08.11.2012, "Tradition zum Anfassen" im Eintracht-Museum52.000 Zuschauer waren dabei, als ein Mann, der auch heute noch lauthals bei jedem Heimspiel (und auch bei so manchem Auswärtsspiel) besungen wird, sein Bundesligadebüt feierte. Am 14.08.1965, vor genau 50 Jahren also, lief Jürgen Grabowski erstmals im Eintrachttrikot gegen den Hamburger SV auf. Sogleich zeigte der gebürtige Wiesbadener, der vom FV Biebrich zum Traditionsclub wechselte, welch große Qualitäten in ihm steckten. „Grabowski ist als Außenstürmer mit seinen Dribblings ein ständiger Unruheherd in der gegnerischen Verteidigung, während Lechner und Lindner eine bewegliche und laufstarke Mittelfeldachse bilden, die unaufhörlich Druck in Richtung der HSV-Deckung entwickelt„, lässt sich im Eintracht-Archiv nachlesen. Der damals 21jährige Angreifer sollte dem Anhang der Frankfurter Eintracht noch viele Jahre große Freude bereiten. 441mal lief der heutige Ehrenspielführer für die Hessen auf und erzielte starke 109 Treffer. Ferner war er daran beteiligt, dass die Frankfurter DFB-Pokal-Sieger 1974 und 1975 wurden. Beim Uefa-Cup-Sieg 1980 konnte er nicht mehr mitwirken – dazu aber gleich mehr.

Der größte Tag im Leben des Jürgen Grabowskis war hingegen einer, den er mit dem Bundesadler auf der Brust erlebte. Am 07.07.1974, pünktlich zum 30. Geburtstag, wurde der Stürmer, zusammen mit Vereinskollege Bernd Hölzenbein, Weltmeister im eigenen Land. „Klar, das war mein schönstes Geburtstagsgeschenk„, sagte er zurückblickend in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vor einem Jahr. In Erinnerung bei den Fans aber blieben vor allem seine Jahre im Trikot dem Eintrachtadler auf der Brust. Am kommenden Samstag gegen den FC Augsburg werden dann auch wieder tausende von Anhängern mitsingen, wenn es heißt: „Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehn, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen Grabowski.“ Bis heute ist Grabowski eines der Gesichter der Eintracht geblieben, woran nicht nur das Lied, sondern auch eine der Säulen in der Frankfurter U-Bahn-Station Willy-Brandt-Platz erinnern. Daran konnte auch der unglückliche Vorfall mit Marco Russ im Herbst des vergangenen Jahres nichts ändern. Russ ließ sich nach dem 1:2 im Pokal gegen Borussia Mönchengladbach, es war die dritte Pflichtspielniederlage in Folge, herablassend über Grabowski aus: „Es bringt nichts, wenn so ein Voll-Experte wie Grabowski, der 1920 Fußball gespielt hat, sein Maul aufmacht, und ihr schreibt dann so eine Scheiße.“

Obwohl sich der Mittelfeldspieler einige Wochen später für seine Wortwahl entschuldigte, konnte der Konflikt nicht beigelegt werden. „Die Eintracht hat 14 Tage gebittet und gebettelt, dass er es tut„, bemerkte Grabowski dazu im April. Er hätte sich allerdings gewünscht, dass der Vorstand und Präsident Peter Fischer hier härter durchgegriffen hätten. Man habe diese „Respektlosigkeit ohne Reaktion zur Kenntnis genommen, das hat mich schon tief enttäuscht!“ Es sind tiefe Schmerzen, die zuvor wohl nur noch Lothar Matthäus ausgelöst hatte. Der damalige Gladbacher beendete im März 1980 die Karriere Grabowskis mit einem fiesen Tritt. Das Uefa-Pokal-Finale erlebte der Stürmer als Zivilist. 15 Jahre lang also prägte er das Spiel der Hessen. Auch die junge Generation der Adleranhänger kennt daher den Mann, der in seinen Glanzzeiten die Nummer 10 tragen durfte. Das wird dem Rentner, der ein entspanntes und ruhiges Leben mit Ehefrau Helga genießt, Kraft geben inmitten der komplizierten Beziehung, die er momentan mit seinem Herzensverein führt.

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7 Kommentare

  1. Ja, bei mir war es auf jeden Fall so, Grabi war einer meiner Fußballhelden. Aber er sollte auch nicht so dünnhäutig sein und so beleidigt reagieren wenn einer der aktuellen Spieler mal aus Frust so etwas rauslässt. Gerade er als Fußballer sollte das verstehen. Ich fand seine Reaktion auf jeden Fall lächerlich.

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  2. Das hat mit Dünnhäutigkeit wenig zu tun – es geht eher um die Respektlosigkeit von Russ. Eine Wortwahl sehr, sehr niederer Schublade, die dem Ansehen des Vize-Spielführers wohl eher geschadet haben dürfte.
    Wenn dann eine „Entschuldigung“ nur aufgrund eines 14-tägigen Beknieen seines Arbeitsgebers erfolgt, dann zeigt sich hierbei keinerlei Reue, sondern eher Uneinsichtigkeit, Sturheit und Engstirnigkeit. Insbesondere als Spielführer sollte man nämlich eine gewisse Vorbildfunktion für die Jugend aussenden, und deshalb ist auch in meinen Augen mit Meier der Richtige für diese Position auserkoren worden.

    Ich kann Grabowski`s Reaktion in Sachen Russ durchaus verstehen.

    Ich schließe mich SGE74 an, und die Eintracht hat einen nicht unerheblichen Teil Ihres europaweiten Ansehens dieser damaligen, großartigen Ära-Grabowski zu verdanken.
    Deswegen gilt es von Vorstandsseite durchaus genau zu prüfen, wieviel Image-Schaden eine solch dumme Äüßerung eines Spielers der Eintracht zufügen kann.

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  3. Ach ja damals, ich erinnere mich genau. Es gab zu der Zeit nur zwei Sorten Leberwurst: grobe oder feine.
    Die beleidigte Leberwurst wurde erst später erfunden …

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  4. @ 3 Russ war nicht uneinsichtig, stur oder engstirnig. Er hat einfach mal seine Meinung gesagt.
    Ob die jetzt richtig oder falsch war, sei dahingestellt.
    Jedenfalls hat er Eier und hat sich nicht den Mund verbieten lassen.
    Das 14-tägige Beknieen (War das so? Ich war nicht dabei!) war die cleverste Lösung.
    Jeder normal denkende Mensch weiß dann, dass diese Entschuldigung keine war.
    Russ verlor nicht sein Gesicht und dem älteren Herrn wurde ein Wunsch erfüllt … (Wer´s brauch …)

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  5. Hallo Christopher, bitte ganz schnell den Fauxpas des Jahrhunderts beheben. Da kann eigentlich nur eine Autokorrektur die sinnlose Regie übernommen haben. Das Endspiel, an dem Jürgen Grabowski zusammen mit Bernd Hölzenbein Weltmeister in München wurde, war natürlich am 07.07.1974 und nicht am 14.08.! Liebe Grüße, Andreas Freyeisen

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  6. *hust*. Vielen Dank Andreas, das stimmt natürlich. Da war ich wohl etwas sehr fixiert auf den 14.08. Der Hinweis wurde natürlich jetzt korrigiert!

    Liebe Grüße
    Christopher

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