Charly Körbel ist Rekordspieler der Bundesliga.

602 Bundesliga-Spiele machte Karl-Heinz „Charly“ Körbel für die Frankfurter Eintracht – ein Rekord, der bis heute in den Geschichtsbüchern steht. Bald feiert der „treue Charly“ ein Jubiläum, denn am 14.10.1972 absolvierte er als 17-Jähriger sein erstes Bundesligaspiel, standesgemäß ein 2:1-Sieg der Hessen gegen Bayern München. Im „Kicker“ blickte er jetzt auf seine Karriere, die Zeit nach der aktiven Laufbahn zurück.

Dabei erinnert er sich noch ganz genau an sein erstes Spiel und eine Kuriosität: „Ich stand ursprünglich gar nicht im Kader fürs Abschlusstraining am Freitag. Also bin ich am Donnerstagabend mit dem Zug heim nach Dossenheim gefahren und dann mit meinen Kumpels durch die Heidelberger Altstadt gezogen. Ich hatte ehrlich gesagt gar kein Interesse daran, am Samstag zum Spiel zu gehen.“ Nachdem sich Friedel Lutz im Abschlusstraining die Achillessehne gerissen hatte, kam einiges anders: „Also sagte unser Trainer Erich Ribbeck: Der Charly Körbel muss her. Allerdings musste mich Geschäftsführer Jürgen Gerhardt mit mehreren Leuten erst mal suchen. Es gab ja noch kein Handy – und meine Mutter wusste auch nicht, wo ich war. Erst nach Stunden haben sie mich in Dossenheim gefunden.“ Auch die Entscheidung, ob er damals spielte, war nach heutigen Maßstäben kurios: „Nach dem Abendessen fragte mich Ribbeck dann: „Traust du dir zu, morgen gegen Gerd Müller zu spielen?“ Ich sagte: „Warum nicht?“ Und er dann nur noch: „Okay, dann spielst du morgen gegen Gerd.“ – Feierabend, das war das ganze Gespräch.“

Mit 17 gegen Weltstars

Besonders nervös sei er damals nicht gewesen, auch weil er trotz seiner 17 Jahre schon einiges an Erfahrung gesammelt hatte, unter anderem durch fast 40 Jugend-Länderspiele: „Deshalb hatte ich eigentlich vor nichts Angst. Zudem war mir klar: Gegen Gerd Müller hatte ich ja nichts zu verlieren. Erst am Spieltag selbst wurde mir etwas mulmig, als ich alle erstmals aus der Nähe sah: Maier, Beckenbauer, Müller. Stars, von denen ich bis vor Kurzem Autogramme gesammelt hatte.“ Er sehe auch noch heute einen Vorteil darin, dass er Fan von Müller gewesen sei und ihn genau beobachtet hatte. Auch dadurch habe er gegen Müller immer gut ausgesehen. „Im Gegensatz übrigens zu Klaus Fischer, der mich ein paar Mal schön auseinandergenommen hat“, so Körbel. Auch mit Uwe Seeler habe er eine besondere Beziehung gehabt, denn bei einem Probetraining beim Hamburger SV habe er gegen den damaligen Nationalspieler gespielt. Anschließend habe er den Hamburgern die Zusage gegeben und sich erst nach einem Treffen mit seinen damaligen Mannschaftskameraden beim FC Dossenheim umstimmen lassen, wie der 67-Jährige erklärt: „Wir waren gerade in die A-Jugend- Badenliga aufgestiegen, und die Jungs sagten: Wenn du uns jetzt im Stich lässt, haben wir keine Chance. Das imponierte mir so, dass ich meine Zusage zurücknahm. Die wussten damals schon, welche Knöpfe man bei mir drücken muss (lächelt).“ Dies habe Seeler imponiert: „Ich glaube, im Grunde hatte gerade er Verständnis dafür, wenn jemand auf sein Herz hört. Er sagte schließlich auch zu mir: „Charly, du darfst nie vergessen, wo du herkommst. Deine Freude, deine Leidenschaft sind am wichtigsten, lass dich nie verbiegen!“ Diese Werte hat Uwe immer verkörpert, genau wie Gerd Müller und Fritz Walter, den ich mit 17 auf der Weihnachtsfeier der Schlappekicker in Frankfurt erstmals getroffen habe.“ 

Der Weg zur Frankfurter Eintracht führt dann auch über seinen Vater, der, beeinflusst vom 1960er Landesmeister-Endspiel gegen Real Madrid, Eintracht-Fan gewesen sei. Auch hier gibt es eine durchaus lustige Geschichte: „Ich war aber als Junge nur ein einziges Mal mit ihm im Stadion: Beim 0:7 gegen den Karlsruher SC in der Saison 64/65. Danach habe ich gesagt: Zu so einem Klub würde ich nie gehen.Mit dem Spruch wurde ich dann jahrzehntelang aufgezogen (lacht).“ Nachdem er dann einigen Klubs abgesagt hatte, unter anderem dem VfB Stuttgart und dem FC Bayern, führte sein Weg doch in die Mainstadt: „Die Eintracht kam zwei Jahre später zum passenderen Zeitpunkt. Wolfgang Kraus, mein Mitspieler in der Jugendnationalelf, hatte die Idee platziert. Dann kam Jürgen Gerhardt zu uns nach Hause, mit einem Riesenblumenstrauß für meine Mutter. Die ist heute 87 und sagt immer noch: „So ein netter junger Mann …“ Sie mochte den Geschäftsführer sofort, damit waren die Weichen gestellt.“ Ihm sei damals eine Sache wichtig gewesen, wie er verriet: „Ich wollte keinen Profivertrag. Damals gab es ja noch keine Ein- und Auswechslungen, und mir war klar, dass ich auf Anhieb noch keine Chance in der Startelf hatte. So konnte ich oben trainieren, aber auch für die Amateure spielen.“

Mehr Vereinstreue als Wunsch

Damit begann für den Abwehrmann eine Zeit von rund 19 Jahren bei der Eintracht – nach heutigen Verhältnissen scheint das unvorstellbar. „Ich würde mir wünschen, dass auch heute noch mehr Spieler den wahnsinnigen Verlockungen widerstehen“, erklärt Körbel, der betonte, dass er auch bei ihm das ein oder andere Angebot gab: „Im Bus der Nationalmannschaft sagten Paul Breitner und Uli Hoeneß, als er noch Spieler war: „Dich holen wir zu Bayern München.“ Meine Antwort: „Ihr kriegt mich nie!“ Später gab es eine Verabredung unter den Bundesligisten, dass jeder zwei Spieler benennen durfte, die kein anderer Klub ansprechen durfte. Auf Eintrachts Liste standen immer Jürgen Grabowski und ich. Daran haben sich alle gehalten, heute undenkbar.“

Richtige Probleme gab es eigentlich kaum für Körbel, 1983 stand er trotzdem kurz vor einem Wechsel: „Es gab intern Ärger, typisch Eintracht eben. Als Bruno Pezzey nach Bremen ging und Bum-Kun Cha nach Leverkusen sowie die Diskussion um die Bauherrenmodelle entbrannte, habe ich gekündigt. Ich flog aber noch mit der Eintracht in die USA. In Disney World sagte Pezzey: „Ich rufe jetzt Otto Rehhagel an, du gehst mit nach Bremen …“ Bruno war mein Freund, Frankfurts erster Weltstar. Wir hatten so viel Spaß. Dann brach alles auseinander.“ Schlussendlich habe Trainer Branko Zebec den Ausschlag gegeben, dass er doch blieb. Er sagte zu Körbel, dass eine neue Mannschaft aufgebaut werde und er als Kapitän eingeplant sei: „Ich bekam ein schlechtes Gewissen, wollte die Mannschaft nicht im Stich lassen. Zebec drückte auf die Tränendrüse und sagte auch noch: „Du bist einer wie Franz Beckenbauer“ – mit dem er ja zusammengearbeitet hatte. Ich hatte einen Riesenrespekt vor Zebec und seiner Vita. Und auch er wusste eben, welche Knöpfe er drücken muss.“

So ging die Reise mit der Eintracht weiter. Diese geht bis heute, denn Körbel ist heute unter anderem Botschafter, Berater des Vorstands und Leiter der Fußballschule bei der Eintracht. Dabei verriet er, dass er derzeit gerne noch einmal Spieler sei: „Ich hatte zwar das Glück, viele Spiele zu machen im UEFA-Cup oder Pokalsieger-Wettbewerb. Aber ich gebe ehrlich zu: Etwas wie die Champions League hätte ich gerne mitgemacht.“ Hier habe er bei der Auslosung der Gruppenphase der „Königsklasse“ einige schöne Momente erlebt, wo er gemerkt habe, dass er „alles richtig gemacht“ habe. „Total überrascht war ich, als der Präsident von Paris Saint-Germain, Nasser Ghanim Al-Khelaifi, mit seinen fünf Leibwächtern kam und mir die Hand gab. Am nächsten Tag erzählte ich Kevin Trapp: „Du, dein ehemaliger Chef hat mich begrüßt.“ Kevin meinte: „Klar, der kennt dich. Der beschäftigt sich sehr mit Fußball.“ Ich habe auch Luis Figo getroffen oder UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. Auch der weiß, dass ich der Bundesliga-Rekordspieler bin“, erinnert er sich.

Champions League als Krönung der Entwicklung

Die Champions League wird von vielen als Spitze der SGE-Entwicklung gesehen, als das Größte der jüngeren Eintracht-Geschichte. Auch Körbel ist begeistert von der Entwicklung rund um seinen Herzensverein: „Toll, was da gewachsen ist mit der Champions League als Höhepunkt! Wenn sich das ein Verein verdient hat, dann doch die Eintracht.“ 

Dabei hatten viele nach dem Abgang von Fredi Bobic und Adi Hütter vor der vergangenen Saison einen Einbruch erwartet. Körbel erklärte, dass die beiden und auch Niko Kovac „super Arbeit geleistet“ haben, er aber auch derzeit sehr zufrieden sei: „Jetzt machen es Oliver Glasner und Markus Krösche ebenfalls sehr gut. Axel Hellmann und Oliver Frankenbach sind die Konstanten im Vorstand, die dem Gebilde Stabilität geben. Da ist viel Vertrauen gewachsen. Und man darf auch den Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats nicht vergessen: Wolfgang Steubing hatte enorme Verdienste, Philip Holzer setzt die Arbeit auf seine Weise sehr geschickt und produktiv fort.“ Vor allem Sportvorstand Krösche sei eine „große positive Ãœberraschung, ich habe ihn ja jetzt erst richtig kennengelernt.“ 

Sein eigener Rekord schien lange Zeit unerreichbar zu sein. Jetzt könnte ihm ein Spiler aber nahe kommen: Sollte Bayern-Keeper Manuel Neuer bis 40 spielen, könnte dieser Rekord bröckeln, denn der Torwart steht mit seinen 36 Jahren derzeit bei 480 Spielen. Für Körbel wäre dies kein Problem, denn er habe hier eine kleine Einschränkung: „Ich würde ihn dazu beglückwünschen, Manuel ist ein außergewöhnlicher Spieler. Dennoch ist klar: Er wird nie das Privileg besitzen, diese Zahl von Spielen nur für einen Verein gemacht zu haben.“

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8 Kommentare

  1. Ein toller Artikel. Charly, wie er ist und so lieben wir ihn.
    Offen, ehrlich, anständig, Vorbild und Idol zugleich.
    Typen, wie er, einzigartig. Der Fussball leidet an dem Aussterbem dieser Spezies.
    Orientierung und Identität sind neu geordnet worden. Der persönliche Erfolg eines Spielers steht über dem Erfolg der Mannschaft. Ziel von Spielern ist „den nächsten Schritt zu machen“, eine „neue Kultur kennenzulernen“. Der nächste Schritt ist dann das höhere Einkommen und die neue Kultur mitunter das Ankommen in einer Abgehobenheit, Entfernung vom Fan, Fussballliebhaber.
    Bierhoff und die Nationalmannschaft nach der WM 2014 sind hierfür ein negatives Beispiel. So einfach mal den Friseur einfliegen lassen, bis morgens an der Playstation daddeln und dann ein grottenschlechtes internationales Turnier abliefern.
    Diese Spieler „verdienen“ heute ein unverschämt hohes Geld, aber eines werden sie nie…
    Legenden, wie Charly.
    Alles Gute Charly. Du bleibst, wie Du bist,
    unser treuer Charly.

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  2. Tolle Geschichten und Worte von einem noch tolleren Menschen, der sein riesiges Herz am rechten Fleck trägt.

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  3. Sehr schöne Zusammenfassung. Ich würde Neuer auch wegen der Position gesondert werten. Auf dem Feld ist nochmal eine andere Kraft gefragt, als im Kasten.

    Gruß SCOPE

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  4. Ein wirklich toller Mensch und immer nett und höflich geworden. Ich hatte mal das Glück ihn kennenzulernen, als ich im Waldstadion ein Interview hatte.
    Als er gesehen hat, dass ich den Raum suche, kam er sofort, hat sich ein paar Minuten mit mir unterhalten und mich dann zum Raum geführt.

    @frankfurter jung:
    Du hast komplett recht. Aber die heutigen Spieler sind eben auch ein Produkt unserer Zeit und der Gesellschaft. Vor 50 Jahren sind viele ihr Leben lang in ihrer Stadt oder ihrem Dorf geblieben und haben irgendwann das Geschäft der Eltern übernommen. Das ist heute kaum denkbar. Das Leben von vielen Menschen ist darauf ausgelegt, später viel Geld zu verdienen. Die Schule formt nicht mündige Bürger, sondern Arbeitskräfte für den Markt.

    Spieler aus aller Welt werden mit Versprechungen geködert, verlassen ihre Familie und ihr Zuhause. Selbst in Deutschland wird man immer früher in Internate geholt, wo dann die komplette Bildung darauf ausgelegt ist, Profifußballer zu werden.
    Die wenigen, die es dann wirklich schaffen, werden glattgebügelt und von PR-Beratern geschult, damit sie bloß nichts sagen, was falsch verstanden werden kann.
    Ãœbrig bleibt dann wenig von den Menschen, sondern hochprofessionalisierte Marken.

    Und auch in der Jugend gibt es einen Shift. Die meisten erwachsenen Fans haben einen Bezug zu ihrem Verein. Spieler kommen und gehen, wir lieben die Eintracht. Viele Kids sind heute Fans von Spielern (bzw. von der Marke, die sich über die Medien gezeigt bekommen). Wechselt der Spieler zu einem anderen Verein, dann wechselt (emotional) der Fan mit.
    Diese Entwicklung (weniger Bezug zur „Heimat“, und das meine ich nicht völkisch, und damit auch zum Heimatverein) wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verstärken. Vereine werden immer stärker Spieler nicht mehr unter sportlichen Gesichtspunkten verpflichten, sondern aufgrund der Tatsache, dass man sie gut vermarkten kann. Vereinzelt sieht man das ja schon heute.

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  5. @eldelabeha
    Danke, du hast realistisch die gesellschaftlichen Veränderungen beschrieben, auch im Fußball wird dies gespiegelt. Schöne Begebenheit, die du mit Charly hattest, so ganz ohne Fussballromantik sind wir dann doch nicht.
    Wir in Frankfurt hatten schon Glück mit einigen Spielern, die echte Adler geworden und auch geblieben sind.
    Nur noch -stellvertretend- zwei weitere unsterbliche Eintrachtler:
    Alex Meier und der Jürgen.
    Grüsse an alle Adler und bleibt gesund.
    Der Countdown für morgen läuft…

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  6. Charly ist einfach eine Eintracht Legende und ein großartiger Mensch.
    Ich bin dafür die Nummer 4 künftig nicht mehr zu vergeben und sein Trikot unterm Dach des Waldstadions aufzuhängen. Neben dem von Grabi ….

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