Marco Russ trägt schon lange den Adler auf der Brust. Nächstes Jahr sogar in der Champions League?

Sieht man von einer eineinhalbjährigen „Auslandserfahrung“ beim VfL Wolfsburg ab, spielt Marco Russ seit fast 22 Jahren für die Frankfurter Eintracht. Mit seinem Herzensverein hat der 32-Jährige jegliche Höhen und Tiefen miterlebt und doch ist die jetzige Mannschaft für ihn eine ganz besondere. Mit ihr könnte der Routinier womöglich den größten Erfolg des Vereins im 21. Jahrhundert feiern.

Einzigartige Mentalität als Markenzeichen des Teams – reicht der Spirit für den ganz großen Coup?

Ob das aktuelle Team das beste sei, in dem er seit seinem Profidebüt für die Hessen 2004 – damals übrigens schon mit Alex Meier und Jan Zimmermann – gespielt habe, wurde Marco Russ gefragt. Er muss kurz überlegen: „Das kann man schon so sehen.“ Auch wenn man unter Armin Veh mit Sebastian Rode und Pirmin Schwegler 2013 auch schon eine starke Truppe gehabt habe. Eines sei jetzt aber grundlegend anders: „Ich muss sagen, was diese Mannschaft auszeichnet ist der Spirit. Wir haben einen ganz, ganz, ganz großen Zusammenhalt und super Vibes in der Mannschaft“, kommt der Innenverteidiger aus dem Schwärmen gar nicht raus. Selbst bei Niederlagen sei es nicht so, „dass irgendeiner gegen den anderen geht.“ Trotz großem Kader, trotz einigen enttäuschten Gesichtern auf Bank und Tribüne: „Trotzdem haben wir in der Kabine ein super Miteinander. Es passt von den Charakteren her. Das zeichnet die Mentalität, das Herz dieser Mannschaft aus.“ Da muss der gebürtige Hanauer am Ende konstatieren: „Ich kann mich an keine Mannschaft erinnern, die, was das angeht, besser oder stärker war.“

Eine ausgezeichnete Mentalität, eine hervorragende Fitness und immer mehr spielerische Qualitäten. Das zeichnet die Eintracht im Jahr 2018 unter Niko Kovac aus. Harte Arbeit zahlt sich aus. Aktuell steht man auf Platz Vier, einem Platz, der direkt für die Champions League qualifizieren würde, und im Pokalhalbfinale. Zeit für neue Zielsetzungen? „Ganz klar Vizemeister. Nein, Spaß beiseite. Wir müssen noch auf die Nationalspieler warten. Ich denke, dann wird ein neues Ziel ausgegeben. Der Klassenerhalt ist ja seit langem safe“, muss Russ schmunzeln. Freiwillig hergeben wolle man den derzeitigen Platz auf keinen Fall: „Wenn man so lange da oben rumwurschtelt und mitspielt, dann will man am Ende der Saison nicht auf Platz Acht oder Neun landen. Dann war die ganze harte Arbeit umsonst. Wir wollen schon da oben bleiben und versuchen, unseren Platz zu verteidigen. Jetzt geht es ans Eingemachte.“ Das schwere Restprogramm sei aber in keinem Fall zu unterschätzen. Auswärtspartien in Leverkusen, bei den Bayern und auf Schalke stehen noch auf der Agenda. „Wir müssen die letzten Spiele alle nochmal an unser Limit gehen. Ob es dann wirklich die Champions League wird, wie es die letzten Wochen vorausgesetzt wurde, das werden wir sehen.“

Champions League sonst nur auf der Couch – fit wie einst unter Magath

Marco Russ beim Eintrachttraining im Sommer 2004. Hand aufs Herz – wer hätte ihn erkannt?

Man sei sich aber der Riesenchance durchaus bewusst. Die Königsklasse wäre ein absoluter Traum: „Die Euro League wär schon Wahnsinn für die Fans, ein komplettes Highlight. Man hat gesehen, was hier los war. Jedes Heimspiel war ausverkauft, sogar gegen Baku. Bei der Champions League braucht man gar nicht drüber reden, was da los wäre.“ Das kennen die Eintracht-Fans und die meisten Spieler sonst nur aus dem TV: „Jeder andere guckt das normalerweise Dienstagabend auf der Couch und trinkt sein Bierchen dabei.“ Nun habe man selbst die Chance, im großen Ensemble der europäischen Elite mitzuspielen: „Wenn wir das schaffen, ist das mit einer Meisterschaft gleichzusetzen. Das wäre für die Region und für den Verein sensationell.“

Sensationell war auch die Rückkehr von Marco Russ, der nach der Diagnose Hodenkrebs den Weg zurück in die Bundesliga gemeistert hat. Ganz Fußballdeutschland bekam Gänsehaut, als der Defensivmann vor etwas mehr als einem Jahr sein Comeback feierte. Mittlerweile ist er wieder der Alte und bis auf die Kontrolluntersuchungen alle vier Monate erinnert nichts mehr an die schwere Erkrankung. „Ich bin dank dem Trainer in Topform. Harte Arbeit zahlt sich aus.“ Das sei schon zu seiner Zeit in Wolfsburg unter Felix Magath, der vermeintlich härteste Trainer der Bundesligageschichte, so gewesen, erinnert sich Russ.

Konkurrenz belebt das Geschäft – Kovac vor Abgang? „Er weiß, was er hier hat“

Seine gute Fitness sorgte in der laufenden Saison für bereits 17 Pflichtspieleinsätze. Und das trotz heftiger Rotation in der Hintermannschaft der Hessen: „Man sieht, ausgeklammert David, der hinten der absolute Chef ist zurecht, dass viel rotiert wird. Man sollte sich nicht sicher fühlen. Dann lässt es an der Leistung nach“, hegt Russ Erinnerungen an seine Zeit unter Michael Skibbe und Armin Veh: „Wenn du genau wusstest, dass du von 34 Spielen, wenn du nicht verletzt oder gesperrt bist, 31 machst. Das ist dann so dahingeschwommen.“ Unter Kovac sei es anders. Da müsse man in jedem Training an die Leistungsgrenze gehen und die Innenverteidiger zahlen das Vertrauen zurück: „Egal wer in welcher Zusammenstellung spielt. Wir konnten unser Level halten.“ Das wiederum zeuge von der Qualität und Breite des Kaders.

Niko Kovac ist der Vater des Erfolgs. Er hält das Team zusammen und nimmt jeden mit ins Boot. Keiner ist außen vor. Und doch könnte gerade er am Ende der Saison möglicherweise der sein, der als Kapitän das Schiff verlässt. Nach der Absage von Thomas Tuchel, wird der Name Kovac in München wieder intensiv gehandelt. Eins dürfte sicher sein. Wenn der Kroate die Eintracht schon dieses Jahr verlässt, dann sicherlich nur zum FC Bayern. Marco Russ hat dazu eine klare Meinung: „Definitiv würde ich es bedauern. Die Arbeit, die er in den letzten zwei Jahren geleistet hat, ist schon großartig. Vom Fast-Absteiger bis auf Platz Vier. Er steht nicht zu Unrecht auf der Liste.“ Aber in Frankfurt reagiert man auch durchaus selbstbewusst auf die Gerüchte rund um die Isar: „Ich denke, der Trainer weiß, was er hier hat. Was für ein Standing, was für ein Mitspracherecht.“ Und ohnehin gibt es bei den Hessen derzeit wichtigeres zu besprechen: „Ich denke, dass es auch bei unserem Coach gerade das geringste Problem ist, sich Gedanken über seine Zukunft zu machen. Wir als Mannschaft machen genauso weiter.“ Denn erstmal gilt es das Schiff sicher in Richtung Europa zu lenken.

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10 Kommentare

  1. Unsere deutschen England-Legionäre waren bei dem Spiel gestern gegen Brasilien die Schwächsten im deutschen Team. Und das, obwohl doch in England nur die Besten spielen und wir angeblich in Deutschland den Anschluss verlieren. (Als die Spieler noch in der BuLi gespielt haben, waren die halt besser, da sie mit Fußballspielen statt mit Geldzählen beschäftigt waren. Oder ist etwa die BuLi doch anspruchsvoller als die Premier League?)

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  2. @Charly
    Korrekt.
    Was sich speziell Leroy zusammengespielt hat, war die pure Enttäuschung. Vielleicht liegt es an der Überfrachtung durch die vielen Pflichtspiele und der kurzen Pausen. Aber Spritzigkeit und Spielwitz gehen anders, vor allem wenn man weiß, was der Junge draufhat.
    Gestern hatte ich das sichere Gefühl, dass ein Wolf rechts im grünen Dress zu jederzeit das Niveau hätte mitgehen können. Mindestens 😉

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  3. Servus Charly,servus 1899, in der Tat
    eine sehr interessante Diskussion.
    Ich habe zuletzt Man U gegen Liverpool geguckt.
    Es war grausam.Ein Gebolz vor dem Herren. Liverpool hat wenigstens versucht zu spielen,Manu nur „kick and rush“.
    Es ist kein Zufall dass Man U aus dem Europokal rausgeflogen ist.
    Der PL ist schnell uns sehr körperbetont aber meines erachtens technisch nicht sehr anspruchsvoll.
    Ich fand Gundogan gestern schlecht und Sane nur ein Tick besser.
    Die Brasilianer sind „wieder da“, der Ball klebt wieder an den Füssen aber mitt Matt Hummels und Thomas Müller ist Deutschland steigerungsfähig.
    Allerdings brauchen Sie deutlich mehr Kreativität. Tony Kroos spielt wie Omar Mascarell aber den letzen Pass in die Tiefe ist nicht seins.Auch niemand hat versucht ein eins gegen eins zu wagen.
    Ich denke Marko Reus sollte mitfahren wenn er fit ist.
    Und Marius Wolf könnte auch mithalten !!!

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  4. @Paul: Das Länderspiel hatte gestern einige Gewinner zu bieten. Özil, Khedira, Müller, Werner oder ter Stegen sind da zu nennen. Sie haben ihren Platz manifestiert, ohne auch nur eine (oder wie Werner wenige) Minute mitwirken zu müssen. Schlimm waren vor allem die Fehler von Gündogan: Das waren für mich unverständliche Patzer, auch in dieser Häufigkeit. War der Druck für ihn, liefern zu müssen, zu groß? Und bei Sane hat man schon länger das Gefühl, dass er unter Löw sein Spiel nicht durchdrücken kann. Aber er ist ja auch noch blutjung.

    Reus ist jetzt schon wieder angeschlagen, wird das Bayernspiel verpassen. Ich vermute, dass das mit der WM eine ganz, ganz enge Kiste bei ihm wird. Generell muss man sagen: Schade, dass Löw nicht den Mut hatte und mal zwei Newcomern wie Wolf und Max eine Chance ließ. Andererseits: Er hat sein fester Gerüst im Kopf und da sind die Plätze 1 – 15 auch fest vergeben. Aber Deutschland geht keineswegs als Topfavorit in das Turnier nach Russland – sie sind einer von 4 oder 5 Teams. Alles in allem wird das eine enge Kiste…

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  5. tja das wird die Kehrseite der Medaille werden – es zeichnet sich immer mehr ab . Ruhm und Ehre in der Nationalelf ? Eine WM Prämie die die Jungs als Auflaufprämie in England oder Spanien bekommen . Überspielte Profis – die sich überlegen werden ob Sie in der Nationalelf Vollgas geben sollten – sich vielleicht verletzen und auf viel Kohle im Verein verzichten müssten . Es gab mal Zeiten da waren Spieler noch Stolz in der N11 zu spielen – ich glaube die hätten das Trikot getragen auch ohne dafür irgendwelche ,,Entschädigungszahlungen,, zu bekommen . Es wird immer Ausnahmen a la Müller Kroos geben … aber ich denke wir werden uns eher an Profis wie Draxler, Sane und Co gewöhnen müssen – denen es doch sichtlich scheiss egal ist ob sie in der N11 Erfolg haben oder nicht …

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  6. Interessant !
    Doch verstehe ich nicht so ganz, was dass alles mit unserer Eintracht zu tun hat ?
    Forza SGE !

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  7. Auf dem kleinen Bild, das ist nicht Marco Russ. Das ist doch Sebastian Vettel! 🙂
    Ich bin nicht böse wenn keiner von unseren zu Löw muss. Die Sommerpause ist kurz. Gebrauchen könnte er den Wolf, ja.

    Gruß SCOPE

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  8. @christopher
    Das grenzt aber auch schon Hexenwerk, aus einem Pool von rund 30 Spielern in wechselnden Besetzungen, mit minimaler Vorbereitung, die mitten in der Liga-Saison immer irgendwie zwischen Tür und Angel stattfindet, möglichst dasselbe System zu realisieren. Im Moment scheint es so, als würde sich die Mannschaft, die Löws Konzept überzeugend umsetzen kann, fast von selbst aufstellen. Gg. Spanien war das streckenweise exemplarisch erkennbar – v.a. auch wie verblüffend sich die Spielweise der beiden Teams inzwischen ähnelt. Das vorhandene qualitative Potential, das Löw inzwischen zur Verfügung steht, kann man wohl als historisch bezeichnen. Es dürfte weniger darauf ankommen, wen er letztlich mit nimmt und wen nicht. Wenn die Mannschaft die Chance hat, sich ähnlich gut vorzubereiten wie auf die letzte WM, wird sie Top-Favorit sein. Meine Prognose. Wenn wir den Titel nicht verteidigen, dann holt ihn Brasilien, Frankreich, Spanien oder: hoffentlich Island!

    @5.
    Was für ein Humbug.

    NK zum FCB:
    Der „Mangel an Respekt und Anstand“ kennt offenbar keine Grenzen: Nach den finalen Absagen von Tuchel und Heynckes wird in der Presse umtriebiger denn je über Niko Kovac als Nachfolger spekuliert.
    Angesichts des bevorstehenden Restprogramms wäre jetzt eine klare wie deutliche Positionierung seitens der sportlichen Leitung dringend geboten. Alles andere wäre nämlich tatsächlich respektlos und unanständig insb. ggü. der Mannschaft und könnte sich u.U. auf die mittlerweile formulierten, durchaus anspruchsvollen Saisonziele in negativer Weise auswirken.

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  9. Wie oft soll der Niko es noch kommentieren.
    Ich wurde kein Wort mehr seitens der Eintracht dazu sagen! Dann ist es nur super „doof“.
    Christoper, Gundogan war zuletzt ganz schon großspurig in dem Vergleich PL und BL Interview.
    Tony Kroos hat es klar gesagt,Chance verpasst fur die Newcomer bzw Rückkehrer!

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  10. @8 Belgien nicht vergessen

    Zum Länderspiel: Das war ein Testspiel. Brasilien war motiviert, Deutschland uneingespielt.
    Es ist nicht lange her, da konnte man Freundschaftsspiele von Deutschland überhaupt nicht anschauen…so grottig war es.
    Ich sehe es daher nicht wie Kroos. Vielleicht hatte so mancher Spieler nicht seinen besten Tag, aber grundlegendst passt das schon. Wen interessiert es denn wirklich wie dieses Länderspiel ausging?

    Ich finde, dass es einige durchaus fragwürdige Personalentscheidungen gibt, die ‚die Maschine‘ schwächen:
    Trapp, Plattenhardt und Goméz.
    Alternativen wären Karius, Max und in Zukunft natürlich Reus.

    Aber ansonsten alles tutti dbzgl. Im Vergleich zur Eintracht interessiert mich Die Maschine ohnehin eher peripher.

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