Flum22 Spieler bewegen sich auf Fußballfeldern, die im Schnitt 100 Meter lang und 90 Meter breit sind. Zeit, um lange über Spielsituationen, Fehlpässe, vergebene Torchancen oder eigene Spielzüge nachzudenken, haben die Profis in der Bundesliga nicht. Über 90 Minuten lang heißt es: konzentriert verteidigen, klare Bälle spielen, Torchancen kreieren und diese im besten Fall so oft wie möglich verwerten. Wie komplex, vielfältig und anspruchsvoll der Job eines Bundesligaprofis geworden ist, sieht man nicht nur am Beispiel der Torhüter. Waren die Schlussmänner vor 15 bis 20 Jahren noch reine Liniensteher, die den eigenen Strafraum nur im allerhöchsten Notfall verließen, müssen die Ballfänger von heute als Libero agieren und dienen dabei als erste Anspielstation im Spielaufbau. Die Frage, die sich alle Trainer permanent stellen: Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf? An welchen Stellschrauben kann weiter optimiert werden? Natürlich – Weltklasseleute wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi werden immer wieder neue Tricks und Techniken (er)finden, sich technisch weiterentwickeln. Aber in Sachen Tempo, Dynamik, Sprintschnelligkeit und Antritt scheint man – derzeit zumindest – fast am Maximum angekommen zu sein. Ruhigen Ballbesitz haben die Mannschaften, wenn überhaupt, nur noch in der eigenen Hälfte. Sobald das gegnerische Terrain betreten wird, muss es blitzschnell gehen. So schrieb die „TAZ“ im Februar des vergangenen Jahres, dass ein Akteur 2005 noch im Schnitt 2,7 Sekunden brauchte, um den Ball anzunehmen, zu schauen und zu passen – dies passiert heute im Schnitt schon innerhalb von 0,99 Sekunden. „Die Räume im Fußball werden immer enger und die Zeit wird immer knapper„, sagte Bundestrainer Joachim Löw noch vor der erfolgreich gestalteten WM in Brasilien. Immer wieder dreht sich dabei alles um das Wort „Zeit“. Sie steht im Mittelpunkt aller Überlegungen.

Umso wichtiger ist es also, die entscheidenden Prozentpunkte auf allen Ebenen herauszukitzeln. Thomas Schaaf geht daher bei Eintracht Frankfurt einen neuen, bislang – zumindest in der breiten Öffentlichkeit – wenig beachteten Weg. Der hessische Bundesligist ließ gestern die visuelle Wahrnehmung seiner Profis untersuchen. Dazu war die Augenoptikermeisterin Alexandra Römer mit ihrem Team aus Bremen nach Frankfurt gekommen. Diese Tests sollen den Adlern ermöglichen, sich künftig auf dem Spielfeld (noch) besser orientieren zu können. „95 Prozent der Bewegung wird durch das Auge koordiniert und kontrolliert„, sagt Römer in der Frankfurt Rundschau. Schaaf betritt hier kein Neuland, der Übungsleiter verordnete seinen Spielern diese Visualtrainings auch schon zu seiner Zeit beim SV Werder Bremen. In diesem knapp dreiviertelstündigen Training checkte die Funktionaloptometristin gemeinsam mit ihren Kollegen an sechs (die BILD berichtet von sieben) Stationen unter anderem die Reaktionsschnelligkeit der Augen, Augenfolgebewegung, peripheres und 3-D-Sehen. Das räumliche Sehen, welches von großer Bedeutung ist, soll damit geschult werden. Scharfe Pässe in die Tiefe, Entfernungen richtig einschätzen, die Geschwindigkeit des Ball einordnen oder auch lange Bälle korrekt berechnen – es muss schnell und exakt gehen, Ungenauigkeiten sorgen (zu) oft dafür, dass vielversprechende Angriffe im Sand verlaufen. Ein Zuspiel in den Rücken, unpräzise Bälle in die Spitze oder lange Pässe ins Nichts – wer schon auf dem Fußballfeld stand, weiß, wie eng es zugeht, was alles gesehen werden muss und in der Hektik dann eben übersehen werden kann.

PiazonUnd nicht jeder, so bestätigt Fitnesstrainer Christian Kolodziej, besitzt überhaupt dieses räumliche Sehen. In Dortmund beispielsweise, so Kolodziej, wurden solche Tests auch schon durchgeführt und tatsächlich verfügten zwei Spieler nicht über ein solches Sehen. Dabei handelt es sich aber auch um Nuancen, wie Römer sagt. Hochleistungssportler verfügen „über ein überdurchschnittlich gutes visuelles System„, das freilich „extrem gefordert“ würde. „Normal„, so die Optikerin, sei eine Sehleistung von 100 Prozent, Profis hingegen kämen auf „160 bis zu 200 Prozent„, ein Tischtennisspieler wie Timo Ball sogar auf überragende 265 Prozent. Man dürfe jetzt aber nicht erwarten, bremst Schaaf etwas aus, dass man sofort besser Fußball spielen werde. „Aber man fühlt sich danach sicherer. Und allein das ist schon ein Vorteil.“ Man könne eben auch gutes Sehen trainieren, findet der Coach. „Das Spiel an sich ist mit den Jahren immer schneller geworden, man muss es auch schneller wahrnehmen.“ Wer gut sieht, könne somit schneller richtig handeln. Das bestätigt auch Alexander Madlung bei BILD: „Ich habe das schon mal gemacht früher. Man lernt, warum Schwächen auftreten können.

So könne man gezielt an Schwächen und in einem ganz wichtigen Bereich weiter arbeiten. Denn der Faktor Zeit spielt im Fußball, wie die Zahlen bei der Ballverarbeitung zeigen, die entscheidende Rolle. Ein Spieler, der dann in diesen kurzen Zeiträumen die Übersicht behält und das Spiel „lesen“ und sehen kann, wird auf dem Feld höchstwahrscheinlich mehr richtig als falsch machen. Allerdings werden die Ergebnisse kurzfristig noch nicht weiterhelfen. Alexandera Römer wird zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen müssen, um die Tests auszuwerten. Damit die Hessen dann schon bald alles im Blick haben.

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