SchaafWo ist er hin, dieser einsilbige, oft knorrig und unzufrieden wirkende Trainer, der – wenn man ihn denn nur in den kurzen Interviews nach Spielen des SV Werder Bremen zu sehen bekam – mutmaßlich zum Lachen in den Keller ging? Sieht man Thomas Schaaf bei Eintracht Frankfurt, muss man die alten, oberflächlichen Bewertungen ernsthaft hinterfragen. Oft lächelnd und sehr entspannt präsentiert sich der 53-Jährige am Main. Man merkt, dass da jemand die freie Zeit nach 40 Jahren an der Weser genossen hat, um neue Kraft zu tanken und auch einmal wertvollen Abstand vom schnelllebigen Fußballgeschäft zu nehmen. Schaaf nahm eine Perspektive ein, beobachtete und wertete UEFA-Partien der Champions und Europa League aus. „Ich war mittendrin, aber viel entscheidender war: Ich war für nichts verantwortlich, was auf dem Platz ablief. Das war angenehm, weil des die Wahrnehmung eindeutig verändert. Ich konnte gedankenfrei beobachten, wie das Geschehen, das Drumherum vor und nach einer Partie, eigentlich abläuft„, erklärt der gebürtige Mannheimer im Interview bei „spox“. 

Vor allem mit dem Thema Geschwindigkeit setzte sich der Übungsleiter in diesem Zeitraum auseinander. Höher, schneller, weiter! Es wundert ihn nicht, dass der Fußball sich auch in dieselbe Richtung wie die Gesellschaft entwickelt. Ein Selfie in der Kabine, die eigene Facebook-Homepage, der Twitter-Account oder das Instagram-Fotobuch – man könnte teilweise meinen, dass es weniger um die 90 Minuten auf dem Feld gehe. Boulevard und Glanz – auch der Fußball bleibt davon nicht verschont. „So entwickelt sich ja auch unsere Gesellschaft. Auch dort sind Sachen sehr plakativ. Jedes Jahr gibt es im Fernsehen den Superstar, das Supertalent, Big Brother, das Dschungelcamp – und das findet in der breiten Masse auch Anklang„, so der Coach der Hessen. Lieber eine Homestory statt einer Taktikanalyse abdrucken? Schaaf ist sich bewusst, dass die aktuelle Entwicklung nicht mehr zu bremsen ist. In China fällt ein Sack Reis um – und keine fünf Minuten später weiß es auch der „kleine Mann“ aus dem Vogelsberg. So ist es auch im Sport: Mussten die Fußballfans in den 90er Jahren, sofern sie kein Premiere hatten, auf eine gute Radioverbindung hoffen oder den Videotext anwerfen, ist man nun in sekundenschnelle informiert. Apps mit integrierten Live-Tickern machen es möglich, dass man weltweit zu jeder Zeit auf die Ergebnisse und neuesten Nachrichten zurückgreifen kann. Eine Ruhepause oder ein durchatmen?

schaafDaran ist wohl nicht mehr zu denken. Schaaf wagt hier einen Blick zurück, um das inzwischen angenommene Tempo zu verdeutlichen: „Stellte man früher eine Mannschaft zusammen, hieß es: Ein neuer Spieler, das funktioniert. Zwei Neue: Dürfte wohl noch klappen. Drei Neue: Wird schwer. Über vier Neue wurde gar nicht erst diskutiert. Und dann ließ man den zwei Neuen eine Saison lang Zeit, bevor man ein erstes Fazit zog. Heute hingegen hat man sechs bis zehn Neue im Kader und die müssen sofort und ohne Umschweife funktionieren.“ Ein neues Team langfristig aufbauen? An Standorten wie Frankfurt, Köln, Hamburg oder Schalke, wo schneller Erfolg erwartet wird, ist dies wohl kaum noch möglich. Auf Langfristigkeit angelegte Konzepte werden schnell verworfen, wenn es erste Misserfolge gibt. „Wenn Sie heute drei Mal hintereinander verlieren, entsteht sofort eine riesige Diskussion„, weiß der erfahrene Trainer aus eigener Erfahrung. Der „triste Oktober“, welcher den Hessen fünf Pleiten in Folge einbrachte, war das beste Beispiel für diese Dynamik. Alles muss auf den Prüfstand gestellt und jeder Stein im Verein umgedreht werden, so die Forderung des Umfelds. „Funktioniert etwas nicht, entsteht irgendwo sofort etwas Neues. Das geht für meine Begriffe vom Materiellen bis zum Ideellen„, so der Coach philosophisch.

Entschleunigung – genau das würde sich Schaaf manchmal wünschen. Damit sich die Spieler vielleicht auch einmal wieder darauf konzentrieren könnten, was wirklich wichtig ist. Die Akteure verlangen viel, werden in der Gesellschaft gefeiert und setzen den Verein, wenn es einmal nicht so gut läuft, schnell unter Druck. Ausstiegsklauseln, kurze Verträge und pfiffige Berater – Verantwortung gegenüber dem Club übernehmen? Anforderungen erfüllen? „Das ist das, was heute gesellschaftlich ganz schwierig ist. Ich behaupte, der junge Mensch möchte sich heute nicht mehr so verpflichten. Er fühlt sich gewissen Situationen nicht mehr verpflichtet„, bemängelt der gebürtige Mannheimer und fügt an: „Sich zu verpflichten, Dinge anzunehmen und in unserem Beispiel zu sagen: Ich bringe die Eintracht nach vorne und bleibe so lange hier, bis ich es geschafft habe – das ist heute nur noch selten gegeben.“ Es sind kritische Thesen, die Thomas Schaaf so aufstellt. Ein Ende dieser Entwicklung ist allerdings nicht abzusehen. Im Gegenteil, wie der Coach letztendlich prognostiziert: „Ich denke, man wird noch mehr versuchen, an so vielen Dingen wie möglich teilzunehmen. Der Einzelne wird mehr auf sich selbst gestellt sein und sich dann seine Häppchen heraussuchen. Er wird mehr bestimmen können, was er wirklich haben möchte und das Erlebnis nicht so sehr über die Gemeinschaft suchen.“

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5 Kommentare

  1. @1:

    Meinst du TS hätte jetzt erst diese Erkenntnisse gewonnen oder wie ist das zu verstehen?

    Lies dir am besten erst mal das Interview auf Spox.com durch, dann siehst du auch, dass TS aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Profifußball zu den Entwicklungen Stellung nehmen sollte.

    Dein Beitrag ist daher leider nur wieder ein Schuss aus der Hüfte, der zwar laut knallt, aber am Ziel bzw. Thema vorbeigeht.

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  2. … und nur weil etwas der Realität entspricht, heißt es nicht, das es auch umkommentiert befürwortet werden muss. Etwas Reflexion hat noch keinem geschadet. Aber vielleicht stört dein koppweh dich doch ab und an beim nachdenken.

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  3. Manchmal ist ein aufgeregtes Umfeld auch hilfreich, wenn es zur Systemänderung führt. Soll man bis zur Winterpause warten wenn alle sehen, dass es so nicht geht. Ich bin Herrn Schaaf dankbar, dass er sich getraut hat von seiner Vorstellung wie die Eintracht hätte spielen sollen abgegangen ist. Hätte ich ihm nicht zugetraut, da dies ja als Schwäche hätte ausgelegt werden können.

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  4. ist schon interessant, aber das kennen wir Älteren ja auch im Arbeitsleben.
    Gleichzeitig ist das aber auch kein Freibrief für und durch TS, dass sich nicht auch Jüngere für den Verein und als Profi für die Mannschaft, die Fans und den Club aufreiben.
    die Analyse ist nur eine Seite der Medaille, dass Beste positiv daraus zu machen, dass ist die eigentliche Aufgabe – und – da gehen die Anforderungen sehr weit über den Trainer hinaus. Gut finde ich, dass sich TS nicht (wie wir es ja zuletzt auch hatten) nicht lauthals nur beklagt, sondern sachlich argumentiert.

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