Nimmt dem Sport die Emotionen und für mehr Fairness sorgt er auch nicht: Der umstrittene Videobeweis. (Foto: IMAGO / Revierfoto)

Seit fünf Jahren treibt der Videoschiedsrichter nun mehr oder weniger sein Unwesen in der Fußball-Bundesliga und ist, gerade bei Eintracht-Fans derzeit in aller Munde.

Es war kein gutes Fußballspiel, dass die Eintracht gegen Hertha BSC absolvierte. Sicherlich, sechs Tore, wie gegen die Bayern, fing man nicht – die Defensive sah schon viel besser aus. Offensiv hingegen jedoch lieferten die Hessen in Berlin kein wirkliches Feuerwerk ab. Der 1:1-Ausgleich durch Daichi Kamada nach toller Vorarbeit von Neuzugang Randal Kolo Muani war jedoch mehr als verdient. Die 88. Minute kam und Eintracht-Stürmer Rafael Borré wurde von Hertha-Keeper Oliver Christensen zu Fall gebracht – Im Strafraum. Frank Willenborg zeigte auf den Punkt. Eine vertretbare Entscheidung, denn Christensen traf Borré am Knöchel. Dieser nahm den Kontakt dankbar an und fiel. Doch dann meldete sich der Videoschiedsrichter und nach minutenlangem Konsultieren der Videobilder nahm Willenborg den Elfmeter zurück. Das Spiel endete 1:1 Unentschieden. Der VAR darf eingreifen wenn eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des leitenden Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Die Frage muss zwangsläufig erlaubt sein: Kann eine Fehlentscheidung offensichtlich falsch sein, wenn Willenborg minutenlang Videobilder anschaut? Ich denke nicht. Der Kontakt am Fuß war da und Borré fiel – ein klarer Elfmeter und eine Situation, bei der der VAR, meiner Meinung nach, nicht hätte eingreifen dürfen.

„Man kann ja mal Pech haben, also Schwamm drüber“ dachte ich mir. Dann kam das nächste Ligaspiel gegen den 1. FC Köln.

Nach einer schwachen ersten Halbzeit steigerten sich die hessischen Hausherren und ließen Köln kaum Luft zum Atmen. Nach Kamadas Freistoß gingen die Frankfurter dann auch verdient mit 1:0 in Führung. Wie aus dem Nichts und mit viel Glück traf dann Jan Thielmann aus knapp 20 Metern per Kunstschuss in das linke untere Eck und erzielte den Ausgleich. Ein Tor, das so nicht hätte zählen dürfen, denn der Kölner Florian Dietz stand beim Schuss seines Kollegen im Abseits und der Sichtlinie von Frankfurt-Torhüter Kevin Trapp. Der Videoschiedsrichter meldete sich, das Tor wurde geprüft und schließlich gegeben. Die TV-Bilder zeigten eindeutig, dass Dietz das Sichtfeld des Keepers einschränkte und auch Trapp zeigte sich nach dem Spiel erbost vor den Mikrofonen der Journalisten:  „Ich reagiere ja gar nicht. Wenn einer von Köln vor mir steht, dann ist das Abseits. Ich sehe den Ball nicht. Da verstehe ich nicht, wieso man das nicht einfach rigoros abpfeift. Jedes Wochenende haben wir Diskussionen über diese scheiß Abseitstore. Entschuldigung für meine Wortwahl. Es ist einfach Wahnsinn. Er kann mich ja auch einfach fragen, ob der Ball für mich verdeckt war. Jedes Wochenende haben wir Diskussionen wegen dem Videoschiedsrichter. Letzte Woche bekommen wir den Elfmeter zurückgenommen, gestern in Berlin wird ein klarer Elfmeter nicht gegeben und heute wird das Tor nicht zurückgenommen. Ich verstehe es wirklich nicht mehr. Und jedes Wochenende stehe ich hier und muss über Schiedsrichter-Entscheidungen diskutieren, was eigentlich gar nicht meine Aufgabe ist. Es geht um den Fußball, aber das ist ein klares Abseits.“

Selbst Köln-Trainer Steffen Baumgart gab bei DAZN nach dem Spiel zu, dass man sich aus Kölner Sicht nicht hätte beschweren dürfen, wenn das Tor zurückgenommen worden wäre. Da gerät man dann doch irgendwann ins Zweifeln – und das ist noch sehr diplomatisch ausgedrückt.

Eine Situation, zwei unterschiedliche Entscheidungen

Eine vergleichbare Situation ereignete sich in der Woche vorher beim Spiel zwischen Köln und Schalke 04. Der Ex-Frankfurter Rodrigo Zalazar schoss Schalke sehenswert nach einem Eckball in Front. Zalazars Kollege Maya Yoshida stand dabei allerdings im Sichtfeld von Köln-Keeper Marvin Schwäbe. Der VAR meldete sich zu Wort und das Tor wurde aberkannt. Eine richtige Entscheidung. Aber wie kann es sein, dass innerhalb von zwei Wochen ein und die selbe Situation von der Institution „Video-Assistant-Referee“ unterschiedlich bewertet wird? Wie soll denn so eine Fairness gewährleistet werden?

Die Frankfurter Eintracht ist jetzt zweimal sehr strittig vom Videoschiedsrichter benachteiligt worden. Mal angenommen, der Strafstoß gegen Berlin wäre verwandelt und das Spiel dadurch gewonnen worden, wären das zwei Punkte mehr gewesen. Wäre dann noch richtigerweise der Ausgleich durch Köln aberkannt worden, wären das in der Summe vier Punkte mehr auf dem Konto der Eintracht. Damit sähe die Situation am Main in der Tabelle ganz anders aus. Die Hessen stünden zwischen Platz fünf und sieben. Wäre das verdient gewesen und kann man das nur auf den VAR schieben? Jein. Mit einer besseren Leistung hätten die Frankfurter diese Spiele auch ohne Einflüsse durch den Kölner Keller gewinnen können. Aber: Sind es nicht genau solche „dreckigen“ Siege, die gerade in einer Findungsphase einer Mannschaft so wie derzeit für Selbstvertrauen sorgen? Sind es nicht genau solche Siege, die am Ende der Saison so wichtige Punkte bringen? Spielglück hin- oder her: Wenn der Videoschiedsrichter so bleibt, wie er derzeit ist, dann ist er keine Hilfe und sollte nach fünf leidigen Jahren wieder abgeschafft werden.

Die Idee ist gut, die Umsetzung aber häufig so dermaßen schlecht, dass das System sich selbst ad absurdum führt.

Autor Folke Müller

Folke Müller kommt aus einem Elternhaus, in dem Fußball eigentlich absolut keine Rolle spielt. Dennoch fand er seine Liebe zur Eintracht im Alter von acht Jahren. Seitdem entgeht ihm kein Spiel mehr. Erst als langjähriger Leser von SGE4EVER.de auf der Seite unterwegs, ist er seit März 2019 als Redakteur tätig. Neben der Eintracht ist seine andere große Leidenschaft die Musik, der er sich von Kindesbeinen an verschrieben hat.

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52 Kommentare

  1. Challenge, wie beim Tennis…
    Zumindest würden die Clubs entscheiden, was unter die Lupe gelegt wird, zumindest wäre man hier nicht mehr der Willkür des Kölner Kellers ausgeliefert.
    Allerdings, die graue Eminenz des FIFA-Regelkomitees tut sich äußerst schwer,
    Dritte in die Entscheidungsgewalt auf
    dem Platz eingreifen zu lassen.
    Bei der (sinnvollen) Einführung des Hawk-Eye gingen die Regelmacher schon an ihre Grenzen.
    Solange Menschen noch Entscheidungen treffen (und nicht Roboter), gibt es Fehlbewertungen, das sollten wir akzeptieren.
    Wenn jedoch trotz modernster Technik
    strittige Szenen entweder ausgeblendet, oder unterschiedlich, falsch bewertet werden, macht es der höhere Aufwand nicht besser, aber unverständlicher.
    Da fällt es leichter, nach situativem Meckern, für eine als Benachteiligung wahrgenommene Entscheidung des Schiris auf dem Platz, schon bald Verständnis aufzubringen, für eine innerhalb von Sekunden getroffene Entscheidung, ohne den VAR.
    Das würde den Fussball wieder etwas menschlicher, charmanter machen.
    Natürlich gibt es auch, mitunter nachvollziehbare Argumente, aber der Status Quo ist ärgerlich, unbefriedigend.

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  2. Meiner Meinung nach würde etwas bringen, wenn es im Keller drei unabhängig voneinander entscheidende Schiris gibt. Strittige Szene, zwei buzzern, also Abseits. Einer buzzert, kein Abseits und das mit Fouls und sonstigen Entscheidungen. Kein Ansehen mehr am Spielfeldrand (gerne über den Würfel), Info ans Headset oder Uhr -> Entscheidung gefallen, fertig. Kein minutenlanges Ansehen.

    Wieso sieht man den VAR offenbar als Demütigung des Feldschiris?! Wann man es als Assistent sieht, ist doch alles ok. Der Feldschiri hört ja auch selbstverständlich auf seine Assistenten an der Linie, wenn die z.B. eine Tätlichkeit gesehen haben… Die Assistenten an den Linien kann man sich sparen, sollte die Abseitstechnik funktionieren. Die können dann o.g. 3er Runde auffüllen.

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