Jurist Hans E. Lorenz hat eine ganz klare Meinung zum Thema Kollektivstrafen.
Jurist Hans E. Lorenz hat eine ganz klare Meinung zum Thema Kollektivstrafen.

Der Name Hans E. Lorenz ist keiner, der in Fankreisen für großen Jubel und Applaus sorgen wird. Der 66-Jährige ist Vorsitzender des DFB-Sportgerichts und tritt dann seinen Dienst an, wenn es im Stadion zu diversen Vorfällen gekommen ist. Gewalt im Block, Platzstürme, Pyrotechnik oder Böller, die in andere Bereiche fliegen – Lorenz muss danach entscheiden, wie weiter vorgegangen wird. Zuletzt erst wurde die komplette Südtribüne im Dortmunder Signal-Iduna-Park gesperrt, die Fans der Frankfurter Eintracht mussten bereits drei harte Strafen hinnehmen: Am ersten Spieltag gegen den FC Schalke 04 und am siebten Spieltag gegen den FC Bayern München blieb Block 40 zu, in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den FC Ingolstadt durfte nur ein ganz kleiner Teil an Zuschauern das Stadion überhaupt betreten.

Die Frage, die sich danach immer wieder stellt: Sind Kollektivstrafen gerechtfertigt? Ist es fair, einen großen Teil auszusperren, obwohl nur wenige über die Strenge schlagen? „Die Kollektivstrafe, das kennen wir alle aus der Schule, ist verboten – aber nur dann, wenn man den wirklichen Täter bestrafen kann. Das können wir als Sportgerichtsbarkeit gar nicht“, erklärte Lorenz gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ und fügte an: „Der Sportgerichtbarkeit unterliegen nur die Spieler, Trainer, Funktionäre und Vereine. Selbst wenn wir wollten: Den einzelnen Böllerwerfer könnten wir gar nicht belangen. Den kriegen wir rechtlich nicht. Es gibt im Fußballbereich nur das Mittel der Stadionverbote, die allerdings nicht durch die Sportgerichtsbarkeit ausgesprochen werden können, sondern von den Vereinen vor Ort verhängt werden.“

Dem DFB-Sportgericht bleibt somit nur die Möglichkeit, den Verein zu bestrafen, der es nicht geschafft hat, für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu sorgen. Der Fan, der sich ein Ticket für den Stadionbesuch kauft, unterliegt den Regeln des Hausherren und wer sich nicht daran hält, wird vertragsbrüchig gegenüber dem Klub. Weil sich die Störer meist vermummen, gut versteckt oder getarnt werden, ist es kaum möglich, diese zu identifizieren. „Der Solidarisierungseffekt in der Gruppe von den friedlichen Fans zu den Störern und Gewalttätern ist viel stärker als die Wahrheitsliebe gegenüber Polizei und Justiz“, erklärte Lorenz und malte die Realität: „Auch derjenige, der nichts getan hat, wird im Prozess vielleicht auch aus Angst nicht gegen denjenigen aussagen, der einen Böller geworfen hat.“

Kollektivstrafen wird es demnach auch in Zukunft geben. Die Maßnahme, den Frankfurter Fans bei allen Auswärtsspielen der Rückrunde Einlass nur mit personalisierten Tickets zu gewähren, wurde allerdings verworfen. „Das war nicht unsere Idee“, überraschte Lorenz: „In der mündlichen Verhandlung kam das Urteil einverständlich zustande, ohne dass die Frage mit den personalisierten Tickets vom Verein problematisiert worden wäre.“ Die Korrektur erfolgte im Zuge eines rechtmäßigen Wiederaufnahmeverfahrens. Ein Grund dafür waren die Bedenken der Polizei und DFB-Sicherheitsexperten. Sie befürchteten, dass Anhänger der Eintracht einfach Karten in gegnerischen Blöcken kaufen würden und somit womöglich nur noch mehr passieren könnte.

Im Großen und Ganzen aber zieht der Jurist mit Blick auf die Stimmung in den Stadien und das Verhalten der Anhänger ein positives Fazit: „Die Verhältnisse auf den Tribünen haben sich im Schnitt gebessert. Viele Vereine tun in der Fanarbeit viel und haben professionelles Personal eingestellt. Sie tun das aus ganz eigenem Interesse, weil sie erkannt haben, dass Zuschauer lieber zu den Spielen kommen, wenn auf den Rängen eine friedliche Atmosphäre herrscht.“ Das Mittel der Kollektivbestrafung wird dabei auch nicht immer kritisch gesehen: „Wir werden regelmäßig auch für unsere allzu milden Urteile kritisiert – von Fans, die fordern: ‚Macht doch endlich mal was! Wir friedlichen Fans können uns gegen die gewaltbereiten Fans nicht durchsetzen!'“

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5 Kommentare

  1. Das ganze System DFB stimmt da nicht überein.
    Beim DFB gibt es das Sportgericht, was in der Gewaltenteilung die Judikative wäre.
    Der DFB-Präsident mit seinem Präsidium wäre demnach quasi die Legislative.
    Wo bitte bleibt denn, um mal bei demokratischen Stilmitteln zu bleiben, die Exekutive, was in Deutschland die Polizei zur Verhütung von Straftaten ist??
    Da fehlt mir das Engagement des DFB’s die Vereine genauso zu unterstützen.
    Alleinige Aufgabe der Polizei und der Vereine, in den Stadien für angemessene Sicherheit zu sorgen kann es ja nicht sein, wenn sich der DFB dann aber bei entsprechenden Vorkommnissen als der große Richter aufspielen will……und dies mit teils fragwürdigen und dubiosen Entscheidungen, die oft überhaupt nicht zielführend sind.
    Kollektivstrafen beispielsweise rufen eher noch zusätzlich die eigentlich gemäßigten auf den Plan, verhindern aber keineswegs die Ursachen und chronischen Krawallbrüder.
    Wenn schon, denn schon……also bitte lieber DFB auch diesen Part der Gewaltenteilung abdecken, auch wenn dies die kostenintensievste Komponente ist.
    Beispielsweise durch die Gründung einer Task-Force, die dann, je nach Größe des Stadions an den Spieltagen in die jeweiligen Heimspiel-Stadien entsendet wird und schwerpunktmäßig in den Stehplatzbereichen präventiv unterstützt.
    Dies würde aber bedeuten, dass der DFB mindestens 270 qualifizierte Sicherheitsmitarbeiter einstellen müsste um Wochenende für Wochenende 9 Stadien mit mindestens 30 Mitarbeitern zu besetzen..
    Das kostet richtig viel Geld, woran es vermutlich scheitert, aber ich bleibe dabei, so funktioniert Gewaltenteilung.

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  2. Zu diesem Gesicht und die Ausage “ DFB-Richter Lorenz verteidigt Kollektivbestrafung “ , da fallen mir ganz komische Worte ein.

    Fakt ist :“ Da durch die Kollektivhaftung im Ergebnis die Haftung eines Menschen – sei es zivilrechtlich im Sinne einer Regresspflicht, sei es strafrechtlich in dem Sinne, dass eine Bestrafung des Kollektivangehörigen an Stelle des eigentlichen, möglicherweise entflohenen Täters – für fremde Schuld und ohne eigene Verantwortlichkeit erreicht wird, ist sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kollektivhaftung

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  3. @1
    Ich glaube nicht das es dem DFB an finanziellen Mitteln mangelt. Der Weg der Kollektivstrafen ist ehrlich gesagt auch der einfachste und bequemste. Die Vereine können alles menschenmögliche tun und solche Vorkommnisse nicht verhindern. Hier wird es sich auch ein bisschen leicht gemacht, weil es ein generell gesellschaftliches Problem ist.

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  4. Der DFB in seiner Ohnmächtig- und auch Unfähigkeit flüchtet sich in kollektive Sanktionen. Paradox ist, dass der DFB selbst als Veranstalter von Länderspielen mitunter selbst nicht in der Lage ist, rechtswidrige Aktionen zu verhindern.

    Öffentliches Recht (z.B. Pyrotechnikgesetz) steht über Verbands-, Vereinsrecht. Dem DFB fehlt es jedoch zudem, wie G-Block schon ausführte, im Stadion außerhalb des Spielfeldes, an der Durchsetzung des Rechts.
    Aus eigenem Unvermögen nimmt er die Vereine unverhältnismäßig in die Pflicht und bestraft. Es ist schon insgesamt ein seltsames Gebilde in der Umsetzung der Normen, Bestimmungen, Rechtsprechung und Sanktionierung.

    Die Zerstrittenheit im DFB selbst und möglicherweise anstehende Rechtsverfahren gegen diesen passen in das Bild des DFB, das in der Öffentlichkeit präsent ist.

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  5. Bin zwar kein DFB-Fan, aber muss ihn hier mal auf einer Seite etwas verteidigen, da sich manche Vereine auch hinter dem DFB gerne verstecken. Das mit den Kollektivstrafen sehe auch anders als Herr Richter Lorenz und halte sie insgesamt für schwach und nicht ausgewogen.
    Aber ein Verein als Ausrichter von Spielen hat auch kein großes Interesse an Pyrotechnik etc. Das kann man in der Stadionordnung nachlesen. Von daher gilt auch im Stadion nicht unbedingt das Pyrotechnikgesetz, da man sich mit dem Kauf der Eintrittskarte den AGB des Veranstalters unterwirft. Im Freibad würde auch kaum einer Bengalos abbrennen oder Böller zünden. Also zu glauben, wenn der böse DFB nicht wäre, wäre alles erlaubt- ist ein Trugschluss. Früher hat sich das von selbst geregelt. Da hat man mal paar Fackeln nach dem 4:0 daheim hochgehalten und alles war friedlich und normal und keiner hat was gesagt. Dabei ist es aber leider nicht geblieben-es gibt leider immer Leute die es so ausarten lassen müssen, das man da nicht immer einfach zuschauen kann. Meine kleine Tochter würde ich zB nicht ins Stadion nehmen, weil es immer irgendwelche Deppen gibt, die Böller direkt in der Menge oder stark gesundheitsschädliche Rauchwaren im Block zünden (hab schon Autoreifen im Block brennen sehen). Ich sehe das eigentlich relativ locker, aber wenn man gar nichts machen würde, würde jedes Spiel ein Pyrowettbewerb stattfinden. Ob das im Sinne des Vereins, der Spieler und meisten Zuschauer ist, sei mal dahingestellt. Also gewisse Regeln müssen schon sein, sonst macht jeder was er will. Aber dann bitte auch die gezielt bestrafen, die dagegen verstoßen. Das muss doch mit der heutigen Technik machbar sein, die Leute zu identifizieren . Also bitte weniger DFB, sondern mehr die Vereine die Regeln machen lassen und das dann auch durchsetzen lassen. Mit unseren Ordnern gibt es zB eigentlich kaum Stress und wenn die eingreifen ist das meistens auch berechtigt.

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