David Abraham und Michael Hector im Zweikampf mit dem Schalker Naldo.
David Abraham und Michael Hector im Zweikampf mit dem Schalker Naldo.
Die Bilanz kann sich sehen lassen: Gerade einmal acht Gegentreffer nach neun Spielen – nur drei Mannschaften können sich über noch weniger Gegentreffer freuen als Eintracht Frankfurt. Auswärts macht sogar kein anderes Team den Hessen etwas vor: Weniger als zwei Tore kann niemand, noch nicht einmal der Klassenprimus aus München, vorweisen. Sicherlich hat Trainer Niko Kovac seiner Mannschaft ein neues Defensivkonzept verordnet, in dem nicht nur den Abwehrspielern, sondern dem ganzen Team eine Rolle zukommt. Es ist aber offenkundig, dass die neu gefundene Defensivstärke nicht zuletzt ein Verdienst der beiden Innenverteidiger David Abraham und Jesus Vallejo darstellt, die sich seit Wochen in bestechender Form präsentieren. An dieser Stelle sollen die Lobeshymnen auf den Argentinier und den Spanier aber nicht wiederholt werden. Wir wollen uns vielmehr in Erinnerung rufen, wer in den letzten Jahren die Rolle der Innenverteidiger bei der SGE eingenommen hat.

Bevor wir mit dem Blick in die jüngere Geschichte von Eintracht Frankfurt beginnen, ist aber erst einmal eine Begriffsklärung notwendig. Die Bezeichnung „Innenverteidiger“ zog erst mit der Einführung der Viererkette in den 1990er-Jahren in den allgemeinen Sprachgebrauch ein. Zuvor bildete der Vorstopper im klassischen 4-3-3 zusammen mit dem mehr oder weniger am Spielaufbau beteiligten Libero die defensive Achse fast aller Mannschaften. Bei Eintracht Frankfurt verkörperte Karl-Heinz „Charly“ Körbel über fast 20 Jahre lang den Prototyp des Vorstoppers, der zusammen mit Technikern wie Gert Trinklein, Bruno Pezzey und später Manfred Binz die zentrale Abwehrreihe bildete.

Wer erinnert sich noch daran, dass die SGE nach dem altersbedingten Abschied von Körbel für kurze Zeit zu den taktisch innovativsten Mannschaften gehörte? Unter Trainer Josef „Jupp“ Heynckes wurden der Libero und die Manndeckung abgeschafft, der filigrane Binz neben die eher rustikalen Vorstopper Dietmar Roth und Kachaber Zchadadse platziert und eine Dreierkette installiert. Die Innovation war nur von kurzer Dauer, nach dem Rausschmiss von Heynckes kehrte man zum vertrauten Libero zurück. Auch nach dem ersten Abstieg 1996 setzten Trainer wie Horst Ehrmantraut und Felix Magath auf rustikale Vorstopper wie Alexander Kutschera oder Torsten Kracht, hinter denen Petar Houbchev als freier Mann Eleganz und Spielübersicht verkörperte. Eintracht-Fans mussten in den darauf folgenden Jahren in der Innenverteidigung viele Notlösungen erleben und erleiden – erinnert sei an Namen wie Tommy Berntsen, Karel Rada, Jean Clotaire Tsoumou-Madza und Geri Cipi –, die allesamt ihre Bundesligatauglichkeit nicht unter Beweis stellen konnten, aber die chronisch klamme Kasse über Gebühr belasteten.

Jesús Vallejo zählt zu den positiven Überraschungen bei der Eintracht.
Jesús Vallejo zählt zu den positiven Überraschungen bei der Eintracht.

Es sollte bis zum Beginn der Ära von Trainer Friedhelm Funkel dauern, bevor man im Zusammenhang mit Eintracht Frankfurt von „modernen“ Innenverteidigern sprechen konnte. Erst mit der Verpflichtung von Jens Keller und vor allem des Brasilianers Chris sah sich die SGE in der Lage, eine funktionierende Viererkette zu spielen. Zusammen mit dem mazedonischen Nationalspielers Aleksandar Vasoski, dem Griechen Sotirios Kyrgiakos und dem Mexikaner Aarón Galindo entwickelte Funkel eine Defensivstrategie, die viele Jahre Gewähr für den Klassenerhalt bot. Da zudem mit Christoph Spycher und Patrick Ochs spielintelligente Außenverteidiger zur Verfügung standen, war die Abwehr während der Amtszeit von Funkel ein Aushängeschild des Vereins – auch wenn Chris, der unumstrittene Abwehrchef von 2003 bis 2011, immer wieder verletzungsbedingt ausfiel.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch (zum Teil teure) Flops in dieser Zeit gab: Habib Bellaid, Nikola Petkovic, Gordon Schildenfeld, Martin Amedick, Vadim Demidov und Heiko Butscher konnten sich nicht durchsetzen, während mit Maik Franz aus Karlsruhe und Marco Russ aus der eigenen Jugend vielfältig einsetzbare Kräfte in die Mannschaft integriert wurden.

Nach dem vermeidbaren Abstieg 2011 verließ Franz die Hessen und Trainer Armin Veh übernahm das Kommando, verpflichtete Carlos Zambrano vom FC St. Pauli, der zusammen mit Russ und dem Brasilianer Bamba Anderson eine solide Innenverteidigung bildete – jedenfalls solange der streitbare Peruaner nicht verletzungsbedingt oder durch Sperren ausfiel. Die Konkurrenz war aber zumindest so stark, dass die talentierten Stefan Bell (Mainz 05) und Marc-Oliver Kempf (Freiburg) frühzeitig das Weite suchten. Im Januar 2014 reagierte die Führung der Eintracht auf die häufigen Ausfälle von Zambrano und Anderson, indem sie den erfahrenen Alexander Madlung für eineinhalb Jahre unter Vertrag nahmen.

Seit 2015 hat sich Abraham – zunächst noch an der Seite von Zambrano oder Russ, nun an der von Vallejo – als feste Kraft in der Innenverteidigung etabliert und durfte sich in den letzten Spielen auch die Kapitänsbinde überstreifen. Der Ende 2015 für ein halbes Jahr ausgeliehene Kaan Ayhan und der Jamaikaner Michael Hector mussten den Konkurrenzkampf hingegen zumeist von der Bank aus verfolgen.

Neben der Qualität der augenblicklichen Innenverteidiger kommt dem Spiel der Eintracht aber auch die Variabilität des Spielsystems von Kovac zugute. Ob Dreier-, Vierer oder Fünferkette, ob mit zwei oder drei gelernten Innenverteidigern (Abraham, Vallejo, Hector), einem zurückgezogenen Sechser (Makoto Hasebe) oder einrückenden Außenverteidigern – Kovac präsentierte fast in jedem Spiel eine andere, auf den Gegner angepasste Abwehrreihe, die auch in der Lage ist, während einer Begegnung die Ordnung zu variieren. Abschließend soll noch einmal der in Frankfurt nicht gut beleumundete Heynckes zitiert werden, der in Bezug auf große Teams ausführte: „Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr Meisterschaften.“ Auch wenn Eintracht Frankfurt weit davon entfernt ist, in die Reichweite der Schale zu kommen, stellt das gegenwärtige Trainerteam unter Beweis, dass eine überdurchschnittliche Innenverteidigung die Basis für den Erfolg der Mannschaft ist.

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6 Kommentare

  1. Hi Ralf,wie immer hervorragend zusammengefasst.
    Ich kenne fast alle von dir genannten Spieler noch.
    Was mir heute noch fehlt gegenüber Fussball 2000 damals ist die Kreativität im Straffraum oder direkt davor.Damals mit Uwe Bein und Maurizio Gaudino haben wir zwei sehr kreative Spieler gehabt.
    Heute sind wir SEHR von Marco Fabian abhängig.Wenn Marco ein schlechten Tag hat wie gegen BMG kommen die Torschancen durch die Mitte nicht.
    Fĺugel mit Otsche und Gaci wird immer besser aber rechts ist zuwenig und Marco will immer nach innen .
    Wir brauchen ein top rechte Flügelspieler der mit Marco kombinieren kann.Dann können wir jeder schlagen.
    Oder?

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  2. Ziko hat sich aber immer umgedreht auf der Mittellinie Reebok.Er hat sich selbst immer so überrascht dass er den Ball noch für sich hat.
    Oder?

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  3. @Paul
    Das mag sein, aber ich habe ihn trotzdem gemocht. Für seinen Kampfgeist. Und für seine Vereinstreue. Er war mein erster Lieblingsspieler bei der Eintracht. Daher wollte ich ihn auch mal erwähnt haben… 😉

    PS: Wie hast du eigentlich geschafft, mir zu antworten, bevor ich überhaupt geschrieben habe:

    2. Reebok 31.10.2016 – 22:20 Uhr
    3. FPS Paul 31.10.2016 – 21:43 Uhr

    Du wirst mir ja fast unheimlich… 😉

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  4. Hi Reebok ich habe gespürt was du schreiben wolltest.Keine Ahnung wie das passierte.
    Aber Ziko war und ist noch klasse.
    Alle Fans haben ihn geliebt und Lothar Matthaus hat er IMMER kaltgestellt.
    VG Paul

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  5. Schöner Artikel, danke!

    Aber Gordon Schildenfeld würde ich nicht als Flop bezeichnen. Ich fand ihn recht solide. und er hat einige wirklich gute Spiele abgeliefert.

    Über Russ hätte ich mir ein paar Sätze mehr gewünscht …. geliebt, überbewertet, Selbstüberschätzung, dann unterbewertet, beschimpft, dank Durchsetzungsvermögen und Biss doch wieder geliebt :-).
    Ich find ihn Klasse.

    FORZA SGE

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