Haris Seferovic bejubelt sein Tor zum 2:1.
Haris Seferovic bejubelt sein Tor zum 2:1.

Diese Mannschaft wird langsam selbst ihren Anhängern unheimlich. Es sind nicht allein der Punktestand und die Platzierung nach zwölf Spieltagen, die niemand erwartet hätte. Nein, es sind vor allem die Auftritte gegen vermeintlich unschlagbare Spitzenklubs wie Bayern München oder gestern Borussia Dortmund, die Fans und Experten ungläubig den Kopf schütteln lassen. Auch wenn es nicht leicht fällt, die Veränderungen seit dem glücklichen Erfolg in der Relegation nachvollziehbar zu erklären, spielt die Person des Trainers eine entscheidende Rolle. Sicherlich: Die Mannschaft zeigt in taktischer und konditioneller Hinsicht ein ganz anderes Gesicht als noch vor wenigen Monaten, doch erstaunlich ist vor allem die Sicherheit, mit der das Team auch gegen Top-Mannschaften auftritt und mit Rückschlägen umgehen kann. Schauen wir uns die Erfolgsfaktoren einmal im Detail an.

1. Die Basis für den Sieg wurde in der Abwehr gelegt
Im Vorfeld war gerätselt worden, wie es der Frankfurter Defensive gelingen könnte, die schnellen Dortmunder Stürmer im Zaum zu halten. Eintracht-Trainer Niko Kovac hatte erkennen lassen, dass es nur im Kollektiv gehen werde, der Abstimmung der Innenverteidiger mit dem defensiven Mittelfeld und den beiden Außenverteidigern deshalb eine besondere Bedeutung zukommen werde. Was er damit gemeint hat, wurde schnell deutlich: Die Frankfurter spielten sehr variabel, doppelten ihre Gegenspieler und unterstützten sich gegenseitig, wirkten stets wach und aufmerksam, sodass die Dortmunder in der ersten Halbzeit sich gerade einmal zwei Chancen herausarbeiten konnten. Jesus Vallejo und David Abraham kümmerten sich abwechselnd um Aubameyang, der bis auf eine Gelegenheit in den ersten 45 Minuten völlig blass blieb. Die größte Gefahr ging von Schürrle aus, der sich mit Hector einige rassige Duelle lieferte. Apropos Hector: Der Jamaikaner zeigte erstmals, warum er mit großen Erwartungen an den Main geholt wurde. Ballsicher, zweikampfstark und – nach seiner frühen Verwarnung – ungewohnt besonnen überzeugte er durch eine abgeklärte und sichere Leistung. Abraham sah in drei Szenen gegen Aubameyang nicht gut aus – aus einer resultierte der zwischenzeitliche Ausgleich –, doch sollte man sich vor Augen führen, auf welchem Niveau der Gabuner mittlerweile spielt. Vielleicht kann man es auf den Nenner bringen: Die Innenverteidigung agierte nicht fehlerfrei, war letztendlich aber der Garant für den Sieg.

2. Das defensive Mittelfeld funktioniert auch ohne Mascarell
Die Gelbsperre von Omar Mascarell musste zwangsläufig zu einer Umstellung im zuletzt so überzeugenden Mittelfeldgefüge führen, und es war mit Spannung erwartet worden, ob es Kovac gelingen werde, die Lücke überzeugend zu schließen. Makoto Hasebe, der Mann für alle Fälle, durfte sich wieder einmal ein paar Meter offensiver präsentieren. In der Anfangsphase, die von Sicherheit und Ballkontrolle geprägt war, interpretierte der Japaner seine Rolle sehr defensiv, während sich Szabolcs Huszti um den Spielaufbau bemühte. Erstaunlich war aber vor allem, dass die Umstellung keinen Bruch im System bedeutete und das Fehlen von Mascarell problemlos kompensiert werden konnte. Die Absicherung im Rücken wissend, kurbelte der Ungar immer wieder Angriffe an, auch wenn im ersten Durchgang viele Ansätze verpufften. Huszti ist mittlerweile aus dem Team nicht mehr wegzudenken, ist defensiv wie offensiv sicher und gehörte gestern – bei starker Konkurrenz – zu den überragenden Spielern auf Frankfurter Seite.

3. Zwei nicht mehr wiederzuerkennende Außenverteidiger
Welche Rolle der Kopf im Profifußball spielt, kann man an Timothy Chandler und Bastian Oczipka erkennen. Nachdem sie beide im Sommer als Auslaufmodelle auf dem Abstellgleis zu stehen schienen, steigerten sie sich in dieser Saison von Spiel zu Spiel und legten gestern jeweils überzeugende Leistungen hin. Im ersten Durchgang agierten sie noch vorsichtig und um Absicherung bemüht, in der zweiten Hälfte gaben beide aber Gas. Während Oczipka mit dem eingewechselten Dembelé die schwerste Aufgabe zu bewältigen hatte und sie – mit einer Ausnahme – gut löste, trieb Chandler in den letzten 20 Minuten einen Angriff nach dem anderen über seine rechte Seite nach vorne, leitete das 2:1 ein und bewies einmal mehr, dass er zurzeit in Topform ist. Nicht auszudenken, wenn diese beiden Außenbahnspieler ausfallen sollten – sie sind in der gegenwärtigen Verfassung nicht zu ersetzen.

4. Das neue Traumduo im offensive Mittelfeld
Es hatte sich in den vergangenen Spielen bereits angedeutet, im Spiel gegen Dortmund wurde es erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Mijat Gacinovic und Marco Fabián ergänzen sich im offensiven Mittelfeld großartig, zeigen sich variabel, spiel- und einsatzfreudig. Vor allem stellen sie immer wieder aufs Neue unter Beweis, dass ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist und wir noch einiges von ihnen erwarten können. Was für die ganze Mannschaft gilt, muss bei dem Serben und dem Mexikaner besonders hervorgehoben werden: Mit dem nötigen Selbstbewusstsein und dem Vertrauen des Trainers ausgestattet, zeigen sie Leistungen, die das spielerische Niveau der SGE in eine ganz neue Dimension heben. Da der Gegner es sich nicht erlauben kann, nur einen der beiden in besondere Obhut zu nehmen, ergeben sich für den anderen und ihre Mitspieler Räume, die zumindest gegen Bremen und Dortmund genutzt wurden. Im nächsten Auswärtsspiel in Augsburg wird die Eintracht auf Fabián nach seiner fünften gelben Karte verzichten müssen. Dann wird Kovac erneut unter Beweis stellen müssen, dass er über einen ausgeglichenen Kader verfügt. Es ist davon auszugehen, dass dann die Stunde von Ante Rebic oder Haris Seferovic schlagen wird.

5. Nichts Neues in der Causa Meier
Nein, Alex Meier hat kein Tor erzielt. Er hatte auch nur eine kleine Chance. Wer glaubt, die Bedeutung des „Fußballgottes“ an Treffern, Ballberührungen oder seiner Zweikampfquote beurteilen zu müssen, möge sich das Spiel gegen Dortmund noch einmal in Ruhe ansehen. Der Lange war immer anspielbar, attackierte früh, suchte immer den Weg nach hinten, half in der Defensive aus und leite viele Angriffe ein. Zudem wird er bei eigenen Angriffen immer von mehreren Gegenspielern in die Zange genommen, sodass Huszti ungedeckt vor dem Kasten von Weidenfeller auftauchen und einnetzen konnte. Es ist erfreulich zu sehen, das die vor allem von einigen Medien angefeuerte Diskussion um den „Heim-„ und den „Auswärts-Meier“ vom Trainerteam und den Spielern unaufgeregt und pragmatisch gehandhabt wird.

6. Joker und Alternativen
Mit Seferovic hat erneut ein Frankfurter Joker getroffen. Wer den Schweizer nach seinem Siegtreffer beobachtet hat, wusste, was ihm dieses Tor bedeutet hat. Unbeeindruckt von – offenbar ebenfalls von außen gestreuten – Wechselgerüchten und seinem Reservistendasein zeigte Seferovic, dass er mit dieser Einstellung und diesem Einsatz genau in das Konzept von Kovac passt. Der junge Barkok durfte erneut Bundesligaluft schnuppern und zeigte in den elf Minuten, die er auf dem Platz stand, dass er binnen Wochenfrist enorm an Selbstvertrauen dazugewonnen hat. Ob man in der Endphase gegen Dortmund mit technischen und teilweise an Arroganz grenzenden Zirkusnummern glänzen muss, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden – dafür hat der junge Spieler schließlich seinen Trainer. Bei aller Skepsis über diese Aktionen: Dass Barkok über erstaunliche technisch Fähigkeiten verfügt, steht außer Frage.

7. Fazit
Wenn ein Ball in der Nachspielzeit gegen den Querbalken knallt und der Schiedsrichter auch durchaus einen Elfmeter nach dem Foul von Abraham gegen Reus hätte pfeifen können, kann man den Sieg auch als glücklich bezeichnen. Dortmund hatte mehr Spielanteile, konnte auch die Mehrzahl der Zweikämpfe für sich gewinnen. Trotzdem: Das Auftreten der Hessen war mit dem am vorletzten Spieltag der letzten Saison keineswegs zu vergleichen. Mit spielerischer Leichtigkeit und großer Sicherheit traten die Jungs von Kovac auf und offenbarten, dass sie den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung genommen haben. Der Sieg gegen Dortmund wird mit Sicherheit nicht dazu beitragen, die Euphorie rund um das Waldstadion im Zaum zu halten. Dazu besteht auch kein Anlass. Die Mannschaft hat gegen Bayern München und Dortmund bewiesen, dass sie gegen jeden mithalten kann, dass sie sich spielerisch enorm weiterentwickelt hat und über eine taktische Ordnung verfügt, die es vielen Teams schwer macht, gegen sie zu spielen. Wenn Spieler und Trainerteam auf dem Boden bleiben – und es gibt im Moment keinen Anlass, daran zu zweifeln -, ist in dieser Spielzeit vieles möglich. Allerdings: Um den Klassenerhalt müssen wir uns – ohne überheblich wirken zu wollen – keine Gedanken mehr machen.

Bitte denkt daran, die Leistung der Spieler zu bewerten. Hier habt Ihr Gelegenheit dazu.

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7 Kommentare

  1. Ein paar der Momente des Spiels für mich:

    Mijat (32kg, 1,40cm) vs. Sokratis (140kg, 2,10m)

    Wie bissig, grift und unbeindruckt Mijat den Sokratis heute eins uns andere mal so richtig genervt hat war großartig. Sei es im frühen Pressing, oder im abgrätschen.

    Die „beruhigende“ gelbe Karte des Michael H.

    Hier kann ich mich der Spielanalyse nur anschliessen. Ich hätte sicher wie 80% der anderen auch Hector zur Pause draussengelassen. Gegen die schnellen Dortmunder, mit Gelb? Aber was macht Big Hec? Jamaikanisch gelassene Manndeckung in der Gegnerhälfte. Der Skymann hat es schön erfasst, hinten 4er Kette und Hector als Bluthund davor. Großartig

    Der vom Geiste Okocha beseelte Aymen

    Ich habs gefeiert, auch wenns vielleicht unnötig war. Aber zu sehen das ein Adlerträger sich a) traut und b) es schafft solche Dribblings gegen den BVB von allen Gegnern durchzubringen. Da geht jedem der selber mal auf der Strasse gekickt hat das Herz auf. Und wer weis, vielleicht lags an JayJay, der war ja da 😀

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  2. Klasse zusammengefasst, danke dafür.

    Ein Punkt hat aber noch gefehlt, nämlich unser Torwart, der mit seiner Ruhe und seinen starken Paraden maßgeblich an der Leistungsexplosion beteiligt ist.

    Ich reibe mir immer noch die Augen, ich bin einfach glücklich und genieße den Augenblick.

    Einen schönen Sonntag brauche ich sicher keinem SGE Fan zu wünschen, ich weiß Ihr werdet alle einen haben.

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  3. Gute Analyse, ich füg nix hinzu, unter dem Strich ein verdienter Sieg gegen Dortmund!

    Wichtiger ist jetzt die Träumerei ;-): Also ich denke, nachdem der FCB sich im März unter Klinsmann aus dem Meisterschaftsrennen abmeldet kriegen wir unser Endpsiel um die Meisterschaft in Leipzig (Nach dem Endspiel um den Abstieg letztes Jahr 🙂 ). In der Zone revanchieren wir uns dann für ’92.

    Schönen Sonntag!

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  4. Die zweite Halbzeit war das beste Spiel was ich seit 92 sehen durfte. Alle haben daran Anteil – Spieler, wie auch der Trainerstab und Fans. Taktisch Dortmund klar überlegen. Wie Alex Maier Weigel bis zur Auswechslung zugestellt hat war mit spielentscheidend. Chandler und Oczipka stark, wenn doch nur die Flanken besser kämen. Unsere Manschaft hatte nicht nur den besseren Biss, sondern auch Spielwitz. Die gute Laune und positive Einstellung aller sportlichen Akteure und Verantwortlichen überträgt sich langsam auf das Umfeld. Und diese gute Laune liegt nicht nur am sportlichen Erfolg und hebt sich sehr angenehm von derjenigen vergangener Jahre ab. Ebenso das respektvolle Miteinander erzeugt einen sehr guten Gesamteindruck, den Außenstehende nicht verborgen bleibt. Wenn man die überzogene Reaktion von Tuchel auf der Pressekonferenz sich anhört, dann können wir über unseren Trainer nur froh sein.
    GrabbiGrabbi

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