Schaaf+VehDrei Wochen sind inzwischen vergangen, als Deutschland das Finale gegen Argentinien mit 1:0 gewann und Weltmeister wurde. Ebenso lange dauert es jetzt noch, bis der Ball in der Bundesliga wieder zu rollen beginnt. Vor der Tagung des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) in Mannheim traf der Kicker Christian Streich (SC Freiburg), Armin Veh (VfB Stuttgart) und Eintracht-Trainer Thomas Schaaf. Neben den Folgen der WM für die Bundesliga ging es auch um den FC Bayern München und die Jugendarbeit in den Vereinen.

Schaaf empfand sowohl den Erfolg, als auch die Art und Weise des Auftretens der Nationalmannschaft in Brasilien herausragend. „Der deutsche Fußball wird dadurch in der Welt noch dominanter wahrgenommen werden. Ähnlich wie das jahrelang mit Spanien passierte„, sagt der neue Coach der Hessen voraus. Auch Streich und Ex-Frankfurt Coach Veh waren angetan vom Fußball, den die Deutschen beim Weltturnier anboten. Der neue Trainer der Stuttgarter sah sogar eine Renaissance der sogenannten „deutschen Tugenden“: „Das kann man so sagen, aber in der Paarung mit der hohen spielerischen Klasse. Das war etwas, was wir in den Jahren zuvor nicht bieten konnten. Die Jungs sind nun gut ausgebildet, technisch stark und haben obendrauf die richtige Mentalität. Das hat’s ausgemacht.“ Diese Entwicklung wurde dann auch knapp zweieinhalb Wochen später von der U-19 des DFB bestätigt, die den Europameistertitel in Ungarn spielerisch und kämpferisch stark gewannen. Fortschritte taktischer Natur habe es während der WM hingegen weniger gegeben. So merkt Veh an, dass die Qualität insgesamt in der Champions League höher sei, als beim Weltturnier. Trotzdem war Schaaf positiv überrascht davon, „dass die meisten Mannschaften so aktiv waren und nach vorne gespielt haben. Teams, die nur reagiert haben, habe ich kaum gesehen. Das Selbstverständnis ist ein anderes geworden. Selbst kleinere Teams wollen sich nicht mehr nur hinten reinstellen, wenn es gegen große Nationen geht. Wie selbstbewusst Mannschaften wie Costa Rica gespielt haben, war toll.“ Lässt sich dieser neu gefundene Mut vielleicht auch auf Spiele gegen den FC Bayern München oder Borussia Dortmund übertragen?

Veh sieht dies weiterhin, vor allem wenn es um die Partien gegen den Rekordmeister geht, als fast unmöglich an. „Es wird aber Streichimmer schwerer, Überraschungscoups zu landen. Das hat sich gewandelt. Die Bayern oder andere Großgewichte müssen schon viele Fehler machen, dass eine Mannschaft, die keiner auf der Rechnung hat, am Ende vorne steht. Und es wird nicht einfacher. Wenn ich lese, dass Red-Bull-Besitzer Mateschitz mit Leipzig Deutscher Meister werden will, was wollen wir in Frankfurt oder Stuttgart da sagen, wie die Geld ohne Ende haben?“ Schaaf betrachtet die Dominanz der Münchener, die in dieser Spielzeit den dritten Meistertitel in Folge anstreben, etwas nüchterner. Das deutsche Aushängeschild habe in den vergangenen Jahren einfach auch richtig gut gearbeitet. „Insofern haben sie sich ihre derzeitige Position auch verdient.“ Trotzdem sieht der Coach der Eintracht weiterhin ein gutes Niveau in der Liga. „Wir haben eine Menge Qualität in der Bundesliga. Wir müssen keine Angst haben.“

Damit Vereine, wie die Freiburger, Frankfurter oder Stuttgarter Europa League spielen können, „muss eben alles passen, und die anderen müssen ein paar Fehler machen„, wie Veh anmerkt. Streich ärgert sich maßlos darüber, dass seriös wirtschaftende Klubs nicht öfter belohnt werden. „Wenn immer mehr Vereine kommen, die Fehler machen, aber nicht dafür bestraft werden, weil irgendeiner das finanziell ausgleicht, dann wird es schwierig„, kritisiert der Coach der Breisgauer scharf. Ob ein Investor aushelfen und auch kleinere Clubs nach oben bringen könnte? Er garantiere zwar keinen Erfolg, „aber du hast da eher mal die Möglichkeit, einen teuren Spieler zu verpflichten. Aber zum Erfolg gehört eben auch, ein richtiges Team zu haben, eine Gemeinschaft, die richtige Mischung“, so Schaaf. Dazu gehöre auch, die Jugend immer wieder im Blick zu haben und Spieler aus den eigenen Internaten nach oben zu ziehen.

Hier kamen die Trainer zu dem brisanten und an vielen Orten kontrovers diskutierten Thema „U23 – Abschaffen oder behalten“? In Bremen etwa, so berichtet der neue Coach der Hessen, sei die Sache sehr kompliziert gewesen. Spieler aus der U19 wollten sofort nach oben gezogen werden, „weil wir mitbekommen haben, dass sie auch unzufrieden waren in der zweiten Mannschaft. Dieser Status, dort zu spielen, war negativ besetzt. Und wie viele Spieler hat man letztlich nur üben den Umweg der U23 nach oben gezogen?“ In Freiburg hingegen klappt diese Entwicklung hervorragend. Viele Spieler durchlaufen im beschaulichen Breisgau den normalen Weg U17, U19, U23 und dann erst Profis. Streich kennt die Spannungen, die sich daraus ergeben, wenn junge Kicker in der U17 oder U19 gegen Bayern, Stuttgart oder Karlsruhe spielen und dann auf einmal in der Regionalliga gegen vermeintlich kleine Klubs ranmüssen. „Das ist ein Prozess, den du psychologisch begleiten musst. Freiburg ist spezifisch, denn wir sind ohne Wenn und Aber darauf angewiesen, dass wir Jugendspieler in die Bundesligamannschaft bekommen, denn sonst sind wir nicht existenzfähig.“ Man habe daher auch überlegt, die U23 in die Aufstiegsrelegation der Vorsaison für Liga 3 zu schicken, dann aber die Entscheidung dagegen getroffen, „damit die jungen Spieler mehr Erfolgserlebnisse haben. Wir wollten unsere 18- und 19-Jährigen nicht jede Woche gegen die abgezockten Profis antreten lassen.“ Veh hingegen ist froh, dass sich die U23 des VfB in der 3. Liga aufhält. Hier könne sich ein junger Spieler entwickeln, „wenn er dann wie jetzt gegen Dresden spielt.“ Aber der Coach der Schwaben ist gegen ein hin- und herschieben von Talenten. „Ich möchte nicht, dass er die ganze Woche bei mir trainiert und dann zum Spiel der Zweiten geht. Ich möchte, dass er eine Heimat hat und sich freut, wenn er aufgrund seiner Leistungen nach oben kommt.“

Einig sind sich die drei Fußballlehrer letztendlich aber noch in einer Sache. Facebook und Twitter werden nicht von ihnen bedient. „Hören Sie mir auf damit„, war etwa die Reaktion von Veh. „Wissen Sie, was das Wichtigste ist? Sich miteinander zu unterhalten. Dafür braucht man keinen Aparat„, so Schaaf. Und Recht hat er – wer weiß wie viele tollen Interviews es sonst nicht mehr gäbe!

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3 Kommentare

  1. Auch wenn es nichts mit der Eintracht und Fussball zu tun hat – die Aussagen hinsichtlich Facebook etc sind IMHO ein VOLLTREFFER! Die haben absolut Recht. Wenn ich täglich in der U-Bahn die ganzen Nasen sehe wie sie in ihr Handy glotzen und ihre Freundin oder der Freund hockt nebendran….
    das bringt mich aber doch zum Thema Fussball + Eintracht: Anstelle so bescheuert zu sein und jede 10 Minuten auf FB zu glotzen was es (ach) so wichtiges gibt > Geht ins Stadion mit euren (richtigen, physikalisch präsenten) Freunden – zieht euch ne Wurst ein paar Bier und ein (hoffentlich schönes) Spiel rein! 1.000x besser als der Twitter und Facebook-Scheiss!

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