Alexander Richter will auch bei der SGE Spieler vom Kaliber Leon Goretzka finden. (Foto: IMAGO / Hartenfelser)

Seit dem 1. April 2022, also seit fast zwei Jahren, ist Alexander Richter Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Eintracht Frankfurt. Damals folgte der 53-Jährige auf Andreas Möller und sollte die Jugend der SGE weiter voranbringen.

Im Interview mit „fussball.news“ gab er Einblick in seine tägliche Arbeit, blickte auf die erneute Einführung der U21 und gab Ausblick in die Zukunft. Obwohl die Profi-Fußball-Mannschaft der Hessen natürlich das große Aushängeschild der Eintracht ist, zeichnet den Klub für Richter selbst eine andere Sache den Klub aus: „Die Menschen, die in dem Klub arbeiten.“ Dies habe man unter anderem daran gesehen, wie viele Menschen zur Mitgliederversammlung gekommen seien, um Peter Fischer, den er eine „beeindruckende Persönlichkeit“ nannte, zu verabschieden. „Die Menschen, die die Eintracht verkörpern, sind für mich diejenigen, die die Eintracht ausmachen. Durch diese Mischung aus Klub, Fans und Stadt ist die Strahlkraft gewaltig. Das habe ich so selten erlebt“, erklärte er.

Für seine tägliche Arbeit, die sich selbstverständlich um die Jugend der SGE und den Nachwuchs des Vereins dreht, sei die Wiedereinführung der U21 „essenziell“ gewesen, erklärte Richter. „Das war mit Blick auf die Förderung der Jugend einer der wichtigsten Schritte des Vereins in der jüngeren Vergangenheit. Wie auch in Bochum war die Abschaffung der zweiten Mannschaft im Nachhinein betrachtet ein Fehler. Durch den Wegfall vieler zweiten Mannschaften in Deutschland haben wir 800 bis 1.000 Ausbildungsplätze weniger.“ Die Eintracht sei nun „ein Vorreiter mit der Wiedereinführung“ und Vorbild für viele Klubs: „Es sind relativ viele Teams, die wieder auf den Zug mit aufspringen. Für unsere Ausbildung ist es extrem wichtig, dass wir diese Mannschaft haben.“

Kritik am Ligensystem

Immer wieder wird in Deutschland darüber diskutiert, dass die zweiten Mannschaft nur bis maximal in die dritte Liga aufsteigen können und das System quasi begrenzt ist. Richter selbst sieht die dritte Liga aber auf einem guten Level und das Problem im Ligensystem allgemein. Es sei für ihn die Frage, warum es gleich fünf Regionalligen gebe. Außerdem werde jedes Jahr über den Aufstieg aus diesen in die dritte Liga diskutiert. Seine Idee: „Man stelle sich vor, es gebe zwei 3. Ligen und vier Regionalligen. Aus diesen vier Regionalligen steigen damit definitiv vier Teams in eine zweigleisige 3. Liga auf. Dadurch hätten auch mehr zweite Mannschaften die Chance auf die 3. Liga.“ Eine zweite Mannschaft der Eintracht in der dritten Liga bringe viele Vorteile: „Dort könnten Talente noch besser ausgebildet werden und die Lücke zum Profibereich ist nochmal deutlich kleiner. In der Hessenliga ist es viel schwieriger, wenn du in Richtung 1. Bundesliga oder europäischen Wettbewerb ausbilden willst.“ Allerdings betonte er auch, dass man in Frankfurt derzeit „keinen Gedanken an die 3. Liga“ verschwende – auch wenn die SGE stark in die Saison gestartet war. „Als wir in der Hinrunde in der neuen Liga ganz gut performt haben, stand überall geschrieben, dass wir in die 3. Liga aufsteigen müssen. Von diesen Gedanken und Forderungen befreien wir uns. Wir wollen unsere Spieler weiterentwickeln“, gibt er Einblicke in die Gedanken der Verantwortlichen. Auch sei die finanzielle Seite derzeit nicht das Hauptaugenmerk. „Ich will die Unterschiede zwischen den Ligen nicht von der Geldseite aus sehen“, erklärte er und gab an, dass es um die Ausbildung von Talenten gehe: „Auch in der 3. Liga wirfst du deine 17- oder 18-jährigen Talente ins Rennen. Unterhaching hat zuletzt einen 16-Jährigen eingewechselt. In der 3. Liga darfst du einen Spieler mit 16 Jahren einsetzen, in der Regionalliga geht das erst ab 17 Jahren. Da sind wir wieder beim Thema Ausbildungsstrukturen hierzulande. Wir müssen uns in Deutschland noch viele Gedanken über das Thema Talentförderung machen.“

Bei der Suche nach Talenten sei er aktuell froh, dass man in Frankfurt eine „niedrige Fluktuation“ habe, erklärte der NLZ-Chef. „Es ist eines unserer Ziele, dass wir Talente nicht wegschicken und dafür neue Spieler für viel Geld dazuholen. Wir wollen die Jungs so ausbilden und trainieren, dass sie bei uns im System bleiben“, erklärte er und betonte, dass man vor allem auf heimische Talente setze: „Hessen und ganz besonders das Rhein-Main-Gebiet sind dabei unsere Rekrutierungsgebiete. Internationale Transfers tätigen wir nur selten und wenn, dann im Austausch mit der Profi-Abteilung. Es gibt so viele Talente vor unserer eigenen Haustür. Natürlich werden wir teilweise auch Talente von weiter weg holen. Aber wir wollen keine 50 oder 60 Internatsplätze vergeben wie andere Klubs. Zuhause ist es für die Jungs immer noch am schönsten.“

Ein Beispiel dafür, dass man sich in Frankfurt derzeit auf dem richtigen Weg befindet, ist Außenverteidiger Elias Baum, der mittlerweile regelmäßig zum Profi-Kader gehört und schon einige Einsatzminuten in diesem Jahr sammelte. Als er in der Conference League gegen Helsinki zum ersten Mal eingewechselt wurde, sei der Jubel im Nachwuchsleistungszentrum natürlich groß gewesen: „Da gab es bei uns intern viele WhatsApp-Nachrichten. Nach diesem Einsatz haben sich alle gefreut.“ Der Weg sei aber natürlich noch lange nicht abgeschlossen: „Aber wir wissen, dass noch viele Jungs nachfolgen müssen. Nacho Ferri haben wir schon ein paar Jahre gefördert. Diese Talente sollen ganz oben ankommen.“ Richter betonte, dass der Weg der Talente aber nicht erst in der U21 beginnen dürfe: „In der U19, der U17 und auch den jüngeren Teams haben wir richtig gute Jungs. Wenn sie gut spielen und trainieren, dann schiebst du sie nach oben durch. Es geht nicht darum, die U19 so stark wie möglich zu machen. Die entscheidende Frage ist: Wo entwickelt sich welcher Spieler am besten?“

Vorbild Leon Goretzka

Auf dem Weg vom Talent hin zum Profi seien für ihn einige Dinge essenziell, dabei nannte er eine gute Technik, das Tempo und „etwas zwischen den Ohren“. Hier sei es wichtig, dass der Spieler vernünftig über das Fußballgeschäft denke, welches er kritisierte: „Das Business ist total überhitzt und die Jugendlichen bekommen teilweise Dinge mit, die nicht leistungsfördernd sind. Deshalb ist es wichtig, dass die Jungs vernünftig denken und wissen, dass sie für ihren Durchbruch hart arbeiten müssen.“ Dass Richter dabei weiß, wovon er spricht, hat er bei seiner Zeit beim VfL Bochum gezeigt, wo er unter anderem Leon Goretzka, Ilkay Gündogan oder Lukas Klostermann formte. Vor allem Goretzka sei ein Musterbeispiel gewesen: „Leon Goretzka hatte eine gute Technik, das nötige Tempo und eine Familie, die ihm klar gesagt hat, wie er über seinen Weg im Fußball zu denken hat. Es war klar, dass er erst Abitur machen muss, ansonsten wäre der Traum vom Profifußball erledigt gewesen. Leon hat ein sehr bodenständiges Umfeld. Natürlich dürfen die Jungs träumen und in Verhandlungen auch ein paar Euro mehr verlangen. Das sollte aber alles in einem gesunden Rahmen bleiben.“

Bei seiner Arbeit sei Sportvorstand Markus Krösche einer der Hauptgründe, zur SGE zu wechseln, erklärte Richter. „Wir haben über alle Aspekte gesprochen und waren uns in vielen Dingen schon einig, bevor ich von Bochum nach Frankfurt gewechselt bin. Markus und ich kannten uns davor allerdings eher flüchtig. Er war in Paderborn Sportvorstand und ich in Bochum NLZ-Leiter. Da gab es ein paar wenige Schnittstellen. Als die Eintracht einen NLZ-Leiter gesucht hat, kamen wir in den Austausch. Da haben wir gemerkt, wie wir über Fußball und Nachwuchsarbeit denken. Das passte zusammen und das war ein zentrales Argument für mich, den Schritt nach Frankfurt zu gehen und dafür in Sachen Familie, die im Ruhrpott geblieben ist, etwas zurückzustecken. Ich habe sofort gemerkt, dass hier Leute am Werk sind, die in die gleiche Richtung wollen wie ich“, freute sich Richter über die Zusammenarbeit.

Eine Zusammenarbeit, die im kommenden Sommer enden wird, ist die mit Kristjan Gilbo, dem derzeitigen Trainer der zweiten Mannschaft der Hessen. Richter betonte, dass diese Trennung im Guten vonstatten gegangen sei: „Wir haben Gespräche geführt und überlegt, wie der weitere Weg sein kann. Keine Seite hat etwas falsch gemacht. Aber wir haben festgestellt, dass wir noch mehr in Richtung Ausbildung gehen wollen. Kristjan Glibo hat das in diesem Bereich gut gemacht.“ Gilbo selbst strebe aber zu höherklassigen: „Kristjan macht derzeit den Fußballlehrer, er will zukünftig vielleicht auch noch höherklassig trainieren. Dort kann ich ihn mir auch gut vorstellen. Bei den Gesprächen haben wir dann gemerkt, dass es in der aktuellen Konstellation nicht über den Sommer hinaus weitergehen wird. Wir wollen einen neuen Impuls setzen. Bis zum Sommer gilt es, eine gute Rest-Saison zu spielen und jeden einzelnen Spieler weiterzubringen.“ Für den Nachfolger des derzeitigen Coaches habe er ein spezielles Profil im Kopf: „Für den U21-Trainerposten muss man sehr speziell in der Kommunikation sein“, erklärte er und führte weiter aus: „Aber die U21 ist die Schnittstelle zwischen Jugend- und Profibereich. Da musst du als Trainer schnell reagieren. Ein 18-jähriger Spieler, den du fest eingeplant hattest, wird plötzlich von der ersten Mannschaft benötigt. Steht er am Ende dann am Spieltag aber doch nicht im Kader, braucht er Spielpraxis. Hat die U21 ein Spiel, wird er dort eingesetzt. Mit diesen kurzfristigen Veränderungen musst du als Trainer umgehen können. Man benötigt ein hohes Maß an Flexibilität und man muss sich zurücknehmen. Es geht darum, dass die 17- und 18-Jährigen voll durchpowern können und Spielpraxis haben. Dafür kann es durchaus mal passieren, dass dich das als Coach Tabellenplätze kostet. So funktioniert Talentförderung.“

Zum Abschluss gab Richter einen Ausblick auf das, was er noch im NLZ der SGE erreichen wolle. Die Vorstellungen hier sind durchaus ambitioniert: „Ich will gemeinsam mit vielen Menschen die Eröffnung von guten Fußballplätzen feiern. Es wäre klasse, wenn wir in Zukunft mehr Bürokapazitäten hätten. Dazu wollen wir ein Eintracht-NLZ auf die Beine stellen, an dem die Fans und die Stadt Freude haben, weil sie wissen, dass Eigengewächse im großen Stadion landen. Das ist mein Traum und daran arbeiten wir weiter.“

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5 Kommentare

  1. Hach das geht runter wie Butter:

    „„Ich will gemeinsam mit vielen Menschen die Eröffnung von guten Fußballplätzen feiern. Es wäre klasse, wenn wir in Zukunft mehr Bürokapazitäten hätten. Dazu wollen wir ein Eintracht-NLZ auf die Beine stellen, an dem die Fans und die Stadt Freude haben, weil sie wissen, dass Eigengewächse im großen Stadion landen. Das ist mein Traum und daran arbeiten wir weiter.“

    Auch interessant, dass man endlich mal was zu Glibo hört/liest. Wie zu erwarten war, er fühlt sich zu höherem bestimmt und das durchaus zu Recht, wenn man mit einer komplett neu zusammengewürfelten U23 direkt den Aufstieg schafft und oft tollen Fussball zeigt, 2 Spieler in den Profibereich integriert werden, spricht das schon für sich. So wird er bestimmt auch für Mannschaften aus dem Herrenbereich interessant und wird vermutlich bald woanders auftauchen. Die Neugründung der U23 wird immer mit ihm in Verbindung stehen. Alles Gute Kristjan, hast n tollen Job gemacht!

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  2. Mal ne echt doofe Frage aber ich verstehe es nicht. Es wird immer von U21 gesprochen aber manchmal von U23. Gibt es einen faktischen Unterschied? Ist bei uns nicht eine U21 gemeldet? In dem Kontext war gestern ein Artikel im Kicker dass Bochum eine U23 wieder aufgebaut hat.
    Danke!

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  3. Ein wirklich guter Mann den die Eintracht mit Alexander Richter vor fast zwei Jahren geholt hat. Lese oder höre immer gerne seine Interviews.

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  4. @2: na offiziell ist einfach die zweite Mannschaft, Eintracht II. Die DFL macht da keine Vorgaben bezüglich des Alters.

    Am Anfang war es quasi eine U23 mit Ergänzungsspielern von der aufgelösten Herrenmannschaft des SC Hessen Dreeich, sie haben des Platz in der Hessenliga der Eintracht überlassen. Dafür muss man Dreeich ewig dankbar sein. Sonst hätte die Eintracht II 3 Ligen weiter unten starten müssen und die Talente wären verschwendet worden bzw. wieder abgehauen. Hessen Dreeich ist ein Zusammenschluss mehrerer Vereine „auf der dunklen Seite des Mains“, um ihre Kapazitäten und Möglichkeiten zu bündeln und den Jugendsport voranzubringen, nicht nur im Fussball. Es gab schon immer guten Kontakt, weil Charly Körbel da Vizepräsident war. Der Verein und alle Jugendmannschaften existieren noch, sie wollten im Herrenbereich aber nicht mit der Eintracht konkurrieren.

    Aus der Mannschaft wurden einige Spieler in die Eintracht II übernommen, so auch Kapitän Marc Wachs, der die Eintracht II mit 14 Toren und 5 Vorlagen zum Aufstieg geführt hat. Er hat unter anderem so ziemlich jeden Elfmeter rein gemacht. Der direkte Aufstieg wird immer mit ihm in Verbindung bleiben.

    Generell ist das Ziel natürlich, möglichst jungen Spielern Spielzeit zu geben. Deswegen wurden Marc Wachs keine Steine in den Weg gelegt, als Offenbach ihm einen Vertrag angeboten hat. Mit inzwischen 28 Jahren ist er natürlich kein Talent mit Chancen auf die erste Mannschaft mehr.

    Es wird also kein Spieler einfach rausgeschmissen, wenn er die 21 Jahre überschreitet, das langfristige Ziel ist es aber hauptsächlich, U21 Talenten Spielzeit zu verschaffen und der Kader wurde auch in dieser Saison nochmal deutlich verjüngt, wie die erste Mannschaft. Deswegen ist es inzwischen eine U21 mit erfahrenen Ergänzungsspielern.

    Da die Regionalliga noch andere Ansprüche stellt als die Hessenliga, wurden allerdings auch bewusst bereits in höheren Ligen erfahrene Leute auch über 21 jahren dazu geholt, z.B. Brauburger und Bookjans. Beide haben am bis jetzt in der Regionalliga Südwest Erreichten mit bis jetzt je 5 Assists und 2/3 Toren auch großen Anteil.

    https://www.transfermarkt.de/eintracht-frankfurt-ii/startseite/verein/177

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  5. Ja genau, offiziell ist es vollkommen egal, wie alt die Spieler da sind. Außer halt Mindestalter. Es könnte dort auch Hasebe noch mitmachen. Oder Charly Körbel ;-). Das mit U21 ist komplett selbst von der Eintracht als Ziel ausgegeben, das anzeigt, wo man da hin will.

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