Kaan Ayhan patzte in 80 Spielminuten zweimal folgenschwer. Der junge Türke ist ein Symbol für die verfehlte Transferpolitik der Eintracht in dieser Winterpause.
Kaan Ayhan patzte in 80 Spielminuten zweimal folgenschwer. Der junge Türke ist ein Symbol für die verfehlte Transferpolitik der Eintracht in dieser Winterpause.

Fünf Jahre liegt sie inzwischen zurück, die „Rückrunde der Schande“, die mit dem sang- und klanglosen Abstieg von Eintracht Frankfurt endete. Es legte sich damals eine bleierne Schwere über den Stadtwald, ein Gefühl der kollektiven Lähmung hatte Einzug erhalten. Bei einem großen Teil der Anhängerschaft passierte das Schlimmste, was einem Fan wohl passieren kann – ein „Egal-Gefühl“ und Resignation. Die Hoffnungen auf Siege oder Punkte wurden begraben und spätestens als die vielen Partien gegen die direkten Konkurrenten verloren gingen, war klar: Das Eintracht-Schiff ist nicht mehr zu retten.

Nach der Partie am Samstag gegen die TSG Hoffenheim kann eine ähnliche Gefühlslage nicht mehr abgestritten werden. Die im Winter erzeugte Aufbruchstimmung entpuppte sich als Schuss in den Ofen. Mit fünf Neuzugängen wollten die Hessen das Feld von hinten aufrollen und sich frühzeitig vom Abstiegskampf verabschieden. Einzig – es wurden wie so häufig in den letzten Transferperioden entscheidende strategische Fehler begangen. Kaan Ayhan hat bei den Hessen in knapp 80 Minuten gezeigt, dass die Bundesliga in der aktuellen Verfassung eine Nummer zu groß für ihn ist. Ob gegen den VfB Stuttgart (2:4) oder gegen Hoffenheim (0:2) – sein Timing beim herausrücken stimmt nicht, ferner wirkt der türkische U21-Nationalspieler hüftsteif und auch spieltechnisch überfordert. Warum er vom FC Schalke 04 für den Abstiegskampf ausgeliehen wurde? Es bleibt ein Geheimnis der Verantwortlichen.

Marco Fabián mag ein guter Fußballer sein, der auf der Position hinter den Spitzen die Fäden ziehen kann. Weshalb der 3,5-Millionen-Euro-Mann allerdings als Flügelspieler eingeschätzt wurde? Es bleibt ein Geheimnis der Verantwortlichen. Der Mexikaner ist technisch begabt, er hat einen ordentlichen Schuss und kann im 1:1 gut den Ball behaupten. Er spielt allerdings auch viele Fehlpässe in der gefährlichen Zone und zeigt noch – bei allem Bemühen – große Mängel in der Rückwärtsbewegung, ein Tempospieler für die Außenbahnen ist der Nationalspieler ebenfalls nicht. Eine Mannschaft, die Stabilität besitzt, hätte der 26-Jährige mit großer Sicherheit sofort verstärken können. Bei den Hessen in der momentanen Lage kann er nur schwer die gewünschten Akzente setzen.

Da ist Szabolcs Huszti – der Ungar, der eineinhalb Jahre in China spielte und der Eintracht mit seiner Erfahrung und vor allem seinen Standards helfen sollte. Der 32-Jährige konnte nicht annähernd die in ihn gesteckten Hoffnungen erfüllen. Zu statisch, zu langsam und mit zu vielen Fehlpässen – Huszti ist nur noch ein Schatten dessen, was ihn im Trikot von Hannover 96 zu einem der interessantesten Bundesligaakteure reifen ließ. Dennoch griffen sowohl Ex-Coach Armin Veh, als auch Niko Kovac bislang in jeder Partie auf ihn zurück. Warum? Es bleibt ein Geheimnis der Verantwortlichen.

Und dann sind da noch die beiden Last-Minute-Einkäufe Änis Ben-Hatira und Yanni Regäsel. Ben-Hatira hat mit seinem Treffer gegen Hannover 96 (1:0) seinen Einkauf eigentlich schon gerechtfertigt. Der Mittelfeldspieler fiel seitdem allerdings eher durch seine Interviews, als durch weitere Glanzleistungen auf dem Feld auf. Gegen die Münchener abgetaucht, gegen Hoffenheim unglücklich in den Offensivaktionen und viel zu ungefährlich – so ist der Deutsch-Tunesier keine wirkliche Verstärkung für die Hessen. Und Regäsel? Er fiel bei Kovac vorerst durch das Raster und saß in den Heimspielen gegen Hannover und Hoffenheim nur auf der Tribüne, in München immerhin auf der Bank. Der gebürtige Berliner ist ein Mann für die Zukunft – der die große Lücke rechts hinten, die der Abgang von Sebastian Jung 2014 riss, kurzfristig auch nicht schließen kann. Ob Timothy Chandler, Aleksandar Ignjovski, Makoto Hasebe oder eben Regäsel – alle genannten Akteure können diese Position aktuell nicht bundesligatauglich ausfüllen.

Yanni Regäsel ist auf einmal außen vor.
Yanni Regäsel ist auf einmal außen vor.

Das Spiel der Eintracht bleibt auch unter Kovac zu leicht ausrechenbar. Die Angriffe enden meist ergebnislos vor dem gegnerischen Strafraum und sind für den Gegner recht unkompliziert zu verteidigen. Die Hoffenheimer mussten sich nicht strecken, um im Waldstadion vor 51.000 Zuschauern die drei Punkte zu entführen, Julian Nagelsmanns Mannschaft wurde in den vergangenen Wochen vor schwierigere Aufgaben gestellt. Wenn dann auch noch mit Carlos Zambrano der Abwehrchef ausfällt, wird die Chance auf Siege noch geringer. Die Planungen für die zweite Bundesliga laufen im Hintergrund bereits auf Hochtouren, mögliche Relegationsgegner (sollte RB Leipzig am Montag gewinnen, kristallisiert sich hier der 1. FC Nürnberg heraus) müssen beobachtet werden.

Ein Abstieg wirft die Eintracht wieder um Jahre zurück. Der Schwung nach dem Aufstieg 2012 konnte nicht langfristig mitgenommen werden. Die damals erfolgreiche Politik, mit jungen und hungrigen Akteuren, die sich in der 2. Bundesliga als herausragend erwiesen haben, wurde zügig wieder verlassen. Jan Rosenthal, Johannes Flum, Timothy Chandler, Stefan Reinartz, Stephan Schröck, Tobias Weis, Srdjan Lakic – die Liste der Spieler, die es bei anderen Bundesligaklubs nicht (mehr) schafften und bei den Hessen aufblühen sollten, wurde in den letzten drei Jahren peu á peu lang und länger. Kreativität bei Transfers? Ab und zu blitzte sie auf, etwa bei Lukas Hradecky, Luc Castaignos oder, zumindest in der Anfangszeit, Haris Seferovic. Aber ein gezieltes Scouting nach System, um die Schwachstellen auszumerzen? Es fehlt an allen Ecken und Enden. Der schnelle Sechser á la Sebastian Rode? Ein solider rechter Außenverteidiger? Ein linker Mittelfeldspieler, der Inui hätte ersetzen oder gar für eine Verbesserung hätte sorgen können? Fehlanzeige!

Zu häufig gingen die getätigten Deals daneben. Letzte Spielzeit entwickelte Thomas Schaaf ein Spiel, dass von einem starken Sturmtrio in Topform geprägt war – ob die Hessen so langfristig tatsächlich erfolgreich geblieben wären bleibt fraglich. Alex Meier, Seferovic und Stefan Aigner entwickelten eine selten gekannte Torgefahr und schossen die Hessen frühzeitig ins gesicherte Mittelfeld. Davon ist in dieser Spielzeit, wie Bruno Hübner erkannte, nichts mehr zu sehen: „Castaignos, Seferovic oder Aigner sind vor dem Tor nicht wiederzuerkennen.“ Einer, der für besondere Momente hätte stehen und die Mitspieler einsetzen können, läuft inzwischen in Spanien auf – Inui. Der Japaner wurde für 500.000 Euro an den SD Eibar verkauft und nicht adäquat ersetzt. Stendera durfte es versuchen, Oczipka lief bereits auf, auch Fabián, Huszti oder Mijat Gacinovic, der intern die Zweifel an seiner Bundesligatauglichkeit noch immer nicht beseitigen konnte, wurden schon ins Rennen geworfen.

Es sind die Symptome eines Absteigers. Vorne fehlt die Durchschlagskraft, hinten wird in entscheidenden Szenen folgenschwer gepatzt, ein klares Spielsystem wurde nicht entwickelt – und bei den Verantwortlichen herrscht das Gefühl der Hilflosigkeit und Resignation. 2011 Reloaded? „Die Spiele werden weniger, die Aufgaben nicht leichter“, stellte Niko Kovac trocken fest. Am Samstag geht es zu den formstarken Leverkusenern in die BayArena – eine Mannschaft, die seit vier Spielen in der Bundesliga keinen Gegentreffer mehr kassiert hat. Dennoch: Die Eintracht darf den Kampf um den Verbleib in der höchsten deutschen Spielklasse dennoch nicht aufgeben. Kovac – so viel ist sicher – wird nicht aufgeben und auch gegen den Klub, bei denen er drei Jahre als Profi aktiv war, an einer Ausrichtung tüfteln, die zu drei Punkten führen soll. Der 44-Jährige fordert, die Personalie Meier nicht mehr zu diskutieren und fordert unumwunden: „Die Spieler, die da sind müssen jetzt die Tore machen.“

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51 Kommentare

  1. @50: In der Tat sind da einige Graupen dabei aber beispielsweise hat der hochgelobte FSV Mainz diese Saison 23 Zu und 23 Abgänge gehabt, trotz jahrelanger super Arbeit und Messias Heidel. Bei uns ist die Qouote (trotz AV’s Panikkäufen im Winter) bei 15 zu 12 was ein absoluter Durchschnittswert in der Liga ist. Außerdem hat außer Bunjaki, der ja eigentlich noch Jugendspieler ist und Lindner als ETW jeder der Neuzugänge auch schon gespielt, ein Großteil gehört zu den Stammkräften bzw. dem erweiterten Kader. Da musst du mir erst noch einen Verein zeigen, der nur Granaten einkauft, die alle auch immer spielen. Problematisch finde ich halt weiterhin, dass wir keine U23 haben. Waldschmidt, Regäsel, Bunjaki, Iggy, Medo….das sind ja durchaus Leute die man als Backup mal gebrauchen kann aber wenn Sie wie Ayhan mit Null Spielpraxis in ein Spiel geworfen werden, dann ist es halt schwierig. Wenn man jetzt ganz weit ausholt könnte man rein hypothetisch sagen: Weil Ayhan keine Spielpraxis hatte, die er in der 2. Mannschaft hätte holen können hat er die Niederlage gegen Hoffenheim eingeleitet. Der verlorene Punkt sorgt dafür das wir absteigen. Evtl. hätten wir weitere Punkte holen können, wenn ein Reinartz, Castaignos, Kittel etc. nicht ins kalte Wasser geworfen worden wären sondern nach langen Verletzungen erst mal 2-4 Wochen in der Zweiten spielen um Sicherheit und Spielpraxis zu bekommen, die man sich so im Spiel gegen Bayern, Gladbach oder Leverkusen holen muss. Eine 2. Mannschaft hätte uns 1Mio. p.a. gekostet, der Abstieg min. 50 Mio.

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