„Mensch Meier, nimm dich mal nicht so wichtig..“. Dieser prägnante Satz in einem langen Interview mit unserem Trainer Armin Veh ist nicht auf Alex Meier, sondern auf die Trainerkollegen bezogen, die sich in seinen Augen teilweise zu wichtig nehmen. Wie gewohnt, nimmt Veh auch in diesem Interview in der Frankfurt Rundschau eine klare Position ein. Er äußert sich zu medialen, mannschaftsinternen und persönlichen Dingen.

Herr Veh, was gefällt Ihnen denn eigentlich an der zweiten Liga?
(Schweigen) Wenn ich ehrlich sein soll: nichts. Aber, um nicht missverstanden zu werden, die zweite Liga ist besser, professioneller geworden. Der Zuschauerzuspruch ist gestiegen, die Aufmerksamkeit ist eine höhere. Das ist was anderes als früher.

Aber medial ist das Unterhaus doch eine Nummer kleiner, im Fernsehen sind Sie auch nicht mehr so oft.
Ach, da ändert sich doch nicht wirklich viel. Außer du bist bei einem Spitzenverein und international im Einsatz, das ist noch mal eine andere Liga. Da hast du alle drei Tage ein Spiel und hast ein ganz anderes Medienaufkommen. Aber vieles hängt vom Trainer ab, manche sprechen unter der Woche ja gar nicht mit Journalisten, da gibt es dann nur die offizielle Pressekonferenz.

Das würden Sie am liebsten auch machen.
Quatsch, nur weil ich Euch neulich in einer kurzen Woche mal ein paar Tage nicht zur Verfügung stand. Aber das muss man auch verstehen: Ich kann doch nicht jeden Tag irgendeinen Blödsinn über Fußball erzählen. Da wirst du verrückt.

Haben Sie das Gefühl, dass viel Blödsinn erzählt wird in der Branche?
Ich kann einfach diese pauschalen Sprüche, die dermaßen inhaltslos sind, nicht mehr hören. Wenn ich lese und höre, was da alles für ein Unsinn erzählt und auch geglaubt wird… Aber Sie können doch nicht immer die Wahrheit sagen. In diesem Geschäft nicht, nein. Manchmal muss man halt auch irgendwas erzählen, um seine Mannschaft zu schützen. Denn sehen Sie: Die Spieler haben hier ja mehr Druck als in der Bundesliga. Der Druck, aufsteigen zu müssen, ist für unsere Spieler größer, als in der Bundesliga Zehnter, Zwölfter oder 14. zu werden. Da muss man manchmal öffentlich etwas sagen, was man vielleicht gar nicht so sieht. Als Trainer musst du lernen, quer zu denken und deine Naivität abzulegen.

Woher rührt Ihre Distanz zu diesem Geschäft?
Es ist ein cooles Geschäft, das so laufen muss, wie es läuft. Wenn ich mal ironisch oder sarkastisch werde, heißt das nicht, dass ich das Ganze nicht ernst nehme. Im Gegenteil: Ich liebe den Fußball, ich bin so ehrgeizig wie am ersten Tag − und vor den Spielen genauso aufgeregt, emotional und angestrengt wie vor 20 Jahren. Da hat sich nichts geändert. Deshalb leide ich ja auch so, genauso wie als junger Trainer. Gelassenheit hin oder her, Erfahrung hin oder her – wenn du den Job lebst, dann lebst du ihn richtig, dann fehlt dir auch Lebensqualität. Ganz klar.

Sie nehmen sich die Freiheit, Kollegen auch mal zu kritisieren. Warum?
Das mache ich nicht oft, aber manchmal wundere ich mich, was junge Kollegen für Sprüche rauslassen, da denke ich: ,Mensch Meier, nimm dich mal nicht so wichtig, bleibe mal auf dem Teppich.“

Meinen Sie da Ihren speziellen Freund, Peter Hyballa?
Ach was, ich kenne ihn gar nicht. Eines ist mir aber sauer aufgestoßen, als er auf die Frage, welchen Fußball er spielen lassen will, antwortete: „Hyballa-Fußball.“ Von einem jungen Kerl, der bis jetzt nur in der zweiten Liga trainiert hat. Da kann ich nichts mit anfangen. So etwas habe ich von Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes nie gehört. Aber wissen Sie, so ist das Geschäft. Wie oft wurde der Fußball schon neu erfunden? Nehmen Sie Heynckes: Als er 2004 auf Schalke war, da hieß es: Das ist das größte Auslaufmodell aller Zeiten, zu alt, altmodisch, erreicht die Mannschaft nicht. Und heute? Ist er mit Leverkusen Vizemeister geworden und wird jetzt mit den Bayern wahrscheinlich Meister. Die Wahrheit ist: Der Jupp war immer ein guter Trainer, er war es damals, er ist es heute, er wird es immer bleiben.

Konzepttrainer gibt es also nicht?
Blödsinn. Es gibt nur Konzepttrainer. Ich kenne keinen Trainer, der kein Konzept hat. Das meine ich ja: Die sollen sich alle nicht so wichtig nehmen, die den Fußball erfunden haben wollen.

Wollen Sie ernsthaft sagen, der Fußball und die Trainer haben sich nicht geändert?
Genau das will ich nicht sagen. Es ist sehr viel mehr Wissenschaft im Training, man muss immer offen und innovativ bleiben, auch kreativ, man muss sich weiterentwickeln. Ich habe früher Trainer gehabt, die haben alles aus dem Bauch heraus gemacht, da waren Pappnasen dabei… Das gibt es kaum noch, die Trainer sind qualitativ besser geworden, weil sie sich mit ihrem Job professionell auseinandersetzen.

Ist das Fußball-Geschäft eine einzige Showveranstaltung?
Nein, gar nicht. Wenn es nur Show wäre, würde es keinen interessieren. Es haben sich aber viele Dinge verändert. Die Spieler auch, die gehen heute viel professioneller an die Sache heran. Früher sind sie noch zwei Tage vor dem Spiel losgezogen. Das war normal. Das gibt es heute nicht mehr. Andererseits ist heute diese Mentalität des Auflehnens und des nicht Unterkriegenlassens nicht mehr so stark ausgeprägt: Wenn es mal nicht so läuft, lassen sie es schon mal laufen, da lehnen sie sich nicht so auf. Sie sind nicht mehr so konfliktfähig. Ich finde es zwar grausam, dass Philipp Lahm in diesem Alter ein Buch schreibt, aber er hat Recht: Diese Hierarchien, die es früher gab, die gibt es heute nicht mehr, weil die Jungs einfach anders aufgewachsen sind. Man braucht heute keinen, der Druck ausübt und den anderen auf die Mütze haut. Das geht nicht mehr.

Hat sich der Trainer Veh auch verändert?
Natürlich, ich bin gelassener geworden, es gibt einfach viele Dinge, die ich nicht mehr mitmache. Da sage ich dann: Ohne mich, macht es allein. Aber an der Art, Fußball zu spielen, hat sich nichts geändert. Ich will mein Spiel mit kurzen, schnellen, direkten Pässen durchbringen, offensiv, viele Chancen, viele Tore, das ist mein Ideal. Aber es hängt auch von den Gegebenheiten ab. Als ich Trainer in Rostock war, musste ich auch defensiver spielen lassen. Nicht so wie Friedhelm Funkel vor mir, er hat mir ja sechs Innenverteidiger überlassen, die gegen den Mann gespielt haben. Das ist im Übrigen auch ein gutes Beispiel: Friedhelm hat sich und seine Spielweise auch verändert.

Werden Sie durch den Meistertitel mit Stuttgart anders wahrgenommen?
Es ist so, als wenn ein Schriftsteller einen Bestseller schreibt. Es ist halt die Krönung. Es werden nicht viele Trainer Meister, wenn sie nicht bei Bayern München Trainer sind. Das ist etwas Besonderes.

Muss man sich danach neu motivieren?
Nein. Man hat ja auch eine Eigenmotivation. Ich müsste nichts mehr machen. Ich mache nur noch, was mir Spaß macht. Und die Eintracht, diesen Traditionsverein hochzubringen, ist eine geile Aufgabe. Ich hätte ja auch warten können, bis was anderes in der Bundesliga frei wird. Und ich hätte ja schon in der Bundesliga hierher kommen können.

Als Nachfolger von Michael Skibbe, das ist bekannt. Warum kamen Sie nicht? Weil Sie kein Feuerwehrmann sein wollen?
Ich kann doch nicht so kurz nach dem Ende in Hamburg woanders anfangen. Das geht nicht, kann ich nicht. Andere können das, ich finde das nicht verwerflich, aber für mich ist das nix.

Und jetzt, nach dem Abstieg, sind Sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen nach Frankfurt gekommen?
Das würde ich so nicht sagen.

Wie denn?
Ich wusste etwa nicht, dass Marco Russ verkauft werden muss. Ich dachte, wir können die Mannschaft so lassen, wie sie war, und können dann noch etwas dazuholen. Das war mein Stand.

Aber dem war nicht so.
Nein. Und sehen Sie, in welcher Kürze wir Spieler holen mussten. Mit dem Abstieg hat ja anscheinend keiner gerechnet, deshalb war es ganz wichtig, dass Bruno Hübner verpflichtet wurde und so fleißig war. Er hat das toll gemacht. Natürlich kann man streiten über Identität, die Identifikation mit dem Verein, die Perspektive und was dann nächstes Jahr ist. Aber wir mussten doch jetzt schauen, eine Mannschaft zusammenzubauen, die konkurrenzfähig ist und aufsteigen kann. Das haben wir geschafft. Die Personalpolitik ist sowieso entscheidend, und sie ist schwieriger, wenn man gerade absteigt, klar. Das Schöne hier ist: Man kann bei der Eintracht vieles verändern. Man muss halt nur gegen den Spruch ankämpfen: ,Das war doch schon immer so.“ Das ist mir zuwider.

Sie haben nach Ihrer Hamburger Zeit doch auch damit geliebäugelt, Sportdirektor zu werden.
Ja, aber das kann ich noch nicht. Ich bin noch zu gerne Trainer, auf dem Platz und nahe an der Mannschaft.

Können Sie sich ein weiteres Jahr zweite Liga vorstellen?
Nein, ich habe hier einen Auftrag: Aufstieg. Den will ich erfüllen. Ich will als Meister mit der Eintracht aufsteigen. Wenn wir nicht hochgehen, habe ich meinen Auftrag nicht erfüllt. Dann ist Schluss.

Und wenn es klappt: Bleiben Sie dann sicher?
Ach, das weiß man doch alles nicht. Ich habe einen Einjahresvertrag, das muss man dann mal sehen.

Herr Veh, wie überzeugt sind Sie vom Aufstieg?
Ich kann ihn nicht garantieren, aber die Mannschaft hat Qualität. Sehen Sie: Wenn wir ohne Zuschauer spielen würden, völlig neutral, irgendwo auf einem Trainingsplatz, dann wären wir qualitativ immer besser als alle anderen Mannschaften. Aber bei uns kommen die Fans dazu, die Favoritenbürde, der Druck, die Erwartungshaltung, der hochmotivierte Gegner, der Schiedsrichter, die Presse. Das muss eine Mannschaft erst mal wegstecken. Das hängt auch viel mit der Sensibilität eines Spielers zusammen, wie robust er ist. Sensibilität ist ja nichts Negatives, aber im Profisport muss sie nicht hilfreich sein.

Also spielt die Psyche noch immer eine große Rolle?
Wir müssen zusehen, dass die Mannschaft nicht zu viel Druck bekommt, das ist keine Qualitätsfrage, sondern eine Mentalitätsfrage. Wir müssen auch ruhig bleiben, wenn wir mal ein Spiel verlieren. Wenn wir anfangen verrückt zu spielen oder durchzudrehen, dann schaffen wir es nicht.

Aber hinten haben Sie doch Probleme.
Ach, hören Sie doch auf, jetzt kommt wieder Schildenfeld. Ich sage Ihnen etwas: Gordon ist nicht so langsam, wie alle denken. Ich habe die Sprintwerte, ich kann das beurteilen. Er muss sich einfach an die Liga gewöhnen. Er wird noch kommen. Bamba Anderson ist sowieso gut. Und dann stehen wir auch hinten gut.

Und im Sturm wird sicher bald einer aufmucken und Stunk machen.
Zunächst einmal muss man sehen: Wir hatten Fenin und Petkovic, jetzt sind Idrissou und Friend da – das ist sensationell. Wir können jetzt auch mal mit zwei Stürmern spielen, wir sind flexibel, das gefällt mir gut. Und wenn einer wirklich Stunk machen sollte, wenn einer aus dem Team ausschert, dann ist er halt weg vom Fenster. Das mache ich nicht mit, ich lasse mir doch nicht auf der Nase rumtanzen.

Interview: Ingo Durstewitz, Jörg Hanau und Thomas Kilchenstein

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4 Kommentare

  1. Hehe, der letzte Satz Vehs wäre mein erster gewesen bei einer Zusammenfassung des Interviews 😀 Das hat man einfach bei fast jeder Frage rausgehört.
    Ansonsten gefallen mir die Aussagen eigentlich.

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  2. Und im Sturm wird sicher bald einer aufmucken und Stunk machen.

    Das kann der Kommentator nur auf Gekas und Hoffer bezogen haben. Aber eher Gekas. Naja im Sturm haben wir meiner Meinung nach die wenigsten Probleme. Aber die Saison ist ja noch relativ Jung und mit einem Auswärtssieg heute kommen wir dem Ziel mal wieder ein Stück näher. Lasst es uns doch einfach wie damals Arsenal London machen. Eine Saison ohne Niederlage 🙂

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