Heribert Bruchhagen wird nach fast 13 Jahren im Sommer in Rente gehen. Mit dem Abstieg möchte er sich nicht aus Frankfurt verabschieden.
Heribert Bruchhagen wird nach fast 13 Jahren im Sommer in Rente gehen. Mit dem Abstieg möchte er sich nicht aus Frankfurt verabschieden.

Es gibt sie tatsächlich, die entspannten Reisen in die Allianz-Arena – auch für Heribert Bruchhagen. Am Dienstag war er zu Besuch in München und sah sich das Länderspiel Deutschland gegen Italien zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner an. Am Samstag, so wird der Vorstandsvorsitzende im Gespräch mit der „tz“ deutlich, werde er angespannter sein. Die Eintracht muss mitten in der heißen Phase des Abstiegskampfs zum wohl schwierigsten Spiel der Saison in München-Fröttmaning antreten.

In den letzten Jahren konnten die Frankfurter meistens mit der obligatorischen Niederlage beim deutschen Rekordmeister umgehen. Die Pleiten waren zwar teilweise heftig (in den letzten drei Partien in München gab es 0 Punkte und ein Torverhältnis von 0:10), aber sie taten zum jeweiligen Zeitpunkt nicht weh. Aktuell müssen die Hessen allerdings nicht nur um jeden Zähler, sondern auch um jeden Treffer kämpfen – schließlich spielt auch das Torverhältnis in dieser Saison eine entscheidende Rolle. Der Plan im vergangenen Sommer war jedenfalls ein anderer. „Ich will träumen können„, sagte Armin Veh im Juli noch bei seiner Vorstellung. Bruchhagen ließ sich nach der Saisoneröffnung im August ebenfalls zu blumigen, fast schon euphorischen Worten hinreißen. Er zeigt sich aktuell freilich ernüchtet: „Ich habe mir unsere Saison anders vorgestellt, keine Frage. Aber so ist es nun mal im Fußball. Wenn sich eine Eigendynamik entwickelt, ist die nicht so leicht zu stoppen.“

Die Saison 2011 schwebt dabei wie ein Damoklesschwert über dem Klub. Nach einer tollen Hinserie mit 26 Punkten stürzten die Frankfurter komplett ab und mussten den direkten Gang in die 2. Bundesliga antreten. Es waren Bilder, die in Erinnerung blieben, als Bruchhagen leichenblass auf der Tribüne des Waldstadions die Partie gegen den 1. FC Köln ansehen und die 0:2 Niederlage mit anschließenden Fan-Randalen ertragen musste. Der letzte Schuss mit Christoph Daum hatte nicht mehr gesessen, obwohl dieser alles tat, um den Niedergang zu verhindern. Der Karren war zu tief im Dreck, das Team konnte nicht mehr zusammengehalten werden.

Bei aller Krise und berechtigten Sorge um den momentanen Zustand der Mannschaft: Von einem solchen Szenario, dass bei der Eintracht mannschaftsintern alles auseinanderbricht, ist der Verein weit entfernt. Das Team ist enger zusammengerückt und hat in den beiden Spielen gegen Borussia Mönchengladbach – trotz klarer Niederlage – und Hannover 96 viel Kampfgeist gezeigt und die Worte vom neuen Coach Niko Kovac, „Kompaktheit und Ordnung herzustellen“, den Umständen entsprechend umgesetzt. Die Laufleistung wurde deutlich erhöht und vor allem in der Schlussphase gegen Hannover zeigte das Team, dass jetzt jeder dazu bereit ist, für den anderen mitzukämpfen. Es sind Hoffnungsschimmer in einer schwierigen Lage, die Bruchhagen unruhig zurücklässt: „Jeder Verantwortliche, dessen Verein im Abstiegskampf steckt, schläft nicht gut. Die sportliche Situation beschäftigt einen den ganzen Tag, sowohl am Arbeitsplatz als auch im privaten Bereich.“

Der Name Heribert Bruchhagen stand immer für eine klare Meinung: "Sie hat mir aber auch einige Schwierigkeiten bereitet im Fußballgeschäft. Nur andererseits bin ich jahrelang immer in den Ligavorstand gewählt worden. Dieses Vertrauen hat mich sehr gefreut, so verkehrt kann meine Haltung also nicht gewesen sein."
Der Name Heribert Bruchhagen stand immer für eine klare Meinung: „Sie hat mir aber auch einige Schwierigkeiten bereitet im Fußballgeschäft. Nur andererseits bin ich jahrelang immer in den Ligavorstand gewählt worden. Dieses Vertrauen hat mich sehr gefreut, so verkehrt kann meine Haltung also nicht gewesen sein.“

Ein Abstieg wäre kostspielig und würde den Klub wieder um Jahre im Rennen um eine bessere Platzierung in der TV-Geld-Tabelle zurückwerfen. Der Abstand zu den anderen Teams wird so noch größer, die Möglichkeit, sich im oberen Bereich der Bundesliga festzusetzen, immer geringer. „Natürlich ist die Entwicklung der Bundesliga in vielerlei Hinsicht toll, aber die Spreizung ist immer größer und das tabellarische Bild immer vorhersehbarer geworden„, beklagt Bruchhagen. Freilich gebe es Ausreisser wie Hertha BSC Berlin und die bislang so gute Spielzeit der Aufsteiger aus Ingolstadt und Darmstadt hat sicherlich auch die Konkurrenz überrascht. Der Vorstandsvorsitzende der Hessen fühlt sich dennoch in seiner Aussage, dass es eine „Zementierung der Tabelle“ gebe, bestätigt: „Ich habe vor gar nicht allzu langer Zeit bei Deloitte die Endplatzierungen der Bundesliga-Vereine in den vergangenen sechs Jahren addiert und durch sechs geteilt. Das gleiche habe ich dann mit den Lizenzspieler-Etats gemacht – das Ergebnis war eine fast 100-prozentige Kongruenz.“

Der neue TV-Geld-Vertrag soll die Milliarden-Marke knacken. DFL-Chef Christian Seifert führt schwierige Verhandlungen, das Produkt Fußball wird immer attraktiver – und ein Zugpferd sind mit Sicherheit auch die positiven internationalen Auftritte vom FC Bayern München, Borussia Dortmund oder dem VfL Wolfsburg. Die Eintracht werde zwar auch mehr Geld einnehmen, „aber die Vereine, die vor uns stehen, die bekommen ja noch mehr Geld.“ Die Spreizung zwischen den Klubs im Mittelfeld und in der Spitze werde so noch größer. Allerdings dürfe der Abstand zu den anderen europäischen Topligen nicht zu groß werden. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich Seifert bewegt. Das zu Beginn der Woche neu gegründete „Team Marktwert“ versucht neue Kriterien für eine gerechtere Verteilung zu erarbeiten. Bruchhagen möchte sich hierzu allerdings nicht äußern: „Herr Wahler ist Sprecher dieser Initiative.“

Ob sich der meinungsstarke Vorstandsvorsitzende der Hessen auch noch so ruhig verhalten hätte, wenn er in wenigen Monaten nicht in Rente gehen würde? Der 67-Jährige Ostwestfale hat in seiner Karriere in der Bundesliga, die 1988 als Manager beim FC Schalke begann, einige Veränderungen miterlebt. Der in seiner aktiven Zeit als hängende Spitze agierende Bruchhagen, beim FC Gütersloh von 1978 bis 1982 immerhin sechsmal in 49 Partien erfolgreich, konnte die Entwicklung in der Bundesliga vor 27 Jahren noch nicht voraussehen. Er muss, wie er selbst zugibt, beim Blick auf Spielerverträge aus den 90er-Jahren schmunzeln und hat ein Beispiel parat: „1993 war es, glaube ich, erhielt unser Spieler Karsten Bäron während meiner Zeit als Manager beim HSV ein Angebot vom FC Bayern. Das konnte ich damals noch abwehren mit einem besseren Gehaltsangebot an Karsten, woraufhin Uli Hoeneß fünf Millionen Mark für ihn hätte zahlen müssen. Damals richtete sich die Ablöse ja noch nach anderen Faktoren als Marktwert oder Ausstiegsklausel. So ein Szenario ist heute ja gar nicht mehr denkbar.

Bruchhagen, der in früheren Jahren von seinem Uli Hoeneß, den er heute als „sportlichen Freund sieht„, auch mal als „Provinzlümmel“ dargestellt wurde, wird in seinen letzten Wochen alles ihm möglich daran setzen, dass die Eintracht nicht in die 2. Bundesliga absteigen wird. Und wenn doch? Wird er noch einmal versuchen, den Karren mit aus dem Dreck zu ziehen? „Nein, da gibt es nichts mehr zu überdenken. Unser Aufsichtsrat wird schon einen guten Nachfolger für mich finden, da bin ich ganz beruhigt.“ Außerdem gehe er nicht davon aus, dass die Hessen absteigen werden. „Und selbst wenn dieser Fall eintreffen sollte, bleibt die Eintracht ein gefestigter Verein.“

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2 Kommentare

  1. Postiv denken, noch haben wir es in der Hand. Trotzdem, die von Herry beschriebene Eigendynamik im Negativerlauf einer Saison wurde bei uns durch persönliche Fehler in den Gremien/Management sehr begünstigt. Falsche Trainerwahl, zu spaeter Trainerwechsel, Fehleinkaeufe noch und noch, Misswirtschaft im e.V.,
    mit den Auswirkungen fuer die Amateurmannschaften, ineffizientesScouting und so manches mehr. Dass nach Herry’s Aussage die Eintracht auch im Falle eines Abstiegs ein gefestigter Verein bleiben wird, was heisst das schon. Gerade für diesen Fall haette ich mir einen Verbleib Bruchhagens gewuenscht, bei so einigen anderen handelnden Personen wäre mein Abschiedsschmerz ertraeglicher.

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  2. Heri ist auf jeden Fall ein Verlust. Aber wir sind insgesamt deutlich weiter als wir es zu seinem Amtsantritt waren. Ich hoffe, dass wir mit Kovac jetzt mal wieder Ruhe auf dem Trainerposten haben. Macht einen guten EIndruck. Soll ja auch gut mit jungen Spielern können. Auch das Zeichen Bunjaki eine zweite Chance zu geben ( mit 18 darf man auch Fehler machen ) gefällt mir. In einem Punkt widerspreche ich Dir. Das Scouting ist gut. WIr haben da schon einige gut geholt ( in dieser Saison sind Hradetzky, Abraham und auch wenn er noch etwas braucht Fabian gute Käufe, bei Regäsel habe ich auch ein gutes Gefühl ) . Wir wissen aber nicht wen die Verantwortlichen auf der anderen Seite abgelehnt haben.

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