Marco Fabian bejubelt sein Tor zum 2:1.
Marco Fabian bejubelt sein Tor zum 2:1.

Zwei Heimspiele – sechs Punkte. Nach der unnötigen Auswärtspleite in Darmstadt war mit Spannung erwartet worden, welche Reaktion Trainer und Spieler zeigen würden – zumal mit Bayer Leverkusen ein Top-Team zu Gast war, das an guten Tagen fast jede Mannschaft an die Wand spielen kann. Die Unruhe beim Eintracht-Anhang war deshalb groß: Sollte der Sieg gegen Schalke eine Eintagsfliege gewesen sein oder könnten die Jungs von Trainer Niko Kovac an die Leistung aus dem Eröffnungsspiel anschließen? Spätestens seit gestern wissen wir, dass das Auftreten des Teams trotz des Rückschlags in Darmstadt Anlass zu Hoffnung auf eine weitgehend sorgenfreie Spielzeit gibt – nicht nur wegen der drei Punkte, sondern auch weil die Mannschaft eindeutig die Handschrift ihres Trainers erkennen lässt. Aber schauen wir uns die Erfolgsfaktoren doch einmal im Detail an.

1. Ein Trainer reagiert
Kovac war sichtlich angefressen nach dem 0:1 von Darmstadt. Nicht nur die verschenkten drei Punkte, sondern vor allem die Einfallslosigkeit in der Offensive, die Harmlosigkeit im Flügelspiel und das unnötige Gedränge in der Zentrale sollten nicht folgenlos bleiben. Während der Einsatz von Haris Seferovic nicht überrascehnd kam, rieben sich nicht wenige Beobachter bei Durchsicht der Aufstellung die Augen: Auch Marco Fabián, der bereits als Fehleinkauf apostrophierte Mexikaner, durfte von Anfang an auflaufen. Damit zog Kovac die Konsequenz aus der Beobachtung, dass Alex Meier und Branimir Hrgota zuletzt nicht gut harmonierten und die Idealbesetzung des Frankfurter Kapitäns wohl eher in der Spitze und nicht dahinter zu identifizieren ist. Auf den Flügeln sollten sich Seferovic und Mijat Gacinovic versuchen, während für Fabián die Position hinter Meier vorgesehen war. Kovac überraschte aber noch mit einer zweiten Personalentscheidung: Im defensiven Mittelfeld vertraute der Coach neben Makoto Hasebe dem oft gescholtenen Szabolcs Huszti; für ihn musste Omar Mascarell seinen Platz räumen, der gegen Darmstadt vornehmlich durch allzu viele Querpässe und die Delegation von Verantwortung aufgefallen war. Huszti hingegen war gegen die Südhessen einer der wenigen, die etwas wagten und für einen Überraschungsmoment sorgen wollten.

2. Kompaktheit als neue Stärke
Wenn die ersten zwei Heimspiele ein Maßstab für die ganze Saison sein können, sollten  Stadionbesucher künftig rechtzeitig vor dem Anpfiff ihren Platz einnehmen. Wie schon gegen Schalke legten die Kovac-Schützlinge von Beginn an los, als wollten sie die Werkself überrennen. Insbesonders über Bastian Oczipka und Seferovic wurden Angriffe vorgetragen, die Viererkette, vor allem die beiden Außenverteidiger, standen sehr hoch und übten rechtzeitig Druck auf ihre Gegenspieler aus. Leverkusen war sichtlich überrascht von der Frankfurter Dynamik und fand in der Zentrale keine Anspielstationen, da Huszti und Hasebe – unterstützt durch Fabián und die beiden offensiven Außen – die Räume dicht machten. Der Begriff „kompakt stehen“ ist eine inflationär gebrauchte Vokabel für einstudiert exerziertes Abwehrverhalten, aber gestern konnten wir erstmals erleben, wie das Trainerteam sich das vorstellt. Nicht nur die beiden Sechser, sondern auch alle Offensivkräfte erfüllten ihre defensiven Aufgaben vorbildlich, sodass Leverkusener Chancen einzig durch Fehler im Spielaufbau resultierten.

Alexander Meier im Kopfballduell mit Ömer Toprak.
Alexander Meier im Kopfballduell mit Ömer Toprak.

3. Variabilität und personelle Optionen
Es war eine durchaus mutige Entscheidung von Kovac, gleich zwei „Sorgenkindern“ eine neue Chance zu geben. Während sich Seferovic zumindest bei der Nationalmannschaft Spielpraxis und Erfolgserlebnisse sichern konnte, war Fabián allem Anschein nach gänzlich auf dem Abstellgleis gelandet. Sein erstes dreiviertel Jahr bei den Hessen schien ein einziges Missverständnis zu sein. Ohne Selbstvertrauen, ohne Einsatzzeiten und ohne Nachweis seiner Qualitäten war ein Abschied von den Adlerträgern wohl nur noch eine Frage der Zeit. Seit gestern wissen wir, dass es wahrscheinlich zu früh war, dem mexikanischen Nationalspieler die Bundesligatauglichkeit oder zumindest die Durchsetzungsfähigkeit abzusprechen. Es war sicherlich kein herausragender Auftritt von Fabián, aber er zeigte so viele gute Ansätze, so viel Einsatzfreude, Spielwitz und Passsischerheit, dass er auf einem guten Weg scheint, die erhoffte Verstärkung zu werden. Da auch Seferovic viel Wirbel über die Flügel machte und sich in jeden Zweikampf stürzte, scheint der Konkurrenzkampf in der Frankfurter Offensive richtig entfacht zu sein, zumal Hrgota auch seine Stärken hat, Ante Rebic sehr präsent war und Shani Tarashaj ebenfalls auf seine Chance lauert.

4. Der Trainer macht alles richtig
Es ist für Journalisten immer einfach, das Trainerhandeln einer grundsätzlichen Kritik zu unterziehen, da sie stets eine ex post-Perspektive einnehmen und niemals Gefahr laufen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Außerdem kann ein Trainer sicherlich an der einen oder anderen Stellschraube drehen, die Umsetzung muss aber immer noch von den Herren in kurzen Hosen erfolgen. Wenn Kovac für das flügellahme und uninspirierte Agieren gegen Darmstadt kritisiert wurde, so muss nach dem Leverkusen-Spiel festgestellt werden, dass der Trainer einen nicht unerheblichen Anteil an dem Sieg hat. Abgesehen davon, dass die Mannschaft mittlerweile eindeutig die Handschrift ihres Coaches im Hinblick auf Einsatz, Disziplin und taktisches Verhalten trägt, reagiert Kovac auch umgehend auf erkennbare Defizite und arbeitet an der Ausrichtung des Teams. Für die Öffentlichkeit und die Mannschaft entsteht so der Eindruck,  dass alles dem Erfolg untergeordnet wird und kein Spieler sich zu sicher sein kann.

5. Sinnvolle Verstärkungen
Nach drei Spielen ist es sicherlich noch zu früh, den Neuverpflichtungen ein Zwischenzeugnis auszustellen. Wenn die Eindrücke aber nicht gänzlich täuschen, haben Bobic, Hübner & Co. zumindest bei einem Teil der Neuzugänge ein glückliches Händchen bewiesen. Sowohl Michael Hector als auch Jesus Vallejo sind überzeugende Innenverteidiger, die den Abgang von Carlos Zambrano (derzeit) vergessen machen. Mit Omar Mascarell, Ante Rebic und Hrgota hat Kovac zumindest starke Ergänzungsspieler zur Verfügung, die ohne Probleme von Anfang an spielen können, aber in jedem Fall eine Alternative für eine Einwechselung darstellen.

Jesus Vallejo im Duell mit Julian Brandt
Jesus Vallejo im Duell mit Julian Brandt

6. Die Spieler machen vieles richtig, aber nicht alles
Es muss erlaubt sein, auch nach diesem schönen und wichtigen Sieg ein wenig Wasser in den (Apfel)Wein des Triumphes zu gießen. Auch wenn die Fehler im Spielaufbau im Vergleich zur vergangenen Saison deutlich zuückgegangen sind, macht sich die Eintracht durch leichtfertige Ballverluste im Umschalt- oder Aufbauspiel das Leben selbst schwer,  was normalerweise gegen konterstarke Teams wie Leverkusen umgehend bestraft wird. Insbesondere Spieler wie Hasebe, Oczipka oder Chandler laufen damit Gefahr, ihre eigentlich ordentliche Leistung zu dequalifizieren. Gegen Leverkusen wurde nur der Patzer von David Abraham vor dem 1:1 sanktioniert, aber erinnern wir uns: Auch die Schlafmützigkeit unmittelbar nach dem Seitenwechsel hätte ohne das Handspiel von Chicharito oder die Aufmerksamkeit des Linienrichters böse enden können. Und über die möglichen Folgen eines verwandelten Elfmeters wollen wir gar nicht erst nachdenken …

7. Wie geht es weiter?
Für alle Anhänger der Eintracht ist es beruhigend zu wissen, dass die Leistung gegen Schalke keine Eintagsfliege war und die Mannschaft in der Lage ist, einen Rückschlag wie gegen Darmstadt wegzustecken. Nach drei Spielen verfestigt sich der Eindruck, dass das Team von Kovac einen Lernprozess durchläuft, der mit manchen Höhen, aber auch mit einigen Rückschlägen verbunden sein wird. Da die Mannschaft aber die vom Trainerteam gepriesenen Werte – Einsatz, Kampf und Leidenschaft – verkörpert und im Vergleich zur Vorsaison unbestreitbare Fortschritte im spielerischen und taktischen Verhalten an den Tag legt, muss uns – so der aktuelle Eindruck – vor den nächsten Spielen nicht bange sein. Allerdings sollte man sich nicht dauerhaft auf die Heimstärke verlassen und gelegentlich auch etwas Zählbares aus der Fremde mitbringen. Am Dienstag bietet sich in Ingolstadt die nächste Gelegenheit dazu.

Denkt bitte daran, dass Ihr auch an diesem Spieltag die Leistung der Spieler hier bewerten könnt.

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10 Kommentare

  1. „Im Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen durfte man über den ersten Durchgang gerne den Mantel des Schweigens hüllen. Als es wieder losging, herrschte gleich große Verwirrung. “

    Zitat aus dem Kicker Flachmagazin

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  2. Kovac ist heute, so glaube ich, zu Gast im Sport1- Doppelpass ab 11 Uhr im Fernsehen. Ich glaube es gestern irgendwo gehört zu haben. Ich mache keine Werbung für die Sendung, ich wollte schlicht einen Hinweis geben. Reisst mir nicht den Kopf ab falls ich mich getäuscht haben sollte.
    Ggf. auch hier im Internet:
    http://tv.sport1.de/sport1/

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  3. @2
    Ich muss mich revidieren. Kovac ist heute nicht dabei, habe eben die Gästeliste recherchiert.
    MG Hans Meier ist Gast.

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  4. Gute Analyse Ralf. Selbst wenn wir gestern nicht gewonnen hätten, wäre ich von der Leistung, bis auf paar Ausnahmen, angetan gewesen. Hier ist wirklich endlich mal eine Handschrift des Trainers zu sehen und die Spieler ziehen voll mit. Wenn ich bedenke wieviele Alternativen wir jetzt gerade in der offensive haben, ist mir nicht bang. Bei Punkt sechs bin ich Hundert Prozent bei dir. Für mich ist es auch großes Ärgernis diese Schläfrigkeit und Fehlpässe bei den angesprochenen Spieler zu sehen, insbesondere bei Oczipka. Hier wird es Zeit mal einen Wechsel vorzunehmen, zumal jetzt die englische Woche ansteht.

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  5. Positiv war das Gegenpressing, die Flexibilität im Angriff und die schnellen Kombinationen bis zum Strafraum. Dann vor/im Strafraum aber öfters zu überhastet, ohne Auge für besser postierten Mitspieler oder ungenaues Abspielen. Daraus hätten noch ein paar gefährliche Torchancen entstehen können. Flanken von Außen sollten präziser kommen, das kann man üben.
    Die Abwehr stand solide und hat auch vom stabilen Mittelfeld profitiert.
    Auch die Einwechslungen hatten positive Effekte im Spiel nach vorne.
    Gefällt mir, was Kovac aus dieser Truppe rausholt.

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  6. Das war schon sehr gut. Bei Chandler bewundere ich den EInsatz . Allerdings sihet man nach vorne auch die Defizite die dafür sorgen, dass er eigentlich nur als Backup eine Berechtigung hat. Vallejo hat mich auch überzeugt. Vor allem auch weil er bei Ballgewinn suaber nach vorne spielen und die Offensive einleiten kann.

    Otsche mit steigender Formkurve aber auch bekannten Schwächen. Trotzdem okay.

    Bei Fabian und Huszti war ich mir sicher, dass die nei zusammen spielen werden. Gott sei dank ist Kovac der trainer und nicht ich. Haris war für mich gut, weil er nach vorne und hinten ackert. Und wir haben Alternativen von der Bank. Rebic kann noch spannend werden.

    Bin ich froh das wir gegen Darmstadt verloen haben. Sonst hätten wir jetzt drei Siege aus drei Spielen und die ersten würden hier durchdrehen . 😉

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