Jedes Wochenende sind viele Fankurve in den deutschen Stadien bis auf den letzten Platz gefüllt.
Jedes Wochenende sind viele Fankurven in den deutschen Stadien bis auf den letzten Platz gefüllt.

Warum? – Das ist die Frage, die ich sehr oft und immer öfter gestellt bekomme, wenn es um meine große Leidenschaft, den Fußball und das „Fußball-Fahren“ geht. Warum Flo? Warum setzt du dich mehrere Stunden in Busse, Bahnen und auch Flugzeuge, um ein einziges Fußballspiel zu sehen? Warum reist du in weit entfernte Städte oder pilgerst gar in fremde Länder, um ein Fußballspiel zu sehen? Warum verbindest du sogar deinen Urlaub mit Eintracht Frankfurt? Warum fährst du zur Eintracht, wenn sie dich schon hunderte Male richtig herb enttäuscht hat? Warum willst du dir die blöden Kommentare von den „Fans“ der siegreichen Mannschaften in den sozialen Medien und im echten Leben anhören?

Ich muss ehrlich gestehen, es gab Momente, unter anderem in der zurückliegenden Saison, in denen ich mir manche der Fragen gestellt habe. Man fiebert einem Spiel entgegen, macht sich tagelang vorher Gedanken, zum Beispiel wie man hin- und heimkommt, was man von den Spielern, dem Verein im Allgemeinen, den Zuschauern oder den Rängen erwartet. Es wird überlegt, mit wem es zum Spiel geht und ob man danach noch etwas unternimmt usw. Und dann? Der Tag kommt, die Anspannung steigt ohne Ende, viele sind bereit, ihr letztes Stimmband und ihre ganze Energie für den Sieg ihres Vereins zu geben. Im Stadion angekommen, kommt als erstes die Hymne, das Lied mit dem sich alle Fans identifizieren, die Mannschaftsaufstellung wird durchgesagt und mitgeschrien, „Schwarz weiß wie Schnee“ schallt aus den Boxen und dann geht es endlich los – die Anspannung und Motivation haben ihren Höhepunkt erreicht! Und was passiert? Eine unglaublich bittere 0:1-Niederlage im eigenen Stadion gegen einen Rivalen. Erschwerend kommt hinzu, dass die gegnerische Mannschaft die Eintracht eben nicht an die Wand gespielt hat, sondern einfach mehr gekämpft hat, es mehr wollte. Die SGE hat einen unglaublich blutleeren Auftritt hingelegt, gefühlt ohne Herz gespielt und keinen Kampf gezeigt. Dadurch geht man selber blutleer aus dem Stadion, ist bitter enttäuscht. Dann, ja ich gebe es zu, fragt man sich: Warum tue ich mir das an? Kann ich das Geld nicht sinnvoller ausgeben oder sparen? Und kann ich meine Zeit nicht besser verbringen, als diesen elf Spielern zuzuschauen?

Bereits nach einigen Minuten, während ich durch den Wald und über die matschigen Wege rund um das Waldstadion zurück zum Auto laufe, gibt es eine Antwort auf das „Warum?“ – Weil es meine große Leidenschaft ist! Weil ich mich als Teil dieses Vereins fühle und ich diesen einen Verein nicht einfach im Stich lasse! Natürlich gibt es unschöne Momente, aber wo gibt es diese nicht? Wenn man diese „Liebe zu dem einen Verein“ erklären will, ist meiner Meinung nach der Vergleich zu einem besten Freund der richtige. Egal wie lange man sich nicht gesehen hat, man wird sich immer mögen. Egal was passiert, man steht zueinander und auch wenn es mal kleine Brüche oder Hindernisse in der „Freundschaft“ gibt, werden diese zur Seite geschafft und man geht gemeinsam durch dick und dünn. Genau so werden aber natürlich auch Siege und Erfolge gemeinsam gefeiert.

Auf den Fahrten stoßen die einen mit Äppler an, die anderen mit Weizenbier - egal zu welcher Uhrzeit
Auf den Fahrten stoßen die einen mit Äppler an, die anderen mit Weizenbier – egal zu welcher Uhrzeit

Das Schöne an der Sache: Zur Unterstützung des „Freundes Eintracht“ tragen noch andere gute Freunde bei. Und dazu zählen sowohl die Freunde und Bekannten, mit derselben Leidenschaft, als auch die anderen Tausende Menschen, die ebenso viel Geld, Energie und Zeit opfern, um mit der Eintracht diese 90 Minuten durchzumachen. In meinem Fall muss ich sagen, dass die Leute, mit denen ich zu den Spielen fahre oder mit denen ich mich bei den Spielen treffe, einen sehr großen Teil zum Spaß an der Sache beitragen. Natürlich, man ist nicht immer einer Meinung, aber eine Sache verbindet uns alle: Die Liebe zur Eintracht.
Ich für meinen Teil fahre nicht sonntagabends, am Tag vor meiner Weisheitszahn-OP, nach Hamburg, um die 11 bis 14 Eintracht-Spieler auf dem Platz zu sehen, oder einen Haris Seferovic zu bewundern. Nein, ich fahre die 538 Kilometer wegen Eintracht Frankfurt, denn den Verein macht viel mehr aus, als die paar Akteure auf dem Platz. Natürlich sind die Spieler in diesem Moment die Repräsentanten des Klubs, daher ist man auch sauer, wenn sie mal wieder ein mieses Spiel abgeliefert haben. Aber trotzdem gehören alle, die unter der „Fahne Eintracht“ fahren und auch die, die das Spiel zu Hause schauen und mitfiebern, zum Mythos Eintracht Frankfurt. Doch es gehört noch mehr dazu.

Die Tradition und die ehemaligen Spieler, die den Verein zu dem gemacht haben, was er heute ist. Ganz egal ob Grabowski, Körbel, Nikolov oder Spieler, an die sich heute niemand mehr erinnert. Die Eigenschaft der Diva (und ja, sie besteht bis heute noch) an manchen Tagen gegen die ungeliebten Bayern zu bestehen und am Wochenende darauf im Pokal gegen den Drittligisten Aue auszuscheiden. Ein Hauptbestandteil ist in meinen Augen aber die Fankultur, mit einem unglaublichen Potenzial, egal ob in der Lautstärke oder bei den Choreographien. Man fühlt sich einfach als Teil einer Einheit, mit der man denkt, Bäume ausreißen zu können. Und das ist nicht im Bezug auf Gewalt gemeint, die hat beim Fußball nichts, aber auch gar nichts, zu suchen. Nur wer dieses „Schauspiel“ einmal mitgemacht hat, kann danach sagen, dass er das „Fußball-Fahren“ nicht nachvollziehen kann oder „blöd“ findet. Das ist auch kein Problem, jeder hat andere Hobbys.

Manchmal, zumeist gegen die absoluten Topteams, gegen die man sich sowieso keine Punkte ausrechnet, kommt es auch beim besten Willen nicht auf das Fußballspiel an. Aber wie gerade gesagt: Nur weil der beste Kumpel mal keine guten Aussichten auf etwas hat, verlässt man ihn ja nicht. Ganz im Gegenteil, man versucht ihn dabei dennoch bestmöglich zu unterstützen. Eine gute Erklärung für dies alles liefern die Toten Hosen im Song „Auswärtsspiel“: „Sie sind nicht allein, denn wir sind dabei, auch wenn es heute aufs Auge gibt. Es ist egal, ob wir das Spiel verlieren, denn darauf kommt es nicht an, und ob das irgendjemand hier sonst kapiert ist für uns nicht interessant. Ihr könnt uns schlagen, so oft und so hoch ihr wollt, es wird trotzdem nie passieren, dass auch nur einer von uns mit euch tauschen will, denn ihr seid nicht wie wir!“

Und genau so ist es: Niemals wird das Herz für einen anderen Verein schlagen und niemals wird sich diese Liebe für den Verein ändern.

Der Verein Eintracht Frankfurt ist in meinen Augen mehr als nur ein Verein, mehr als nur ein Hobby. Eintracht Frankfurt ist eine Lebenseinstellung. Nirgends ist man so leidensfähig, wenn es nicht läuft. Die Frage, ob man das nächste Mal wieder fährt, stellt sich für die meisten daher nicht. Es ist einfach so: man fährt zur Eintracht und gibt alles dort.

Und dass diese Liebe zu „seinem“ Fußballverein nichts Abnormales ist, sieht man jedes Wochenende: Zigtausende Menschen fahren bundesweit ihrer Lieblingsmannschaft hinterher, geben Zeit und Geld aus, um beim Spiel ihres Lieblingsvereins dabei sein zu können.
Und ich glaube ich spreche für alle „Fußball-Fahrer“: der Moment, in dem der Ball im Tor einschlägt, am besten noch zur Führung oder dem entscheidenden Siegtreffer, ist eine Belohnung für alle Strapazen und verlorene Nerven.

Abpfiff in Nürnberg: Großer Jubel auf den Rängen und bei der Mannschaft über den Klassenerhalt
Abpfiff in Nürnberg: Großer Jubel auf den Rängen und bei der Mannschaft über den Klassenerhalt

Das für mich persönlich beste Beispiel war das Rückspiel der Relegation vor ein paar Wochen: Die Eintracht zu Gast in Nürnberg. Es geht nicht nur um die Ligazugehörigkeit sondern eventuell auch um die Zukunft des ganzen Vereins. Auch hier passt der „Freund“-Vergleich. Quasi die ganze Saison über war die SGE ein richtig schlechter Freund. Enttäuschende kämpferische Leistungen gaben sich die Hand mit extrem schwachen spielerischen Auftritten. Trotzdem wird gefahren, man lässt sich ja nicht im Stich. Und dann ist es endlich soweit. Der die ganze Saison über enttäuschend spielende Seferovic erzielt das 1:0 für die Eintracht und markiert damit den wahrscheinlich wichtigsten Treffer der Saison. Gefühlsexplosion! Teilweise völlig fremde Menschen liegen sich in den Armen, jubeln gemeinsam und teilen ihre Glücksgefühle. Allein wenn ich an den Jubel oder die Feier nach dem Abpfiff denke, bekomme ich Gänsehaut. Solche Erlebnisse geben Antworten auf 100.000 Mal „Warum?“
Lange Rede kurzer Sinn: Eintracht Frankfurt und die Fußball-Fahrerei ist und bleibt ein Mythos, der schwer zu begreifen und schon gar nicht zu erklären ist –ich habe es trotzdem versucht.

Autor Florian Bauer

Florian Bauer begleitet die Eintracht seit Kindestagen. Seit ca. 15 Jahren hat er eine Dauerkarte und verpasst seitdem kaum ein Spiel der "launischen Diva". Aber auch außerhalb des Waldstadions ist er sportaffin und hat sich so über die Jahre ein fundiertes Sportwissen angeeignet. Dieses Wissen nutzt er seit Januar 2016 für SGE4EVER.de.

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14 Kommentare

  1. Da sprichst du uns allen aus der Seele. Wollte mich ja etwas zurück ziehen und meine Freizeit nicht mehr mit Eintracht Kalender abstimmen nur so richtig klappt das nicht

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  2. Hast du gut beschrieben, Flo.
    Der Kabarettist Frank Goosen, Fan und Aufsichtsratmitglied
    des VFL Bochum hat das mal sehr kurz zusammengefasst:
    Warum ich zum Fußball gehe? Weil Samstag ist.

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  3. Eigentlich bin ich nicht so der Typ für große Massen, aber wenn ich im Waldstadion bin fühl ich mich immer wohl, dann fühle ich mich unter meinesgleichen und bin ein Teil des großen Ganzen. Ich bin sehr stolz, dass ich mit meiner neuen Dauerkarte noch näher an die Eintracht und das Umfeld gebunden bin und werde mich auch zeitnahe Brandmarken lassen damit jeder sehen kann dass ich zur SGE Herde dazu gehöre und lasse mir das Eintracht Wappen auf den rechten Oberarm tätowieren 🙂 !
    SGE4EVER

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  4. @Adlerherb starke Sache =D
    Hab bisher auch gar kein Tattoo falls ich mir aber mal eins stechen lasse, dann auch etwas das mit der Eintracht zu tun hat. Aber noch hab ich keine Ahnung ob Bild, Logo oder Schriftzug ^^

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  5. Zu @5
    Danke EintrachtKafka für den Link. Super Kommentar zur neuen ‚Atletico‘ Frankfurt.

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  6. @5 EintrachtKafka ich hab mir den Mamut Post mal durchgelesen echt starker Tipp danke für den Link. Könnte auch ein Artikel auf SGE4ever sein ^^

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  7. Super Einblicke durch den Link. Auch wenn ich Meier Fan bin, Veh nicht ganz so verkehrt sah (halt erfolglos). ausgesprochen kein Schaaf-Fan bin, bestimmt nicht was seine Arbeit angeht, aber seine Spielphilosophie ist halt nicht meine. Was mich aber wirklich überrascht aus der Ferne ist folgende Aussage: „Bunjaki spielt im Übrigen in allen Trainingsformen und Trainingsspielen durchaus eine gefällige Rolle. Der Junge ist sehr robust, nicht so heftig wie Waldschmidt war“! ALSO robust und Waldschmidt kriege ich nicht zusammen, da mache ich mir jetzt echt Sorgen um Bunjaki, wenn er jetzt noch unrobuster ist. Aber wie gesagt super Beitrag. Wie schnell sich ein gutes Gefühl durch einen Post einstellen kann. Auch der Hinweis das man sich nicht mehr bei HB (und ich bleibe HB Fan, obwohl auch ich natürlich nicht alles unterschrieben habe), ausweinen kann.

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  8. @11 Grantler „nicht so hiefig wie Waldschmidt war.“ nicht heftig ^^
    Bin jetzt nicht so sprachlich gut und finde auch keine definition von diesem Wort im Internet, aber ich würde es eher mit sowas wie Steif oder Schwerfällig „übersetzten“.

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  9. Super Artikel, Flo. Sehr gut und fesselnd geschrieben und mal was Anderes als die üblichen Tatsachenberichte oder Gerüchte. Das beschreibt diese, für viele – insbesondere nicht Fussballaffine – nicht nachvollziehbare, Gefühlswelt und Motivation sehr tiefgründig. Vielen Dank dafür.

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