Jürgen Grabowski ist eine der unsterblichen Identifikationsfiguren der Frankfurter Eintracht. (Foto: IMAGO / Sven Simon)

„Der Jürgen ist ein ganz feiner Mann“, hat meine Oma mir erzählt als ich noch ein Kind war und meine Liebe für die Eintracht entfacht wurde. „Der Beste, der je in Frankfurt gespielt hat“, sagte sie, als sie von ihm und den glorreichen Zeiten der SGE schwärmte. Grabowski wusste, wie man die Kugel ins Toreck zirkelt, ließ sich nie alles gefallen aber stand immer mit leuchtenden Augen auf dem Platz.

Als am Freitag die Nachricht kam, dass Jürgen Grabowski im Alter von 77 Jahren verstarb, machte ich mich auf den Weg und besuchte meine Oma. Nicht nur, weil mir bewusst wurde, dass sie ungefähr im gleichen Alter wie unser Ehrenspielführer ist, sondern auch weil sie seit Kindeszeit ein riesiger Eintracht Fan ist und immer wieder Geschichten von früher erzählt. So auch von Jürgen Grabowski, der 1974 und 1975 mit der Eintracht den DFB-Pokal gewinnen konnte und 1980 den UEFA-Cup.

Diese Zeiten kenne ich nur aus Überlieferungen, meine Oma hingegen hat sie live miterlebt und erinnert sich noch gut an den Moment, als sie Grabowski das erste Mal spielen sah. „Das war 1965 gegen Nürnberg. Zum ersten Heimspiel der Saison konnte ich nicht kommen, da fuhr der Bus nicht. Aber beim Zweiten war ich dabei. Wir haben verloren, aber der Jürgen hat dem Huberts das 1:1 aufgelegt. Ich war begeistert, weil er so flink war“, erzählte sie nach kurzem Überlegen. Meine Oma wird nächsten Monat 79 und ist ab und an etwas vergesslich, aber beim Fußball erinnert sie sich an jeden Moment. In den kommenden Spielen konnte Grabowski zeigen, dass er nicht nur flink ist, sondern auch Tore schießt. „Gegen die Buben aus Kaiserslautern hat er gleich zweimal getroffen, da war hier was los. Die Frankfurter hatten es sehr schwer, aber am Ende wurde das Spiel gewonnen. Auch dank dem Jürgen“. Und das sollte erst der Anfang sein. 109 Tore und 73 Vorlagen in 441 Bundesligaspielen stehen am Ende auf seiner Liste, nach Charly Körbel bestritt er die zweitmeisten Spiele im Trikot der Adler und ist bis heute eine Legende, die jeder Fan kennt. „Eines meiner liebsten Spiele war ein Unentschieden gegen die Bayern 1968. Ich fand Gerd Müller immer toll aber mit dem Jürgen hatten wir auch so einen Wunderknaben im Team“. Das Spiel endete 1:1 und die beiden „Wunderknaben“, Grabowski und Müller, erzielten jeweils das Tor für ihre Mannschaft. Der gebürtige Wiesbadener war maßgeblich daran beteiligt, dass die Eintracht erstmals den DFB-Pokal gewann und diesen Titel im darauffolgenden Jahr auch noch verteidigen konnte. „Solche Siege waren wir ja nicht gewohnt. Das ist etwas, was sich bis heut nicht groß verändert hat, gelle?“ sagte meine Oma lachend.

Titel waren etwas, das Grabowski durchaus kannte. Neben den zwei DFB-Pokal-Finalen gewann er auch die Europameisterschaft 1972 und die Weltmeisterschaft 1974. Mit Gänsehaut lausche ich weiter den Worten meiner Oma: „Das war ja auch was Besonderes, das ein Frankfurter mit der Deutschen Nationalmannschaft erfolgreich war. Die Eintracht wird da ja öfter übersehen und da konnte man schon ein bisschen stolz sein, dass mit Jürgen und Bernd Hölzenbein gleich zwei dabei waren“. Der Dribbelkünstler absolvierte 44 Spiele im Trikot der Nationalelf und wer weiß wie viele es gewesen wären, wenn die Konkurrenz auf der Spielmacher-Position nicht aus Overath und Netzer bestanden hätte. Den größten Erfolg seiner Karriere konnte er jedoch nur in Zivil miterleben. In der Saison 1980 wurde er am 25. Spieltag gegen Borussia Mönchengladbach vom jungen Lothar Matthäus böse an der Seitenlinie gefoult. Er erlitt eine Fußprellung, die Bänder im Mittelfußbereich hatten sich verschoben und er konnte sich von dieser Verletzung nie erholen. Dadurch verpasste er einige Wochen später auch das Finalrückspiel des UEFA-Pokals und konnte nur von der Tribüne miterleben wie seine Eintracht durch ein Tor von Fred Schaub den heißbegehrten internationalen Titel gewann. Als Bernd Hölzenbein den Pokal entgegennahm reichte er ihn direkt an Grabowski weiter und die Mannschaft hievte ihren Mitspieler auf ihren Schultern durch das Stadion. Noch in diesem Jahr beendete Grabowski seine Laufbahn als aktiver Fußballer, blieb mit dem Klub aber bis zuletzt verbunden. Er war aktiv bei Charity-Aktionen, besuchte Spiele der SGE im Stadion, war ein Fixpunkt und das Herz von Eintracht Frankfurt.

Dass auch der Verein diese Verbindung zu schätzen weiß, erkennt man unter anderem vor jedem Heimspiel. „Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen“ schallt es durchs Waldstadion. Diese Zeilen sind mehr als ein typischer Fangesang, es ist ein Teil der Vereinsgeschichte, vermittelt Emotionen und Erinnerungen an glorreiche Zeiten und so wird es auch bleiben. Sein Lied wird weiter erklingen und die Geschichte des Frankfurters wird auch an kommende Generationen weitergetragen.

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9 Kommentare

  1. Auch wenn durchaus Trauer sich zeigt ob dem Platz der von nun an frei bleibt … Die Freude überwiegt, so einen großartigen und bodenständigen Spieler im Eintracht Trikot „erlebt“ haben zu dürfen (auch wenn es ebenfalls vor meiner Zeit war).
    Danke für den Nachruf! Möge er in Frieden ruhen und mögen wir dieses Jahr den Europa Cup zu seinen Ehren holen!

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  2. Nach Alfred Pfaff, der unsere Jungs zur Deutschen Meisterschaft brachte, war der Jürgen der nächste herausragende Fußballer der Eintracht mit unserem Bernd Hölzenbein und dem Bernd Nickel natürlich . Er war maßgeblich beteiligt daran, dass Deutschland den WM Titel 1974 holte und das unsere Eintracht die DFB Pokale holte. Der UEFA Pokal den wir mit Grabi holten, war der erste Titel den ich bewusst in meiner Kindheit erlebte. Meine Eltern, die was ein Glück noch leben, haben die Deutsche Meisterschaft in Berlin live erlebt. Was wäre es schön, wenn ich das auch mal erleben dürfte.

    Jürgen, du wirst von der Eintracht Familie nie vergessen werden.

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  3. RIP lieber Jürgen. Ein ganz Großer ist von uns gegangen! Das war eine ganz andere Zeit von Fußball damals.

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  4. Die Eintracht Familie verliert mit Jürgen Grabowski ihren größten Sohn ! Er war der vollkommenste Fußballer der je für die Eintracht spielte, ein begnadeter, filigraner Spieler, einer der mit dem Ball wie ein Künstler umging, die Leichtigkeit des Spiels zelebrierte und damit mich zum lebenslangen Eintrachtler machte.
    Wir verlieren nicht nur einen der besten deutschen Spieler, den die Bundesliga je sah, sondern einen ebenso wunderbaren, großartigen Menschen.
    Bravo und Danke, Jürgen Grabowski für die großen und schönen Momente, die du uns geschenkt hast !
    Du wirst in unseren Herzen ewig leben !

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  5. Danke für den Nachruf, es ist toll und wichtig sowas im modernen Fußball zu lesen. Ich hoffe so sehr, dass sowas nicht vollkommen ausstirbt. Es reichen ja pro Generation 1-2 solcher Spieler, damit man Lieder schreibt. Aber aus den letzten 20 Jahren fällt mir da wenig ein. Der ewige Oka vielleicht, auch wenn er diese Erfolge nicht hätte. Alex Meier könnte es ebenfalls sein. Die zwei hätten auch Lieder verdient.

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  6. Zu 5. Den treuen Charly haste vergessen. Ist ja schließlich Rekordspieler der Bundesliga und alle für die Eintracht. Ruhe in Frieden Grabi

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  7. @6, ja Charly Körbel gehört dazu. Aber den stecke ich nicht in die letzten 20 Jahre als aktiver Spieler. Aus den 1980/1990er Jahren gibt es natürlich mehr Namen. Aber die letzten 20 Jahre hatte ich deswegen im Fokus, weil es mit um eine ganze Generation Eintracht Frankfurt der post-200er Jahre ging. Seitdem ist der Fußball rasant kommerzialisiert worden, noch schneller als in den 80er/90er Jahren. Unbestritten gibt es da aber auch tolle Namen.

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  8. Als Kinder haben wir uns gestritten wer das Trikot mit der Nummer 8 (später 10) tragen darf. Ich hatte als kleinerer das Nachsehen, störte mich allerdings nie unseren Jürgen zu verehren. Ein begnadeter Techniker und toller Leader wird uns für immer in Erinnerung bleiben. Danke für den schönen Artikel. Ruhe in Frieden Jürgen Grabowski!!!

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  9. „Ich glaube, es war eine ganz gute Karriere.“

    Dieses Zitat ist mir am stärksten hängen geblieben, nachdem ich die Doku in der ARD Mediathek gesehen habe.

    Bescheidenheit, Empathie, Bodenständigkeit, und ein endgeiler Kicker. In der Zeit der Beckenbauer, Breitner, Netzer oder Overath „nur“ der weltbeste Einwechselspieler gewesen zu sein wird seiner Leistung nicht gerecht, weil er immer geliefert hat und spielentscheidend war.

    Heute stehen 11 Grabowskis auf dem Platz. Sendet ihm 3 Punkte nach oben.

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