Lukas Hradecky: Nach dem Heimsieg gegen Bayer 04 Leverkusen bedankt er sich mit bester Laune bei den Fans.
Lukas Hradecky: Nach dem Heimsieg gegen Bayer 04 Leverkusen bedankt er sich mit bester Laune bei den Fans.

Lukas Hradecky erhielt im Juli von SGE4EVER.de die Auszeichnung „Adler der Saison 2015/2016“ und weiß auch zu Beginn der neuen Spielzeit wieder mit guten Leistungen zu überzeugen. Nach dem Abgang des Publikumlieblings Kevin Trapp im vergangenen Sommer, konnte sich kaum einer im Stadtwald vorstellen, dass dieser unbekannte Finne, den Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner an den Main lotste, einen solchen Stellenwert erreichen könnte. Zu groß schienen die Fußstapfen zu sein, die Trapp hinterließ, jedoch spricht heute keiner mehr von ihm. Hradecky hat es in einem Jahr geschafft, in die Herzen der Eintracht-Fans zu fliegen und erfreut sich nicht nur wegen seiner überragenden Leistung im Kasten der SGE großer Beliebtheit. Es ist vor allem auch der Umgang mit den Menschen in Frankfurt, der ihn so besonders macht. Egal ob vor oder nach dem Training, der Finne nimmt sich immer Zeit für die Anhänger der Eintracht und hat zudem meistens ein Lächeln parat.  „Heutzutage muss man einfach offen sein, das gehört dazu; fast genauso wie die sozialen Medien. Du bist eine öffentliche Person“, begründet der Schlussmann. Er besticht durch seine offene, witzige und sympathische Art, die in Kombination mit seinen starken Leistungen auf dem Platz aus Hradecky einen echten Helden gemacht haben. Seine offen kommunizierte Vorliebe für Bier und Sauna hat schon für manchen Lacher im Umfeld der Eintracht gesorgt. Schienen seine Paraden zu Beginn noch etwas unkonventionell und wirkten seine Bewegungen wie die einer Spinne, wurde rund ums Waldstadion schnell klar, dass man in dem Finnen einen erstklassigen Keeper gewonnen hat. Ein echter Glücksgriff. Neben einer guten Strafraumbeherrschung und seiner der Stärke auf der Linie, konnte er vor allem in 1-gegen-1- Situationen oftmals für großes Staunen sorgen. Es ist beeindruckend wie oft Hradecky die Eintracht im Spiel hielt oder das Spiel mit seinen weiten Abwürfen und Abschlägen schnell machen konnte.

Bis auf seinen rabenschwarzen Tag im Frühjahr beim 0:3 in Mönchengladbach in der vergangenen Saison, sucht man vergeblich nach Schwächen oder Fehlern des Torhüters. Seinen Spitznamen „Spinne“ trägt Hradecky nicht nur wegen seiner oftmals spinnenartig wirkenden Bewegungen, sondern vor allem wegen seiner schmalen Statur. Mit einer Größe von 1,90 Metern, wiegt der Finne gerade einmal 80 Kilo. Im Gespräch mit dem kicker erklärt der Keeper sein dahinter steckendes Erfolgsrezept: „Ich werde oft gefragt, warum ich nicht kräftiger bin. In Dänemark wollten sie, dass ich mehr Muskulatur aufbaue. Aber warum eigentlich? Das macht mich langsamer. Ich mag den Kraftraum nicht. Wenn ich zum Beispiel englische Torhüter sehe, das sind solche Maschinen, aber ich finde sie langsam – selbst Joe Hart manchmal, und das ist schon der Beste. Wichtig ist, viel Stabilitätstraining zu machen.“

Ein weiterer wichtiger Faktor für seine konstant guten Leistungen, ist wohl die Mentalität des Finnen. Fehler oder Unsicherheiten kann er schnell abschütteln und sich auf das Wesentliche besinnen. Er lässt sich von Fehlern nicht nervös oder unruhig machen.  „Wenn du einen Fehler machst, muss dir das egal sein, weil du ihn nicht mehr korrigieren kannst. Man darf nicht darüber nachdenken, dass fünf Millionen Leute im Fernsehen zuschauen. Fußball ist auch Spaß, und manchmal passiert eben etwas, was nicht passieren sollte. Das gehört dazu, man muss es akzeptieren, das Positive sehen und das Negative wegschieben“, berichtet der Publikumsliebling. Aber woher kommt diese positive Grundeinstellung des Finnen? Insbesondere weil man Finnen in der Regel nachsagt, dass sie kühl und reserviert seien?

Vielleicht liegt es an seinen slowakischen Wurzeln, denn der 26-Jährige ist in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei, geboren worden. Noch heute leben Hradeckys Großeltern in der Slowakei und ihr Enkel besucht sie regelmäßig. Sein Vater, damals Profi-Volleyballer, wechselte zu einem Verein nach Finnland, als der Keeper ein Jahr alt war. Trotz der frühen Auswanderung erinnert sich der Schlussmann noch heute an seine anfänglichen Schwierigkeiten, die er durch die Sprachbarriere im Kindergarten hatte. „Slowakisch war die erste Sprache, Finnisch habe ich eigentlich erst in der Schule gelernt. Ich kann mich noch an die Zeit im Kindergarten erinnern, als ich in der Ecke stand und darauf gewartet habe, dass der Tag vorbeigeht und mich meine Mutter abholt“, plauderte Hradecky gegenüber dem kicker aus dem Nähkästchen. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, dass der Finne heute ein wahres Sprachtalent ist. Neben Slowakisch und Finnisch, spricht der Torhüter auch fließend Englisch, Schwedisch, Dänisch und eben Deutsch. Mit ein paar Erinnerungen an seine Schulzeit versuchte er bereits bei seiner Vorstellung im vergangenen Sommer die ersten deutschen Antworten zu geben. Heute führt Hradecky die Interviews souverän auf Deutsch und verhilft sich nur selten mit englischen Begriffen.

Auch seine jüngeren Brüder Tomas (23) und Matej (21) sind heute Fußballprofis. Tomas spielt als defensiver Mittelfeldspieler in der tschechischen ersten Liga bei Bohemians Prag und Matej, ebenfalls Sechser, beim finnischen Erstligisten SJK Seinäjoki. Seine Mutter, die also mit vier sportbegeisterten Jungs viel zu tun hat, ist laut des Keepers die Seriöse im Hause Hradecky: „Ich sage immer, dass meine Mutter vier Jungen hat, auf die sie aufpassen muss. Wenn wir zusammen sind, lachen wir. Das gehört bei uns einfach dazu. Meine Mutter ist der seriöse Typ in unserer Familie, jemand muss das schließlich sein … Aber sie hat Verständnis für Humor“. Ohnehin sind seine Eltern für ihn die größten Förderer und sein Vater fungiert heute als Berater der Söhne.

Lukas Hradecky: Konnte sich auch gegen Bayer 04 Leverkusen im 1-gegen-1 auszeichnen.
Lukas Hradecky: Konnte sich auch gegen Bayer 04 Leverkusen im 1-gegen-1 auszeichnen.

Der Schlussmann hat in seiner Kindheit, die er in der 186.000 Einwohner großen Stadt an der Südwestküste Finnlands verbrachte, neben Fußball auch sein Glück im Eishockey und Tennis versucht, jedoch habe ihn „irgendetwas immer auf den Rasen zurückgeführt“. Während der Finne zunächst vor Ort beim Klub Turun Palloseura seine fußballerische Laufbahn begonnen hat, merkte Hradecky durch seinen ersten Akademievertrag, der ihm sein monatliches Taschengeld um etwa 170 Euro erhöhte, dass er Fußballprofi werden möchte. Dies Gelang ihm mit 19 Jahren im Jahr 2009, denn er wechselte zum dänischen Erstligisten Esbjerg fB. Den weiteren Verlauf seiner Karriere beschreibt der Keeper wie folgt: „Dort habe ich meinen ersten Profivertag unterschrieben. Ich war zunächst zwei Jahre die Nummer 2, nach dem Abstieg 2011 fing ich an zu spielen und wurde Stammtorhüter. Wir sind direkt wieder aufgestiegen und haben 2013 den Pokal gewonnen. Anschließend lief mein Vertrag aus, und Bröndby machte mir das beste Angebot.“ In Kopenhagen reift der Finne weiter und wird auch zum Stammtorhüter der finnischen Nationalmannschaft.

Diese Entwicklung entging der Eintracht nicht und man schickte nach erster Sichtung von Videos, einen Scout für 1 Woche zur Beobachtung nach Kopenhagen. Eintracht-Torwarttrainer Manfred „Moppes“ Petz erinnert sich noch heute an die Begutachtung der ersten Videos des Finnen: „Schon auf den Videos fiel auf, dass Lukas den Mut hat, die hohen Bälle mit seiner Größe und den langen Arme zu fangen, und dabei auch weiter rauszugehen als andere Torhüter. Man konnte erkennen, dass er Ruhe ausstrahlt und auch mit den Füßen klarkam.“ Die als Ablöse gezahlten 2 Millionen Euro haben sich rückblickend mehr als rentiert. Der Torhüter der Eintracht genießt auch heute noch großes Ansehen in seinem Heimatland und wird dort genau verfolgt, da es bis heute nicht allzu viele Finnen ins deutsche Oberhaus geschafft haben. Hradecky, der Strahlemann, hat weiter ambitionierte Ziele, die er hoffentlich noch lange bei der SGE verfolgen wird: „In der Europa League oder der Champions League zu spielen ist ein Traum. Ob der mit der Eintracht erreichbar ist, weiß ich nicht. Aber Frankfurt war schon mal in der Europa League. Zufrieden wäre ich, wenn ich noch zehn Jahre in der Bundesliga spielen könnte. Ich habe einen Traumberuf, das muss ich schätzen.“ Wenn der Schlussmann weiterhin so manche Partie mit seinen Paraden zugunsten der Eintracht entscheidet, könnte dieser Traum vielleicht schon bald hier in Frankfurt Wirklichkeit werden. Es darf zumindest geträumt werden – das liegt schließlich im Frankfurter Naturell.

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4 Kommentare

  1. Solider, bodenständiger, guter Junge, der sachlich und mit einer gewissen Portion Humor und Selbstkritik seinen Job erledigt!
    Der Rückhalt den man braucht!

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  2. Da haben wir uns einfach mal einen Supertypen geangelt. Gehört für mich jetzt schon zum emotionalen und sportlichen Gerüst der Eintracht.

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  3. Mit einer Größe von 1,90 Metern, wiegt der Finne gerade einmal 80 Kilo. Im Gespräch mit dem kicker erklärt der Keeper sein dahinter steckendes Erfolgsrezept: „Ich werde oft gefragt, warum ich nicht kräftiger bin. In Dänemark wollten sie, dass ich mehr Muskulatur aufbaue. Aber warum eigentlich? Das macht mich langsamer. Ich mag den Kraftraum nicht. Wenn ich zum Beispiel englische Torhüter sehe, das sind solche Maschinen, aber ich finde sie langsam – selbst Joe Hart manchmal, und das ist schon der Beste. Wichtig ist, viel Stabilitätstraining zu machen.“

    Nunja, dafür muss er nicht nach England schauen. Auch die meisten dt. Torhüter haben ordentlich Muskelmasse aufgebaut. Das sich dies nicht immer zum Nachteil auswirken muss sieht man bspw. an Manuel Neuer. Der ist eine ordentliche „Kante“ und nicht unbedingt als langsam zu bezeichnen.

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