Axel Hellmann zieht ein gemischtes Jahresfazit für 2021. Er glaubt jedoch an die Zukunft der SGE. (Bild: Heiko Rhode)

Ein ereignisreiches Jahr geht am Freitag zu Ende. Ereignisreich nicht nur aus gesellschaftlicher Sicht – mit einem Coronavirus, das nach wie vor den Alltag der Menschen bestimmt. Sondern auch sportlich aus Sicht der Frankfurter Eintracht: Im Frühsommer fast in der Champions League gelandet, gab es danach einen Wechsel in der sportlichen Leitung, der nach anfänglichen Schwierigkeiten langsam aber sicher Früchte trägt. „Es ist gemischt. Es gibt kein gut und kein es war schlecht“, fasst Axel Hellmann, der Vorstandssprecher der Eintracht, sein Fazit der letzten zwölf Monate zusammen. Sportlich sei Eintracht Frankfurt hinter Bayern München und Borussia Dortmund 2021 das stärkste Team gewesen: Ohne Corona-Beschränkungen hätte man große Feste gemeinsam mit den Fans im Frankfurter Stadtwald feiern können, sagt der Vorstand im vereinseigenen Podcast „Eintracht vom Main“. „Es wird eine Zeit brauchen, bis diese breite Emotionalität wieder alle so erfasst hat, wie es vorher der Fall war.“ Er ist sich aber sicher: Wenn ein Klub das schaffen könne, dann die SGE.

„Frauen-Profis machen mir sehr viel Freude“

Die größte Entdeckung 2021 ist für Hellmann die Frauen-Mannschaft. Ihn habe es positiv überrascht, wie schnell die Integration der Frauen in die Strukturen der Eintracht funktioniert habe. Dabei sei der Einzug ins DFB-Pokalfinale nur ein Sahnehäubchen auf ein insgesamt für den Frankfurter Frauenfußball sehr erfolgreiches Jahr gewesen. Hellmann: „Unsere Frauen-Profis machen mir sehr viel Freude. Das ist super Fußball. Die Mannschaft ist eine geile Truppe!

20-30 Millionen Euro Verlust – mindestens

Bei aller Freude steht die Eintracht allerdings weiterhin vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Zuschauerbeschränkungen im Stadion kosten die Adlerträger eine Menge Geld, bei den nun bevorstehenden Geisterspielen im Januar wird die Situation noch beklemmender für den Verein. Hellmann rechnet mit einem „Verlust von deutlich über 20 Millionen Euro“, es könnten aber auch schnell 30 Millionen Euro und mehr werden. Beträge, die durch Transfererlöse realistisch nicht mehr kompensiert werden könnten. Kapitalerhöhungen bei der Fußball-AG wolle er zwar „nicht gänzlich ausschließen“, jedoch zuvor alle erdenklichen internen Stellschrauben drehen. Hilfreich wäre es gewiss, im neuen Jahr möglichst weit in der Europa League zu kommen, die Sponsoren weiter an sich zu binden und kostenbewusst zu haushalten.

Politik trage „zu 100%“ Verantwortung für Versäumnisse

Im Großen und Ganzen steht Hellmann trotz alledem hinter den politischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus. Dass diese aber auch im Winter 2021/2022 noch notwendig seien, sei ein Versäumnis der Politik – „und zwar zu 100 Prozent“. Aus seiner Sicht hätten im Frühsommer bereits für den Herbst und Winter Maßnahmen anlaufen müssen, stattdessen seien die Vorbereitungen dem Bundestagswahlkampf zum Opfer gefallen. Ab Mai, Juni sei viel zu wenig passiert.

Profi-Fußball als Vorreiter für die Impfkampagne?

Hellmann hätte sich eine größere Rolle des Profi-Fußballs bei der Impfkampagne vorstellen können. Der 50-Jährige über seinen Wunsch an die Politik: „Nutzt den Fußball, um die Gruppen, die an dem Fußball hängen – nicht nur die Hardcore-Szene –, davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Wir hätten hier ganze Impfstraßen entstehen lassen können. Können wir immer noch. Aber ich sage mit Blick auf die Situation, in der wir stehen: Warum hat niemand von staatlicher Seite, der ein Impfinteresse hat, frühzeitig mit den großen Anlaufpunkten [wie Bundesliga-Vereinen] gesprochen?

Zu viele bürokratische Hürden

Den Stadionbesuchern hätte man gerne ganze Impfstraßen angeboten und der Politik den Fußball als Plattform für die Impfkampagne zur Verfügung gestellt, sagt Axel Hellmann. (Foto: Heiko Rhode)

Erst jetzt passieren mit Blick auf die Omikron-Variante und der prognostizierten fünften Welle Vorbereitungen, die vor vier Monaten hätten bereits anlaufen müssen. Der gelernte Jurist berichtet: „Am Gesundheitsamt Frankfurt wird es nicht scheitern – das weiß ich jetzt schon.“ Vielmehr sei das Regionalitätsprinzip pragmatischen Lösungen im Wege: So hätte man sich vor einem halben Jahr etwa mit der Frage beschäftigen müssen, ob der „Frankfurter Impfstoff“ überhaupt an Fans aus der Wetterau verimpft werden dürfte. Hellmann nennt diese Bürokratie „Blödsinn“. Und kritisiert: „Wenn wir so arbeiten, bei überregionalen Magneten wie Eintracht Frankfurt, und aussortieren müssen, aus welcher Gemarkung kommt einer – Leute, dann gehen wir mit der Pandemie falsch um. Das darf keine Rolle spielen! Da muss es zentral eine Lösung geben. Das kann man zumindest hessenweit vertreten. Und selbst wenn einer aus Rheinland-Pfalz oder Bayern zu uns kommt, also aus Mainz oder Aschaffenburg – ja, dann impfen wir den mit! Da wird mir zu kleinkariert gedacht und geplant. Ich weiß, dass die Rechtslagen so sind. Aber das ist die Aufgabe der Politik, das so zu ändern und zu lockern, dass man Effektivität hinbekommt.

Hellmann wirbt für die mainaqila-App

Im Hinblick auf die digitale Registrierung oder zumindest auf den Nachweis des Impfstatus von Zuschauern hat Hellmann eine klare Haltung. Er prognostiziert: „Die nächsten Jahre werden wir mit einem Impfstatus in unserer digitalen Welt umgehen müssen. Sonst werden die Spiele nicht stattfinden können.“ Ein Instrument, um den Impfstatus nachzuweisen, ist die vor einigen Monaten eingeführte App „mainaqila“. Damit als geimpft registrierte Stadionbesucher können gesonderte Eingänge nutzen, quasi eine „Fast Lane“ wie am Flughafen. Der Marketingvorstand erklärt, Gedanke hinter der vereinseigenen App sei der Ansatz „Herr der eigenen Daten zu bleiben“. Die Daten würden nicht in China oder in den USA, sondern bei Eintracht Frankfurt gespeichert. Würde die Eintracht solche Lösungen nicht selbst forcieren, kämen über kurz oder lang Anbieter von außen, die womöglich ein anderes Prinzip und andere Datenstandards verfolgen würden als die SGE. Die Eintracht hingegen sei ihren Mitgliedern verpflichtet.

„Mehr Wetterau, weniger Asien“

Neben der Digitalisierung möchte Hellmann den Verein auf zwei weiteren Feldern weiterentwickeln. Erstens setzt sich die Eintracht, gemeinsam mit der gesamten Bundesliga, für 2022 einen Schwerpunkt beim Thema Nachhaltigkeit. Konkret ist in Frankfurt beispielsweise vorgesehen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge am Stadion, Proficamp und am Riederwald zu installieren. Zweitens wolle man einen Fokus auf die Regionalität setzen. Hellmann stellt das Projekt unter die Überschrift „Mehr Wetterau, weniger Asien“. Sowohl die Profi-Teams der Männer, der Frauen als auch die Traditionsmannschaft sollen sich ab Januar mehr in der Region und mit örtlichen Vereinen zeigen. Hellmann verspricht sich davon einen „Neustart ab Sommer“ für den ehrenamtlichen Fußball, damit regionale Strukturen nicht zerstört werden, die unter der Corona-Pandemie zunehmend leiden. Ganz wolle man auf die internationale Vermarktung jedoch nicht verzichten, auch wenn das Augenmerk demnächst ein anderes sei: Mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2026 in den USA und auf den asiatischen Markt wird die Fußball-AG weiter versuchen, Eintracht Frankfurt als Marke zu etablieren.

Schwarze Sitzschalen mit dem eigenen Namen

Bis zur EM 2024 im eigenen Lande wird das Waldstadion erweitert – und mit neuen, schwarzen Sitzschalen ausgestattet. (Foto: Heiko Rhode)

Noch vor 2026 soll sich aber auch etwas im Stadtwald tun. Trotz Corona-Pandemie halte man gemeinsam mit der Stadt Frankfurt an den Plänen fest, das Waldstadion auszubauen und zu erweitern. Genauere Aussagen zum Zeitplan könne er nicht machen, sagt Hellmann im Podcast. Das sei aber weniger der Pandemie, als vielmehr der momentan starken Nachfrage im Bauwesen geschuldet. Klar sei aber, dass die Arbeiten pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft 2024 im eigenen Land beendet sein müssten, sodass 2023/2024 die Schlüsselsaison für Umbaumaßnahmen sein wird. Neben einer erhöhten Zuschauerkapazität soll es einen weiteren Vorteil durch die Erweiterung für die Fans geben: Die Sitzschalen sollen durch neue schwarze Schalen ersetzt werden. Man überlege, den Dauerkarteninhabern zum Beispiel zu ermöglichen, ihre Sitzschale mit dem eigenen Namen bedrucken zu lassen. Damit jeder Fan sagen kann: Hier fühle ich mich wie zuhause.

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3 Kommentare

  1. Ich habe mir das komplette Interview heute mal in Ruhe angeschaut und komme zu dem Ergebnis, dass wir sehr froh sein können, in Axel Hellmann einen absoluten Fachmann in dieser Position zu haben.
    Habe absolutes Vertrauen in ihn und freue mich auf 2022 mit tollen Erlebnissen rund um unsere Eintracht.
    Hier nochmal der Link zum Interview:

    https://m.youtube.com/watch?v=ROjTLDGeZfw

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  2. Finde ich auch alles miteinander eine gelungene Position von Eintracht, vertreten durch unsere Vorstände. Regional die Fan-Base zu entwickeln ist gerade vor dem Hintergrund der bröckelnden Ultras wichtig. Ich habe da mittlerweile so den Verdacht, dass die nicht mehr die gleichen sein werden, selbst es wieder mal Vollauslastung geben wird.

    Asien und Nordamerika sollte man darüber aber trotzdem nicht vergessen, nur eben auf Erhaltungsspannung weiter laufen lassen.

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  3. Diese ganze „mehr Wetterau, weniger Asien“-Nummer kommt mir irgendwie bekannt vor. Wurde etwas ähnliches in diese Richtung nicht schon vor 2, 3, 4 Jahren angekündigt?
    Weiß nicht mehr ob es von Hellmann oder Fischer war.

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