Marco Russ' Treffer gegen den 1. FSV Mainz 05 war der Dosenöffner für die Aufholjagd.
Marco Russ‘ Treffer gegen den 1. FSV Mainz 05 war der Dosenöffner für die Aufholjagd.

Es sind häufig Kleinigkeiten, die über den Ausgang eines Fußballspiels entscheiden. Die Frage mag daher erlaubt sein – was wäre 24. April wohl passiert, wenn Änis Ben-Hatira vor dem Ausgleichstreffer gegen den 1. FSV Mainz 05 nicht ausgerutscht wäre? Hätte der gegnerische Verteidiger den Ball geblockt und einen Konter gegen eine weit aufgerückte Eintracht-Mannschaft eingeleitet, der wohl gleichbedeutend mit dem endgültigen Nackenschlag gewesen wäre? Stattdessen kam alles anders – der am Boden liegende Ben-Hatira reagierte gedankenschnell und fand Marco Russ, der den Ball irgendwie über die Linie drückte. Eine Torlos-Serie von über 350 Minuten ging mit diesem Treffer zu Ende – und die Hessen konnten durchstarten und drei Siege in Folge einfahren.

Die vor drei Wochen noch totgesagten Frankfurter leben inzwischen wieder und peilen gegen den SV Werder Bremen den direkten Klassenerhalt an. Ein Punkt ist noch nötig, um das nächste Wunder vom Main zu schaffen. Während 1999 ekstatische Jubelarien folgten, wäre die Feier im Falle des Klassenerhalts aktuell wohl weniger euphorisch. Die Spielzeit 2015/16 hat den gesamten Verein viel Kraft gekostet. Ein Kader, der letzte Saison den 9. Platz erreichte und weiter verstärkt wurde, konnte die hohen Erwartungen nur in der Anfangsphase der Saison erfüllen und enttäuschte im weiteren Verlauf zu häufig.

In den zurückliegenden Wochen sind Fans und Klub dennoch wieder enger zusammengerückt. Der Anhang hat die Situation voll angenommen, steht bedingungslos hinter der Mannschaft und erkennt, dass unter dem neuen Coach Niko Kovac Verbesserungen zu sehen sind. Die Hessen stehen inzwischen kompakter, sie sind deutlich lauffreudiger, nehmen den Kampf an und werfen sich in jeden Ball. Freilich kann eine solche Spielweise nicht über 34 Spiele durchgezogen werden – doch Kovac erkannte die Schwächen und drehte an den entscheidenden Stellschrauben. Der Kroate arbeitete zusammen mit Bruder Robert besessen daran, die Schwachpunkte zu beheben und dem Team einen Plan für die 90 Minuten an die Hand zu geben.

Kovac treibt das Team weiter an und warnt davor, jetzt nachzulassen.
Kovac treibt das Team weiter an und warnt davor, jetzt nachzulassen.

Die große Belohnung gab es vergangenen Samstag, als die Eintracht überraschend mit 1:0 gegen Borussia Dortmund gewann und auf Platz 15 kletterte. Auf einmal ist die direkte Rettung wieder greifbar nahe – wird es deshalb noch gefährlicher im Weserstadion? Die Rolle des Jägers haben die Frankfurter gegen die des Gejagten eingetauscht – ein Szenario, das Mannschaften in der Vergangenheit bereits häufiger gelähmt hat. Kovac mahnt deshalb täglich, er möchte den Schlendrian nicht einkehren lassen: „Werder wird von der ersten Minute Gas geben, da müssen wir hellwach sein. Und, wenn es sein muss, in 90 Minuten 130 Kilometer laufen!“

Bruno Hübner wird ebenfalls nicht müde zu betonen, dass sich die Ausgangsposition zwar verbessert habe, aber trotzdem noch alles verloren werden kann: „Den letzten Sieg müssen wir erst noch leisten.“ Bei einer Niederlage droht die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg, im schlimmsten Fall sogar noch der direkte Abstieg. Sollte es zur Begegnung gegen den Club kommen, haben die Verantwortlichen ihre Hausaufgaben bereits erledigt und den Kontrahenten seit mehreren Wochen beobachtet: „Das mussten wir tun. Damit jetzt erst anzufangen, hätte auch keinen Sinn. Denn im letzten Saisonspiel werden die Nürnberger ihre Kräfte schonen.“

Gelingt es dem Team noch einmal über 90 Minuten + X die nötige Spannung aufzubauen und mindestens einen Punkt aus der Hansestadt mitzunehmen? Kovac schaut im Training genau hin und greift korrigierend ein, wenn ihm etwas nicht passt. Der 44-Jährige lässt nicht zu, dass sich die Spieler ausruhen – und geht mit gutem Beispiel voran. Hotel, Trainingsplatz, Vor- und Nachbereitung – das Trainergespann gönnt sich keine Pausen und arbeitet unentwegt am Kapitel Klassenerhalt.

Die Eintracht fährt mit einer guten Bilanz im Gepäck in den Norden der Republik. In den letzten elf Bundesligapartien gab es nur eine Niederlage – die liegt ein Jahr zurück, damals gewannen die Werderaner am 31. Spieltag dank eines Treffers von Davie Selke mit 1:0. Im Hinspiel revanchierten sich die Frankfurter allerdings und siegten mit 2:1 – Alex Meier und Stefan Aigner drehten die Partie, nachdem Claudio Pizarro die Führung erzielte. Russ würde sich freuen, wenn der Name des Frankfurter Toptorjägers auch diesen Samstag wieder auf der Anzeigetafel im Stadion erscheinen würde, wie er dem Kicker sagte: „Wenn Alex Meier einigermaßen fit ist, wäre er auf jeden Fall eine Option, gegebenenfalls kommt er von der Bank. Ihm fiel schon öfter der eine oder andere Ball vor die Füße.“

Drei Erfolgsgaranten der SGE in den letzten Wochen: Abraham, Kovac und Russ.
Drei Erfolgsgaranten der SGE in den letzten Wochen: Abraham, Kovac und Russ.

Der Vize-Kapitän geht in diesen schwierigen Wochen voran und gibt dem Team zusammen mit David Abraham in der Innenverteidigung Halt und Stabilität. Der 30-Jährige warnt das Team und Umfeld vor Selbstzufriedenheit, er weiß: „Viele Fußballprofis brauchen ab und an einen Tritt in den Hintern!“ Auch vor dem Spiel gegen Bremen: Auf Unentschieden zu spielen sei gefährlich, „wenn es bis zur 88. Minute 0:0 steht und wir ein dummes Gegentor kriegen, dann ständen wir als die Deppen da.“ Kovac mache dies genau richtig. Der Trainer sei schon als Spieler ein Kämpfer gewesen, der vorneweg marschiert – „das lebt er auch als Trainer. Er ermahnt uns immer mal wieder, lässt auch mal locker, zieht die Zügel aber schnell wieder an. Er pusht ohne Ende. Er hat uns das Kämpferherz zurückgebracht, das vielleicht ein bisschen verloren gegangen war.“

Exemplarisch dafür stand die Partie am vergangenen Samstag gegen die Dortmunder. Die Eintracht rückte eng zusammen, wehrte sich gegen die Übermacht und kam trotz bescheidener 16 Prozent Ballbesitz zum 1:0-Sieg. Russ lobte die Mannschaft und den Coach für diese Leistung und die Wahl der richtigen Strategie: „Der Wille spielt eine Rolle, aber auch die akribische Arbeit des Trainers, der großen Wert auf Standards legt, weil er genau weiß, dass man dadurch Spiele entscheiden kann. Es war genau der richtige Schlüssel, um den BVB zu knacken.“ Findet Kovac auch gegen die Bremer den richtigen Schlüssel, dann können die Hessen eine nervenaufreibende Saison doch noch zu einem glücklichen Ende führen und einen Neustart in der 1. Bundesliga anpeilen.

 

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8 Kommentare

  1. am Samstag machen wir den Klassenerhalt klar freunde des gepflegten Fußballs wer hätte das vor 3 Wochen gedacht ? Ich hatte mich noch selbst bemitleidet, dass ich mir für die letzten 3 Heimspiele Karten besorgt hatte 🙂 Nun bin ich froh ein Teil dieses Wunders gewesen zu sein (wenn es denn so kommt). Schade, dass man wieder was zum jammern hat (Bobic) und das schon wieder wichtiger ist als unser Wunder, dass wir gerade erleben. Manche Dinge ändern sich leider nie 😉

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  2. Ich glaube, man weiß ganz gut zu trennen. Dieses hoffentlich eintretende Wunder wird niemand geringschätzen oder vergessen.

    Nur ist es halt tagesaktuell so, dass nachdem (wie gerne kolportiert wird) der Pöbel endlich für einen neuen Trainer gesorgt hat, sein Gespür bei der nächsten (sich viel zu lange hingezogenen) Personalentscheidung mit Füßen getreten wird. DA KANN ICH MICH NUR UFFRECHE und ich glaube, das zu Recht. Aber, wie gesagt, Beten hilft und vielleicht wird deshalb ja alles gut.

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  3. Noch 1 einziges Mal !
    remember 99
    Auf Jetzt !
    wenn die Jungs sich zusammenreißen, kann es nicht schief gehen.
    Eintracht muss Bundesliga sein und spielen !
    Mit dem Adler im Herzen – Forza SGE !

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  4. Wutzespeck

    ist schon klar aber alles hat seine Grenzen und ich behaupte, dass die meisten die hier meinen mehr Ahnung wie die Entscheidungsträger zu haben, weniger Ahnung haben. Woher soll die auch kommen ? Aus den Medien und von Veh und Dutt ? Oder woher kommt diese Kompetenz über einen Menschen zu richten ? Ich hab auch kein Bock auf Bobic aber wenn es so kommt sollte man es akzeptieren, ihm eine Chance geben und zumindest mal darüber nachdenken, dass sich die Entscheidungsträger vielleicht doch ein wenig Ihre Gedanken gemacht haben … 😉

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  5. @Adlerherb: Was man zum Teil beurteilen kann ist seine Arbeit in Stuttgart. Als er gefeuert wurde, war der Verein sportlich in keiner guten Verfassung ( die Dutt allerdings noch verschlimmerte ).

    Die Jugnedarbeit wurde immer schlechter, die Transfers insgesamt okay, und ein Konzept wohin es gehen soll ( was wir ja alle für die SGE wollen ) , war nicht erkennbar. Natürlich gestehe ich / wir jedem zu, aus Fehlern zu lernen. Und keiner weiß , welche Faktoren ihn da noch behindert haben. Aber es gibt keinen Grund, sicbh zu freuen. EIne gewisse Skepsis ist nachvollziehbar.

    Ich warte ab, was kommt. Hätte mir aber den ein oder anderen Namen gewünscht, der im Gespräch war

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  6. @Adlerherb
    Ja, aber…
    Ich/man richte/t nicht über Bobic als Person, sondern kritisiere/t seine in Stuttgart geleisteten Resultate. Die sind ja seit gestern hier so schön für jedermann einsehbar. Ich kann mir halt absolut nicht vorstellen, wie jemand (Steubing) solch ein miserables Zeugnis verwerfen und aufgrund einiger Gespräche ableiten kann, dass bei der nächsten Stelle alles besser wird.

    Wenn Bobic da ist, wird ihm jeder seine Chance geben und er wird nicht zum Empfang ausgepfiffen werden, denn das würde ja auch nichts bringen. Er bekommt den gleichen warmen Empfang wie Michel Frontzeck bei jeder seiner Trainerstellen. Vielleicht klappt es ja mit Bobic besser.

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  7. ja ich hätte mich auch über eine innovative Lösung gefreut und etwas mehr Mut zum Risiko (oder ist es sogar ein großes Risiko). Wenn wir am Samstag gewinnen, dann wird alles gut egal ob mit oder ohne Bobic. Die Eintracht wird aus dieser Saison lernen und die gleichen Fehler nicht nochmal machen und eine gute Runde spielen wenn wir noch in der ersten Liga spielen, da bin ich mir sicher.

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  8. Bin da voll bei Wutzespeck @6. Anscheinend haben die Oberen eben nicht ihre Arbeit gemacht. In der Firma, in der ich arbeite, würde bei einer solchen Nachlässigkeit im „Fakten sammeln und sichten“ Köpfe rollen.
    Klar, wenn Bobic da ist, werde ich zu ihm stehen, denn was würde ein weiteres Rum-Nörgeln dann der Eintracht bringen. Nichts!

    So, jetzt freue ich mich auf das Finale. Am Anfang nicht überrennen lassen, auf Junu und Piza aufpassen, dann klappt das mit dem Punkt. So wie es aussieht bin ich live dabei. Stimme wird gut geölt und dann wird man auch uns im Bremer Kessel hören.
    So wie @3
    Mit dem Adler im Herzen.
    Auf jetzt SGE

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