Die U21 der Frankfurter Eintracht taumelt in Richtung Abstieg in die fünftklassige Hessenliga. Vier Spieltage vor dem Ende der Regionalliga-Saison steht die SGE auf dem vorletzten Tabellenplatz und hat damit den Klassenerhalt nicht mehr selbst in der eigenen Hand. Trotz der vielen Tiefen stach aber vor allem einer in den Reihen der Jungadler besonders positiv hervor: Kaan Inanoğlu ist bei den Hessen die absolute Lebensversicherung im Angriff. Der Sommer-Neuzugang vom MSV Duisburg kommt bisher auf 14 Treffer und drei Vorlagen in 30 Einsätzen. Im Interview mit Absolut Fußball, dem Fußballportal von Home of Sports, spricht der 19-Jährige über seine Jugend in den USA, den frühen Wechsel nach Deutschland und der Sehnsucht nach der Bundesliga.
„Ich hatte schon früh den Traum, nach Europa zu kommen und die Länder zu erkunden, in denen die Qualität des Fußballs nochmal eine ganz andere ist als in den USA“, erinnert sich Kaan Inanoğlu. Der türkische Junioren-Nationalspieler wurde in Dallas geboren und verbrachte seine gesamte Kindheit in den Vereinigten Staaten. Schon in frühster Kindheit machte sich Inanoğlu, dessen gesamte Familie aus der Türkei stammt, bei den Dallas Texans einen Namen. Erstmals deutsche Luft schnupperte der Stürmer bei einer Stippvisite in Bad Aibling. „Dort gibt es das DFI, das Deutsche Fußball-Internat. Wir waren eine Gruppe amerikanischer Jugendlicher und bekamen dort einige Monate die Möglichkeit, die Kultur, deutsche Trainer, das Essen und Leben kennenzulernen. Ich habe einen Vorgeschmack bekommen, was mich in Deutschland erwartet. Das waren sehr wertvolle Erfahrungen für mich.“ Einfach war die Zeit für den damals gerade einmal 15-Jährigen nicht. Bereut hat er diese Entscheidung aber nie: „Ich habe damals meine Freunde, meine Schule und meine Familie verlassen. Aber wenn ich zurückblicke und darüber nachdenke, dann war es der absolut richtige Schritt. Ich spiele jetzt bei der Eintracht und mache genau das, was ich vor drei Jahren geplant hatte. Daher blicke ich zufrieden auf meine damalige Entscheidung zurück.“
Ruhrgebiet statt Princeton
Nach einer einjährigen Rückkehr in die USA zu den Boston Bolts ging der Blick des ehrgeizigen Talents aber schon wieder Richtung Deutschland, genauer gesagt nach Duisburg. „Ein entfernter Verwandter, Sercan Güvenisik, der heute auch Mentor und Vertrauensperson für mich ist, spielte einst beim MSV Duisburg. Wir stehen uns sehr nahe und ich wollte unbedingt den Schritt in den europäischen Fußball wagen. Da ich keinen europäischen Pass hatte, musste ich warten, bis ich 18 Jahre alt war. Ich fühlte mich aber bereit dazu, nach Deutschland zu wechseln. Mein Onkel, wie ich Sercan nenne, kannte die Verantwortlichen in Duisburg, was mir sehr geholfen hat.“ Und so ging es für Inanoğlu ins Ruhrgebiet, obwohl er ursprünglich der Princeton University zugesagt hatte. Beim MSV spielte er zunächst in der U19. „Natürlich gab es Herausforderungen, die ich bewältigen musste. Ich war in meiner eigenen Wohnung auf mich alleine gestellt. Dabei habe ich gelernt, wie ich mein Leben Schritt für Schritt in geordnete Bahnen lenke. Ich musste kochen, mich um den Haushalt kümmern und für mich selbst sorgen. Zu Beginn musste ich noch auf mein Visum warten. Als ich es endlich hatte, konnte ich mich auf dem Feld zeigen. Ich habe mich im Training angestrengt und viele Sachen gelernt. Die Trainer haben genau hingeschaut und gesehen, dass ich Tore schießen kann. Alle im Verein haben mir sehr geholfen.“ Und so dauerte es auch nicht lange bis der Stürmer auf seine ersten Einsätze für die türkische Junioren-Nationalmannschaft und die Profimannschaft des MSV in der dritten Liga kam: „Es war das erste Mal, dass ich im Männerfußball gespielt habe. Das war ein harter Wettbewerb. Aber es war genau das, was ich wollte. Für diese Erfahrung werde ich dem Klub immer dankbar sein. Ich durfte mit 18 Jahren vor 20.000 Fans spielen und genau das tun, was ich liebe. Das war ein unglaubliches Gefühl.“
Übernachtungsparty mit Elias Baum
Die Leistungen des Sturm-Juwels blieben natürlich auch anderen Vereinen nicht verborgen. Die Eintracht trat deshalb schon früh mit Inanoğlu in Kontakt. „Ich habe in Duisburg gute Leistungen gezeigt. Der MSV stand zwar auf einem Abstiegsplatz, dennoch war für mich auch der Verbleib in Duisburg eine Option. Trotzdem überlegt man natürlich, wie die nächsten Schritte aussehen. Als Sercan mich über den Anruf der Eintracht informierte, hat mich das positiv überrascht. Die Eintracht ist ein großer Verein. Und ich kannte den Klub. Frankfurt war einige Jahre davor mit seinem U14-Team beim Dallas Cup. Meine Familie fungierte damals als Gastfamilie für einige Spieler. Unter anderem Elias Baum war zu dieser Zeit bei uns untergebracht. Dadurch hatte ich einen Bezug zum Klub.“ Neben dieser Tatsache spielte bei dem Transfer aber vor allem Nino Berndroth, Leiter Kaderplanung U17-U21 bei der SGE, eine große Rolle: „Er hat mir erklärt, welche Qualitäten er in mir sieht und in welchen Bereichen ich mich verbessern muss. Er hat mir dadurch ein gutes Gefühl vermittelt, so etwas hatte ich davor noch nie gespürt. Wir haben daher einem Wechsel zugestimmt. Ich bin sehr froh, dass ich zur Eintracht gegangen bin. Trainer, Mitspieler, das gesamte Umfeld – ich bin sehr dankbar und habe das Gefühl, dass Frankfurt mehr und mehr zu meinem zweiten Zuhause wird.“ Auch in Frankfurt stellte der gebürtige Amerikaner seine unfassbare Anpassungsfähigkeit unter Beweis. Praktisch ohne Eingewöhnungszeit lieferte Inanoğlu Woche für Woche ab. Bereits im ersten Saisonspiel gegen die Stuttgarter Kickers gelang ihm der erste Treffer. Allerdings ging das Spiel trotzdem verloren, bezeichnend für den gesamten Saisonverlauf.
Abstieg rückt immer näher
„Ich bin der Meinung, dass unser aktueller Tabellenstand nicht mit unserem hohen Aufwand, den wir betreiben, übereinstimmt. Unsere Mannschaft hat so viel Qualität und wir investieren sehr viel. Ich versuche, mein Bestes zu geben und mit meinen Toren zu helfen. Ich bin natürlich froh darüber, dass ich Tore schießen und meine Entwicklung vorantreiben kann. Aber am Ende steht der Erfolg der Mannschaft an erster Stelle. Ich glaube nach wie vor an unsere Stärken und bin der Überzeugung, dass wir bis zum Ende gemeinsam alles geben werden.“ Zuletzt gegen Göppingen gelangen dem Stürmer sogar gleich drei Treffer. Trotzdem wird der Gang in die Hessenliga bei der U21 immer wahrscheinlicher. Dabei steht noch nicht fest, wie viele Mannschaften am Ende absteigen werden. In der dritten Liga sind mit Sandhausen, der zweiten Mannschaft von Stuttgart und Mannheim gleich drei Mannschaften akut abstiegsgefährdet, die allesamt in die Regionalliga Südwest absteigen würden. Sollten zwei dieser Teams absteigen, was nach jetzigem Stand ziemlich wahrscheinlich ist, würden die SGE aktuell acht Punkte zum rettenden Ufer trennen. Der Abstieg wäre ein herber Rückschlag für die Jugend-Entwicklung bei der Eintracht. Fraglich, ob die fünfthöchste Spielklasse den Ansprüchen so mancher Talente genügen wird. Dass sich Spieler in der Regionalliga ins Schaufenster stellen könnten, zeigt der Fall von Noel Futkeu. Er wechselte im Sommer von der zweiten Mannschaft der Eintracht zu Greuther Fürth, wo er eine überragende erste Zweitliga-Saison spielt. „Natürlich verfolge ich das Ziel, den nächsten Schritt zu gehen“, erklärt Inanoğlu. „Ob es in der U21 der Eintracht oder woanders sein wird? Darüber denke ich nicht viel nach, denn im Vordergrund steht der wichtige Saisonendspurt.“ Immerhin hat die SGE bei der Personalie alle Zügel in der Hand. Bereits im Januar wurde der Vertrag des 19-Jährigen vorzeitig bis 2027 mit Option auf ein weiteres Jahr verlängert. „Mit seinen Leistungen in der Regionalliga und auch bei seinen bisherigen Teilnahmen am Profitraining hat Kaan unter Beweis gestellt, dass er im zurückliegenden Halbjahr eine gute Entwicklung genommen hat“, erklärte damals Sportdirektor Timmo Hardung. „Diese sehen wir aber noch nicht als abgeschlossen an und trauen ihm künftig weitere Entwicklungsschritte zu. Hierfür erhält er unsere volle Unterstützung.“ Aber auch Inanoğlu selbst sieht sich am Main noch nicht am Ende: „Ich träume jeden Tag davon, irgendwann für Eintracht Frankfurt in diesem großartigen Stadion spielen zu dürfen. Jede Trainingseinheit, die ich mit der ersten Mannschaft absolvierten durfte, war sehr besonders und lehrreich für mich. Mein Ziel ist es, auch in Zukunft weiter meine Leistung zu bringen, hart zu arbeiten und so auf mich aufmerksam zu machen. Alles Weitere liegt dann nicht in meiner Hand.“
8 Kommentare
Wahnsinn, mit soviel Qualität, zumindest auf dem Papier, abzusteigen :(
Nächstes Jahr direkt der Aufstieg sonst wird die u21 bald wieder eingestampft
Momentan sieht es danach aus, als hätte man sich etwas verkalkuliert. Die nochmalige Verjüngung um ein ganzes Jahr im Schnitt (ich hatte das zu Beginn der Saison nach ausgerechnet) war dann doch zu viel des Guten. Aber schauen wir mal, was noch passiert. 5. Liga wäre einfach ein herber Rückschlag, nach den Anstrengungen der letzten Jahre. Perspektivisch ganz schlecht. Aber das ist dann auch für die Leitung der U21 ein Lerneffekt. Zu viel Aderlass geht schief.
Ich finde, dass die U21 nicht den gewünschten Effekt bringt, dieser würde sich erst in Liga 3 einstellen. Dort werden junge Talente richtig gefordert und das ist auch eine Liga, die zunächst erstrebenswert für die ist.
Bei uns spielen die Talente eine Saison, dann werden sie an andere Vereine abgegeben oder verliehen, das könnte man auch einfacher machen.
Nicht zwingend. Von der A-Jugend sind es noch ein paar Schritte zur BuLi. Regionalliga kann für junge Talente sehr wertvoll sein. Der direkte Sprung in eine Europacup-Mannschaft gelingt von dort eher nicht. Dafür gibt es Leihen in 3. und 2. Liga (Baum).
Bedenke, daß die Jungs teils unter 18 und auf der Schule sind. Ob in dem Alter Leihe mit Umzug so sinvoll ist?
abstieg ist schon bitter. die fünfte liga dürfte für halbwegs ambitionierte talente sehr unattraktiv sein. vor allem, weil die zweitvertretungen anderer bundesligisten höher spielen wie z.b die zwote von hoffe in selbiger spielt wie unsere - mit einen großen unterschied, dass hoffe II oben wegmarschiert und ggf. aufsteigt.
selbst so mancher zweitligist "gönnt" sich ne zwote in der vierten liga- hannover II sogar drittligst (NOCH!)
sportlich haben die mittbewerber dann bessere argumente.
Ich finde es zwar gut, dass die Eintracht in der zweiten Mannschaft primär auf Jugendspieler setzt, aber ich finde man hätte durchaus Profispieler einsetzen können, um den Klassenerhalt zu sichern. Durch den Abstieg werden einige Vorteile der 2. Mannschaft geschmälert.
Noch könnten sie sich in die Relegation retten...
Ich finde den Weg und die Struktur schon ideal. Ob 4. Liga oder 3. Liga fast egal. Aber nach der letzten Saison wurden einfach zu viele Leistungsträger raus genommen und verliehen. Klar ist das der Plan. Aber die Balance wurde nicht gewahrt. Daran liegt es meiner Meinung nach. Würden wir da jetzt im unteren Mittelfeld dümpeln und die Klasse halten, wäre alles paletti. Tun wir aber nicht... Nur ein klein bisschen mehr Qualität auf einer etwas stabileren Achse hätten wir gebraucht.
Aber noch ist die Saison ja nicht rum.
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