24.10.2015, Fussball, 1. BL, Hannover 96 - Eintracht FrankfurtDer Anfang von Stefan Reinartz bei Eintracht Frankfurt begann mit einem falschen Bild seines Trainers. Armin Veh bezeichnete den Neuzugang aus Leverkusen als seinen Quarterback und schürte damit Erwartungen, die der gebürtige Rheinländer nicht erfüllen konnte. Womöglich meinte Veh etwas anderes und wollte Reinartz als einen künftigen Führungsspieler bezeichnen, aber er wählte nun einmal den unglücklichen Ausdruck „Quarterback“.

Ein Quarterback ist im American Fußball der Spielgestalter und der Kopf der Offensive. Von dieser Position gehen Ideen und Spielwitz aus, werden die tödlichen Pässe gespielt und Mitspieler entscheidend eingesetzt. Das alles trifft auf Stefan Reinartz nicht zu. Seine Qualitäten liegen in der Balleroberung, im Pass- und Stellungsspiel, außerdem ist er kopfballstark, in der Abwehr flexibel einsetzbar und gehört stets zu den Spielern mit den besten Laufwerten. Da Reinartz ein intelligenter Junge ist und eloquent mit den Medien umgehen kann, eignet er sich in guter Verfassung durchaus als Führungsspieler. Er hat aber seine Qualitäten zweifelsohne in der Defensive – und eines ist er mit Sicherheit nicht: ein Quarterback.

Bevor Stefan Reinartz seinen Zweijahresvertrag bei der SGE unterschrieb, war er heiß begehrt. Neben den Hessen buhlten zumindest der 1.FC Köln und der Hamburger SV um die Dienste des dreifachen Nationalspielers, dessen Kontrakt in Leverkusen auslief. Von Anfang an überzeugte der 1,89 Meter große Hüne durch selbstbewusstes Auftreten, kluge und mit feiner Ironie gewürzte Interviews und klaren Vorstellungen. Das Frankfurter Trainerteam war zuversichtlich, mit Reinartz die durch den Wechsel von Pirmin Schwegler und Sebastian Rode nicht zufriedenstellend besetzte Position im defensiven Mittelfeld zeitverzögert besetzen zu können. Nicht wenige Beobachter hielten diese Verpflichtung für den „Königstransfer“ und verteilten Vorschusslorbeeren, bevor der U19-Europameister von 2008 auch nur einmal gegen den Ball getreten hatte.

Stefan Reinartz hinkt wie der Rest der Eintracht den Erwartungen hinterher.
Stefan Reinartz hinkt wie der Rest der Eintracht den Erwartungen hinterher.

Zu Beginn der Saison legte sich Veh auf die Raute, ein Spielsystem mit nur einem Sechser fest. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass nur einer für die defensive Schaltstelle infrage kommen sollte: Stefan Reinartz. Alle anderen Kandidaten – Makoto Hasebe, Marco Russ, Johannes Flum oder Slobodan Medojevic – mussten sich eine andere Position suchen oder fanden sich auf der Bank oder Tribüne wieder. Gleich im ersten Bundesligaspiel für Eintracht Frankfurt beim VfL Wolfsburg traten Stärken und Schwächen des Neuzugangs deutlich zutage: Er zeigte sich laufstark, machte zusammen mit Russ die Räume dicht, war stets anspielbar und markierte sogar den einzigen Treffer bei den Niedersachsen. Allerdings wirkte Reinartz zuweilen etwas hüftsteif, langsam und überraschte mit einer schwachen Zweikampfquote von 29 %. Kritiker seines ersten Auftritts im Adler-Dress wurden jedoch mit Fug und Recht darauf hingewiesen, dass auch einem ehemaligen Nationalspieler Zeit zur Anpassung und Orientierung am neuen Spielsystem gegeben werden müsse.

Nach einem eher schwachen Auftritt gegen Augsburg schien Reinartz in den Begegnungen beim VfB Stuttgart und gegen den 1.FC Köln die Kurve bekommen zu haben. Gegen die Domstädter zeigte er seine bisher beste Saisonleistung und weckte Hoffnung, die erwartete Verstärkung sein zu können. Auch gegen den HSV und Schalke 04 bot Reinartz solide Leistungen, obgleich seine Zweikampfwerte nach wie vor Anlass zum Kopfschütteln boten. Aber er gehörte läuferisch stets zu den fleißigsten Spielern und zeigte sich zumeist sehr passsicher. Der Bruch nach der Halbzeitpause gegen Hertha BSC und die folgenden Niederlagen in Ingolstadt und gegen Mönchengladbach standen in engem Zusammenhang mit den nachlassenden Leistungen des früheren Leverkuseners. Neben Zweikampf- und Antrittsschwäche offenbarte sich in den letzten Spielen ein Manko, das er mit anderen Eintracht-Spielern gemeinsam hat, das bei ihm aber aufgrund seiner Größe und seines schlaksigen Auftretens besonders hervortritt: Schwerfälligkeit und fehlende Dynamik. Den bisherigen Tiefpunkt erlebte Reinartz in den 54 Minuten bis zu seiner Auswechselung in Hannover: Nachdem er bereits im ersten Durchgang einen Ball – noch ohne Folgen – leichtfertig verloren geben musste, präsentierte er sich vor dem Führungstreffer der Niedersachsen so unkonzentriert und reaktionsträge, dass selbst sein Mentor keine andere Wahl hatte und ihn durch Medojevic ersetzte.

Stefan Reinartz und Trainer Armin Veh
Stefan Reinartz und Trainer Armin Veh

Spätestens seit Samstag rätselt die Frankfurter Anhängerschaft unterstützt durch die stets spekulationsfreudigen Medienvertreter, was mit Stefan Reinartz los ist. Auch wenn die Erwartungen zu hoch waren und die Funktion als einziger Sechser ihn überforderten, lassen sich seine jüngsten Darbietungen damit nicht hinreichend erklären. Denn eines ist unbestritten: Von seinen Fähigkeiten, seiner Erfahrung und seinen zweifelsohne vorhandenen Stärken her gehört die Frankfurter Nummer 7 zu den potenziellen Leistungsträgern der Hessen. Auch Einsatz und Einstellung kann man Reinartz nicht absprechen. Als aber ein Führungsspieler wie er in der Krise gefordert war, mussten andere – darunter der Jüngste – den Karren aus dem Dreck ziehen.

Nun ist der Psychologe Armin Veh gefragt, seinen Schlüsselspieler aufzubauen und den richtigen Weg zu finden, um ihn wieder auf die Spur zu bringen. Bisher gelang es Reinartz viel zu selten, seine eigentlichen Stärken – Ordnung zu schaffen, Balleroberung und seine Rolle im von Veh geschätzten Kurzpassspiel – zur Geltung zu bringen. Das hängt sicherlich auch mit den Umstellungen und Konfusitäten in der Frankfurter Systemdiskussion zusammen, kann aber das Leistungstief eines so erfahrenen Mannes nicht erklären. Wie es den Anschein hat, muss sich Reinartz in der Mittelfeldhierarchie erst einmal hinten anstellen – zumindest spielt er unter Beobachtung. Vielleicht hilft ihm ja die Verabschiedung von dem unglücklichen Etikett „Quarterback“, um sich aus der Krise heraus zu spielen. Wir würden ihm das alle wünschen.

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18 Kommentare

  1. Guter Artikel, ich finde aber man sollte ihn jetzt nicht gleich abschreiben. Schließlich zeigt die ganze Mannschaft in dieser Saison durchwachsene Leistungen. Ich bin auf jedenfall mal auf die Entwicklung gespannt, von Reinartz aber auch von Medo und auch wie die Mannschaft sich entwickelt.

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  2. Problemfall ist mir hzu hart. Er ist im Moment nicht gut, das wird sich aber auch wieder ändern . Und bis dahin sollten wir genug Alternaiven haben, um trotzdem eine funktionierende Doppelsechs zu haben, Mir ist erstmal wichtig, das wir defensiv gut und sicher stehen. Vorne werden wir aufgrund der guten Offensivabteilung immer wieder zu Toren kommen. Das wir die Gegner nicht gegen die Wand spielen ist auch klar.

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  3. Kann mir schon denken wie das abgelaufen ist……
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    He Reini brauchst blos nicht zu glauben das du hier uns alt aussehen läßt….du spielts auf Sparflamme und wir sagen dir wann wir das Tempo anziehen….also halt dich mal zurück ……du spielts daselbe Tempo wie wir….ist das klar……
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    OK kein Problem deswegen bin ich ja auch zu euch gekommen. Ich will mich eh auf mein Studium konzentrieren .Hab keine Ambitionen mich für die Nati zu empfehlen. Otsche hat mir schon erklärt wie das hier abläuft….
    Die ersten Spiele dampf geben ein paar Punkte einfahren und dann einen Gang zurückschalten.
    Falls wir zu nahe an die Europlätze kommen …Spiele abschenken…blos keine Euphorie entfachen…
    Wenn Armin stress macht …..zwei Gänge zurückschalten….is das klar…..
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    Erst wenn der Vorstand nervös wird langsam Gas geben…..und ein paar Punkte einfahren dann beruhigt sich das alles wieder von alleine… Glaub mir das läuft jedes Jahr so…..es gibt zwar ein paar Deppen die machenn da nicht mit , aber die spielen sowieso nie….
    Ersten weil der Trainer die nie hinein rotiert und zweitens wenn sie mal spielen wir sie ihm Spiel keine Bälle geben…..
    die lassen wir alt aussehen…..

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  4. War ein Gĺücksfall für Medo……das er ausgerechnet nach dem Gegentor eingewechselt wurde ….
    Die Mannschaft war nach dem Gegentor gezwungen das Tempo anzuziehen…..indem Moment konnte die Mannschaft garnicht mehr gegen Medo spielen……..
    Das eigentliche Ziel der Mannschaft war ein Null zu Null… abzuliefern…..das Gegentor war so nicht geplant…
    Man wollte eigentlich eine ruhige Kugel schieben….an diesem Nachmittag…..
    Ein Sieg gegen Hannover war nie geplant…….

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  5. warum so viel hinein interpretieren, der Artikel liefert eigentlich genügend Anhaltspunkte und so wie @koppweh muss man wirklich nicht abgleiten.
    Das „Problem SR“ ist wie vieles andere auch vom Grundsatz das „Problem AV“.
    SR ist doch nicht allein, auch S. Aigner oder Hasebe wurden mit falschen Systemanforderungen vor kaum lösbare Aufgaben gestellt und haben ihre Form dadurch verloren. man hat mehrfach gesehen, dass SR Fußball spielen kann und auch eine Verstärkung für uns darstellt. Fußball ist aber ein Spiel von 11 Spielern, die als Mannschaft harmonieren müssen.
    O.K. – nehmen wir H96 als Start einer neuen Idee, zumindest die 2. Halbzeit. Nur jetzt nicht zu schnell wieder übermütig werden, zuerst gilt es Gegentore zu verhindern, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Hoffen wi,dass die SGE hat gelernt, dann kommen auch SR und Andere wieder in die gute Spur.
    Nun aber erst mal Aue, wird schwer genug
    Forza SGE !

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  6. Ich finde seine Zweikampf-Schwäche sehr merkwürdig. Ich hatte das eigentlich als eine seiner Stärken eingeschätzt. Es wird ja im Artikel auch mehrfach darauf verwiesen, dass die Balleroberung seine Stärke sei.

    Hat er das falsche Timing in den Zweikämpfen oder woran liegt es? Er kann es doch… Mich würden mal historische Daten aus LEV interessieren, wie es da so um seine Zweikampfquote bestellt war.

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  7. Normalerweise musst du einen Drittligisten mit 6 Toren in die Halbzeit schicken…….
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    Gegen Hannover mußt du normalerweise in 90 Minuten 30 mal aufs Tor schiessen……
    So eine Gurkentruppe wie Hannover hab ich schon lange nicht mehr in der Liga gesehen…..
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    Und hört mir alle auf wir haben kein Selbstvertrauen……den Scheiß kann Russ seiner OMA erzählen
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    Ich hab selber jahrelang Fussball gespielt….ich weiß genau wie die ticken….

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  8. Im Prinzip wusste doch wohl jeder, der selbst einmal gegen den Ball getreten hat, das die von Veh für Reinartz angedachte Rolle, den Jungen einfach überfordert.
    Reinartz ist ein grundsolider Fußballer mit kämpferischen Tugenden. Wenn man mehr, in Richtung Spielgestaltung + Spielkontrolle, vom Ihm erwartet , zerstört man auch noch diese Tugenden. Überforderung nennt man das lieber Armin Veh.

    Das Problem heißt Armin Veh, so einfach ist das…

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  9. Vielleicht hat man auch denselben Fehler nochmal gemacht wie bei Medo…..und einen Sportinvaliden verpflichtet…..
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    Das wäre allerdings nicht meine Transfer Philosophie ….
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    Spieler zu verpflichten die Erfahrung haben aber nicht die gesundheitlichen Vorrausetzungen…..
    Sydney Sam ist auch so ein Paradebeispiel….
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    Würde mich nicht wundern wenn in Leverkusen Spieler kaputt gespritzt werden……….
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  10. Ich finde dass Reinartz alles ist – aber sicher kein Problemfall!!

    Er hat sehr gut begonnen und zuletzt war er nicht mehr gut; das ist normal und kommt bei fast jedem Spieler mal vor.

    Ich baue weiterhin auf ihn weil er vieles drauf hat was wir brauchen; die Dynamik eines Rode hatte er nie und wird er nie haben; das wissen sicherlich auch unsere Offiziellen.
    Aber er kann in etwa das geben was Schwegler bei uns spielte; und wenn auch Reinartz sein Tief überwunden hat wird er das auch wieder auf dem Platz zeigen.

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  11. Das Problem ist also Veh……. Nein, ist er nicht. Reinartz hat momentan einfach eine schlechte Form. Das passiert jedem im Laufe der Saison. Er war zu Beginn gut ( das was er kann hat er gespielt) dann zwei Spiele saustark, und dann ging es runter. Daher ist die Pause gut für ihn. Ähnlich wie bei Hasebe kann er den Akku laden und vor allem den Kopf frei kriegen. Dann läuft das auch wieder. Ich finde es echt spannend, wie teilweise argumentiert wird. Ist der Spieler gut , ist es sein Verdienst oder Glück. Ist er schlecht , ist Veh schuld. Das ist zu einfach. SR wird wieder eine Rolle spielen. Auch Hasebe. Ich finde es aber logisch Medo nach dem guten Spiel jetzt erstmal den Vorzug zu geben. Das kennen alle, die mal Fussbal gespielt haben. Wenn es läuft bei Dir, kannst Du in einen Lauf kommen. Das hoffe ich bei Medo. Und wenn es nicht mehr läuft, wechseln wir.

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  12. @koppweh

    kannst Du mir etwas von dem Zeug besorgen … scheint der absolute Burner zu sein 🙂

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  13. @an alle, die immer noch mehr Freude an unserer Mannschaft als die permanente Lust am Untergang, Krisen und Problemfällen empfinden:
    Ich freu mich jetzt riesig auf das Pokalspiel gegen Aue. Das letzte gute Resultat sollte die Mannschaft mental gestärkt haben. Ich baue auf das 4231, hoffe aber auf eine gegen Aue stärker offensiv ausgerichtete Spielweise.

    Sieg für die Eintracht!

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  14. Die Posts von Koppweh sind das Salz in der Suppe. Selten so gelacht. @ Koppweh: In welcher Liga warst du denn aktiv, dass du dich so gut in unsere Profis rein versetzen kannst?

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