Timothy Chandler ist Fan der Eintracht-Frauenmannschaft. (Foto: IMAGO / HMB-Media)

Was in Fußball-Frankfurt derzeit passiert, ist schon außergewöhnlich. Sowohl die Herren-, als auch die Frauenmannschaft von Eintracht Frankfurt haben sich in diesem Jahr erstmals für die Champions League qualifiziert. Natürlich ist die Stimmung dementsprechend gut!

Gegenüber der „Sportbild“ äußerten sich nun Rechtsverteidiger Timothy Chandler und Stürmerin und Shootingstar Laura Freigang in einem Doppelinterview zur Lage.

Dass sowohl die Frauen- als auch die Männermannschaft gefeiert haben, sollt jedem klar sein. Jedoch stellte Chandler klar: „Die Frauen können mindestens so gut feiern wie wir. Vor allem haben sie auch bei unseren Partys mitgefeiert – in Barcelona und Sevilla haben sie uns vor Ort unterstützt. Da sieht man, wie wir bei der Eintracht zusammenhalten. Wir sind ein Verein – und leben das auch.“

„Ich hätte sonst nie die Chance bekommen, aus dem Pokal zu trinken. Blöd war nur, dass ich mir dabei fast einen Zahn ausgeschlagen hätte“ so Freigang. Auch erzählte sie, wies kam, dass so viele Spielerinnen der Eintracht dem „Jahrhundertspiel“ gegen den FC Barcelona im Camp Nou beiwohnten: „Man hat uns gesagt: ‚Wir fahren jetzt alle nach Barcelona‘, der Vorstand hatte uns alle eingeladen. Wir haben nicht groß diskutiert und saßen sofort im Flieger.“ Und ein besonderen Liebesbeweis für die Region schob die 24-Jährige noch hinterher: „vor dem Finale in Sevilla habe ich mir ein Tattoo mit ,069` (Telefonvorwahl von Frankfurt; d. Red.) stechen lassen.“ 

Für Chandler ist aber auch klar, dass er sich dafür revanchieren wird. Er wird nach eigener Aussage definitiv im Stadion sein, wenn die Eintracht-Frauen zuhause in der Champions League antreten und ordentlich anfeuern. „Und wenn sie einen Titel holen, dann werde ich auch auf ihrer Party sein“, fügte der Gute-Laune-Bär der Eintracht an.

Auslosung und Bedeutung für den Klub

Freigang und ihre Mannschaft seien recht glücklich durch die Auslosung gekommen, so die Stürmerin. Mit Manchester City und Real Madrid seien zwei der stärksten Gegner nicht direkt in der Qualifikation zugelost worden. „Trotzdem haben wir eine ausgeglichene und anspruchsvolle Gruppe. Wir können es aber schaffen und wollen unbedingt in die Gruppenphase“ weiß die treffsichere Frankfurterin.

„Diese doppelte Champions League ist ein absolutes Märchen für die Eintracht. Wir Jungs wollen unsere Europa-Reise so lange wie möglich weiterführen. Zunächst einmal lautet aber unser Ziel, die Gruppenphase zu überstehen und weitere magische Europapokal-Nächte mit unseren Fans zu erleben“ fügte Chandler an. Was die Fans auf die Beine stellen, sei auch für Freigang manchmal unbegreiflich: „Das erlebt man nirgendwo sonst. Die Champions-League-Abende werden legendär. Und ich hoffe sehr, dass die Eintracht-Fans auch bei uns für solch magische Abende sorgen werden.“

Auch bei den Frauen sei ein solches Fanaufkommen durchaus möglich. Das Rezept dafür ist, laut Freigang, einfach: Das große Stadion und ein attraktiver Gegner. Und der Rechtsverteidiger springt ihr direkt zur Seite: „Das haben die Mädels verdient! Ich kenne den einen oder anderen aus unserer Fanszene und bin mir sicher, dass sie auch bei den Frauen etwas Großes auf die Beine stellen werden. Und damit zeigen, wie beliebt Frauenfußball in der Stadt und in unserem Verein ist.“ 

Das Leben als „Star“ in Frankfurt

Wenn Spieler der Frankfurter Eintracht privat durch die Stadt gehen, dann ist es ein ganz anderes Erlebnis, als wenn „normale“ Menschen das tun. Chandler beschreibt es wie folgt: „Es ist schwer, 100 Meter zu gehen, ohne angesprochen zu werden. Aber das ist Teil unseres Jobs. Ich mache total gerne mit allen Fotos und unterhalte mich mit jedem Fan. Mich berührt es, wie sie Fußball leben.“ Bei den Spielerinnen des Frauenteams ist dies noch ein wenig anders: „Ich kann entspannter weggehen. Aber es wird mehr. Teilweise werde ich sogar mit Maske erkannt und angesprochen. Es ist ungewohnt, aber cool“ so Laura Freigang.

Trotz der Bekanntheit weiß Chandler die Situation aber einzuordnen: „Das Level der Popularität ist bei uns noch angenehm. Ein Hollywood-Star wäre ich nicht gern.“

Fußball und das leidige Geld-Thema

Spricht man über Frauenfußball, so werden häufig Vergleiche zwischen den Geldmengen im Männer- und im Frauenfußball gezogen. Die Unterschiede sind eklatant. Aber Freigang sieht das ganze reflektiert: „Wo soll es herkommen? Wenn wir keine Millionen einspielen, kann man solche Beträge auch nicht ausschütten. Ich fände das gar nicht angemessen, das Gleiche wie die männlichen Fußballkollegen zu verdienen.“ Chandler hingegen wäre sogar bereit auf Geld zu verzichten, damit es den Frauen zugute kommt: „Wenn wir es schaffen, dass mehr Fans zu den Frauen ins Stadion oder vor die Fernseher kommen, dann wird auch zwangsläufig mehr Geld eingespielt. Für mich wäre es auch kein Problem zu sagen: Wir machen mit den Frauen halbe-halbe bei den Prämien.“ 

Diversität und Homosexualität im Fußball

Besucht man das Instagram-Profil von Laura Freigang so fällt direkt auf, dass die 24-Jährige häufig die Regenbogenfarben nutzt. Sei es auf ihren Schuhen, oder auch ihrem Profilbild. Diese Offenheit findet man im Männerfußball nicht. Warum sie das tut ist für Freigang eine klare Sache: „Ich finde es wichtig, meine Plattform zu nutzen. Es heißt immer, Deutschland sei offen. Aber diese Themen sind gerade im Sport noch lange nicht so weit wie in anderen Teilen der Gesellschaft. Die Fankultur bei den Männern ist mit schwierigen Regeln und Stigmata verbunden, gerade was vermeintliche Männlichkeit angeht. Das ist bei Frauen viel offener. Und unsere Hürden sind niedriger.“ Dies begründet die Spielerin damit, dass einfach weniger Aufmerksamkeit, Geld und Politik im Frauenfußball sei. Oder pragmatischer formuliert: „Wir können nicht so vielen Menschen auf den Schlips treten.“ 

Im Männerfußball hätte Chandler keinerlei Probleme mit Outings seiner Kollegen. Seine Vermutung, weshalb viele männliche homosexuelle Spieler sich nicht zu ihrer Sexualität bekennen, ist, dass viele wohl Angst haben könnten, welche Reaktionen dies mit sich bringen würde. Aber auch ihm ist wichtig: „Aber ganz klar: Niemand verliert dadurch seine Männlichkeit!“

Die Zielsetzung ist für Laura Freigang in dieser Thematik glasklar: „Man kann keinen zwingen. Aber wir alle müssen eine Kultur schaffen, in der ein Outing möglich ist.“

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13 Kommentare

  1. Klasse Interview einfach Eintracht. Ihr hättet in der Überschrift aber Laura such erwähnen dürfen.

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  2. Ja klar, wenn jemand als Shootingstar bezeichnet wird, sollte der/die in die Headline …

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  3. «Nach dem Finale standen andere Dinge im Fokus, aber ich werde sicher mit der Trainerin noch ein Gespräch führen – wir pflegen ja eine offene Kommunikation.»

    Ich würde ihr empfehlen nicht allzu „offen“ zu kommunizieren. Die Trainerin wird Gründe haben, weshalb trotz Ausfall von Bühl und Popp andere Spielerinnen den Vorzug erhielten. In dieser Saison erstmal die Nominierung für die Natikonal11 durch Leistung bestätigen. Mehr auf dem Platz performen als durch influenzen, dann wird das schon.

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  4. Ein tolles Interview der Beiden!
    Im Großen und ganzen lässt sich da wenig hinzufügen oder diskuttieren – es sind ja sowieso ihre persönlichen Meinungen.

    Eine Sache würde ich aber gern zu Timmys Aussage „Aber ganz klar: Niemand verliert dadurch seine Männlichkeit!“ loswerden, und zwar:
    Diese Sorge haben – natürlich nur soweit ich es aus meinem persönlichen Umfeld heraus erlebe – geoutete oder nicht-geoutete homosexuelle Männer nicht, aber die Annahme dass es so sei, ist meiner Meinung nach Teil des Problems. Denn weder als Fußballer noch als Mann ist es wichtig, in den Augen anderer „besonders männlich“ zu sein.
    Dass Timmy (natürlich absolut wohlwollend gemeint) die Sorge davor als möglichen Grund fürs nicht-outing nennt, zeigt in meinen Augen, dass Laura mit ihren Aussagen „Die Fankultur bei den Männern ist mit schwierigen Regeln und Stigmata verbunden, gerade was vermeintliche Männlichkeit angeht.“ sehr viel mehr Recht hat, als ich beim ersten Lesen des Interviews dachte.
    Sorry, wenn das zu off topic ist, mir war es wichtig, diese beiden Aussagen hervorzuheben. Abschließend aber wie eingangs erwähnt: Tolles Interview!
    Gude

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  5. @4 Meiner Meinung nach verlässt sich die Bundestrainerin schon zu sehr auf ihren Bayern/Wolfsburg Block. Schüller hat im Finale gar nichts gerissen und Laura Freigang hat keine Chance bekommen, obwohl Laura nachweislich weiß wo das Tor steht.

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  6. Muss ehrlich sagen das ich angenehm von Laura Freignag überrascht bin wie reflektiert, sie das ganze sieht. sie ist für mich eine der wenigen die begriffen hat das bei uns im augenblick kaum jemand Frauenfussball sehen will und auch so nicht die summen generiert werden wie bei den Herren. Damit jetzt mal einige von ihrer Schnappatmung wegkommen das sagt nichts über die Qualität des Frauenfußballs aus. Die gleiche Bezahlung ist für mich noch Lichtjahre entfernt. Klar man könnte sagen Frauen bekommen die gleichen Gehälter im Fussball wie, die Männer. die folgen wären aber verherend, welcher Verein leistet sich dann noch eine Frauenmannschaft wenn es ein riesiges Loch in die Finanzen reißt?
    Und ganz ehrlich dieses Diversitäts und homosexuellen Toleranz Gequatsche geht mir gegen den Strich! Ich bin in den 80/90er aufgewachsen, da wurde das was jetzt mit Fahnen und kruden Gesetzen gefordert wird einfach gelebt.
    Es hat keinen Intressiert ob du schwul oder Lesbisch warst, Hauptsache du hast deine Leistung erbracht!
    Ich habe früher auch Pet Shop boys gehört, Freddie Mercury , okay George Micheal war nicht so mein Geschmack und Boy George war damals auch ein Exot, aber man hat sie einfach akzeptiert aufgrund Ihrer Leistungen und nicht weil Ihr Verdienst war Schwul zu sein!
    Wir haben einfach das gemacht was die heutige Generation nicht mehr hinbekommt und dafür Gesetze braucht.
    Es ist in meinem augen keine Leistung bie geferiert werden muss, wenn du eine bestimmte Sexuelle Vorliebe hast, sei es nun du Stehst auf Frauen, Männer, Latex, Lack, Dicke und dünne Frauen, große und kleine Brüste und was ich jetzt noch diskriminierenderweise vergessen habe.

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  7. Ich werde bestimmt zu einigen Spielen unserer Damenmannschaft gehen. Toll, dass die Eintracht den Frauenfussball in unserer Stadt gerettet hat. Frauen spielen für zuwenig Geld, etliche haben noch einen Zusatzjob.
    Der DFB müsste allerdings die Spiele im Damenfussball besser platzieren, um mehr Einnahmen/Vermarktungsmöglichkeiten erzielen zu können. Solange die (Männer)Bundesliga jedoch freitags, samstags und sonntags spielt, wird es schwierig bleiben für die Damen (und auch die Amateurmannschaften).

    Chandler, ein echt guter Typ, authentisch. Ihm nimmt man ab, was er von sich gibt.

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  8. @9
    Ich hoffe, dass es einige so sehen wie Du. Ich war noch nie bei einem Damenbundesligaspiel, freue mich entsprechend auf das Spiel gegen München und wünsche den Mädels, dass wir auch da ein kleines bisschen Eintracht Atmosphäre hinbekommen.

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  9. Laura hat es genau gesagt , es kann nur das bezahlt werden , was auch eingespielt wurde. Auf Clubebene trifft das absolut zu , anders sieht es beim DfB und den Nationalmannschaften aus , da hat der Verband schon eine viel größere Verantwortung.
    Eintracht stimmt mich aber zuversichtlich, denn wenn man etwas mehr über den Tellerrand schaut , kann man ein sehr breites und vielfältiges Engagement für den Frauenfussball feststellen, sportlich , aber auch im Marketing , bei Sponsoren und der Öffentlichkeitsarbeit.
    Ich denke hier ist ein Prozess in Gang gekommen, der rasanter sein wird als manche sich das heute noch vorstellen könnten.
    Erst aber heute mal das erste Spiel zur CL !
    Forza SGE !

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  10. Ich habe Laura mal ein Testspiel der Männer co-kommentieren hören. Da war ich schon sehr beeindruckt. Im Interview zeigt sie dann noch mal mehr, was für eine besondere Persönlichkeit sie mir ihren zarten 24 Jahren bereits ist, die man allein schon deshalb nicht mehr bei der Eintracht missen möchte/sollte. Als Shootingstar würde ich sie nur im wörtlichen Sinne bezeichnen. Von den üblichen hebt sie sich nämlich erfreulich ab.

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  11. @ruhrpottler:
    „Und ganz ehrlich dieses Diversitäts und homosexuellen Toleranz Gequatsche geht mir gegen den Strich! Ich bin in den 80/90er aufgewachsen, da wurde das was jetzt mit Fahnen und kruden Gesetzen gefordert wird einfach gelebt.
    Es hat keinen Intressiert ob du schwul oder Lesbisch warst, Hauptsache du hast deine Leistung erbracht!“

    1. Welche „kruden“ (also grausamen) Gesetze gibt es denn in Bezug auf Toleranz gegenüber Homosexuellen?
    2. In den 80/90ern wurde mitnichten gelebt, was heute gefordert wird. Vielleicht von dir und deinem Freundeskreis, aber nicht in der Gesellschaft insgesamt. Der Paragraph 175 hat homosexuelle Handlungen bis in die 70er komplett verboten und bis in die 90er nur Personen über 18 erlaubt (während heterosexuelle Handlungen ab 14 erlaubt waren), da man in Homosexualität eine Gefahr für die Jugend gesehen hat. In den 80er wurden Homosexuellen aufgrund ihrer Orientierung gekündigt, dürfen immer noch kein Blut spenden und werden diskriminiert. Eines DER Schimpfwörter an Schulhöfen und darüber hinaus ist „schwul“.
    Und genau aus diesen Grund trauen sich bis heute viele Menschen nicht, sich zu outen. Sehr viele Männer (auch die Heteros) haben fast panische Angst davor, für schwul gehalten zu werden. Und genau aus diesem Grund werden Personen, die sich trauen, sich zu outen von manchen Menschen gefeiert – nicht dafür, dass sie schul, lesbisch, bi oder was auch immer sind, sondern dafür, dass sie das öffentlich sagen.

    Und gerade im Fußball ist doch offensichtlich, dass unter den Spielern eine riesige Angst herrscht, die zu einem gewissen Grad auch berechtigt ist. Etwa 500 Spieler und alle hetero? Natürlich nicht. Aber es gibt eben keiner zu, weil er Angst vor den Fans hat, eventuell von Mitspielern (die ja auch teilweise in Ländern aufgewachsen sind, in denen Homosexualiät verboten ist und geächtet wird) und davor, dass er infolge dessen schlechtere Chancen auf dem Spielermarkt hat.
    Die sexuelle Orientierung bietet, wenn sie von der vermeintlichen Norm abweicht, einen Angriffspunkt, der gerade in Zeiten der sozialen Medien, von vielen genutzt würde.

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