RussKeiner im aktuellen Kader der Eintracht ist dem Verein schon so lange verbunden, wie Marco Russ. Der gebürtige Hanauer, der seit 1996 das Trikot mit dem Adler auf der Brust trägt und es lediglich von Sommer 2011 bis Winter 2013 für eineinhalb Jahre abstreifte und zum VfL Wolfsburg wechselte, spielt seit zusammengerechnet knapp 18 Jahren für die Hessen und hat dabei in seinen 219 Bundesligaeinsätzen einiges erlebt. Vom tollen DFB-Pokal-Finale gegen den FC Bayern München 2006 (0:1), über den UEFA-Cup 2007 bis hin zur Europa League 2013. Russ war in den letzten zehn Jahren stets dabei, erlebte alle Höhepunkte mit – aber eben auch den absoluten Tiefpunkt 2011, als die Mannschaft nach einer grottenschlechten Rückrunde mit 7 Punkten und nur 8 geschossenen Treffern abstieg, nachdem im Winter zuvor noch vom Einzug in den internationalen Wettbewerb geträumt wurde.

Wo steht die Eintracht aktuell? Niemand kann so richtig voraussagen, in welche Richtung sich die Hessen entwickeln, unfassbare Niederlagen und überraschende Siege halten sich die Waage, der Weg nach oben aber ist noch längst nicht verschlossen – und doch überwiegt bei einem großen Teil der Fans die Angst vor dem Absturz. Die Rückrunde des Schreckens hat das Umfeld der Adler geprägt, solch eine schlimme Zeit möchte keiner mehr erleben. Auch Russ, den der Kicker soeben zum „Chefkritiker“ erhoben hat, nicht. Und so rüttelt und schüttelt der kantige Blondschopf die Mitspieler in der Öffentlichkeit auf, wo es nur geht. Schon am 18. Spieltag, als die Frankfurter beim SC Freiburg früh führten, um dann mit 1:4 noch unterzugehen, stach der Defensivspieler in die offene Wunde: „Es gibt zwei, drei Leute, die denken, man kann einen Schritt weniger laufen. So kriegen wir voll auf die Mütze.“ Was folgte, waren drei ordentliche Spiele mit 5 Punkten gegen die Spitzenteams VfL Wolfsburg, FC Augsburg und den FC Schalke 04. Doch der kurze Aufschwung wurde am vergangenen Samstag jäh unterbrochen, als beim 1. FSV Mainz 05 erneut eine 1:0 Führung leichtfertig verspielt wurde und die Partie mit 1:3 verloren ging. Im Mittelpunkt der Kritik nach der Partie stand Carlos Zambrano. Der Peruaner spielte – im negativen Sinne – wie aufgedreht, ging keinem Scharmützel aus dem Weg und erhielt nach 83 Minuten Abnutzungskampf seinen ersten Platzverweis im 105. Bundesligaspiel. „Carlos spielt immer an der Grenze zum Überharten. Es war klar Gelb-Rot. Das muss er in den Griff bekommen„, sprach Russ am nächsten Tag klare Worte.

Nun stellt sich allerdings die Frage: Wie weit darf ein Profi bei seiner öffentlichen Kritik gehen? Schon in der Hinrunde entbrannte eine Diskussion über den 29jährigen, als dieser gegen Eintracht-Idol Jürgen Grabowski, der zuvor die Defensivarbeit kritisiert hatte, zurückschoss und diesen despektierlich als „Voll-Experten, der 1920 Fußball gespielt hat“ titulierte. Seinen Stil möchte der Hanauer aber auch in Zukunft nicht ändern. „Wenn jemand von außen etwas sagt, mit dem ich nicht einverstanden bin, werde ich auch künftig reagieren„, sagte Russ dem Kicker am Mittwoch. Bei der Wortwahl will er zurückhaltender werden, auch „wenn das früher bei Spielern wie Matthäus oder Effenberg noch viel schlimmer gewesen ist. Die sind teilweise ausgerastet.“ Auch den Mitspielern gegenüber will sich Russ künftig mäßigen, in der Wortwahl zurücknehmen. „Ich bin nicht der Einzige auf der Welt, der aus der Emotion heraus etwas gesagt hat, was er besser runtergeschluckt hätte„, so der Defensivallrounder, der bereits das persönliche Gespräch mit Zambrano suchte. „Carlos ist keiner, der so etwas falsch versteht. Er ist so oder so unser bester Innenverteidiger. Nur fehlt er uns leider in wichtigen Spielen. Und wir haben immer noch die Chance, die europäischen Startplätze zu erreichen. Wenn Carlos dieses Verhalten weglässt, macht er in einer Saison an die 30 Spiele„, meint Russ.

Diese entschärfende Wortwahl könnten durchaus auch auf einen Austausch mit Bruno Hübner zurückzuführen sein. Der Sportdirektor ist, nach Informationen der Frankfurter Rundschau, deutlich näher an das Team herangerückt. Er zeigt Präsenz, geht auf die Spieler zu und übt vermehrt Druck aus. „Wir haben jetzt wieder vier richtungsweisende Spiele vor der Brust„, so Hübner. Neben dem Hamburger SV, den 1. FC Köln, SC Paderborn und VfB Stuttgart könnte auch noch die Partie am Ostersamstag gegen Hannover 96 dazugezählt werden. Wichtige Wochen stehen an, die darüber entscheiden, ob die Hessen einen heißen Frühling im Abstiegskampf oder eher einen freundlichen Endspurt im Mittelfeld, mit Blick nach oben, erleben werden. Vielleicht war es Hübner daher gar nicht unrecht, dass Russ deutliche Worte spricht: „Generell ist mir ein Spieler, der etwas sagt und etwas aufmerksam macht, lieber als einer, der immer still ist“, betonte der Sportdirektor, schränkte aber ein , dass Kritik am Mitspieler immer grenzwertig sei. „Allerdings erfolgte diese aus der Enttäuschung heraus. Einer Enttäuschung, die wir alle hatten.“ Der 54jährige weiß, wovon er spricht. Eine Geldstrafe für Russ werde es allerdings nicht geben. Gegen Hübner hingegen ermittelt weiterhin der DFB-Kontrollausschuss wegen dessen scharfer Kritik an Schiedsrichter Felix Brych. Ob er ohne Sanktion davonkommt, ist noch offen. Bis nächste Woche muss seine Sicht der Dinge schriftlich vorliegen. Eine Geldstrafe jedoch will er nicht akzeptieren.

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55 Kommentare

  1. Bernemer
    1.) “I hope, we have a little bit lucky.”
    (bei seiner ersten Pressekonferenz in New York)

    2.) “Das Chancenplus war ausgeglichen.”

    3.) “Ich habe gleich gemerkt, dass ist ein Druckschmerz, wenn man draufdrückt.”

    4.) “Das war ganz sicher keine Ohrfeige, ich war ja dabei.”
    (zum Trainingsdisput mit Bixente Lizarazu)

    5.) “Ey, Mädels, unser Schwarzer hat den Längsten!”
    (zur Basketballnationalmannschaft der Damen)

    6.) “Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken!”

    7.) “Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.”

    8.) “Ich hab keine Probleme mal mit Werner Lorant ein Bier zu trinken – oder auch mal ein Kaugummi zu kauen.”

    9.) “Wichtig ist, dass er nun eine klare Linie in sein Leben bringt.”
    (zum Kokaingeständnis von Christoph Daum)

    10.) “Jeder, der mich kennt und der mich reden gehört hat, weiß genau, dass ich bald englisch in sechs oder auch in vier Wochen so gut spreche und Interviews geben kann, die jeder Deutsche versteht.”

    11.) “Schiedsrichter kommt für mich nicht in Frage, schon eher etwas, das mit Fußball zu tun.”
    (auf die Frage was er nach seiner Karriere plane)

    12.) “Wir sind eine gut intrigierte Truppe.”

    13.) “Machmal spreche ich zuviel.”

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  2. Danke für den freundlichen! Hinweis Lexi.
    Er war verletzt,stimmt schon.
    Christopher ist es möglich den bisherigen Notenschnitt,in dieser Saison von Zambrano zu erfahren?
    Nur als statistischen Vergleich zu Russ und seiner Kritik an Carlos.
    Danke

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  3. @strolch: Entschuldige nochmal, dass es vielleicht etwas aggressiver rüberkam, als es gemeint war von meiner Seite aus. Werde nur bei solchen Themen etwas fuchsig und vielleicht einen Tick zu emotional ;-). Verstehe ja was du meinst, aber finde man muss bei Eigenschaften wie Intelligenz und/oder Emphatie immer ein wenig aufpassen, auch wenn man dies mit einem „ich glaube, dass dem so und so ist“ unterlegt… Aber das ist jetzt Kleinkrämerei von mir und ich verstehe deine Klarstellung voll und ganz :-).

    Nochmal zu Russ: Ich glaube, damit können wir auch dieses Thema ad acta legen :-). Sind uns da denke ich einig und das wir ihn etwas verschieden bewerten, ist auch völlig okay.

    LG
    Christopher

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