21.08.2014, Fussball, 1. BL, Training Eintracht FrankfurtDer ruhige Thomas Schaaf in der rasanten Metropole Frankfurt? Aus dem beschaulichen Bremen in die Stadt, deren Airport ca. 90 Flugbewegungen die Stunde aufweist? „Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich mich hier absolut wohlfühle„, stellt der gebürtige Mannheimer gleich zu Beginn des Interviews in der Frankfurter Rundschau fest. Auch wenn die Zeit des neuen Trainers der Eintracht bislang begrenzt war, kam er vergangene Woche mit der Familie in die Innenstadt und erkundete den Römer und den Dom. Der Familienmensch, der auch in seiner Freizeit gerne  über den Fußball redet, scheint gut angekommen zu sein im „Herzen von Europa“. Auch wenn es nach dem Pokalspiel gegen Viktoria Berlin bereits das erste mal etwas lauter im Gebälk knirschte. Alex Meier kam am letzten Samstag erst nach 70 Minuten aufs Feld und äußerte sich danach genervt über seine Reservistenrolle. „Ja, wenn er nicht sauer gewesen wäre, verdammte Kiste, das wäre doch ein falscher Spieler. Ich erwarte, dass er sauer und unzufrieden ist, Ich hätte ein großes Problem damit, wenn er sich auf die Bank setzen und sagen würde: „Pff, mir doch egal.“ Dann würde irgendwas nicht stimmen“, kann Schaaf seinen Schützling verstehen. Dennoch sei es für den Coach wichtig, dass alle Spieler gleich behandelt würden. Und da nimmt „Alex Meier genauso viel Raum ein wie jeder andere auch.“

Knackpunkt Sampdoria Genua?

Die Nummer 14, seit 2004 bei den Hessen unter Vertrag, muss den Konkurrenzkampf nun annehmen. Schaaf versteht die emotionalen Debatten in den Medien und Foren, jedoch müsse er sich „vor allem rational darum kümmern. Ich muss vom Fachlichen her erst einmal sehen, dass ich die beste Mannschaft zusammenkriege. Und dann muss ich darauf achten, wie sie zusammenpasst, also wer passt zu wem und wer nicht.“ Es müsse das Ziel sein, in jedem Spiel das richtige Team für den optimalen Erfolg aufzustellen. War die Kapitänswahl schon ein erster Fingerzeig, dass Meier nicht mehr in jeder Woche zu der Elf gehört, die drei Punkte holen könnte? Die Wahl pro Kevin Trapp kam doch einigermaßen überraschend, nachdem der Lange ordentlich in die Vorbereitung startete. Man wird im Nachhinein das Gefühl nicht los, dass das Freundschaftsspiel gegen Sampdoria Genua, als der Torjäger nach schwacher erster Halbzeit (1:4) ausgewechselt wurde, der Knackpunkt war.

Präsenter Kevin Trapp erfüllt die Anforderungen20.08.2014, Fussball, 1. BL, Training Eintracht Frankfurt

Des einen Leid ist des anderen Freud. Trapp beflügelte die Wahl zum Kapitän förmlich, er strahlte nach der Partie in Berlin über beide Ohren und fühlt sich bereit für das Amt. „Kevin Trapp war sehr präsent, er hat sich perfekt eingebracht und erfüllt die Anforderungen, die ich an einen Kapitän habe. Deshalb ist die Wahl auf ihn gefallen„, lobt der Trainer seinen Schlussmann. Jedoch seien Meier und Marco Russ weiterhin wichtige Ansprechpartner auf dem Platz, die „Funktionen für die Mannschaft übernehmen sollen und können.“

Schaafs andere Sicht der Dinge

Alles in allem kennt Schaaf die eingeschränkte Sicht der Dinge von Spielern aus seiner eigenen Zeit. Er selbst beschreibt sich als emotionalen Typ, dem es schwer gefallen sei, die Entscheidungen des Trainers rational aufzunehmen. „Aber die Frage ist dennoch, wie gehe ich damit um„, so der ehemalige Bremer. Die Spieler sähen nur sich und hätten daher Schwierigkeiten, über ihre eigene Person hinauszudenken. „Oh, das ist aber eine andere Kiste hier als Trainer. Als Spieler siehst du nur dich„, sagte etwa Thorsten Frings, nachdem er seine Karriere beendet hatte und im Trainerteam der Hanseaten kurz aktiv war. Es sei daher wichtig, sich von den emotionalen Debatten zu lösen und ganz rational den Zustand der Mannschaft zu betrachten. Aber wie soll dies den Spielern gelingen, auf die inzwischen – Facebook, Twitter und andere Medien sei Dank – in kürzester Zeit so viel einprasselt?

StenderaFußballgeschäft ist anders geworden

Es hat sich einiges verändert in den letzten zwanzig Jahren. Allerdings nicht nur im Fußball, sondern auch in der ganzen Gesellschaft. Daher färbe deren Wandel auch auf den Sport ab. „Spieler haben sich verändert, wir haben ja heute einen Zugang zur ganzen Welt. Alles wird immer schneller, so frei nach dem Motto: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, erkennt der Übungsleiter die drastischen Veränderungen. Vor allem für junge Spieler, die früher noch viel länger Dinge verarbeiten konnten, tickt die Uhr viel schneller. So auch für Marc Stendera, der als frisch gebackener U19 Europameister ins Trainingslager nach Italien kam: „Und dann denkst du vielleicht: Okay, das geht ja da oben so weiter.“ Dann platzt die Blase und am nächsten Tag bist du wieder unten. Das funktioniert nicht, du kannst Dinge nicht mehr wahrnehmen, aufnehmen und realisieren„, bedauert Schaaf den Druck, der auf die ganzen jungen Stars aufgebaut wird. Während es in den frühen Jahren der Bundesliga vor allem darauf ankam, wie jemand wirklich kicken konnte, zählen heutzutage Äußerlichkeiten fast noch einen Tick mehr. „Wie wird denn heute ein Spieler zuerst wahrgenommen? Über Tattoos, Frisuren, welches Auto, welche Uhr...“, stellt der Coach nüchtern fest. Das fußballerische Potential rückt daher phasenweise in den Hintergrund. Fußballer haben für die Gesellschaft einen hohen Stellenwert. So wurde Angelos Charisteas im Jahr 2004, nachdem er Griechenland zum EM-Titel köpfte, von einer Millionen Menschen in Athen gefeiert, „als sei er der Superstar. Ja, was ist denn auf diesen Jungen alles projiziert worden, welche Erwartungshaltung wird da aufgebaut?

Schaaf äußert daher den Wunsch, dass sich das Geschäft wieder etwas beruhige und nicht komplett überdrehe. Der Fußball tue zwar viel gutes, „aber es gibt manche Dinge, die nicht funktionieren. Das darf man nicht aus den Augen verlieren!“

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