Sind vereinstreue Spieler wie Oka Nikolov (li.) und Charly Körbel (re.) vor dem Aussterben bedroht?
Sind vereinstreue Spieler wie Oka Nikolov (li.) und Charly Körbel (re.) vor dem Aussterben bedreht?

In Teil 1 und Teil 2 der Serie ging es vor allem um das wilde Treiben auf dem Transfermarkt. Im Zuge dessen kam dann auch wieder eine Frage auf, die gerne gestellt wird, wenn es noch einmal viele Wechsel gibt – wo sind sie denn, die Charly Körbels dieser Zeit, die ihrem Verein auch dann treu bleiben, wenn es attraktive Angebote gibt? Im dritten und letzten Teil der Serie wollen wir dieses für Fans so wichtige Themengebiet beleuchten.

Und unsere Farben – sind schwarz-weiß-rot! Wir bleiben treu bis in den Tod!“ Woche für Woche hört man in den Stadien diesen Schlachtruf. Ob es der Adler auf der Brust oder die Raute im Herzen ist – einmal bei einem Verein, dann immer bei einem Verein. Für Fans würde es nicht in Frage kommen, ihren Club einfach zu verlassen, wenn der nächstbeste Verein ein Mitgliedsangebot sendet, welches deutlich besser ist. Wo sind sie hin, die Charly Körbels dieser Welt, die ihre Profikarriere durch nur für ein einziges Team spielten? Verträge? Sind das Papier, auf dem sie geschrieben sind, nicht mehr wert. Vereinstreue? Ein Fremdwort für den größten Teil der Fußballer. „Früher hätt’s das nicht gegeben“ ist eine der beliebtesten Stammtischparolen, die das Problem allerdings nur unzureichend erklärt. Treffen da die von Kult-Trainer Peter Neururer beim Bitburger Fantalk auf Sport1 geäußerten Worte eher zu? „Diese Heucheleien, dieses Dummschwätzen, dieses Trikot-Küssen, Vertrag verlängern und zwei Wochen später weg – das kotzt mich an. Das ist einfach unmoralisch und das geht nicht.“

Man muss wohl etwas tiefer in die Materie einblicken, um zu verstehen, weshalb es heute deutlich leichter ist zu wechseln, als es noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Ist es wirklich nur der Ruf des Geldes? „Wenn ich drei Millionen habe, sammele ich solange, bis ich vier habe. Wenn ich vier habe, will ich acht haben, will ich zehn. Die machen keinen Schritt zurück“, kritisiert Neururer weiter die sogenannte „Söldner-Mentalität“. Aber wäre Kevin de Bruyne wirklich in die zweite Bundesliga zu RB Leipzig gewechselt, wenn der „Brause-Club“ dieselbe Gehaltssumme geboten hätte? Dieses Szenario ist nur schwer vorstellbar. Denn der belgische Topstar möchte vor allem eines – Champions League spielen und diese – wenn möglich – auch gewinnen. Damit kommen wir zum ersten Grund, der die neue „Söldnermentalität“ der Profis begründet. Es soll tatsächlich Zeiten gegeben haben, in denen der Messepokal, später besser bekannt als Uefa-Cup, oder der Europapokal der Pokalsieger noch etwas wert gewesen sind. Manfred Kaltz (Hamburger SV) oder Berti Vogts (Borussia Mönchengladbach) stemmten diese Titel noch mit viel Stolz und Freude in den Augen in die Höhe. Doch die Wertigkeit der beiden Wettbewerbe sank stetig. Die „Krönung“ erlebte der Uefa-Cup wohl 1996, als Franz Beckenbauer diesen zum „Cup der Verlierer“ abstufte. Zu diesem Zeitpunkt stand der Europapokal der Pokalsieger schon kurz vor seiner Beerdigung – noch vor der Jahrtausendwende war dieser passé, während der Uefa-Cup heute Europa League heißt und mit Vereinen, nicht aber mit frischem Geld, vollgepumpt wurde (Borussia Dortmund übt wohl heute noch, wie sie ihre kommenden Gegner aussprechen müssen…).

Der große Geldregen breitet sich über den 32 Vereinen in der Champions League aus. Man muss in der Europa League schon ganz weit kommen, um auch nur annähernd die Gelder zu verdienen, die ein Teilnehmer der Königsklasse erwirtschaftet. Das Duell FC Sion gegen Rubin Kazan hat dann eben nicht die Strahlkraft von Cristiano Ronaldos Real Madrid und Zlatan Ibrahimovic‘ Paris Saint-Germain. Es verwundert daher nicht, dass ein Julian Draxler den FC Schalke 04 Richtung Wolfsburg oder eben ein de Bruyne die Niedersachsen Richtung England verließ. Man bewegt sich in anderen Sphären und kann sich – teils wöchentlich – mit den besten Spielern der Welt messen. Obwohl der Verein aus der Autostadt um den Henkelpott mitspielen darf, sind die Chancen auf einen Sieg im Nordwesten Englands durchaus etwas höher anzusiedeln. Für ambitionierte Spieler werden Teams wie Eintracht Frankfurt, der 1. FC Köln, aber auch noch Borussia Mönchengladbach oder eben Wolfsburg nur als Durchgangsstation oder Sprungbrett für höhere Aufgaben angesehen. Real Madrid, FC Barcelona, FC Bayern München oder die englischen Topteams sind die Stationen, die die Vita erst richtig aufhübschen – und der Geldbörse netterweise die nötige Dicke verleihen.
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Champions League und Geld – zwei Gründe, die wohl hauptsächlich dafür sorgen, dass die Wechselmentalität so extremen Einzug erhalten hat. Spannend ist allerdings auch ein Blick in die Soziologie. Ulrich Beck, ein am 1. Januar diesen Jahres verstorbener und sehr bekannter Soziologe, beschäftigte sich mit dem Weg in eine andere Moderne. Individualisierung und Kosmopolitisierung sind hier die beiden entscheidenden Begriffe. Es findet eine Ablösung der industriegesellschaftlichen Lebensformen statt, ein Wandel von lange gültigen Normen. Lebenslanger Arbeitsplatz ohne einen Wechsel? Ist das überhaupt noch gewollt? Der Arbeitsmarkt verlangt Mobilität, Veränderung, Auslandserfahrungen – warum sollten sich Fußballprofis diesen Wegen verschließen? Der globale Wandel findet überall statt – nicht nur bei Siemens, Bosch, VW oder Stada, sondern eben auch bei der Eintracht, dem KSC oder Borussia Dortmund. Der Mensch in der westlichen Gesellschaft ist beweglicher geworden und an weniger an traditionelle Modelle gebunden.

Geht in seine 12. Saison bei der Eintracht! "Fußballgott" Alex Meier.
Geht in seine 12. Saison bei der Eintracht! „Fußballgott“ Alex Meier.

Der Vorteil – es eröffnen sich schier unendliche Möglichkeiten. Der Nachteil – diese Türen, die man durchschreiten kann, bedeuten nicht Sicherheit, nach der der Mensch häufig strebt. Die Reaktion darauf ist Unsicherheit, ein Unwohlsein, teilweise das schlimme Gefühl der Fremdheit. Hier kommt der Berater ins Spiel. Der an und für sich mehrheitlich schlicht gestrickte Profi gibt sein „Fußballerleben“ in die Hände von Menschen, die an diesem gut verdienen wollen. Bei den Beratern klingelt es vor allem dann in der Kasse, wenn der Schützling den Verein wechselt und einen millionenschweren Kontrakt unterschreibt. Doch nicht jeder Profi ließ sich von dieser Versuchung hinreißen. Alex Meier ging in diesem Sommer bereits in seine zwölfte Saison bei den Hessen. Auch Roman Weidenfeller, Sebastian Kehl (beide BVB) oder Clemens Fritz (SV Werder Bremen) zogen das Trikot, nachdem zu diesen Vereinen gewechselt waren, nicht mehr aus.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem man sich bei dieser Diskussion bewegt. Erwartet man diese bedingungslose Vereinstreue wirklich von jedem Spieler? Oder nur von den absoluten Topstars, damit diese keinen anderen Club verstärken? Es gibt genügend Beispiele, bei denen Spieler vom Hof gejagt wurden, auch wenn sie gerne geblieben wären. Mit einem laut gepolterten „Früher hätt’s das nicht gegeben“ kommt man hier wohl nicht weiter. Und die von Neururer geschwungene Moralkeule, die nach den verrückten Tagen bei vielen sicherlich auf offene Ohren stößt, führt ebenfalls nicht in die richtige Richtung. Um es einmal zuzuspitzen – die Eintracht müsste erfolgreich werden wie Barcelona, die Bayern oder Real – es gibt aktuell wohl wahrscheinlichere Szenarien. Aber – und diese Frage muss erlaubt sein: Ist es denn wirklich ein Drama, wenn ein Spieler seinen Vertrag im Winter verlängert und kurze Zeit später wechselt, wie etwa Kevin Trapp, dafür aber seinem Verein finanziell weiterhilft und nach vorne bringt? Etwas anders formuliert: Streben nicht sogar manche Clubs danach, genau mit diesem Modell Richtung Sterne und Henkeltopf greifen zu können? Eine endgültige Antwort wird es darauf nicht geben. Eines aber ist sicher: Mit Stammtischparolen und unüberlegt hinausgedonnerten Poltersätzen wird man sich nur weiter im Kreis drehen – und die Suche nach den Gründen nicht effizient vorantreiben können.

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7 Kommentare

  1. Spieler wie Meier oder Oka sind heute eher selten. 5-6 Jahre bei einem Verein finde ich schon viel heutzutage. Das ist auch okay. Wenn Haris nach 5 Jahren nach England geht ( was ja einer seiner träume ist), dann ist das okay. Es muss nur sauber ablaufen. Heute Treueschwur und nächste Woche weg, das geht halt gar nicht ( wie Herr Götze gelernt hat ).

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  2. Wir können zunächst mal froh sein, SGE`ler zu sein. Wir haben die Hölzenbeins, Grabowskis, Nickels, Nikolovs und Meiers erlebt oder erleben sie noch. So was hatten, früher, andere Vereine auch (Ata Lameck, Dietz, Dede etc.). Aber: Wir haben noch als Specialjoker unseren Charly 😉
    In Gänze muss man feststellen, dass die breite Masse der Spieler Wanderarbeiter geworden sind, ohne größeren lokalen Bezug mehr zum Verein aufzubauen. Damit muss man leben. Wir haben wenigstens noch das Glück, dass es in unseren Teams zumindest immer den Mr. Eintracht gegeben hat (Nikolov, Meier, Köhler etc.), also Spieler, die zumindest einige Jahre oder richtig lange dem Waldstadion die Treue gehalten haben. So ist es auch heute noch. Und wenn wir pro Saison eine kleine SGE-Achse im Team haben, dann muss das in diesen Zeiten reichen.

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  3. Sehr viele richtige Ansätze. wir leben heute in einer gewollt sehr flexiblen Zeit. Was um uns allen herum geschieht und wo wir zum Teil selbst mit drinstecken, warum soll das in einem Geschäft wie dem Profifußball, wo es meisten um sehr viel Geld geht, anders sein ?
    Die Eintracht hat selbst auch in den letzten Wochen häufiger gesagt: „wir“ müssen uns über die Entwicklung von jungen Spielern und deren werthaltigen Verkauf (Transfer) weiterentwickeln. das heißt, die Interessen sind hier zwischen Verein und Spieler gleichermaßen verteilt.
    Ich gebe aber auch dem Nerurer Recht, überflüssige Teueschwüre sollten sich einige Profis sparen. Andererseits glaube ich, dass einige Profis „Ihren Verein“ ein Leben lang im Herzen tragen, auch wenn sie aus unterschiedlichsten Beweggründen mal wechseln.
    Für mich ist das Wichtigste, dass sich der Spieler, solange er bei der Eintracht ist, sich den A… aufreißt, offen und ehrlich ist und nicht schauspielert. Wenn dann noch Situationen wie bei AMFG entstehen und er dann über viele Jahre seine Treue beweist, umso besser !
    Ich glaube die Eintracht ist da auf einem recht guten Weg, vgl. Vertragslaufzeiten und Vertragsverlängerungen in der letzten Zeit.

    Forza SGE !

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  4. Im übrigen muss das auch von Vereinsseite aus so sein. Ich kann keinen verdienten Spieler einfach vom Hof jagen. Ein Verhalten wie es ( aus meiner Sicht ) Dortmund gegenüber Problem-Kevin gezeigt hat, will ich bei keinem unserer Götter erleben. Wenn Alex Meier mal geht, muss das sauber abgehen. Was man vom Spieler erwartet muss man auch ihm gegenüber tun

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  5. Profifußballer ist ein Beruf. Sogar ein sehr schöner. Das „Phänomen“ der treuen Spieler lässt sich vielleicht damit erklären, dass die sich in der Gegend, in der sie sich und ggf. Familie niedergelassen haben, einfach nur wohl fühlen und ZUDEM mit Geld überredet wurden zu bleiben. So was kann es tatsächlich geben.
    Ich kann mich jetzt nicht erinnern, ob ich mal beim deutschen Stammpersonal des FCB einen Spieler gesehen habe, der das Vereinslogo auf dem Trikot abgeknutscht hat. Fragen wir doch mal den Willi N., oder den Karl-Heinz K., ob die solche Bosse gemacht ham. Wohl eher net.
    Alles neumodischer Söldner-Schnickschnack … dem man keine Aufmerksamkeit schenken darf.

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