Der 29. Mai 1985 ist ein Tag in der Geschichte des Fußballs, der den Sport tiefgreifend verändert hat. Vor fast genau 30 Jahren trafen Juventus Turin und der FC Liverpool im Europapokalfinale der Landesmeister in Brüssel aufeinander. Das sportliche Geschehen rückte sehr schnell in den Hintergrund, der 1:0 Siegtreffer für die „alte Dame“, erzielt durch Michel Platini, verkam in der Nachbetrachtung zur Randnotiz. Mittags schon randalierten betrunkene Fans in der Innenstadt. Eine Stunde vor Beginn des Endspiels begannen die Anhänger von Juventus im Stadion mit Steinen und Leuchtraketen zu werfen. Die Anhänger der „Reds“ antworteten ihrerseits mit Leuchtraketen und Schmähgesängen. Die Lage eskalierte spätestens dann, als Anhänger Liverpools in den benachbarten Block Z stürmten und dort die Fans des italienischen Topklubs aufschreckten. Die Tifosi, die eigentlich nie in diesem Block hätten stehen dürfen,verfielen in Panik. Weil das Stadion in Brüssel den Sicherheitsanforderungen nicht entsprach und der Block Z nur unzureichend gesichert war, kam es schließlich zur Katastrophe. Eine brüchige Mauer stürzte endgültig ein, es waren weder Polizisten noch Sanitäter anwesend, 39 Menschen kamen ums Leben, 454 trugen Verletzungen davon.
Die Partie fand trotzdem statt, zu viel Angst hatten die UEFA, die Polizeileitung und der Oberbürgermeister von Brüssel vor einem Abbruch. Im Nachhinein wurden 14 Hooligans zu Haftstrafen bis zu drei Jahren verurteilt. Der belgische Staat zahlte den Hinterbliebenen Entschädigungszahlungen in Höhe von umgerechnet rund 1,25 Millionen Euro. Einerseits schadete diese Katastrophe dem Ruf des Fußballs, der damals noch nicht annähernd die heutige Anerkennung in der Gesellschaft hatte. Andererseits aber führte sie zum Umdenken. Solch eine fatale Massenpanik sollte nicht noch einmal ausbrechen. Thomas Schneider, in den 80er-Jahren Streetworker in Hamburg und seit 2006 Leiter der Abteilung Fanangelegenheiten bei der DFL, befasst sich bereits seit Beginn der 80er-Jahre mit diesem Thema. Zusammen mit seinem Kollegen Ben Kandler (geb. Vogt), von 2009 bis 2012 als hauptamtlicher Fanbeauftragter bei Eintracht Frankfurt tätig, sprachen sie mit SGE4EVER.de über die schwierige Arbeit der Fanbeauftragten. Kandler ist seit drei Jahren Referent bei der DFL. Er ist einer mit „Stallgeruch“, wie es in der Fußballersprache so schön heißt. Mit der Arbeit bei Vereinen und deren Problemen, ist er vertraut. Sein Abschied im Sommer 2012 wurde bei den Fans der Hessen bedauert, seine gute Arbeit immer wieder gelobt. Zunächst aber sprach Schneider über die Entwicklung in der Fanarbeit. Der anerkannte Erziehungswissenschaftler war daran beteiligt, dass erste Fanprojekte entstanden und ab 1993 sollte er in Frankfurt ein flächendeckendes Fannetzwerk entwickeln. Auch der DFB hatte erkannt, dass in diesem Bereich Nachholbedarf bestand. Der Auftrag wurde unmissverständlich formuliert, wie Schneider mit einem Grinsen wiedergibt: „Findet Wege, wie man mit Formen präventiver Jugendarbeit dazu beitragen kann, dass Fans nicht zu Kriminellen werden.“
Diese schwierige Arbeit musste erst einmal angestoßen werden. Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf globaler Ebene. „Wir haben Erfahrungen bei internationalen Einsätzen in Italien, Portugal, Schweden, England, Belgien und den Niederlanden gesammelt“, erklärt Schneider (siehe Foto links) und beschreibt die Schwierigkeiten, mit denen man zu kämpfen hatte. „Wir haben gelernt, dass eine Gruppe, die sich eigene Rechte gibt und die Menschen um sich herum nicht versteht, Irritationen hervorruft, die dann oft in Eskalation münden. Wir mussten also mit ganz banalen Dingen wie Informationen und Service Verhaltenssicherheit schaffen.“ Das Ergebnis dieser langfristigen Arbeit war dann das als „Sommermärchen“ bekannt gewordene WM-Turnier in Deutschland. Das Motto „zu Gast bei Freunden“ wurde gelebt und so erlebten Besucher eine friedliche Weltmeisterschaft. Von den Stadien, die im Laufe der Jahre zu Arenen umgebaut wurden, schwärmen Besucher aus aller Herren Länder. Der Besuch eines Bundesligaspiels sei inzwischen zu einem tollen Ereignis geworden, freut sich Schneider.
Die Deutsche Fußball Liga verstand frühzeitig, dass es für diese präventive Arbeit Experten brauche. Von 2005 bis 2012 war Holger Hieronymus Geschäftsführer bei der DFL. Er ging auf Schneider zu, um diesen für die Fanangelegenheiten der DFL zu gewinnen. Anfangen konnte er dann erst nach der WM 2006, die als großer Wendepunkt in der Entwicklung des Fußballs in Deutschland gelten kann. Mit den neuen Arenen veränderte sich nämlich der ganze Sport. Die Zuschauerzahlen schossen in diesem Zeitraum in die Höhe. In der Rekordsaison 2011/12 kamen im Schnitt 45.116 Zuschauer ins Stadion, generell besuchen pro Spielzeit über 42.000 Personen die Bundesligapartien. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren, in der Saison 1994/95, kamen durchschnittlich noch rund 30.054 Besucher in die, damals noch sehr weitläufigen, Stadien. Diese Tatsache verdeutlicht die Komplexität, mit der die DFL und die Vereine zu kämpfen haben. Ob Bundesliga, 2. Bundesliga oder auch die 3. Liga – an Samstagen befinden sich auf Deutschlands Autobahnen und Bahnnetzen Hundertausende Fußballfans.
6 Kommentare
OT: Krasses Trainerkarussell heute.....
Leider ohne uns, also ungeil!
weißt du, ob wir da nicht auch noch involviert werden?! :-) aber spass beiseite, weil ich mich auch ab und an mit anderen Mannschaften beschäftige (ohne mein herz hierher zu verlieren-versteht sich) finde ich es schon krass.
und wenn ich den HSV als Beispiel nehme bin ich auch heilfroh, dass es bei uns leicht ruhiger ist.....
OT:
@ Redaktion:
Wäre doch ne Idee hier auch ne kleine Rubrik für solche sich überschlagenden Ereignisse noch einzuführen.
Muss ja nicht jeder Mist über andere Vereine aufgeführt werden, aber solche Dinge, die selbst Eintrachtfans interessiert, die sich normalerweise nur für die Eintracht interessieren fände ich persönlich gut. :-)
Nur als kleine Idee... ;-)
Yau!
Ähm, das ist aber nicht ganz richtig. Es waren Polizisten anwesend, die standen mit voller Panzerung untätig im Innenraum....
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