Das war's für Heribert Bruchhagen. Er übergibt ab sofort an Fredi Bobic.
Das war’s für Heribert Bruchhagen. Er übergibt ab sofort an Fredi Bobic.

Fast 13 Jahre Heribert Bruchhagen bei Eintracht Frankfurt fanden am gestrigen Dienstag ihr Ende. Der Ostwestfale kann sich jetzt auf das Leben außerhalb der operativen Geschäfte vorbereiten. Es war noch einmal eine aufregende Saison für den 67-Jährigen, der vor der Spielzeit von einem sorgenfreien Jahr, das möglicherweise sogar mit dem internationalen Geschäft gekrönt werden sollte, träumte. Wie alle inzwischen wissen, kam es anders. Die Hessen spielten bis zuletzt um den Klassenverbleib. Erst 24 Minuten vor dem Ende des Relegationsspiel beim 1. FC Nürnberg erlöste Haris Seferovic die Frankfurter – und sorgte für ein Happy End. Bruchhagen wundert sich dennoch im Gespräch mit Sport Bild: „Es ist doch eine bizarre Situation, dass, nur weil Seferovic 24 Minuten vor Spielende seinen Fuß hinhält, meine 13 Jahre bei der Eintracht völlig anders bewertet werden als bei einem 0:0. Das zeigt die Ungerechtigkeit in der zu positiven und zu negativen Bewertung im Fußball.“

Es ist nicht neu, dass im Fußball ein Akteur in einer Sekunde der Held und in der nächsten der Depp sein kann. Zu eng liegen Sieg oder Niederlage beisammen. Bruchhagen konnte sich mit dieser Schnellliebigkeit nie anfreunden und kritisierte in diesem Zuge auch den öffentlichen Umgang mit Felix Magath. Der langjährige Bundesligatrainer sei zwar erfolgreich gewesen, unter anderem gewann er zweimal das Double mit dem FC Bayern München und einmal die Meisterschaft mit dem VfL Wolfsburg, werde aktuell aber dennoch in der Öffentlichkeit sehr schlecht bewertet: „Dass man ihm schon fast die Trainer-Qualität abspricht, weil er als „old fashioned“ gilt. Das ist ein Witz. Felix ist ein Trainer der besonderen Art.“ Der Ostwestfale wünscht sich bei den Beurteilungen der Übungsleiter mehr Differenzierung: „Es kann doch nicht sein, dass Laptop-Trainer als modern bezeichnet und höher bewertet werden als er. Es kommt immer auf den Typus der Mannschaft an, ob ein Medizinball- oder ein Laptop-Trainer der richtige ist.“

Bruchhagen wird mit großer Sicherheit auch in Zukunft seine Meinung zu diversen Themen rund um die Bundesliga äußern. Er bestätigte noch einmal, dass er auch nach 28 Jahren nicht endgültig Abschied von der Bühne nehmen wird. In welcher Funktion Bruchhagen dann auftreten wird, ließ er noch offen: „Das gebe ich nach dem 1. Juli bekannt. Aber sicher bin ich nicht mehr im operativen Geschäft bei einem Verein tätig.“ Ob er dann noch so vehement um die Rechte der kleinen Vereine kämpfen wird? Bruchhagen blickt mit Sorge auf den immer größer werdenden Graben, der sich in der Bundesliga auftut und stellt eine Rechnung auf: „Die Bundesliga- Tabelle ist deshalb vorhersehbar: Addieren Sie pro Klub die Lizenzspieler-Etats der letzten sechs Jahre und teilen sie durch sechs. Und dann addieren Sie das sportliche Ranking pro Klub und teilen durch sechs. Das ergibt eine fast hundertprozentige Übereinstimmung.“

Heribert Bruchhagen wird sich auch in Zukunft zu brisanten Themen äußern.
Heribert Bruchhagen wird sich auch in Zukunft zu brisanten Themen äußern.

Auch in dieser Saison standen mit dem FC Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach auf den Rängen, auf denen sie vor der Spielzeit erwartet wurden. Einzig der VfL Wolfsburg, der die internationalen Plätze verpasste, war die sogenannte „negative“ Überraschung. Es klingt resignierend, wenn Bruchhagen sagt, dass Geld doch Tore schieße. Er öffnet sich allerdings für neue Ideen. Die Dominanz der Münchener sei so groß, dass dies der Attraktivität der Liga derart schade, dass nach Alternativmodellen gesucht werden müsse. Der ehemalige Leverkusener Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser stellte 2012 folgendes Meisterschafts-Playoffs-Modell auf: „Wenn man zu diesem Ergebnis kommt, dann muss man für mehr Spannung sorgen. Eine Möglichkeit wäre ein Halbfinale zwischen dem Tabellenersten und dem Vierten und eines zwischen dem Zweiten und Dritten. Die Gewinner spielen dann den Deutschen Meister aus.“ Bruchhagen hielt dies damals für Unsinn: „Aber heute muss man wirklich darüber nachdenken auch wenn sich die Bayern mit ihrer Lobby schwerstens dagegen wehren würden.“

Immerhin leiden die Zuschauerzahlen nicht unter dem Attraktivitätsverlust. Der ehemalige Vorstandschef der Eintracht zeigt sich überrascht, dass die Fans selbst dann noch feiern und anfeuern, wenn es schlecht laufe: „Dauer-Support nennt man das. Das ist für mich schwer vorstellbar.“ Neben dem „Wir-Gefühl“, welches beim Stadionbesuch entwickelt werde, sieht er auch die mangelnde Kompetenz der Anhänger als Grund: „Die Fachkenntnis wird immer weniger, der Event-Charakter immer mehr. Deshalb sind die Stadien weiter voll.“ Auch die „Verzwergung der Bundesliga“, die durch die vielen Abstiege der Traditionsvereine eingetreten ist, sorgte nicht für einen dramatischen Abfall der Zahlen.

Dennoch vermisst Bruchhagen die Duelle gegen Klubs wie Kaiserslautern, den Karlsruher SC oder TSV 1860 München in der Bundesliga und öffnet sich im Zuge dieser Entwicklung sogar für ein vorheriges Tabuthema: „Die eigentlich sinnvolle 50+1-Regel steht auf dem Prüfstand. Es kann nicht sein, dass Klubs in der Bundesliga spielen, die nur 150 Fans zu Auswärtsspielen mitbringen.“ Es brauche wieder mehr Rivalität, doch viele Teams hätten sich wirtschaftlich so ruiniert, dass sie nicht mehr hochkämen: „Es wird so kommen, dass sich scheibchenweise immer mehr Klubs um einen Investor bemühen – der dann trotz 50+1 Einfluss auf die Vereinspolitik nimmt, wie man auch am Beispiel Kühne beim HSV sieht.“

- Werbung -

5 Kommentare

  1. So kennen wir HB 🙂 … Erfrischend realistisch seine Ansichten. Ich hoffe, er gibt noch lange Denkanstöße an die Liga, auch wenn er selbst nicht mehr operativ tätig sein möchte. Seine Erfahrung und seine Lernfähigkeit tun der Liga einfach gut.

    0
    0
  2. DIe Idee gefällt mir . Das wird die Bayern zwar auch nicht bremsen, macht das ganze aber spannender.

    0
    0
  3. halte da gar nix von. Da spiel eine Mannschaft überragend und in den Play Offs muss sie der langen Saison mit Pokal und CL Tribut zollen und die besten Spieler fallen noch verletzt aus und schon ist die Meisterschaft am Arsch. Da wird nicht unbedingt die Mannschaft Meister, die über die ganze Saison verdient Meister ist sondern genau in diesem Moment die bessere oder glücklichere Mannschaft ist

    0
    0
  4. Absolut nicht mein Ding, sorry. Die Meisterschaft verdient man sich über die ganze Saison und nicht über die bessere Form oder schlichtes Glück in den Playoffs.
    Da bevorzuge ich andere Ansätze wie z.B. eine Gehaltsobergrenze.

    0
    0
  5. Bei allem Dank an HB für seine Leistungen für die Eintracht und die Liga bin ich schon fast froh, das Heri seine Aussagen jetzt nicht mehr im Namen der SGE an die Öffentlichkeit richtet. Wer einen Trainer stützt (aus welchen Gründen genau auch immer) der Spiele in München schon Wochen vor Anpfiff abschenkt, darf sich nicht über die Dominanz des FCB wundern. Aber da waren wir glaub ich nicht alleine.
    Was den Dauersingsang und die Ahnungslosigkeit des „Fanviehs“ angeht – seid alle froh das es so ist. Grade in Frankfurt pflegt man da einen merkwürdigen Stil. Die Kurve hätte in der letzten Saison ihren Unmut viel früher demonstrienen müssen (in anderen Vereinen geht das sehr viel schneller) – hat sie aber nicht. Und nicht weil sie keine Ahnung vom Spiel hat. Und als man sich dann pfeifend „artikuliert“ hat, war es auch wieder nicht recht. Man hätte wieder keine Ahnung! Und dann werden dadurch die „handelnden Personen“ auch noch zum Handeln gezwungen. Ja was jetzt – wie jetzt?

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -