtert. Manager Horst Heldt: „Wir sind sehr froh, eine Einigung erzielt zu haben. Jetzt ist das Kapitel endlich vom Tisch.“ Wichtig für Schalke: Der Klub spart trotz der Abfindung Geld. Streit, der zuletzt nur noch in der zweiten Mannschaft eingesetzt worden war, kassierte rund 1,5 Mio Jahresgehalt und hatte noch einen Vertrag bis 2012.

    Und was sagt Albert Streit? „Das waren die schwersten Jahre meiner Karriere. Vielleicht geht es irgendwie mit Fußball weiter, vielleicht auch nicht“, sagte er nach der Einigung. „Das ist mir aber auch egal. Ich habe meine Frau, das ist wichtiger als Fußball. Wenn überhaupt, werde ich nur noch im Ausland spielen.“

    0
    0
  10. @geyeradler:

    naja ein arschloch war er ja schon immer. aber er hatte bei uns auch durchaus gute spiele und er wusste wie bisher kein anderer bei uns kopfballstarke spieler (damals kyrgiakos) richtig einzusetzen…

    0
    0
  11. das stimmt schon aber über was für einen Zeitraum ? 1 gutes Jahr und eine beschissene Einstellung

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -