Bernd Hölzenbein plaudert in der Frankfurter Rundschau noch einmal über vergangene Tage. Vor dem Europa-League-Spiel gegen Girondins Bordeaux werden Erinnerungen wach an den 7. November 1979, als Hölzenbein per Sitzkopfball zum 2:0 traf und damit in allerletzte Sekunde die Verlängerung sicherte. In der 2. Runde des Uefa-Cups ging es damals gegen Dinamo Bukarest und sowohl das Tor, als auch dessen Entstehung, waren sehr kurios: „Denn es war so, dass Willi Neuberger den Schiri fragte, wie lange noch zu spielen sei. Er antwortete: twenty seconds. Der Willi hat den Ball dann vorne reingehauen. Was man aus der Perspektive der Hintertorkamera sieht, ist, dass der Schiedsrichter schon abpfeifen wollte, weil die 20 Sekunden um waren. Es war also eigentlich schon vorbei. In der 21. Sekunde habe ich den Ball reingemacht. Unglaublich. In der Verlängerung hat Bernd Nickel das 3:0 gemacht, und wir waren weiter.“

Der Uefa-Cup-Sieg im Jahr 1980 rettete eine auf nationaler Ebene verkorkste Saison. Die Eintracht wurde nur 9., nachdem man das Jahr zuvor auf Platz 5 beendete. Es passte einfach nicht zwischen Friedel Rausch und der Mannschaft. Nach dem großen Triumph gegen Borussia Mönchengladbach, als Youngster Fred Schaub zum großen Helden wurde, herrschte eine „eisige, eine katastrophale Stimmung“ auf dem Bankett. Als Hölzenbein dann auch noch zu hören bekam, dass Rausch, der die Hessen im Sommer Richtung Türkei verließ, seine Auswechslung im Rückspiel plante, fiel dieser aus allen Wolken. „Ich saß im Queens-Hotel und dachte mir: Das kann doch nicht sein, dass der dich auswechseln wollte. Das war damals eine Majestätsbeleidigung, ach, noch schlimmer. Wenn damals ein Trainer Jürgen Grabowski oder mich ausgewechselt hätte, wäre er nicht mehr lange Trainer gewesen (lacht). Ich bin zu Friedel Rausch gegangen, habe ihn angepöbelt und meine Meinung gesagt. Er ist dann weggegangen, ich war ja nicht der einzige, der Ärger mit ihm hatte, auch der Grabi war nicht gut auf ihn zu sprechen. Auf einmal war ich alleine im Saal.“ Diese Chance nutzte Hölzenbein und nahm den Uefa-Cup, völlig unbemerkt von den anderen, mit nach Hause.

In diesen Jahren wurde auch der Begriff der launischen Diva geprägt. Der heutige Chefscout der Eintracht erklärt: „Wir waren damals mit unseren Prämien an der Anzahl der Zuschauer beteiligt. Also gibt es für einen Sieg gegen die Bayern nicht 300 oder 400 Mark wie sonst, sondern gleich 5000. Das war die höchste Prämie aller Zeiten. Diese Regelung galt auch für das nächste Auswärtsspiel in Oberhausen: Die Bayern wir geschlagen, beim Letzten Oberhausen verloren. So war die Eintracht.“ Allerdings erklärt Hölzenbein auch, dass es an der mangelnden Qualität des Kaders lag. Man habe zwar drei, vier richtige gute gehabt, aber auch einige mittelmäßige Spieler und andere, die man irgendwie durchschleppen musste. „Als etwa Bruno Pezzey und Bum-Kun Cha kamen, waren Grabi, Bernd und ich schon ein bisschen über den Zenit hinaus.“

Die Zeiten haben sich verändert. Spieler irgendwie mit durchschleppen ist bei dem Tempo, dass heute auf dem Platz gegangen wird, nicht mehr möglich. Auch das Zuschauerverhalten hat sich verändert. In der 2. Runde gegen Bukarest waren 20.000 Zuschauer im Stadion und die meisten verpassten das Sitzkopfballtor, weil sie schon gegangen waren. „Und heute rennen uns die Leute die Bude ein, obwohl sie nicht wissen, wer der Gegner ist.“ Hölzenbein klingt fast ein wenig traurig, wenn man liest, ob er dies gut oder schlecht findet: „Fußball ist heute ein Event. Krach, Fahnen, Gesang. Früher waren 14.000 Leute im Stadion, 80 Prozent Männer, alles Leute, die selbst gespielt haben und Ahnung hatten. Und da hat man die Beschimpfungen gehört. Wenn einer rief: „Beweg mal deinen Hintern, Hölzenbein“, dann ging der Kopf ein Stück weiter runter. Ich war ja eh einer, der voller Zweifel steckte. Wenn ich das Selbstvertrauen der Spieler heute gehabt hätte, hätte ich 100 Länderspiele gemacht. Mindestens.“

So wurden es nur deren 40, was aber niemals etwas an der Wertschätzung, die der 160fache Torschütze am Main erhielt, änderte!

 

 

 

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15 Kommentare

  1. Früher waren 14.000 Leute im Stadion, 80 Prozent Männer, alles Leute, die selbst gespielt haben und Ahnung hatten.

    Genauso war es! Und heute gibt es Foren in denen nur 10 % selbst Fußball gespielt haben!!! Kleiner Scherz!

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  2. @christopher:

    der beste teil fehlt doch:

    „Wenn ich heute mit Erich Ribbeck zusammen bin, da lachen wir uns schlapp, was da für Dinge gelaufen sind. Der Erich hat uns verboten, Wasser zu trinken. Und er hat uns kontrolliert – Wahnsinn. Wir hatten unheimliche Angst vor ihm. Ich kann mich erinnern, dass wir ein Freundschaftsspiel in New York hatten und einen Mittagsschlaf machen sollten. Wir haben aber auf dem Zimmer Karten gespielt. Irgendwann klopfte der Trainer, und bei uns ist die Panik ausgebrochen. Einer ist schnell unters Bett gekrabbelt, der andere in den Schrank. Die hat er beide gefunden, nur mich nicht – ich hing im 35. Stock draußen an einer Feuerleiter, trotz extremer Höhenangst.“

    sau geil!!!

    und ich hatte mir schon überlegt, die fr nicht mehr zu kaufen, weil du ja sowieso immer eine zusammenfassung der artikel, bei denen es um die eintracht geht schreibst 😀

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  3. Wieso muss man selber Fußball gespielt haben? Nach Aussage akribisch arbeitender Trainer hier im Forum genügt es doch, sich aufmerksam entsprechender Fachliteratur zuzuwenden, um nicht nur ein Spiel, sondern auch die (falsche) Vorgehensweise des SGE-Übungsleiters beurteilen zu können.
    Auch wenn man damals einen Besuch von mehr als 20.000 Zuschauern schon positiv bewerteten musste, war es doch lustig, wenn deutlich vernehmbar Rufe wie „Akne (Falkenmayer), jetzt renn doch mal!“ durchs Stadion hallten.

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  4. Früher in der Schule und so, wurden ja die kleinen dicken, wenn sie nicht gerade Müller hießen, ja als letzte gewählt und ins Tor gestellt. Wir hatten allerdings auch noch einen den wir gefesselt und geknebelt haben, an die Außenlinie gesetzt und gesagt haben du bist Trainer! Ich glaube er hieß Neuruer, oder Alpi!

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  5. @WilliHunting

    Hölzenbein meinte damit wohl eher das man die Sprüch und Beleidungen damals noch ernst nehmen musste im Gegensatz zu heute 🙂 🙂 Die Presse und die Sportreporter waren da bestimmt auch noch vom Fach und nicht so Sensationsgeile Ärs…. Wen interessiert von uns richtigen Fans schon was die Van der Vaarts oder andere neben dem Fußball so machen ?

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  6. Damals waren es noch andere Zeiten.
    Da konnten sich die Spieler wie man vom Hölzenbein hört viel herausnehmen und einiges nicht so ernst nehmen.
    Heute ist man in der Hinsicht professioneller…

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  7. Ich fands witzig. War ne geile Zeit im alten G-Block. für meinen Bruder und mich wurde es da manchmal richtig heftig, wenn alle auf einmal von hinten nach vorne gedrückt haben. Wenn man da irgendwo mittendrin stand, wurde man regeltrecht erdrückt. Hat man sich damals irgendwie gar keine Gedanken drüber gemacht, dass so kleine Kerle wie wir es noch waren wirklich gefährlich lebten 🙂

    Wenn man heute so die alten Filme und Spiele sieht, muss ich oft lachen. Die engen kurzen Hosen, sieht irgendwie alles so wenig angestrengt aus und man denkt ganz unwillkürlich, wie kann man denn in diesen engen kurzen Hosen auch noch schnell laufen? 🙂 Heute ist eben alles viel schneller und ästhetischer. Es war alles irgendwie persönlicher. Roland Borchers z. B. hatte mit seinen Eltern einen Schrebergarten bei uns als Nachbar direkt am Ginnheimer Spargel.

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  8. Ja, ja, de Roland Borchers …
    … des war de uneheliche Zwillingsbruder vom Ronald Borchers.
    Der hat im Schatten vom Ginnheimer Spargel Nachtschattengewächse angebaut.

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  9. … da war´n die Gummistiefel noch aus Holz … unn es Freibier hat e Mark gekost.

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