Martin Hinteregger zeigte immer vollen Einsatz für die SGE. (Foto: Heiko Rhode)

Für Martin Hinteregger ist das Europa League-Rückspiel ein besonderes. Schließlich kehrt der Verteidiger zurück an alte Wirkungsstätte. Bei RB Salzburg lernte er in der Nachwuchsabteilung das Fußballspielen und schaffte in der ersten Mannschaft den Durchbruch als Profi. Im Interview mit DAZN sprach Hinteregger jetzt ungewohnt offen über Druck und schlaflose Nächte, Heimat und die Eintracht, den Bergdoktor und sein Iphone 4. Wir haben die wichtigsten Aussagen für euch zusammengefasst.

Martin Hinteregger über…

…seine Jugend: „Deine  Freunde gehen mit 14 Baden sonntags, wenn schönes Wetter ist. Und du fährst mit dem Zug wieder nach Salzburg. Und denkst dir nur: „Kacke!“ Du darfst wieder eine Woche Therapie machen, in die Schule musst du auch wieder, wo es sowieso nicht optimal läuft. Es war nicht einfach. Aber ich hab mich zum Glück durchgebissen.“

…Heimat: „Wenn  es mir mal nicht gut geht, wir mal 2-3 Spiele verloren haben, dann muss ich weg. Kopf freikriegen, in den Bergen. Am liebsten bei mir daheim in Kärnten. Aber auch wenn es mal Tirol oder Salzburg ist. Und wenn es nur ein paar Stunden ist. Kurz hinfliegen, eine Nacht dort schlafen und wieder zurück. Und der Kopf ist wieder frei. So geht es mir. Deshalb ist das für mich eines der wichtigsten Dinge. Ich weiß, wo ich nach der Karriere wieder sein werde. Das ist  ziemlich sicher in Kärnten. Da muss ich meinem Papa danken. Mit 20 wollte ich ein Auto kaufen, aber wir haben von Salzburg Autos bekommen. Dann hat er gesagt: „sei nicht blöd, Junge. Bau dir zuhause ein Haus. Bei uns kostet der Grund ja nix. Bau dir da was hin. Dann hast du was, wo du hinsparen kannst und es abbezahlen kannst. Und lernst mit Geld umzugehen. Das war extrem wichtig. Jetzt bin ich richtig happy, dass ich daheim was habe. Jetzt wohnt meine Schwester mit ihrer Familie drin, das Haus ist so ein bisschen der Mittelpunkt, wo sich alle treffen. Deshalb war das sicher in den jungen Jahren außerhalb vom Fußball die beste Entscheidung.“

…seine Zeit in Salzburg und den ersten Trainer Huub Stevens: „Er hat einfach nur gesagt: ‚Du kannst gar keine Fehler machen. Wenn du ein Fehler machst, dann ist es mein Fehler.‘ Das war so wichtig dieser Satz. Du bist 18, am Anfang war noch große Nervosität, dann sagt er den Satz. Dann hab ich Leistung gebracht. Der Austausch war immer gut. Huub Stevens war als erster Trainer einer der wichtigsten, das wird er immer bleiben.“

…seine erste Bundesligastation in Gladbach: „Ich denke, es ist nicht gut gelaufen. Ich hab es gewusst, dass ich die Leistung nicht bringen kann.  Da wusste ich, dass es an mir liegt. Deswegen wurmt es mich noch heute, dass dieses halbe Jahr nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich denke, Max Eberl und Steffen Corell haben viel in mich gesetzt, wollten das wohl auch machen mit der Kaufoption. Aber ich habe gewusst, ich war nicht in Form, so wie ich spielen kann. Das tut mir noch weh und Leid, dass ich nicht das habe bringen können, aber es war jetzt nicht grottenschlecht, es war ganz okay.  Danach zurück in Salzburg war schon mal eine kurze Phase, wo ich dachte: ‚Schaffst du es, oder schaffst du es nicht?‘ Das hat mir der Trainer Oscar Garcia  so signalisiert. Dem war egal was war. Er hat gesagt: ‚Gib Gas und ich unterstütze dich‘. Und so war ich wieder in der Lage meine Leistung zu bringen und es kam zum Wechsel nach Augsburg.“

…seine Zeit in Augsburg und Trainer Manuel Baum: „Ich wollte zu früh zu viel. Ich bin keiner, der gerne gleichen Ziele hat und stehen bleibt. Klassenerhalt reicht mir und alles gut. Ich wollte weiter, in Europa League, international spielen. Ich war böse auf mich selbst, warum kann ich nicht so Fußball spielen, wie ich eigentlich spielen kann. Irgendwann sah ich dann: vielleicht liegt es auch am Trainer. Es war bestimmt ein bisschen meine Schuld, aber von 10 passen einfach 9. Das ist ganz menschlich. Von 10 Chefs sagen dir halt 9 zu und einer nicht. Das ist in jeder Firma so. Bei uns als Fußballer ist das was Außergewöhnliches. Viele werden sagen, dem war alles scheißegal, aber die haben mich falsch eingeschätzt, weil ich brutal ehrgeizig bin. Mich stört es extrem wenn man Spiele verliert. Ich wollte schon weiter. Ich gebe jetzt vielleicht nicht so viel Gas in der Kraftkammer oder bin außerhalb der absolute Vollprofi. Aber ich weiß was ich brauch um Leistung zu bringen. Deshalb kommt von mir oft diese Scheißegal-Mentalität. Aber das ist genau was mir hilft. Um Topleistungen zu bringen. Selbst wenn viele sagen, du hast ein gutes Spiel gemacht, bin ich unzufrieden. Das sind dann die Nächte, die mich nicht schlafen lassen.

…Druck und schlaflose Nächte: „Wenn man sportlich eine gute Phase hat, dann ist es einfacher. Aber im Großen und Ganzen ist es schon ein großes Problem, wo ich nicht zu feige war, mir Hilfe zu holen, mit einer Psychologin zu sprechen. Es waren Phasen dabei, wo ich am Tag 1, 2 Stunden geschlafen habe, im Bett gelegen habe und Kopfkino hatte. Das macht dich fertig. Ich denke es gibt extrem viele, nicht nur Fußballer, die in diesen Drucksituationen sind.  Wie geht ein Ronaldo, ein Toni Kroos oder die Spieler von Bayern mit Druck um? Dann denk ich mir: beruhig dich mal, du spielst zwar bei Frankfurt, was top ist, aber du bist jetzt kein Star. Aber im Grunde genommen ist es so: Schwäche zeigen  oder was zu machen, was nicht Fußballer like ist, wird kaum angesprochen. Jeder muss da seinen Weg finden und ich habe auch meinen gefunden. Jetzt habe ich wieder ein normales Schlafverhalten, das ist auch gut so.  Das merkt man schon, was die Leistung und Regeneration geht.

…sein Image als Skandalprofi: „Die Medien denken zwar, ich habe ein schlechtes Image. Aber den Leuten gefällt das. In den Medien heißt es: Skandal! Aber ein Skandal ist wenn man richtig was mit dem Gesetz scheiße baut oder so richtig scheiße baut. Aber wenn man keinem Menschen weh tut, ist das doch nur menschlich. Ich bin komisch, so würde ich es darstellen. Ich bin einer, den es selten gibt in dieser Branche. Ich frage mich  das öfters selber. Denke, ich bin doch ganz normal, was reden die alle.  Ich denke mir, du kannst doch nicht 3 Tage vor dem Spiel Geburtstag feiern gehen. Aber ich hab keinem weh getan, keinen niedergeschlagen. Ich war Geburtstag feiern und in Österreichs Medien war das der größte Skandal, den es gibt, oder das größte Problem. Wenn das das größte Problem ist, dass einer Geburtstag feiert, dann geht’s uns allen gut.“

…Frankfurt und die Fans: „In Frankfurt gibt es Eintracht Frankfurt. Dann gibt es noch eine schöne Innenstadt. Frankfurt ist top, wie Bayern, die halb Österreicher sind. Ich hab mich auf Anhieb mit jedem verstanden, sie verstehen mich auch meistens. Gar nicht so einfach. Aber ich bemühe mich. Ganz langsam krieg ich sogar was auch Hessisch hin. Ich fühle mich hier auch Zuhause, was nicht oft der Fall ist. Hessen war Liebe auf den ersten Blick. Deswegen war im Sommer klar, als ich wieder nach Augsburg musste, es gibt nur Frankfurt. Ende der letzten Saison hab ich das ja öfter gesagt, weil es einfach eine besondere Chemie war. Andere haben halt mehr Abstand zu den Fans, was auch okay ist. Ich bin halt extrem nah. Ich wundere mich, wenn Leute zu mir kommen und sagen: ‚Herr Hinteregger‘. Dann sag ich Martin, bitte. Oder Hintiarmy oder Hinti noch lieber. Ich sehe mich überhaupt nicht als Fußballer. Letztens habe ich eine  ältere Frau getroffen, hab mit ihr nur 30 Sekunden gesprochen an der Ampel. Eine Woche habe ich einen netten Brief bekommen, dass das nett war und ich eine Bereicherung für Eintracht Frankfurt. ‚Bleiben Sie so sympathisch‘, schrieb sie. Da denk ich mir: voll nett. Das zeigt schon, dass ich in der Sicht einiges richtig mache.

…die Perspektive in Frankfurt: „Die Saison ist bisschen bezeichnend. Einerseits schlagen wir Bayern, dann verlieren wir die einfachsten Spielen. Wo stehen wir eigentlich, das wissen wir oft selber nicht. Wir haben hohe Ziele, der Trainer gibt hohe Ziele vor. Auf die nächsten Jahre gesehen, will die Eintracht sich stetig oben festsetzen. Wenn man gesehen hat was nach dem Pokalsieg los war, ist ein Titel zu gewinnen in Frankfurt brutal viel wert.“

…Social Media: „ Ich hab immer noch mein Iphone 4, da lachen immer alle. Das es das gleiche wie ein Nokia wäre. Wenn du scheiße spielst, und was Glückliches postest – dann passt das irgendwie nicht. Deswegen ist Social Media für mich gefährlich. Ich bin nicht neugierig. Ich denke viele sind neugierig, was die anderen machen oder du möchtest dich in Szene setzen, zeigen wie cool du bist. Das Verlangen habe ich auch nicht. Dann setz ich mich lieber nach einem verlorenen Spiel mit zwei Freundin hin und trink ein Bier, als 100.000 Kommentare durchlesen. Die Welt ist schon ein bisschen verrückt.“

…seine Zukunft: „Ich beneide die Profi-Fußballer, die mal gearbeitet haben. Der hat das gelernt, oder gearbeitet, bevor er Profi wurde. Der weiß das viel mehr zu schätzen, wie gut es uns geht. Das hätte ich auch gerne mal erlebt: den Unterschied zwischen einem normalen Beruf und dem eines Fußballers. Ich kenne nix anderes als Profi. Das tut weh. Ich hab jetzt schon ein bisschen Angst wie es ist, in 6-7 Jahren in die Berufswelt einzusteigen. Leute die im Pflegeheim arbeiten, das sind brutale Berufe. Dass die dann eigentlich kaum Anerkennung bekommen, das ist schade.

…Heimweh und den Bergdoktor: „Wenn man viel in Deutschland unterwegs ist, hat man manchmal vielleicht auch Heimweh und möchte in die Berge, bisschen den österreichischen Flair genießen. Für mich war das perfekt zum Einschlafen. Ich habe mir immer ein, zwei Folgen angeschaut, dann konnte ich super schlafen. Ich würde echt gerne mal Hans Sigl treffen, mit ihm mal was trinken. Oder Mark Keller, seinen Schauspielkollegen. Das wäre mal richtig cool. Die kommen in der Serie so locker und lustig rüber. Die haben mir viele Stunden geschenkt. Ein Stück Heimat.“

…Quetschen: „ In Salzburg hatte ich einen Top-Lehrer, die ersten 3,4,5 Stunden. Dann bin ich nach Deutschland gegangen. In Bayern war es noch ok, aber in Frankfurt? Wenn wer ein Ziehharmonika-Lehrer kennt, dann sagt mir Beschied. Ist denk ich nicht so einfach. Ich glaub nicht, dass wer  in der Mannschaft weiß, dass ich Ziehharmonika spiele. Ich hoffe mal, dass wenn wir Pokalsieger werden oder einen Titel gewinnen, dann spiel ich mal auf. Dann muss ich was einstudieren. Jetzt lerne ich gerade den Schneewalzer. Das ist ein fantastisches Lied. Das Singen wir nach jedem Sieg quasi auch im Eintracht-Stadion. Ich will alles Mögliche ausprobieren solange ich jung bin. Manchmal möchte ich zu viel, dass ich nicht an einem dran bleibe und das dann durchziehe. Jetzt habe ich mich auf Ziehharmonika und Flugschein spezialisiert, das will ich durchziehen, dann kommen wieder neue Ideen.

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8 Kommentare

  1. Sauber geerdet. Hinti, kannst Deine Karriere gerne bei uns ausklingen lassen und dann nach Kärnten gehen.

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  2. Ausgesprochen sympathisches Interview bei DAZN, auch meines Erachtens vom Konzept gut gemacht.

    In solchen Interviews merkt man auch, dass der Flughafen, wie auch bei Boateng, definitiv ein Wettbewerbsvorteil ist.

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  3. Ein extrem seltener und bemerkenswerter Zeitgenosse im Fussballergeschäft, hoffe dass er noch lange den Adler auf der Brust trägt!
    OK, de Bergdoktor als Lieblingsserie zu haben ist natürlich grenzwertig….aber bei seinem Background verziehen! 🙂

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  4. Wird spannend werden, wann das Spiel neu angesetzt wird.
    Nächste Woche Pokal und die Woche drauf ist dann eigentlich schon das Achtelfinale?!?!
    Entweder setzen Sie es direkt morgen oder übermorgen an und Salzburg und die SGE müssen Ihre Ligaspiele verschieben oder unser Pokalspiel muss verschoben werden. Das wäre aus meiner Sicht noch die sinnvollste und sinnvollste Lösung.

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