Dino Toppmöller in seinem Element. (Foto: IMAGO / osnapix)

Nach einem halben Jahr im Amt hat Dino Toppmöller mit Eintracht Frankfurt schon viel erlebt: spannende Duelle in der Conference League, emotionale Siege wie das 5:1 gegen Bayern München und herbe Enttäuschungen wie zum Beispiel das DFB-Pokal-Aus in Saarbrücken. Das Kalenderjahr 2023 endete mit einem Last-Minute-Sieg gegen Mönchengladbach, bei dem die SGE bis zur 92. Minute noch zurücklag. „Es sind diese positiven Gefühlen mit anderen Menschen zu feiern. Dafür arbeiten wir jeden Tag, dafür lohnt es sich. Wir sollen uns nicht zu schade sein, den Extra-Schritt zu gehen oder im Staff sich die eine Szene einmal mehr anzuschauen und die eine Schicht mehr noch machen“, erklärte der 43-Jährige im Video-Podcast auf „Eintracht TV“.

Toppmöller findet großen Umbruch bei der SGE vor

Bei seinem Amtsantritt fand der Übungsleiter einen Kader vor, der sich mitten in einem Umbruch befand. Leistungsträger wie zum Beispiel Jesper Lindström und Djibril Sow hatte den Verein verlassen und der amtierende Top-Scorer der Bundesliga, Randal Kolo Muani, wollte den Verein verlassen. „Sein Abgang war eine von vielen unerwarteten Herausforderungen, die ich vorfand. Kolo Muani zu behalten, hätte natürlich einen Mehrwert gehabt, weil er sich bei uns sicher noch mal weiterentwickelt hätte. In solchen Situationen musst du als Trainer vorne weg gehen und überlegen, wie wir so einen Verlust auffangen können. Muss ich den Schwerpunkt im Spiel verändern?“ Um so wichtiger sei es gewesen, dass Omar Marmoush sich so schnell ins Team und das System von Toppmöller integriert habe: „Ich bin sehr stolz, dass er in einem halben Jahr bei uns eine absolute Referenz geworden ist. Wir brauchen Leute, die Führung übernehmen!“

Der Start in die neue Saison hätte – vor allem, was die Ergebnisse angeht – besser sein können. Toppmöller blickt auf das Ganze und bewertet die ersten Monate den Umständen entsprechend als „ordentlich“, da man auch den langen Ausfall von Kapitän Sebastian Rode beachten müsse. „Aus sportlicher Sicht war es okay. Die Entwicklung der Mannschaft und Einzelspielern war dafür herausragend und ein unfassbarer Mehrwert für den Verein. Außerdem haben wir mit Nacho Ferri und Elias Baum zwei Spieler aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) in den Kader eingeschlossen. Ferri hat sogar schon ein Tor geschossen. Solche Dinge können für den Verein mehr Wert sein als einfache Ergebnisse in der Bundesliga, das kommt mir in der Betrachtungsweise zu kurz“, kritisierte der Cheftrainer. Und auch aus dem Ausland hätten junge Spieler einen Platz bei der Eintracht und würden Verantwortung tragen. „Das ist wichtig für die Rekrutierung weiterer Top-Talente. Eintracht Frankfurt ist auf einem richtig gutem Weg, sich in der Spitzengruppe zu etablieren. Dafür musst du Geduld mitbringen und diese auch den Jungs geben.“

Auf den goldenen Herbst folgte der Verschleiß

Nach der ersten Länderspielpause griffen die Automatismen dann endlich. Ein souveräner 3:0-Auswärtssieg in Berlin, ein 3:3-Remis gegen Borussia Dortmund und der 5:1-Erfolg gegen Bayern München sind Beispiele für den „goldenen Herbst“ der Hessen. Danach zeigte der Trend wieder nach unten, wie Toppmöller feststellte: „Nach der nächsten Pause kam der Verschleiß. Es haben immer die selben Spieler gespielt, die Jungs sind auch Nationalspieler und immer bis ans Limit gegangen. Dadurch kamen auch unbefriedigende Ergebnisse kamen zu Stande, die wir so nicht einkalkuliert haben.“ Vor Weihnachten fing sich sein Team und überwinterte auf einem Europapokal-Platz und im europäishcen Wettbewerb.

Im Januar fehlen der SGE drei Führungskräfte: Marmoush, Ellyes Skhiri und Farès Chaibi sind mit ihren Nationalmannschaften beim Afrika-Cup unterwegs. Deshalb schlugen die Adler auf dem Transfermarkt zu und verpflichteten Sasa Kalajdzic für den Sturm und Donny van de Beek für das zentrale Mittelfeld. Vor allem der Transfer von van de Beek unterstrich die sehr gute Transferpolitik der Eintracht. „Er hat den Spielstil eines Box-to-Box-Spielers, der auch Tore schießen will. Seine Spielintelligenz auf höchstem Level, die er in England entwickelt hat, bringt uns einen Mehrwert. Ich hoffe, dass er wieder zu alter Stärke findet. Er braucht dafür die absolute Rückendeckung vom Trainer. Aber er muss sich natürlich auch dem Konkurrenzkampf stellen“, so der Coach über den Niederländer.

Neuzugänge helfen „Fußball-Nerd“ Toppmöller weiter

Die beiden Neuzugänge bieten Toppmöller auch taktisch mehr Variabilität: „Mit Kalajdzic im 4-3-3 als Neuner kann Omar vielleicht auf den Flügel ausweichen oder wir spielen mit zwei Spitzen.“ Auch van de Beek ist als Achter und als Zehner einsetzbar. Der Wechsel zwischen Dreier- und Viererkette ist zudem immer eine Option: „Hier ist die Frage, wie wir den Gegner anlaufen und welche Räume wir decken wollen? Gegen Bayern haben wir in einer Vierer-Kette ein überragendes Spiel gezeigt. Für den Gegner soll es schwer sein, uns zu analysieren und sich auf uns einzustellen. Unter zu vielen verschiedenen Systemen gehen aber Automatismen verloren.“

Seine Begeisterung für das taktische Verständnis im Fußball hat er von seinem Vater abgeschaut. Mit ihm habe Toppmöller früher sehr viel über Spielsysteme, Spieler und dessen technischen Qualitäten unterhalten. Daraus haben sich gewisse Präferenzen entwickelt, wie der SGE-Trainer verriet: „Jeder Trainer hat eine Spielidee und ein Lieblingssystem. Ich arbeite gerne mit dem 4-3-3. Aber du entwickelst dich mit dem Fußball mit und probierst etwas Neues aus.“ Während seiner Zeit als Co-Trainer unter Julian Nagelsmann in München Toppmöller sehr viel vom aktuellen Bundestrainer, der in Fachkreisen als Taktik-Genie bezeichnet wird, gelernt. „Ich bin ein Fußball-Nerd, weil ich Fußball liebe. Ich versuche, in der Analyse jedes Detail herauszufinden. Die Kunst als Trainer ist es, die Dinge so runterzubrechen, damit die Spieler es beim ersten Mal direkt verstehen“, so der 43-Jährige.

Talent allein reicht in Frankfurt nicht aus

Ein weiterer wichtige Qualität, die ein Trainer mitbringen müsse, sei die Integration von Nachwuchsspielern, die den Verein so leben wie beispielsweise Timothy Chandler. „Der Verein entwickelt sich in Richtung einer Spitzenmannschaft. Umso besser müssen wir im NLZ arbeiten. Die Jungs bekommen keine Einsätze geschenkt, sondern müssen sie sich verdienen“, stellte Toppmöller klar und fuhr fort: „Wir vertrauen den Jungs. Bei uns kommen sie nicht rein, wenn das Spiel entschieden ist, sondern auch in entscheidender Phase. Elias Baum ist alle Abteilungen durchlaufen, aber er muss uns weiterhelfen. Wenn er seine Leistung nicht abruft, reicht das natürlich nicht.“ Identifikation mit dem Verein allein reiche nicht aus, um für Eintracht Frankfurt zu spielen. „Es muss für alle Spieler klar sein, was Eintracht Frankfurt auch für die Fans bedeutet. Das ist das wichtigste!“

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