Während dem Trainingslager in Kärnten hat sich die Frankfurter Rundschau mit Eintracht-Trainer Michael Skibbe unterhalten.

Frankfurter Rundschau: Herr Skibbe, in ein paar Tagen wird es im Pokal ernst. Spüren Sie nur Lust. Oder womöglich auch ein bisschen Last?
Michael Skibbe: Nur Lust natürlich. Weshalb denn Last?

Frankfurter Rundschau: Weil die Erwartungshaltung in Frankfurt erheblich gestiegen ist. Bisweilen wird schon zu den Europa-League-Plätzen geschaut – oder zumindest geschielt. Da hat es doch ein Trainer nicht leicht.
Michael Skibbe: Wir wollen doch selbst möglichst besser abschneiden als im vergangenen Jahr. Das ist unser Anspruch. Und ich bin sicher, dass wir daran nicht scheitern werden.

Frankfurter Rundschau: Wie genau ist das Ziel zu definieren?
Wir trauen uns zu, 50 Punkte zu erreichen. Das wäre ein deutlicher Schritt, es ist eine Marke, die ist sehr ordentlich ist, aber trotzdem noch ein kleines Stück weg von den internationalen Plätzen. Diese elf Punkte Unterschied, die wir zuletzt auf Platz fünf hatten, sind schon ein Haufen Holz. Aber da mittenrein, in diese 50-Punkte-Marke, das ist für uns eine realistische, aber auch mutige Marke. Und wir wollen das negative Torverhältnis wegbekommen.

Frankfurter Rundschau: Ist die Entwicklung dieser Mannschaft dann abgeschlossen, ist das Ende der Fahnenstange dann erreicht?
Michael Skibbe: Ich denke nicht, aber der nächste Schritt in der Entwicklung will erst getan sein. Aber die Entwicklung geht nicht langsam voran, sondern in einem ordentlichen Tempo. Was ich total gut finde, ist, dass die Mannschaft Fußball spielen will, dass sie diese andere Art zu spielen, angenommen hat. Sie hat sich darauf eingelassen. Die Philosophie des Agierens hat das Team erreicht. Viele Spieler haben sich fußballerisch wirklich entwickelt, das spielerische Potenzial in der Mannschaft ist groß. Und ich finde es auch bemerkenswert, dass das vor dem Alter keinen Halt macht.

Frankfurter Rundschau: Was meinen Sie?
Michael Skibbe: Dass etwa ein Spieler wie Benjamin Köhler noch mal einen Sprung gemacht hat. Er war ja schon immer ein guter Fußballer, aber er ist jetzt, mit 30, noch mal besser geworden, passsicherer, abschlusssicherer. Das ist einfach schön. Oder Alex Meier, zehn Tore kann er gerne wieder erzielen, das traue ich ihm zu.

Frankfurter Rundschau: Auch als Sechser?
Michael Skibbe: Ja. Diese Position liegt ihm fast noch besser, weil er mehr am Spielaufbau beteiligt ist, weil er Aktionen vorbereiten kann und trotzdem selbst noch zum Abschluss kommt.

Frankfurter Rundschau: Meier und Pirmin Schwegler in der Zentrale – das dürfte so eine Achse sein, auf die Sie bauen.
Michael Skibbe: Vieles läuft darauf hinaus. Die beiden Spieler auf dieser Position – das ist stabil und gut.

Frankfurter Rundschau: Die Mannschaft versucht, fast alle Situationen spielerisch zu lösen. Birgt das nicht auch Gefahren?
Michael Skibbe: Ja, wenn man über einen vermeintlich leichten Ballverlust in einen Konter des Gegners läuft. Andererseits ist dieser Ansatz auch eine Qualität, um gegen starke Gegner zu bestehen. Wenn ich sehe, wie sich Patrick Ochs und Sonny Kittel im Testspiel gegen Palermo einmal an der Eckfahne gelöst haben, mit zwei sauberen Doppelpässen auf engstem Raum – das hat Klasse, das ist sicher und selbstbewusst.

Frankfurter Rundschau: Aber es gibt Brandherde innerhalb des Teams. Ioannis Amanatidis etwa. Er wird sich wohl eher kaum auf die Bank setzen, wenn er gesundbleibt.
Michael Skibbe: Ich sehe da keine Gefahr, diese neue Situation birgt nur Chancen. Es müssen ja nicht immer dieselben spielen. Es kann schon sein, dass in der Offensive rotiert wird.

Frankfurter Rundschau: Noch mal: Ein Amanatidis setzt sich nicht auf die Bank. Erwarten Sie dennoch, dass er keinen Stunk macht?
Michael Skibbe: Das erwarte ich von jedem Spieler. Ich entscheide nämlich nicht gegen einen besseren Spieler, sondern immer für die Mannschaft. Die Konkurrenzsituation ist halt jetzt verschärft. Wenn Amanatidis gesund war, war klar, dass er spielt. Wenn Amanatidis heute topfit ist, ist er immer noch eine der ersten Optionen, vielleicht die erste Option, aber die anderen heißen ja nicht mehr Juvhel Tsoumou, sondern das sind Leute gleichen Kalibers.

Frankfurter Rundschau: Aber Amanatidis positioniert sich öffentlich sehr stark.
Michael Skibbe: Ich finde das nicht schlimm. Man muss sich an seinen Worten messen lassen, und diesen Worten müssen dann Taten folgen. Das ist doch ganz einfach. Amanatidis hat die Kurve erst einmal gut bekommen. Aber Beweglichkeit, Spritzigkeit, Tempo – das muss er sich in den nächsten Wochen erarbeiten.

Frankfurter Rundschau: Klären Sie uns doch mal auf, warum das Verhältnis zwischen Ihnen und Amanatidis so schlecht ist.
Michael Skibbe: Das sagen Sie. Ich habe da eine ganz andere Wahrnehmung. Es gibt keinen Ärger zwischen uns. Ich habe erst kürzlich lange mit Ama gesprochen, er ist ein intelligenter, schlauer Typ. Ich unterhalte mich gerne mit ihm, ich schätze ihn. Dass ihm das im letzten Sommer wehgetan hat, als ich Christoph Spycher zum Kapitän machte, konnte ich nachvollziehen. Aber da hat er sich nach zwei, drei Tagen dennoch gut und hochprofessionell verhalten.

Frankfurter Rundschau: Und Caio? Für ihn ist gar kein Platz mehr in Ihrer neuen Mannschaft.
Michael Skibbe: Warum? Für ihn ist Platz. Vielleicht nicht immer in der ersten Elf, aber er ist dennoch wichtig. Denn er hat unheimlich dazu gelernt, auch in der Defensive. Und seine Qualitäten nach vorne sind unbestritten. Er hat einen tollen Schuss, spielt klasse Pässe aus der Tiefe. Dieser eine Pass gegen Palermo mit dem Außenrist war überragend. Er wird immer besser.

Frankfurter Rundschau: Herr Skibbe, was ist denn eigentlich mit Ihnen los? Kein Stunk, keine Sticheleien gegen Heribert Bruchhagen. Da stimmt doch was nicht.
Michael Skibbe: Das kann sicher mal wieder kommen (lacht). Wenn ich mit etwas nicht zufrieden bin, werde ich das auch in Zukunft sagen. Aber es ist doch klar, dass man sich erst mal aufeinander abstimmen muss. Als ich im letzten Sommer kam, wollte ich nicht nur Dynamik ausstrahlen, sondern ich wollte das auch vorleben, ich wollte etwas anschieben, etwas verändern.

Frankfurter Rundschau: Nämlich was?
Michael Skibbe: Ich erwarte, dass mir die Mannschaft und der Verein sportlich folgen. Ich habe ja nicht gesagt, ich brauche acht Millionen oder 30 Millionen, wie jetzt Felix Magath auf Schalke. Das, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte, war diese Aussage: ’Wir sind halt nicht besser.’ Das hat mich wahnsinnig gemacht. Diese Kleinmacherei nach dem Motto: ’Wir verlieren halt 0:4 gegen Stuttgart. Na und? Die sind ja eh viel besser, das ist halt so.’ Oder dieses 0:4 in Leverkusen, das war schlimm. Und da habe ich dann auch gegenüber der Mannschaft energisch reagiert. Denn es kann nicht sein, dass man das so hinnimmt. Man kann durchaus mal verlieren, man kann auch mal hoch verlieren, wenn man alles gibt oder mal unter seinen Möglichkeiten geblieben ist an einem schlechten Tag. Okay. Aber man kann sich doch nicht von vorneherein klein machen und sagen: ’Gegen die haben wir eh keine Chance.’

Frankfurter Rundschau: Ist denn diese Haltung abgelegt? Hat sich denn da jetzt etwas verändert?
Michael Skibbe: Das ist jetzt anders. Wir haben, wenn alle an Bord sind, einen Kader von 20 Mann, mit dem wir gegen jeden konkurrenzfähig sein können. Und die Mannschaft hat das verinnerlicht, sie ist gewachsen. Nehmen Sie das Spiel gegen Chelsea, da haben die Spieler nicht gedacht: ’Boah, der Lampard.’ Nee, da haben sie gedacht: ’Pass auf, Freund, du bist vielleicht hier der Superstar, aber ich kann es auch ein bisschen.’ Die Spieler haben einen anderen Anspruch an sich selbst.

Frankfurter Rundschau: Ist die Eintracht wieder eine gute Adresse im deutschen Fußball geworden?
Michael Skibbe: Ganz bestimmt. Früher hat die Eintracht ihre besseren Spieler eher verloren: Kyrgiakos, Streit, Jones. In diesem Jahr konnten wir alle, die wir halten wollen, auch halten. Und wenn man sieht, wie viele Spieler sich entschlossen haben, ihre Verträge zu verlängern oder einen Vertrag zu unterschreiben, dann darf die Eintracht sehr zufrieden sein, weil wir uns in eine sehr gute Richtung entwickeln. Die Begeisterung, die wir mit unseren Fans im Stadion haben, hat auch die Spieler erfasst. Auch neue Spieler. Und wir sind handlungsschneller geworden, wie etwa bei Sebastian Jung. Da hat der Vorstand rechtzeitig den Vertrag verlängert und ihn auf eine angemessenere Stufe gestellt. Man muss so einem talentierten Burschen das Gefühl geben: ’Du bist für unsere Entwicklung wichtig.’ Da sind die Abläufe nun sehr viel besser.

Frankfurter Rundschau: Was wird dann die nächste Herausforderung für Eintracht Frankfurt sein?
Michael Skibbe: Die nächste Saison wird richtungsweisend sein für die nächsten Jahre der Eintracht, denn dann müssen die Weichen gelegt werden für eine gute Zukunft, für eine dauerhafte gute Entwicklung.

Frankfurter Rundschau: Was meinen Sie?
Michael Skibbe: Dann ist die Frage: Schafft es der Verein Eintracht Frankfurt, den Vertrag mit einem Spieler wie Pirmin Schwegler zu verlängern. Denn wir müssen die Leistungsträger halten, dann haben wir in den kommenden Jahren eine gute Perspektive nach oben, denn die Eintracht hat aufgrund ihres Potenzials im Umfeld und auch innerhalb des Vereins unglaublich große Ressourcen.

Frankfurter Rundschau: Ihr Vertrag läuft aus, wollen Sie den von Ihnen beschriebenen Weg mitgehen?
Michael Skibbe: Ich fühle mich wohl in Frankfurt, aber um darüber zu sprechen, ist es zu früh. Da muss man sehen, ob wir sportlich erfolgreich sind. Ob ich will, ob der Verein will. Vor Frühjahr wird da nichts zu erwarten sein.

Interview: Ingo Durstewitz

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8 Kommentare

  1. Ich finde ihn auch richtig gut.
    Das war ein riesen Gewinn für unsere Eintracht!!
    Der Mann ist hoch intelligent und weiß was er tut.

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  2. @Adler78: 100%ige Zustimmung! 🙂

    Ich hab so Bock auf die neue Saison. Und wenn ich mir den Kader ansehe, dann ist träumen wirklich gestattet. Ich hab ein wirklich gutes Gefühl…!

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  3. Skibbe ist wirklich das beste was Frankfurt passieren konnte. Er weiss genau was für Ziele er hat und was er tun muss um sie umzusetzten.

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  4. ich freu mich auch schon riesig auf die neue saison aber es wird trotzdem schwer.
    andere mannschaften haben sich auch gut verstäkt.
    wenn wir die 50 punkte erreichen und auf platz 8 oder 9 landen bin ich schon sehr zufrieden!
    es macht auf jeden fall wieder spaß, die mannschaft spielen zu sehen!

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  5. Ich finde aber die Zielsetzung nicht so gut. 50 Punkte schön und gut, aber wenn die Punktezahlen in der Vergangenheit erreicht wurden, hat die Mannschaft immer einen Gang zurück geschaltet.
    Das fand ich schade und hat u.a. dazu geführt hinter den Bonbon-Werfern zu landen.

    Naja 50 Punkte müssen auf jeden Fall erst mal erreicht werden, aber ich bin optimistisch, dass das mit diesem Kader gelingen kann. Letzte Saison wäre das Platz 8 gewesen.

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  6. @Adler78

    bin auch deiner meinung.
    man sollte für die bundesliga eine tabellenplatzregion angeben. von mir aus „einstelliger tabellenplatz“ oder ähnlich.

    auf der anderen seite müssen die spieler soviel charakter haben um nicht 4 spieltage vor ende das spielen einzusetellen und sich auf den urlaub vorzubereiten.

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