Nach 17 Spieltagen fällt das Hinrunden-Fazit positiv für die Hessen aus. Die Mannschaft steht im Soll. (Bild: Heiko Rhode)

Ein Fan der Frankfurter Eintracht zu sein, das bedeutet stets auch, eine gewisse Leidensfähigkeit mitzubringen. Nichts ist sinnbildlicher dafür als diese Hinrunde: Die Mannschaft ist schwach in die Saison gestartet. Erste Abgesänge auf Oliver Glasner wurden angestimmt: Würde der 47-Jährige einer der ersten Chef-Trainer sein, der in der 59. Bundesliga-Saison entlassen wird? Glasner probierte sich aus: Mit verschiedenen Spielsystemen versuchte er dem Team seinen Stempel aufzudrücken – hinten stabil stehen, nach vorne ein kluges Offensivpressing spielen. Dabei hatte der Österreicher anfangs damit zu kämpfen, dass die Mannschaft 28 Tore aus der Vorsaison von André Silva kompensieren musste, der für 23 Millionen Euro nach Leipzig gegangen war. Es fehlten dadurch im 16er die Abnehmer. Und außerdem gab es eine, vielleicht zu große Abhängigkeit von Filip Kostić. Das Team zeigte auf dem Platz gute Ansätze, doch etwas Zählbares gab es nach den ersten Spieltagen nur selten. Während das Frankfurter Umfeld zunehmend unruhig wurde und die ersten Schlagzeilen geschrieben wurden, auf die SGE käme nicht nur eine Übergangssaison, sondern sogar der Abstiegskampf zu, behielten die Verantwortlichen im Verein die Ruhe und gaben dem Trainer die von ihm gebetene Zeit, um mit dem Team zu arbeiten. Rückblickend: Sie lagen damit goldrichtig.

Unbesiegt in der Europa League

Die Hinrunden-Bilanz der Eintracht ist, unter dem Strich, beeindruckend gut. Nach 17 Spieltagen steht in der Bundesliga nicht nur der sechste Tabellenplatz zu Buche, der Abstand zu den Champions-League-Plätzen ist nicht der Rede wert: Frankfurt spielt wieder um das internationale Geschäft. Vor allem aber gelang es der Mannschaft von Oliver Glasner unbesiegt in der Europa League zu überwintern und sich die stressige Zwischenrunde zu sparen. Weiter geht es mit dem Achtelfinale erst im März. Das bedeutet: Nach der kurzen Winterpause viel Zeit für Staff und Team, um weiter an der Spielidee und den Automatismen zu arbeiten.

Vier Argumente, weshalb das Hinrunden-Fazit am Ende positiv ausfällt:

1. Neue defensive Stärken

Es ist nicht nur die große Moral, die die Eintracht in den vergangenen Wochen von Punkt zu Punkt geführt hat, es ist vor allem zu erkennen, wie Oliver Glasner spielen möchte. Die Dreierkette hat sich im 3-4-2-1-System als die Lösung herauskristallisiert, in der sich die Adlerträger am wohlsten fühlen. Großer Pluspunkt: Faktisch stehen Glasner gleich vier sehr solide Innenverteidiger zur Verfügung. Es ist fast egal, ob der Coach Makoto Hasebe, Martin Hinteregger, Evan N’Dicka oder Tuta reinwirft – bei keinem aus dem Quartett hat man wirklich Sorge, es könnte in der Abwehr etwas anbrennen. Einzig das hohe Alter bei Hasebe könnte auf lange Sicht zum Problem werden – Stichwort: „Belastungssteuerung“. Wichtig für die Abwehr: Sie kann sich immer auf Kevin Trapp verlassen, der nach einer kurzen anfänglichen Unsicherheit zum Punktegarant wurde. Wenn es doch einmal brenzlig wurde, gelang es Trapp häufig, die Situation zu entschärfen. In dieser Form gehört der Torwart fest in die deutsche Nationalmannschaft.

2. Qual der Wahl auf der rechten Außenverteidigerposition

Viele Fragezeichen standen in dieser Saison hinter der Position der rechten defensiven Außenseite. Gleich vier Spieler buhlen um Einsatzzeiten: Danny da Costa, Erik Durm, Almamy Touré und der etwas offensiver ausgerichtete Timothy Chandler. Außerdem probierte der Trainer Aymen Barkok gegen Leipzig auf der Position aus. Nachdem Da Costa anfangs noch ran durfte, wurde er zwischen Oktober und Dezember häufig nicht einmal für den Kader nominiert. Doch es gelang ihm, sich zurück zu kämpfen. Mitte Dezember stand der Pokalsieger von 2018 wieder auf dem Spielfeld, mit soliden Leistungen. Auf der rechten Außenverteidigerposition hat Glasner nach wie vor die Qual der Wahl. Das ist einerseits positiv; allerdings hat die Eintracht zugleich keine konstante Lösung für die rechte Seite vorzuweisen.

3. Variabilität in der Offensive mit Borré und Lindstrøm

Mit zunehmender Spielzeit klappte das Offensivspiel immer besser. Jesper Lindstrøm zeigte in den Dezember-Partien, weshalb die SGE sieben Millionen Euro für ihn ausgab. Auch sein Zusammenspiel mit Rafael Borré macht zunehmend Freude. Borré spielte in allen Pflichtspielen der Eintracht seit Sommer und hat wettbewerbsübergreifend in 24 Partien immerhin fünf Tore und fünf Torvorlagen auf dem Zettel. Für die erste Saison in einer der besten Ligen der Welt ein starker Wert für den 26-jährigen Kolumbianer. Immer wichtiger für das Spiel wird Djibril Sow, der endlich in Frankfurt angekommen scheint. Bezeichnend für die neue Frankfurter Offensivkraft ist ihre Variabilität: In den letzten fünf Bundesliga-Spieltagen trugen sich acht unterschiedliche Profis in die Torschützenliste ein. Nur zweimal war Kostić der Vorlagengeber, immer öfters bereiten Borré und Lindstrøm die Treffer vor. Es reicht für die Gegner also nicht mehr, Kostić so gut wie möglich aus dem Spiel zu nehmen, um Gegentore zu verhindern. Um Frankfurt zu knacken, braucht es inzwischen viel mehr. Das ist – neben der Moral – der neue Trumpf der Hessen. Für die Rückrunde könnten die Vorzeichen nicht besser sein.

4. Der Mannschaftsrat sorgt für Stabilität

Auch bei der Kapitänsfrage zeigt sich, dass sich Geduld auszahlt. Kurz nachdem Glasner Sebastian Rode zum Kapitän ernannt hatte, verletzte sich der im südhessischen Seeheim-Jugenheim geborene Sechser. Das Knie zwickte. Also mussten andere Spieler Verantwortung übernehmen: Makoto Hasebe, Martin Hinteregger, Kevin Trapp. Der Mannschaftsrat scheint seine Aufgaben gut zu machen: Trotz eines großen Kaders mit viel Rotation dringen nur sehr selten Unzufriedenheiten nach draußen. Inzwischen steht Rode wieder zur Verfügung und sorgt für Sicherheit im defensiven Mittelfeld.

Trotz alledem: Wo viel Licht ist, da ist immer auch etwas Schatten.

Nachwuchsarbeit wird nach wie vor vernachlässigt

Eine kleine Ausnahme der Frankfurter Erfolgsgeschichte ist das Kapitel des spanischen Nachwuchstalents Fabio Blanco, der mit der Hoffnung nach Frankfurt kam, in der Bundesliga Erfahrungen zu sammeln – und aufgrund mäßiger Trainingseindrücke von Glasner vorerst an die U19 empfohlen wurde. Die Förderung junger Spieler kam auch in der Hinrunde in Frankfurt wieder viel zu kurz. Allerdings könnte das auch der anfangs schlechten Punkteausbeutung geschuldet sein. Spielt Frankfurt so gut wie im November und Dezember, wird der Trainer womöglich in der Rückrunde mutiger und gibt dem Nachwuchs die eine oder andere Einsatzminute in der Bundesliga. Für die Zukunft des Vereins wäre es zu hoffen.

Glasner muss an der Chancenverwertung arbeiten

Und trotz der neuen Variabilität mit den stark aufspielenden Borré und Lindstrøm, einer nach wie vor wuseligen Allzweckwaffe Kostić: Glasner muss in der Winterpause an der Chancenverwertung arbeiten. Die Eintracht macht es noch zu häufig zu spannend, obwohl sie eine Tormöglichkeit nach der anderen hat. Das ist unnötig. Und könnte, wenn es in den kommenden Wochen besser läuft, den Anhängern das eine oder andere Leid im Stadion und vor den Fernsehbildschirmen ersparen.

Die Zeichen stehen auf Erfolg

Alles in allem ist die Ausgangslage für die Rückrunde sehr gut. Moral und Fitness stimmen. Wenn es dem Trainerteam gelingt, den Januar auf dem Trainingsgelände im Stadtwald zu nutzen, um die letzten Probleme zu beseitigen, dann kommt die SGE nicht nur in der Europa League noch weit, sondern die Eintracht könnte sich auch in der Bundesliga im vorderen Tabellendrittel festsetzen.

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21 Kommentare

  1. Sehr guter Artikel. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Besonders beachtlich finde ich, dass die Führungsebene während der „Krise“ ruhig geblieben ist und es keine Machtspiele gab. Aber hier sind wir Frankfurter echt ein großes Vorbild für andere Vereine aus Liga 1 und 2.
    Ich habe letzte Woche die Folge Heimspiel mit Herrn Hellman gesehen auch hier hat man das Gefühl, dass alle Verantwortlichen einen herausragenden Job machen. Leider machte corona den ein oder anderen Strich durch die Rechnung aber im Großen und Ganzen können wir alle Stolz auf die Eintracht sein.

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  2. Danke für die Zusammenfassung!
    Geduld und Ruhe, die sich auszahlt, finde ich sehr gut getroffen. Wichtige Faktoren waren/sind:
    – Die Art der Kommunikation MKs nach außen und bestimmt auch nach innen, die Neben- und Störgeräusche abfing, bzw. die notwendige Ruhe nach innen ausstrahlte.
    – Der Umgang mit Kostic zu Anfang der Saison durch Leitung und Mannschaftsrat.
    – Die Mentalität, sich nicht verunsichern zu lassen und den Fokus beizubehalten (MK, OG und Mannschaftsführung) – bis in die Nachspielzeit
    – Klare Stellung /Linie zu/bzgl. Younes. Keine Kompromisse, trotz sportlichem Verlusts.

    Für mich ist die Schlüsselszene mit großem Potenzial, rückblickend, der Wendepunkt zu werden: OGs Weck-Schuss-Ausraster gegen Antwerpen in Minute 68 am 4.11. . Nach einer unendlich langen Unentschieden Serie folgte Anfang Oktober der Sieg gegen die Bayern, aber dann auch die schon fast obligatorische Enttäuschung danach (Niederlagen gegen Hertha und Bochum)

    Eine Tatsache, die nicht genannt wird, ist unser Glück und Können bzgl. Verschont-sein von schweren Verletzungen und Erkrankungen an Corona. Stellt euch vor, wir hätten eine Bayern-ähnliche Situation gehabt, wo z.B. Hinti und Glasner trotz Vollimpfung erkranken, öffentlich bekannt wird, dass Sow, Kamada, Kostic und Hauge gegen Impfung sind, teilweise mehrere Spiele in Quarantäne müssen und dann noch zwei von ihnen tatsächlich an Corona erkranken und trotz Genesung für mind. den Rest der Vorrunde ausfallen…am Besten nicht vorstellen, aber es ist neben all den Fähigkeiten unseres Staffs und Ärzteteams auch eine ordentliche Portion Glück dabei und die hatten wir bisher.

    Ich bin sehr dankbar für diese Vorrunde und freue mich schon aufs neue Jahr.

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  3. Ich hoffe auch, dass hinter Kulissen auch Geduld in beiden Richtungen zwischen eintracht und Blanco herrscht. Und daraus dann gegen Mitte der Hinrunde eine Erfolgsgeschichte entsteht.

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  4. Mir fehlt noch die Betonung der mannschaftlichen Geschlossenheit und des Zusammenhalts des gesamten Personals.
    Nur gemeinsam ist man stark. Das gilt besonders für unsere Eintracht, und das ist auch sehr gut so.
    ________

    Ich wünsche der Redaktion und allen, die hier so schön, tw. kontrovers, aber immer fair posten und diskutieren frohe Weihnachtstage und einen geschmeidigen Jahreswechsel. Bis denne!!

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  5. Ich habe gerade meinen Wunschzettel ausgefüllt.
    Prio 1a
    – Verlängerung N’Dicka
    – Verlängerung Kostic

    Prio 1b
    – Ergänzung für die Offensive und rechte Seite (mehr Wucht)
    – Blanco bleibt und trainiert mit der ersten Mannschaft
    Prio 2
    – Hasebes Nachfolger (mit einer Rückrunde zur Akklimatisierung)
    – Barkok zeigt Leistung, die zur Verlängerung seines Vertrags führt

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  6. @2:

    Ich frage mich, welche Intelligenzabwesenden und Klappspaten ein „Daumen runter“ für diesen Post abgegeben haben ?

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  7. @7 wahrscheinlich die, die denken „das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ oder sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen wenn man nicht rassistisch rumpöbeln darf.
    Ansonsten har Frederic die Punkte gut benannt und wenn wir noch besser unsere Chancen verwerten…uijuijui….

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  8. @9

    Auch gerade gelesen, wobei 1,4 mio brutto schon eine Hausnummer wären.

    Da brauchst ein gutes Umfeld und einen tollen Charakter, sonst verdirbt Geld das Hirn und das war noch nie gut!

    Sollten wir Alidou aber seitens scouting alla Manga beobachtet und für gut befunden haben, dann her mit dem Jungen !

    Möchte bloß keinen Fite 2.0 bei der SGE sehen, denn dafür haben wir leider das Geld nicht 😉

    Forza SGE

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  9. Auf welcher Position hat Alidou denn beim HSV gespielt? Ich hab das nicht so verfolgt. Hoffen wir das , dass Eintracht – Gen bei ihm auch einsetzt. 😉

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  10. Habe am Wochende nebenbei ein bisschen HSV – Schalke laufen lassen. Dabei war mir der LA vom HSV aufgefallen. Schnell, wendig, technisch beschlagen. Teilweise noch etwas jugendlich leichtsinnig. Aber dennoch schon strukturiert und zielstrebig in der Spielweise.
    Und siehe da – es war Alidou.

    Aufgrund dieser Beobachtung freue ich mich auf ihn. Gegen Kostic wird er selbstverständlich keine Chance haben aber vielleicht auf Sicht sein Nachfolger werden? Oder man möchte ihn auf RA probieren.

    Eins ist klar – der Junge bringt unglaublich viel mit. Jetzt heisst es dann wohl den Jesper Lindstrøm Weg einschlagen.

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  11. @ Barth beim HSV spielt er aktuell LA.Er hat aber bis zum Sommer in der Regional Liga immer auf rechts gespielt.
    Da er auch nen rechten Fuß hat denke ich mal, wird er vll für unsere verwaiste rechte Seite eingeplant.
    Zumindest wäre es mMn ein Versuch wert.

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  12. @Air: Danke für die Info. Na dann hoffen wir mal das er nicht als Kostic – Ersatz (was ja gar nicht machbar ist) gedacht ist, sondern wirklich unsere rechte Seite verstärkeen soll.

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  13. Wäre super, wenn Alidou kommt. Einer der Toptalente der zweiten Liga. Und das würde auch wieder zeigen, was wir uns für einen Ruf erarbeitet haben. Mal wieder kommt ein viel umworbenes Talent zu uns.
    Gleichzeitig wird man auch bei ihm Geduld haben müssen. Ich glaube nicht, dass er direkt eine Alternative für die erste Elf darstellt. Er hat schließlich erst im Laufe der Saison den Sprung von der Regionalliga in die zweite Liga geschafft.

    Ich denke, man leiht ihn vlt sogar noch bis zum Sommer an den HSV aus, damit er sich weiterentwickelt.

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  14. Ich denke er wird auf keinen Fall an den HSV verliehen. Dann würde man ihn ablösefrei zum 1.7 holen und dem Jungen die Ablöse oder weniger als Handgeld geben, was jetzt der HSV bekommt…

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  15. Ich denke Tuta sollte man auch jetzt schon verlängern und nicht warten, bis er noch mehr Aufmerksamkeit geweckt hat.

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  16. @16:Kaufen und an die Hamburger verleihen ist aber glaube ich wirklich der Plan. Das macht auch Sinn. Es gibt nämlich etliche andere Vereine die ihn auch haben wollen, da sollte man möglichst schnell Nägel mit Köpfen machen. Wenn wir warten wollen bis zum 1. Juli, hat ihn sich schon ein anderer geschnappt. Und der Junge hat wirklich Potenzial.

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  17. Sie mal an ! Der Beitrag von king8 (#2) und meiner (#7) haben je 12 Daumen runter erhalten. Sind das die AfD-Anhänger, denen sich Peter Fischer mutig in den Weg gestellt hat … oder die, deren Wohnzimmerschränke brauner sind als beim Nachbarn ?

    Liebe Redaktion, … IP-Adressen rausfinden und raus-selektieren. „Affenlaute“, das „N-Wort“ oder sonstige diskriminierende und menschenverachtende Begrifflichkeiten gehören weder zu Eintracht Frankfurt noch in unsere Gesellschaft.

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